Konzernbetriebsratssitzung als Präsenzsitzung zulässig

ArbG Berlin Az. 7 BVGa 12816/20 vom 7. Okt. 2020

Tenor

I.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, den Antragsteller und seine Mitglieder die Durchführung und die Teilnahme an der Präsenzsitzung des Konzernbetriebsrats vom 14.10.2020 bis 16.10.2020 in B. H. zu untersagen.

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, die Mitglieder des Antragstellers von nachfolgenden Kosten der Sitzung des Konzernbetriebsrates vom 14.10.2020 bis 16.10.2020 in B. H. freistellen:

a) Gegenüber dem Hotel am Kurpark, … , … B. H.:

Hotelkosten (Übernachtung/Frühstück) für 52 Personen × 82,00 EUR pro Person/Nacht × 2 Nächte = 8.528,00 EUR.

b) Gegenüber dem Tafelhaus St., Inhaber W. St., …, … Sch.:

Catering Stadthalle B. H. für 52 Personen = 6.362,83 EUR

c) Gegenüber der Kreisstadt B. H., … , … B. H.:

Miete Stadthalle B. H. vom 14.10.2020, 13.00 Uhr bis 16.10.2020, 13.00 Uhr (Saal, Lautsprecheranlage, Beamer) : 1.160,00 EUR.

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Arbeitgeberin die Durchführung von Sitzungen des Konzernbetriebsrates als Präsenzsitzung untersagen darf.

2 Die Beteiligte zu 2 und Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, das überregional deutschlandweit Rehabilitationskliniken betreibt. Der Beteiligte zu 1 und Antragsteller ist der für die Unternehmensgruppe gebildete Konzernbetriebsrat. Nach dessen Geschäftsordnung tritt er wenigstens zweimal jährlich zu einer Sitzung zusammen. Nachdem eine turnusgemäß für September 2020 geplante Präsenzsitzung abgesagt werden musste, will der Antragsteller eine solche nunmehr in der Zeit vom 14. bis 16.10.2020 eine in der Stadthalle von Bad Hersfeld im Bundesland Hessen mit 52 Teilnehmern durchführen, wobei als ein Tagesordnungspunkt wegen des Ausscheidens eines Mitgliedes des Konzernbetriebsratsausschusses eine Nachwahl vorgesehen ist. Wegen der Tagesordnung insgesamt wird auf die eingereichte Ablichtung (Bl. 46 f. d.A.) Bezug genommen. Für die Nutzung der Stadthalle B. H. besteht wegen der aktuellen Pandemie ein Hygienekonzept. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Blatt 71-75 d.A.) verwiesen.

3 Der mit E-Mail vom 18.09.2020 eingeladene und zuständige Mitgeschäftsführer Herr S. verwies auf ein bestehendes pandemiebedingtes Verbot klinikübergreifender Treffen, lehnte eine Kostenzusage für die Präsenzsitzung ab und verwies auf die Möglichkeit einer Video- oder Telefonkonferenz.

4 Im Wege der Telefonkonferenz, an welcher Mitglieder des Konzernbetriebsrats mit 9.439 von 11.871 Stimmenanteilen teilnahmen, beschloss der Antragsteller am 28.09.2020 gegen die Untersagung der Durchführung der Präsenzsitzung gerichtlich unter Einschluss der Freistellung von den notwendigen Kosten vorzugehen und dazu die Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen. Der Antragsteller hat dazu das entsprechende mit der Tagesordnung sowie den Beschlussfassungen vorgelegt (Bl. 31-41 d.A.) und im Anhörungstermin eine eidesstattliche Versicherung seines stellvertretenden Vorsitzenden D… B… vorliegt. Eine Aufforderung an die Geschäftsführung der Arbeitgeberin vom 28.09.2020 zur Kostenübernahme ließ diese mit anwaltlicher E-Mail vom 29.09.2020 zurückweisen (Bl. 43, 44 d.A.).

5 Mit Antrag an das Arbeitsgericht Berlin vom 01.10.2020 hat der Konzernbetriebsrat ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eingeleitet und dazu einen Anspruch auf Gestattung der Präsenzsitzung sowie die Freistellung der dafür notwendigen Hotel-, Verpflegungs- und Saalkosten gegen die Arbeitgeberin geltend gemacht.

