Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung - Entfernung aus der Personalakte - Feststellungsantrag des Betriebsrats

LAG 8 TaBV 3/19 vom 3. Juli 2020

Leitsätze

1. Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt und Sanktionen nach § 23 Abs. 1 BetrVG androht (betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen), dürfen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit nicht in die Personalakten der Betriebsratsmitglieder aufgenommen werden. Die Betriebsratsmitglieder können die Entfernung der Abmahnungen aus ihren Personalakten verlangen und nötigenfalls im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen.

2. Mahnt der Arbeitgeber alle Mitglieder des Betriebsrats ab, kann der Betriebsrat als Gremium im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gleichwohl nicht im Wege des Feststellungsantrags die Unwirksamkeit der Abmahnungen geltend machen, da ein solcher Antrag auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens, nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zielt. Dies gilt auch, wenn – wie hier - in den angegriffenen Abmahnungen betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen angedroht werden. Die Möglichkeit des Betriebsrats, ein Unterlassungsverfahren gegen den Arbeitgeber nach § 23 Abs. 1 BetrVG einzuleiten, bietet ausreichenden Rechtsschutz (insoweit aA die Vorinstanz ArbG Stuttgart 30.04.2019 – 4 BV 251/18).

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.04.2019, Az.: 4 BV 251/18, teilweise abgeändert.

Die Anträge des Beteiligten Ziffer 1 werden zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte Ziffer 2 zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit und die Berechtigung der Beteiligten Ziffer 2 zum Ausspruch betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen.

Wegen des Vortrags der Beteiligten und der Sachanträge erster Instanz wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30. April 2019 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Anträge seien sämtlich zulässig und auch begründet. Die Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 (Betriebsratsmitglieder) könnten verlangen, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 aus ihren Personalakten entfernt würden. Sie könnten diesen Antrag im Beschlussverfahren verfolgen, auch wenn neben ihrer kollektiv-rechtlichen Position als Betriebsratsmitglied auch ihre individualrechtliche Position als Arbeitnehmer betroffen sei. Die Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 seien als Betriebsratsmitglieder auch antragsbefugt, da sie sich gerade in ihrer Funktion als Betriebsratsmitglieder eigener Rechte, deren Bestehen nicht von vornherein ausgeschlossen erscheine, berühmten. Die Abmahnungen seien bereits deshalb aus den Personalakten zu entfernen, weil die Beteiligte Ziffer 2 (im Folgenden: Arbeitgeber) den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrages nach § 23 BetrVG verknüpft habe und dies mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun habe. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass Personalakten, auch von Funktionsträgern, die Sammlung von Urkunden und Verträgen, welche die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse der Mitarbeiter beträfen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stünden, seien. Bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Abmahnungen nicht in die Personalakte aufzunehmen seien, wenn eine individualrechtliche Sanktion (z. B. eine Kündigung) angedroht werde, jedoch keine Verletzung arbeitsrechtlicher sondern nur betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten gerügt werde, weil damit individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichten unzulässig vermischt würden, liege auch im vorliegenden Fall (angebliche betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzung wird mit einer betriebsverfassungsrechtlichen Sanktion verknüpft) eine unzulässige Vermischung der Pflichtenkreise vor. Es sei inkonsequent, eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung in die Personalakte aufzunehmen, weil nicht das Arbeitsverhältnis als solches betroffen sei, sondern nur das kollektiv-rechtliche Verhältnis zwischen Betriebsrat bzw. Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass auch von einer solchen betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung ungerechtfertigte berufliche Nachteile ausgehen könnten, was gegen das Benachteiligungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen würde.

