Auflösung des Betriebsrats wegen Falschvortrags

LAG Hessen Az. 16 TaBV 3/21 vom 23. Aug. 2022

Der Fall: 

Der Betriebsrat hatte die Einstellung zweier Arbeitnehmerinnen abgelehnt und behauptet, die Ablehnungen seien fristgerecht per Einwurf-Einschreiben in einem kleinen Umschlag an den Arbeitgeber abgesandt worden. Tatsächlich befanden sich die Widersprüche jedoch in einem großen DIN A4 Umschlag, der erst nach Ablauf der Wochenfrist und damit verspätet abgesandt worden war. Der Arbeitgeber wies den Betriebsrat darauf hin, dass seine Behauptung zum Einwurf-Einschreiben nicht richtig sein kann und beantragte vor Gericht dessen Auflösung, nachdem dieser auch im gerichtlichen Verfahren von seinem Falschvortrag nicht abrückte.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Der Betriebsrat wurde nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aufgelöst. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht vereinbar sei, in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber einen bewusst unwahren Sachvortrag aufrecht zu erhalten und nicht zu korrigieren, obwohl der Arbeitgeber entgegenstehenden Tatsachenvortrag liefert, bei dem es sich geradezu aufdrängt, dass der zuvor erfolgte Vortrag des Betriebsrats nicht zutreffend sein kann. Insoweit folgt aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Verpflichtung des Betriebsrats auch gutgläubig gehaltenen Sachvortrag, der objektiv unzutreffend ist, in dem gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Arbeitgeber richtigzustellen. Auf die strafrechtliche Wertung als Prozessbetrug kommt es nicht an.

Um eine Auflösung des Betriebsrats zu rechtfertigen, muss eine Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ vorliegen. Begehen einzelne oder alle Betriebsratsmitglieder parallel Pflichtverletzungen, die nicht auf einem gemeinsamen Beschluss des Betriebsrats als solchem beruhen, kommt nur ein Ausschlussverfahren, nicht aber die Auflösung des gesamten Gremiums in Betracht. Allerdings kann eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ auch gegeben sein, wenn der Betriebsrat gesetzwidriges Verhalten einzelner Mitglieder oder seiner Ausschüsse billigt oder unterstützt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Der Ausschluss aus dem Betriebsrat stellt keine Sanktion aufgrund begangener Amtspflichtverletzung dar, sondern soll künftige Amtspflichtverletzungen verhindern. Es ist somit eine zukunftsgerichtete Betrachtungsweise anzustellen, weshalb es für entsprechende Beurteilung maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ankommt, nicht hingegen auf den der Verfahrenseinleitung.