6 Der Antragsteller ist der Auffassung, die mit den Tagesordnungspunkten verbundenen Diskussionen erforderten die Anwesenheit der Mitglieder des Konzernbetriebsrats. Dafür sei eine Telefon- oder Videokonferenz nicht geeignet, insbesondere nicht für eine Diskussion mit 50 Teilnehmern. Dies gelte umso mehr, als nicht sichergestellt sei, wie eine Telefonkonferenz mit einer solchen großen Anzahl von Teilnehmern technisch funktionieren solle, insbesondere über einen Zeitraum von 3 Tagen. Außerdem bestünden datenschutzrechtliche Bedenken. Die Entscheidung, ob eine Sitzung mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführt werde, liege im pflichtgemäßen Ermessen des KBR-Vorsitzenden. Falls Sie sich bis zur Betriebsratssitzung ergeben sollte, dass sich der Wohnort eines Mitgliedes des Konzernbetriebsrates in einem Risikogebiet befinde und sich daraus nach der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung des Bundeslandes Hessen ein Beherbergungsverbot ergebe, wäre es als verhindert anzusehen.

7 Ohne eine Kostenzusage der Antragsgegnerin könne die Betriebsratssitzung nicht durchgeführt werden.

8 Der Konzernbetriebsrat beantragt zuletzt,

I.

Der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, den Antragsteller und seine Mitglieder die Durchführung und die Teilnahme an der Präsenzsitzung des Konzernbetriebsrats vom 14.10.2020 bis 16.10.2020 in B. H. zu untersagen;

II.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichteten, die Mitglieder des Antragstellers von nachfolgenden Kosten der Sitzung des Konzernbetriebsrates vom 14.10.2020 bis 16.10.2020 in B. H. freistellen:

a) Gegenüber dem Hotel am Kurpark, …, … B. H.: Hotelkosten (Übernachtung/Frühstück) für 52 Personen × 82,00 EUR pro Person/Nacht × 2 Nächte = 8.528,00 EUR.

b) Gegenüber dem Tafelhaus St., Inhaber W. St.,… , … Sch.:

Catering Stadthalle B. H. für 52 Personen = 6.362,83 EUR

c) Gegenüber der Kreisstadt B. H., …, … B. H.:

Miete Stadthalle B. H. vom 14.10.2020, 13.00 Uhr bis 16.10.2020, 13.00 Uhr (Saal, Lautsprecheranlage, Beamer): 1.160,00 EUR.

9 Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

10 Sie bringt im Wesentlichen vor: Durch überregionale Treffen werde die Gefahr einer Einschleusung des Corona-Virus in die Einrichtungen, in welchen viele Hochrisikopatienten mit durchweg hohem Durchschnittsalter betreut würden, signifikant erhöht. Anhand der 7-Tages-Inzidenz des Robert Koch Instituts sei seit dem 20.07.2020 eine kontinuierliche Zunahme an Infektionszahlen auszumachen, wobei das Land Hessen deutlich über dem bundesweiten Durchschnittswert liege. § 129 BetrVG sei dahingehend auszulegen, dass die betrieblichen Notwendigkeiten im Sinne von § 30 S. 2 BetrVG auch die Art und Weise, wie Betriebsratssitzungen abzuhalten sein, erfasse, voraus sich für sie, der Antragsgegnerin, ein Unterlassungsanspruch ergebe. Der Gesundheitsschutz genieße aufgrund der aktuellen Pandemie-Ausnahmesituation Vorrang vor dem selbst Ansatz und Recht des Antragstellers bzw. sei der Gesundheitsschutz bei der Ermessensentscheidung, wie die Sitzungen abzuhalten sein, zu berücksichtigen. Dem Antragsteller stünde kein Verfügungsgrund zur Seite, da der geltend gemachte Anspruch bereits eine vollständige Befriedigung seiner Rechte bezwecke und insoweit das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorwegnehme.

11 In der Anhörung vor der Kammer hat die Arbeitgeberin die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Konzernbetriebsrates über die Einleitung dieses Beschlussverfahrens gerügt, insbesondere hinsichtlich der Mitteilung der Tagesordnungspunkte an die Betriebsratsmitglieder sowie deren Belehrung nach § 129 BetrVG, und sie hat geltend gemacht, die für die Sitzung geplanten Wahlen könnten als Briefwahlen durchgeführt werden.

12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Antragsschrift sowie der Antragserwiderung vom 06.10.2020 sowie auf die jeweiligen Anlagen Bezug genommen.

Gründe

II.

13 Die zulässigen Anträge auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung sind begründet.

14 1. Der Antrag auf Unterlassung wie auch der Freistellungsantrag sind zulässig. Insbesondere hat die Kammer die Rüge …. Als nicht durchgreifend erachtet. …

15 2. Die Voraussetzungen für die vom Antragsteller begehrte Unterlassungsverfügung gegen die Arbeitgeberin, dem Konzernbetriebsrat die Durchführung der Präsenzsitzung nicht zu untersagen, sind erfüllt, wobei der Verfügungsanspruch aus § 78 Satz 1 BetrVG folgt.