Auch der Feststellungsantrag des Beteiligten Ziffer 1 (Betriebsrat) sei in der vorliegenden Konstellation ausnahmsweise zulässig. Eine Elementenfeststellungsklage sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ausnahmslos unzulässig. Vorliegend bestehe ein praktisches Bedürfnis an der Zulassung der Feststellungsklage. Diese führe zu einer abschließenden Klärung der Rechtsstreitigkeit und stelle den sachgerechtesten Weg dar, dem Antragsbegehren des Betriebsrats Rechnung zu tragen. In der Sache gehe es dem Betriebsrat darum, ob die Abmahnungen vom 15. August 2018 für ein künftiges Verfahren nach § 23 BetrVG auf Auflösung des Betriebsrats bzw. Ausschluss der drei Mitglieder von Relevanz seien. Dies sei ein berechtigtes Interesse des Betriebsrats, denn der Arbeitgeber drohe hier mit dem Ausschluss aller dreier Betriebsratsmitglieder, was ein unmittelbarer Angriff auf das Betriebsratsgremium sei und nicht nur eine mittelbare Beeinträchtigung der Amtstätigkeit von Mitgliedern auf Grund der Furcht vor individuellen Sanktionen. Berühme sich der Arbeitnehmer aber eines Rechts zur betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung, so müsse auch dem Betriebsrat ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, hiergegen vorzugehen. Wegen der schwerwiegenden Folgen könne der Betriebsrat auch nicht auf ein künftiges Verfahren nach § 23 BetrVG verwiesen werden. Andererseits werde durch den feststellenden Beschluss abschließend geklärt, ob die Abmahnungen für ein künftiges Verfahren nach § 23 BetrVG relevant seien. Der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage sei hier nicht gegeben, weil der Betriebsrat keine Möglichkeit habe, die Abmahnungen aus Betriebsratsakten entfernen zu lassen, zumal fraglich sei, ob der Arbeitgeber überhaupt derartige Akten führe und diese jedenfalls nicht mit einer Personalakte vergleichbar seien. Auch ein Antrag auf Rücknahme der Abmahnungen sei nicht möglich, ebenso wenig ein Antrag auf Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen oder einer Rechtsansicht. Schließlich helfe dem Betriebsrat auch ein Unterlassungsantrag nicht weiter, weil es ihm nicht um künftiges Verhalten gehe, sondern die Rechtsmäßigkeit einer bereits begangenen Handlung geklärt werden solle.

Der Antrag sei auch begründet. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass viel dafür spreche, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen per se unzulässig seien. Diese seien nach der herrschenden Literaturansicht vor einem Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG weder erforderlich noch möglich. Für die Amtsenthebung sei stets eine besonders schwere Pflichtverletzung erforderlich, die unter Berücksichtigung aller Umstände eine weitere Amtsführung untragbar werden lasse; diese Anforderungen seien per se nicht vereinbar mit der Warnfunktion einer Abmahnung. Vielmehr könne ein Betriebsratsmitglied, dessen Pflichtverletzung das oben beschriebene Ausmaß erreiche, von vornherein nicht mit der Billigung dieses Verhaltens rechnen. Die Anerkennung einer Abmahnbefugnis für Pflichtverletzungen, die nicht für ein Amtsenthebungsverfahren ausreichten, stehe deshalb im Widerspruch zur gesetzlichen Wertung des § 78 BetrVG. Auch liege ein Wertungswiderspruch vor, wenn eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungsbefugnis nur dem Arbeitgeber aber nicht den sonst nach § 23 Abs. 1 BetrVG Antragsberechtigten zustehe. Soweit die Gegenansicht von einer Zulässigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung vor dem Hintergrund ausgehe, dass leichtere Pflichtverletzungen den Ausschluss rechtfertigen könnten, wenn sie mit Beharrlichkeit wiederholt würden und dies trotz eines Hinweises auf den Pflichtenverstoß und nach Ankündigung eines Ausschlussantrages wiederholt werde, sei eine solche Situation vorliegend nicht gegeben. Denn jedenfalls sei nicht jedes Verhalten abmahnungswürdig, vielmehr müsse eine gewisse Erheblichkeit vorliegen, die sich am Normzweck des § 23 BetrVG zu orientieren habe. Selbst die Befürworter einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung verlangten einen erheblichen Pflichtenverstoß, wenn nicht sogar einen groben Verstoß; das Gericht sei nicht dazu berufen, jeweils festzustellen, welches Verhalten ideal gewesen wäre. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien Sanktionen nur für grobe Verstöße vorgesehen, ein geringeres Fehlverhalten solle ohne Folgen bleiben. Es sei daher zu verlangen, dass ein Fehlverhalten vorliege, das bei wenigen Wiederholungen für einen Antrag nach § 23 BetrVG ausreiche. Im vorliegenden Fall seien die Betriebspartner sich uneinig darüber, wie die Gesamtbetriebsvereinbarung („die zurückliegenden vier Quartale“) auszulegen sei und über die Verpflichtung des Arbeitgebers, realistische und erreichbare Ziele zu definieren. Aufgabe des Betriebsrats sei unter anderem die Überwachung und Durchführung von Betriebsvereinbarungen. Er dürfe daher die betroffenen Arbeitnehmer auf die seiner Ansicht nach zutreffende Auslegung einer Betriebsvereinbarung hinweisen. Ebenso sei der Hinweis auf einen Konflikt mit dem Arbeitnehmer zulässig. Stelle der Betriebsrat im Konfliktfall betriebsverfassungswidrige Zustände fest, dürfe er die Arbeitnehmer auch über ihre individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten informieren. Ob die in den Anschreiben gewählte Formulierung „was uns helfen würde ...“ verbunden mit der Bitte, auch individuell den Zielen zu widersprechen, das Idealverhalten nach §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewesen sei, habe die Kammer nicht zu entscheiden. Jedenfalls rechtfertige auch eine Wiederholung dieses Verhaltens keinen Ausschluss eines Mitglieds oder Auflösung des Betriebsrats; eine „Untragbarkeit“ der Fortführung der Amtsgeschäfte durch den Betriebsrat oder eines seiner Mitglieder liege nicht vor.

