LAG Niedersachsen Az. 9 Sa 945/21 vom 30. Aug. 2022
Der Fall:
Ein Betriebsratsmitglied sollte Schulungen besuchen, der Arbeitgeber lehnte ein entsprechendes Verlangen unter Verweis auf ein coronabedingtes Reiseverbot aber ab. Nachdem das betreffende Seminar schließlich vom Veranstalter abgesagt worden war, fasste der Betriebsrat einen erneuten Beschluss für einen anderen Seminartermin. Obwohl der Arbeitgeber hierauf nicht mehr reagierte, schaltete sich der Rechtsanwalt des betroffenen Betriebsratsmitglieds ein und forderte nochmals die „Genehmigung“ des geplanten Seminarbesuchs.
Der Rechtsanwalt stellte schließlich dem Unternehmen einen Betrag in Höhe von Euro 413,90 netto in Rechnung. Diese Rechnung leitete der Arbeitgeber an den Betriebsrat mit der Aufforderung weiter, diese zum Ausgleich an das betreffende BR-Mitglied weiterzugeben. Zudem wies der Arbeitgeber darauf hin, dass auch kein Beschluss des Betriebsrats über die Beauftragung eines Rechtsanwalts vorliege.
Später beglich der Arbeitgeber dann doch die Rechnung, zog den Betrag von Euro 413,90 aber vom Nettoverdienst des Arbeitnehmers ab. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin seinen einbehaltenen Lohn ein.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das BR-Mitglied hatte Anspruch auf Auszahlung seiner ungekürzten Vergütung. Die Beauftragung des Rechtsanwalts durch ihn war zwar nicht erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 BetrVG, der Arbeitgeber konnte aber dennoch mit Blick auf § 40 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 78 S. 2 BetrVG keine Erstattung der von ihm gezahlten Rechtsanwaltsvergütung verlangen:
Der Betriebsrat hat nach § 40 BetrVG einen Anspruch auf Freistellung von seinen Kosten gegenüber dem Arbeitgeber, sofern diese für die BR-Arbeit erforderlich sind. Das Gericht konnte hier offen lassen, ob das einzelne BR-Mitglied mit der Beschlussfassung über seine Entsendung einen eigenen individualrechtlich abgeleiteten Anspruch des Betriebsrats erhält. Im konkreten Fall war nämlich die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten nach Verschiebung des Seminartermins wegen des nicht weiter aufrecht erhaltenen Widerspruchs nicht erforderlich.
Eine Verrechnung mit der Nettovergütung des Arbeitnehmers stellt aber nach Auffassung des Gerichts dennoch eine Benachteiligung im Sinne von § 78 BetrVG dar, da hier eine Schlechterstellung wegen der Tätigkeit für den Betriebsrat erfolgte.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie:
Im Zweifel sollte stets der Betriebsrat und nicht das einzelne Betriebsratsmitglied einen Rechtsanwalt beauftragen. So oder so braucht das einzelne BR-Mitglied nicht zu fürchten, die angefallenen Kosten vom Lohn abgezogen zu bekommen.