16 a) Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die die Mitglieder des Konzernbetriebsrates sowie anderer in der Vorschrift aufgezählter Vertretungen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden.

17 b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Betriebsrat bei einer Störung oder Behinderung seiner Arbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch folgt aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern (BAG, 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12, juris Rn. 38), was auch für den Konzernbetriebsrat gilt. Damit der Konzernbetriebsrat seine Aufgaben erfüllen kann, muss er die Unterlassung von Störungen der Tätigkeit seiner Mitglieder geltend machen können.

18 c) Durchführung der Sitzungen und Teilnahme daran zählen zu der geschützten Tätigkeit der Gesamtbetriebsratsmitglieder. Die Untersagung der Sitzung als Präsenzsitzung ist eine Störung und Behinderung.

19 aa) Zwar ist für den Konzernbetriebsrat eine Erlaubnis der Arbeitgeberin, eine Sitzung durchzuführen, an sich nicht notwendig. § 30 Satz 3, § 59 Abs. 1 BetrVG verlangen nur die Mitteilung an die Arbeitgeberin über den Zeitpunkt der Sitzung. Auch bedürfen die Gremiumsmitglieder keiner besonderen Teilnahmeerlaubnis der Arbeitgeberin, sondern es reicht die Benachrichtigung des zuständigen Vorgesetzten über das Verlassen der Arbeit und deren Wiederaufnahme nach Schluss der Sitzung aus (vgl. nur Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 30 Rn. 8).

20 bb) Dennoch kann wie hier von der Untersagung seitens der Arbeitgeberin, eine mehrtägige Präsenzsitzung durchzuführen, die Störung oder Behinderung der Betriebsratsarbeit ausgehen. Die Untersagung kann Unsicherheiten über die Zulässigkeit der Sitzungstätigkeit und die diesbezüglichen Befugnisse der Arbeitgeberin begründen. Es besteht die Gefahr, dass Mitglieder mit Rücksicht auf die Untersagung nicht an der Sitzung teilnehmen.

21 d) Der Antragsteller muss zur Durchführung der nach der Tagesordnung angesetzten Nachwahl eines Mitglieds für den Konzernbetriebsratsausschuss die Sitzung als Präsenzsitzung durchführen und kann dafür nicht auf die Durchführung als Telefonkonferenz oder Videokonferenz ausweichen. Auch die Durchführung einer Briefwahl ist dafür gesetzlich nicht vorgesehen.

22 aa) Die Durchführung von Betriebsratssitzungen als Telefon- oder Videokonferenz hat der Gesetzgeber zwar nunmehr in Reaktion auf die aktuell pandemiebedingten Einschränkungen in dem zum 01.03.2020 (und zunächst bis zum 01.01.2021 zeitlich begrenzt) in Kraft getretenen § 129 BetrVG geregelt. Danach können die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats und anderer Vertretungen mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die gesetzliche Neuregelung soll der Situation um die COVID-19-Pandemie und den sich daraus ergebenen Schwierigkeiten und besonderen Risiken einer Präsenzsitzung Rechnung tragen. Es soll Rechtssicherheit für diese Ausnahmesituation geschaffen und es den Arbeitnehmervertretungen ermöglicht werden, Sitzungen und Beschlussfassungen mittels Video- und Telefonkonferenz einschließlich online gestützter Anwendungen durchzuführen (BT-Drs. 19/18753, S. 28). Hintergrund ist, dass eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder aufgrund telefonischer Beratung bzw. Videokonferenz nach bisher geltendem Recht für unzulässig erachtet wird (Richardi/Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, 16. Aufl. 2018, § 33 Rn. 3 m.w.N.). Nach § 33 Abs. 1 BetrVG werden die Beschlüsse des Betriebsrates von den anwesenden Mitgliedern gefasst.