Der Beschluss ist der Beteiligten Ziffer 2 am 9. Mai 2019 zugestellt worden. Mit ihrer am 31. Mai 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 2. August 2019 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist am 2. August 2019 ausgeführten Beschwerde rügt die Beteiligte Ziffer 2, das Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass vorliegend individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichten vermengt worden seien. Tatsächlich habe sie lediglich betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenverstöße gerügt, die vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. September 2015 sei deshalb nicht einschlägig. Den Beteiligten Ziffern 3 bis 5 drohten auch keine beruflichen Nachteile. Solche seien in den Abmahnungen nicht angedroht worden, es liege ein nicht gerechtfertigter Generalverdacht vor, dass sie als Arbeitgeber Betriebsräte unzulässig behandeln werde. Ein bloßer Verdacht reiche für die Annahme eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 78 BetrVG nicht aus.

Die Beteiligte Ziffer 2 meint, ein Entfernungsanspruch bestehe nur, wenn der abgemahnte Vorwurf tatsächlich nicht zutreffe.

Die Beteiligte Ziffer 2 meint, der Feststellungsantrag des Betriebsrats sei bereits unzulässig. Es gelte insoweit der Vorrang der Leistungsklage. Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Sachverhalts (ob die Beteiligte Ziffer 2 spezielle Akten über den Betriebsrat führe) könne nicht dazu führen, dass ein Feststellungsinteresse gegeben sei. Der Feststellungsantrag sei auch unbegründet. Tatsächlich seien betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen zulässig, was sich bereits aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1994 - 7 AZR 640/92- ergebe. Wenn dort von einer „in Aussichtstellung“ eines Antrags nach § 23 BetrVG die Rede sei, sei damit eine Abmahnung gemeint. Die Beteiligte Ziffer 2 meint, es gebe keine Erheblichkeitsschwelle für den gerügten Verstoß. Maßgeblich sei nicht nur die Warnfunktion, sondern auch die Hinweisfunktion einer Abmahnung. In bestimmten Fällen sei es sehr wohl denkbar, dass eine vorherige Abmahnung berücksichtigt werde, auch wenn diese einen weniger schweren Fall betroffen habe. Entscheidend für das erforderliche Gewicht des abgemahnten Pflichtenverstoßes sei stets der Wiederholungsfall. Eine Erheblichkeitsprüfung bei der Abmahnung scheide deshalb aus. Im Übrigen liege sehr wohl ein erheblicher Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten vor. Der Betriebsrat dürfe in einem Konflikt mit dem Arbeitgeber nicht Arbeitnehmer zu seiner Unterstützung gegen den Arbeitgeber aufrufen. Das monierte Mail des Betriebsrats verstoße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht, weil es unzulässig die Information der Arbeitnehmer über ihre individuelle Rechtsschutzmöglichkeit mit der Aufforderung, dem Betriebsrat zu helfen, verknüpfe, ohne dass die Konfliktlösungsmechanismen des Betriebsverfassungsgesetzes beschritten worden seien. Die Friedenspflicht werde bereits beeinträchtigt, wenn sich die Betriebspartner nicht der gesetzlichen Formen bedienten, um einen Interessenkonflikt zu lösen.