23 bb) Offen bleiben kann zunächst, ob aus der in § 129 BetrVG geregelten Möglichkeit von Video- oder Telefonkonferenz bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Verpflichtung der Arbeitnehmervertretung folgen kann, Sitzungen unter Nutzung dieser Formen durchzuführen. Voraussetzung würde jedenfalls sein, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, die für die Sitzung angesetzten Tagesordnungspunkte im Rahmen einer solchen Konferenz durchzuführen. Vorliegend ist das im Hinblick auf die angesetzte Nachwahl eines Mitgliedes für den Ausschuss des Antragstellers nicht der Fall. Auf Wahlen findet der § 129 BetrVG keine Anwendung (Däubler/Klebe, NZA 2020, 545, 549f). Nach dem Wortlaut betrifft die Vorschrift die Sitzungsteilnahme und die Beschlussfassung. Wahlen sind auch in der Gesetzesbegründung nicht angesprochen. Außerdem trifft § 129 BetrVG keine Vorkehrungen, wie eine geheime Stimmabgabe bzw. eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgen sollen. Dies kann aber bereits deshalb erforderlich werden, weil das BetrVG teilweise ausdrücklich entsprechende Vorgaben macht (so auch zur Erlaubnis einer mehrtägigen Präsenzsitzung eines Gesamtbetriebsrates/Gesamtbetriebsratsausschusses des vorliegenden Klinikkonzerns LAG Berlin-Brandenburg vom 25.08.2020 - 12 TaBVGa 1015/209). Letzteres trifft auf die vorgesehene Nachwahl eines Mitgliedes des Konzernbetriebsausschusses zu, vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 51 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 BetrVG.

24 cc) In diesem Zusammenhang kann der Antragsteller nicht auf eine Briefwahl verwiesen werden. Aus dem Gesetz ist nicht ersichtlich, dass die in Rede stehenden Wahlen als Briefwahl durchgeführt werden können. Bei einer Briefwahl würden nicht die anwesenden Mitglieder des Konzernbetriebsrats wählen. Da für die Wahlen in Vertreterpositionen oder von Ausschussmitgliedern eine ausdrückliche Ausnahme von dem Anwesenheitsgrundsatz fehlt, ist von der Erforderlichkeit einer physischen Anwesenheit der Mitglieder zur Durchführung der Wahl auszugehen.

25 dd) Darüber hinaus begründet § 129 BetrVG nach Auffassung der erkennenden Kammer und entgegen der Auffassung beider Beteiligter für den Antragsteller kein pflichtgemäßes Ermessen, unter bestimmten Umständen von der Durchführung einer Präsenzsitzung abzusehen und stattdessen eine Telefon- oder Videokonferenz durchzuführen. Vielmehr unterliegt dies seinem freien Ermessen. Die gesetzliche Regelung normiert keinen Vorrang für Telefon- oder Videokonferenzen gegenüber der Durchführung als Präsenzsitzung unter bestimmten Umständen. Der Gesetzgeber ging bei Beratung und Verabschiedung des § 129 BetrVG nicht davon aus, dass grundsätzlich der Gesundheitsschutz höherwertig als die Durchführung von Betriebsratssitzungen sei. Vielmehr wollte der Gesetzgeber es den Arbeitnehmervertretungen ermöglichen, auf Video- und Telefonkonferenzen zurück zu greifen. Deren Nutzung soll als zusätzliche Option neben die nach sonstiger Gesetzeslage zwingende Durchführung von Sitzungen unter physischer Anwesenheit der Teilnehmer vor Ort treten (vgl. BT-Drs. 19/18753, S. 28).

26 ee) Ob eine Präsenzsitzung nicht durchführbar ist, kann nur aus anderen Rechtsgründen wie etwa auch vom Konzernbetriebsrat zu beachtenden Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sowie im Verhältnis zur Arbeitgeberin aus der allgemeinen Regelung nach § 30 Satz 2 BetrVG folgen, wonach er bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen hat. Es unterliegt der nicht überprüfbaren Selbstorganisation des Betriebsrates, im Einzelfall von den durch § 129 BetrVG eröffneten Möglichkeit der Vermeidung einer Präsenzsitzung mit den damit einhergehenden Unsicherheiten wie hinsichtlich des Datenschutzes Gebrauch zu machen. Der gesetzliche Notbehelf gibt der Arbeitgeberin keine Handhabe, dem Betriebsrat Präsenzsitzungen zu verbieten.

27 ff) Ein Verstoß des Antragstellers gegen § 30 Satz 2 BetrVG liegt mit der angesetzten mehrtägigen Präsenzsitzung nicht vor. Eine mangelnde Rücksichtnahme auf die betrieblichen Notwendigkeiten ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine übermäßige wirtschaftliche Belastung der Antragsgegnerin mit der Durchführung der mehrtägigen Präsenzsitzung vor nachdem der zunächst im Monat September angesetzte Termin verschoben werden musste. Darauf beruft sich die Arbeitgeberin vorliegend auch nicht. Eine mangelnde Rücksichtnahme folgt aber auch nicht wegen der mit der Präsenzsitzung einhergehenden erhöhten Ansteckungsgefahr und Gefährdung für die einzelnen Rehabilitationskliniken. Konzernbetriebsrat wie auch unterstützend die Arbeitgeberin haben es in der Hand, durch Anwendung und Einhaltung sachgerechter und effektiver Vorsichtsmaßnahmen unter Einschluss von regelmäßigen Testungen der Teilnehmer wie auch vorsorglicher Quarantäne das Gesundheitsrisiko möglichst gering zu halten. Derzeit ist die Dauer der Pandemie bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes nicht abzusehen. Der Antragsteller als Konzernbetriebsrat ist nicht gehalten, für unbestimmte Zeit auf notwendige Zusammenkünfte des Gremiums zu verzichten.

28 gg) Abgesehen von der Frage, ob dies im betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis zur Antragsgegnerin überhaupt eine Rolle spielt und diese zu Untersagungen gegenüber den Betriebsräten ermächtigt, ergibt sich eine Unzulässigkeit der Durchführung der Sitzung im Oktober als Präsenzsitzung nicht aus der am Tagungsort geltenden Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Für den im Bundesland Hessen liegenden Tagungsort gilt die „Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie (Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung) vom 7. Mai 2020“, zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. August 2020 (GVBl. S. 538). Für größere Zusammenkünfte wie hier im nichtöffentlichen Raum gelten nach § 1 Abs. 4 Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung die besonderen Vorgaben des § 1 Abs. 2b der Verordnung. Dementsprechend werden Ausrichter und Teilnehmer der Sitzung sowie die gebuchten Übernachtungsbetriebe die dort genannten Maßgaben insbesondere zu einem Mindestabstand, einem Hygienekonzept und zur Nachverfolgbarkeit von Infektionen zu beachten haben. Insbesondere für die Stadthalle Bad Hersfeld als Tagungsort liegt ein sehr ins Einzelne gehende Hygienekonzept vor. Soweit nach der Verordnung Übernachtungsbetriebe keine Personen aufnehmen dürfen, die aus einem Gebiet außerhalb Hessens anreisen oder dort ihren Wohnsitz haben, in dem in den letzten sieben Tagen vor der geplanten Anreise die Zahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts höher als 50 je 100.000 Einwohnern liegt, haben diese auf die Einhaltung zu achten und ggf. dennoch anreisende Mitglieder des Konzernbetriebsrates zurückzuweisen. Danach von der Teilnahme an der Präsenzsitzung verordnungsbedingt ausgeschlossene Mitglieder gelten insoweit als verhindert, worauf der Antragsteller zutreffend hinweisen lässt.

29 3. Der erforderliche Verfügungsgrund liegt vor, § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO.

30 Ein Verfügungsgrund als Ausdruck der besonderen Dringlichkeit der Sache besteht aufgrund des zeitnahen Bevorstehens der Sitzung und die insoweit begründet bestehende Besorgnis, dass ansonsten die Arbeitgeberin die Untersagung der Sitzung und damit eine daraus resultierende Störung und Behinderung der Betriebsratstätigkeit wiederholt, obwohl der Konzernbetriebsrat die geplante Sitzungstätigkeit als Präsenzsitzung durchführen will und muss. Ein Hauptsacheverfahren kann insoweit nicht abgewartet werden.

31 4. Verfügungsanspruch wie auch Verfügungsgrund bestehen auch für den weiteren Antrag auf Freistellung von den mit der Präsenzsitzung verbundenen Kosten.

32 a) Die Verpflichtung der Arbeitgeberin die Kosten der Unterbringung und Verpflegung der Sitzungsteilnehmer sowie für die Anmietung des Sitzungssaales zu tragen und damit der Verfügungsanspruch folgt aus § 40 Abs. 1 BetrVG. Ohne entsprechende Absicherung ist der vermögenslose Konzernbetriebsrat nicht in der Lage, die Sitzung durchzuführen.

33 b) Die Antragsgegnerin lehnt ausdrücklich eine Kostenübernahme ab. Sie hat sich vor der Kammer auch nicht dahingehend vorsorglich erklärt, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung, die Untersagung der Durchführung einer Präsenzsitzung gegenüber dem Antragsteller zu unterlassen, durch ausdrückliche Übernahme der Hotel- und Tagungskosten eine Störung der Betriebsratstätigkeit zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund und zur Vermeidung einer wesentlichen Erschwerung der Arbeit des Konzernbetriebsrates (vgl. zu diesem Erfordernis Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 40 Rn. 148) war die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Kostentragung zu verpflichten.

34 Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.