Die Beteiligte Ziffer 2 beantragt:

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1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 30. April 2019 - 4 BV 251/18 - abgeändert.

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2. Die Anträge der Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 werden zurückgewiesen.

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Die Beteiligten Ziffern 1, 3, 4 und 5 beantragen,

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die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. April 2019 - 4 BV 251/18 - wird zurückgewiesen.

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Der Beteiligte Ziffer 1 beantragt hilfsweise:

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Der Beteiligten zu 2 wird aufgegeben zu unterlassen, die Mitglieder des Beteiligten zu 1 in der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit zu behindern, indem sie behauptet, dass das Versenden der Email vom 27. Juli 2018 eine betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzung darstellt.

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Sie verteidigen den Beschluss des Arbeitsgerichts im Wesentlichen unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages und weisen darauf hin, dass die erteilten Abmahnungen sehr wohl die Gefahr in sich trügen, das berufliche Fortkommen der Beteiligten Ziffern 3 bis 5 de facto zu beeinträchtigen, auch wenn diese keine arbeitsrechtlichen Sanktionen zu befürchten hätten. Das Arbeitsgericht habe auch zutreffend erkannt, dass auch in der vorliegenden Konstellation individualrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Pflichten durch den Arbeitgeber in unzulässiger Weise vermischt würden.

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Der Betriebsrat 1 meint, im Gegensatz zu der vom Bundesarbeitsgericht am 9. September 2015 entschiedenen Fall (7 ABR 69/13) liege hier nicht nur die Begutachtung einer Vorfrage, sondern ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Dem Betriebsrat gehe es darum in der Sache festgestellt zu wissen, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 für ein künftiges Verfahren nach § 23 BetrVG ohne Relevanz seien. Da alle Mitglieder des dreiköpfigen Betriebsrats abgemahnt worden seien, liege ein Angriff auf das gesamte Gremium vor. Auch das Abmahnungsschreiben selbst führe als weitere Sanktion die Auflösung des ganzen Betriebsrats auf. Es sei daher durch das angestrebte „Feststellungsurteil“ abschließend zu klären, ob diese Abmahnung relevant seien oder nicht. Da die Abmahnungen allen Betriebsratsmitgliedern erteilt worden seien, sei zugleich eine unzulässige Behinderung des Betriebsrats in seiner Gesamtheit gegeben, weshalb der Betriebsrat selbst antragsbefugt sei. Der Betriebsrat meint, eine Leistungsklage sei in dieser Konstellation nicht vorrangig. Auch spiele es keine Rolle, ob die Beteiligte Ziffer 2 Akten über die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat führe. Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts sei nicht angezeigt gewesen. Dem Betriebsrat stehe kein anderer Antrag zur Rechtsverteidigung zur Verfügung als der streitgegenständliche Feststellungsantrag.

18 

Der Betriebsrat macht Ausführungen dazu, weshalb die Abmahnungen unwirksam seien und meint, jedenfalls bei Bagatellverstößen sei eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ausgeschlossen, unabhängig von ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit. Sanktionen gegenüber dem Betriebsrat seien nur im Rahmen des § 23 BetrVG zulässig. Der Betriebsrat meint, die Abmahnungen seien auch nicht bestimmt genug, weil Begriffe wie „Störung des Betriebsfriedens“ und die Formulierung „oder in ähnlicher Weise“ verwendet würden. Außerdem könne ein Betriebsratsmitglied nicht das Verhalten des Gremiums allein steuern, den Abgemahnten müsse also konkret mitgeteilt werden, was sie selbst künftig unterlassen sollten. Im Übrigen sei keine Pflichtwidrigkeit gegeben, weil aus Sicht des Betriebs die Verhandlungen mit der Beteiligten Ziffer 2 gescheitert seien und offensichtlich keine Einigung zu erzielen gewesen sei, weshalb ein Beschlussverfahren habe eingeleitet werden sollen. Auch in der Aufforderung, dem Betriebsrat zu helfen, liege kein Pflichtverstoß. Insoweit sei maßgeblich, dass der Betriebsrat Interessenvertreter der Belegschaft sei und sich für deren Interesse einsetzen müsse.

19 

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

20 

Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 hat in der Sache teilweise Erfolg. Die den Beteiligten Ziffern 3 bis 5 erteilten Abmahnungen sind aus deren Personalakten zu entfernen; der Feststellungsantrag des Beteiligten Ziffer 1 ist unzulässig.

21 

1. Abmahnungsentfernung

22 

Das Arbeitsgericht hat die Beteiligte Ziffer 2 zu Recht dazu verpflichtet, die unter dem 15. August 2018 erteilten Abmahnungen aus den Personalakten der Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 zu entfernen. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. A. III. 2. wird in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die Ausführungen der Beteiligten Ziffer 2 in der Beschwerde bieten lediglich Anlass für folgende ergänzende Anmerkungen:

23 

Soweit sich die Beteiligte Ziffer 2 darauf beruft, dass sie nur betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenverstöße gerügt habe und keine unzulässige Vermengung von individualrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten gegeben sei, folgt die Kammer dem nicht. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es der Beteiligten Ziffer 2 sehr wohl gestattet ist, ihrer Ansicht nach betriebsverfassungsrechtlich unzulässige Verhaltensweisen der einzelnen Betriebsratsmitglieder anzusprechen und zu rügen und sogar ihnen gegenüber anzukündigen, dass sie ein entsprechendes Verhalten in der Zukunft nicht mehr dulden wird. Dennoch hat eine Dokumentation dieses Vorgangs in der Personalakte nichts zu suchen. Insoweit greift die Argumentation der Beteiligten zu 2 zu kurz, wenn sie darauf hinweist, in den Abmahnungen selbst seien keine individualrechtlichen Folgen angedroht worden, deshalb drohten den Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 auch keine ungerechtfertigten beruflichen Nachteile. Denn ausgehend davon, dass die Personalakte als möglichst vollständige Sammlung von Urkunden und Vorgängen anzusehen ist, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers betreffend und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, ist allein die physische Existenz einer Abmahnung, sei sie inhaltlich gerechtfertigt oder nicht, eine Beeinträchtigung des Arbeitnehmers. Die dokumentierte Rüge des Arbeitgebers birgt stets die Gefahr in sich, dass nicht nur etwa die im Abmahnungsschreiben konkret angedrohten Konsequenzen gezogen werden, sondern zeigt darüber hinaus jedem, der Einsicht nimmt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber einen Tadel ausgesprochen hat. Ein solcher Vorgang kann für das berufliche Fortkommen der abgemahnten Betriebsratsmitglieder von Nachteil sein, sei es bei einer Versetzung, Beförderung oder Leistungsbeurteilung. Dies widerspricht dem Benachteiligungsverbot nach § 78 Abs. 2 BetrVG.

24 

Dieses Verständnis deutet auch nicht etwa auf einen Generalverdacht dahingehend hin, die Beteiligte Ziffer 2 behandle ihre Betriebsratsmitglieder unzulässig. Es trägt vielmehr der Tatsache Rechnung, dass die schriftliche Abmahnung gerade ihrer Funktion nach ein (angebliches) Fehlverhalten des Arbeitnehmers in Erinnerung halten soll (Dokumentationsfunktion). Ein solches Dokument macht aber rein tatsächlich eine spätere, zweckwidrige Verwendung möglich, ohne dass dies der Beteiligten Ziffer 2 als Absicht unterstellt werden müsste.

25 

Im Übrigen besteht auch kein erkennbares Interesse der Beteiligten Ziffer 2 daran, dass die Abmahnungen in den Personalakten verbleiben. Das den Beteiligten Ziffern 3, 4 und 5 vorgeworfene (angebliche) Fehlverhalten ist allein schon durch das vorliegende Beschlussverfahren genauestens dokumentiert, der ihnen gemachte Vorwurf wird auch nicht dadurch aus der Welt gebracht, dass die Abmahnungen (nur) aus ihren Personalakten genommen werden.

26 

2. Feststellungsantrag

27 

Der Feststellungsantrag des Betriebsrats erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO.

28 

Diese Vorschrift findet in Beschlussverfahren entsprechende Anwendung (BAG 18. 2. 2003 – 1 ABR 17/02). Danach kann die gerichtliche Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses beantragt werden, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden alsbaldigen richterlichen Entscheidung hat. Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 -). Insbesondere der auf die Klärung einer bloßen Rechtsfrage oder den Bestandteil einer solchen Rechtsfrage gerichtete Feststellungsantrag ist unzulässig. Eine Entscheidung darüber liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, zu der die Gerichte nicht berufen sind (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - m.w.N.).

29 

Der vom Betriebsrat gestellte Feststellungsantrag ist nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Die begehrte Feststellung, dass die Abmahnungen vom 15. August 2018 unwirksam sind, betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Der Antrag ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Erklärung gerichtet. Der Sache nach erstrebt der Betriebsrat mit ihm die rechtliche Begutachtung einer Vorfrage für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Dies entspricht der Fallkonstellation, wie sie bereits vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 - und vom 4. Dezember 2013 – 7 ABR 7/12 - entschieden wurde. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung und geht davon aus, dass es keinen qualitativen Unterschied macht, ob in der angegriffenen Abmahnung individualrechtliche oder aber betriebsverfassungsrechtliche Sanktionen angedroht werden. Dies folgt bereits daraus, dass das Bundesarbeitsgericht dem Betriebsrat für den Fall einer Störung oder Behinderung seiner Tätigkeit ein Unterlassungsbegehren zugestanden hat (BAG 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 - Rn. 25). Wenn diese Rechtsschutzmöglichkeit dem Betriebsrat sogar bei individualrechtlichen Abmahnungen zustehen solle, dann ist er bei betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen erst recht nicht „rechtlos gestellt“. Auch im vorliegenden Fall kommt deshalb grundsätzlich - sofern die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die hinreichende Bestimmtheit des Antrags (vgl. hierzu BAG 4. 12. 2013 – 7 ABR 7/12 Rz. 41), erfüllt sind - ein Unterlassungsantrag in Betracht. Für eine Feststellungsklage besteht deshalb kein anerkennenswertes Bedürfnis.

30 

Soweit das Arbeitsgericht darauf abhebt, ein solcher Unterlassungsantrag werde dem Antragsbegehren nicht gerecht, mag dies zutreffen. Es ist richtig, dass es dem Betriebsrat darum geht, ein vergangenes Verhalten des Arbeitgebers überprüfen zu lassen. Einem solchen Wunsch brauchen die Gerichte jedoch nicht nachzukommen, wenn er sich nicht in die zulässige Antragsform kleiden lässt. Der vom Betriebsrat an das Gericht herangetragene Wunsch ist gerade der typische Fall eines Rechtsgutachtens, deren Erstellung den Gerichten verwehrt ist (BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 63/04).

31 

Seine ursprünglichen Hilfsanträge hat der Betriebsrat im Beschwerdeverfahren nicht mehr zur Entscheidung gestellt.

32 

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist daher teilweise abgeändert worden und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen worden.

33 

Die Rechtsbeschwerde ist für die Beteiligte Ziffer 2 zugelassen worden. Die Frage, ob der Arbeitgeber eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, mit der lediglich betriebsverfassungsrechtliche Konsequenzen angedroht werden, in die Personalakte des betreffenden Betriebsratsmitglieds aufnehmen darf, hat die Kammer als von grundsätzlicher Bedeutung angesehen.

34 

Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gegeben.