Fachliteratur für die Betriebsratsarbeit

BAG 7 ABR 15/94 vom 25. Okt. 1994

Leitsatz

Das auf der gesetzlichen Aufgabenstellung beruhende Informationsbedürfnis des Betriebsrats verlangt, daß sich die ihm von dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Kommentare jeweils auf dem neuesten Stand befinden und bei einem Wechsel der Auflage auch neu beschafft werden; dabei steht dem Betriebsrat ein Wahlrecht darüber zu, ob er an dem bisherigen Kommentar festhält oder ob ihm ein anderer für seine Bedürfnisse geeigneter erscheint.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Betriebsrat einen bestimmten weiteren Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Selbstbedienungs-Warenhaus und ein Möbelhaus. In diesem Betrieb sind ca. 550 Arbeitnehmer beschäftigt. Der dort gebildete Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern. Ein Betriebsratsmitglied ist freigestellt.

Mit Schreiben vom 2. Juni 1992 verlangte der Betriebsrat von der Arbeitgeberin u.a., daß ihm die Kommentare zum BetrVG von Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither in der 17. Auflage und von Däubler/Kittner/Klebe/Schneider in der 3. Auflage zur Verfügung gestellt werden. Im Oktober 1992 erhielt der Betriebsrat nach mehrfacher Anmahnung den Kommentar von Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither. Der darüber hinaus von ihm geforderte weitere Kommentar zum BetrVG wurde ihm zunächst mit der Begründung verweigert, dieses Werk vertrete häufig Außenseiterpositionen.

In dem daraufhin eingeleiteten Beschlußverfahren hat der Betriebsrat vorgetragen, der von ihm gewünschte weitere Kommentar enthalte eine ausführlichere Würdigung der Rechtsprechung. Zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Aufgaben gehöre eine umfassende Kenntnis des Betriebsverfassungsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Auch müsse ihm eine gewisse Vergleichsmöglichkeit eingeräumt werden.

Der Betriebsrat hat beantragt, der Beteiligten zu 2. aufzugeben, ihm den Kommentar von Wolfgang Däubler, Michael Kittner, Thomas Klebe, Wolfgang Schneider (Herausgeber) Betriebsverfassungsgesetz (mit Wahlordnung und Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren), Kommentar für die Praxis, 3. völlig überarbeitete Auflage, Köln 1992, zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hält die Überlassung eines Kommentars zum BetrVG für ausreichend; ein weiterer sei zur sachgerechten Aufgabenerfüllung nicht erforderlich. Bei Bedarf könne der Betriebsrat auch auf den bei der örtlichen Hausleitung befindlichen Kommentar ergänzend zurückgreifen. Die Auswahl desjenigen Exemplares, über das der Betriebsrat allein verfügen könne, stelle sie ihm nunmehr anheim.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zulassung der Rechtsbeschwerde die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein ursprüngliches Antragsziel weiter. Die Arbeitgeberin hat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt. B. Die auf Grund der Zulassung durch das Landesarbeitsgericht statthafte (§ 92 Abs. 1 ArbGG) und im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der angefochtene Beschluß des Landesarbeitsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der einhelligen Meinung in der Literatur nicht nur arbeitsrechtliche Gesetzestexte, sondern auch arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Kommentare sowie sonstige Fachliteratur, die geeignet sind, dem Betriebsrat die für seine Tätigkeit notwendigen Informationen zu vermitteln. Seinen Aufgaben kann der Betriebsrat nur gerecht werden, wenn er die ihm durch Gesetz zugewiesenen Handlungsspielräume kennt und die sich daraus ergebenden Problemstellungen einer sachgerechten Lösung zuführt. Dazu bedarf er einer laufenden aktuellen Unterrichtung über die mit seinen Aufgaben zusammenhängenden arbeits- und sozialrechtlichen Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung. Dieses Informationsbedürfnis verlangt, daß sich die von dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Kommentare auf dem jeweils neuesten Stand befinden und bei einem Wechsel der Auflage auch neu beschafft werden. Dabei steht dem Betriebsrat ein Wahlrecht darüber zu, ob er an dem bisherigen Kommentar festhalten möchte oder ob ihm ein anderer für seine Bedürfnisse geeigneter erscheint.

Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angeführt, der Arbeitgeber habe dem Betriebsrat stets einen Standardkommentar zum BetrVG zur Verfügung zu stellen. Die Notwendigkeit eines weiteren Kommentars entscheide sich vor allem nach der Größe des Betriebsrats und dem Anteil an neu gewählten Betriebsratsmitgliedern. Soweit der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Auswahl des Betriebsverfassungsgesetzkommentars freistelle und zugleich die Mitbenutzung eines weiteren Standardkommentars anbiete, bedürfe es zur Begründung der Erforderlichkeit eines weiteren, ausschließlich dem Betriebsrat zur Verfügung stehenden Kommentars eines Hinweises auf eine konkrete betriebsbezogene Aufgabenstellung.

Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Beurteilung der Erforderlichkeit zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt. Es hat dem Betriebsrat ein Auswahlrecht hinsichtlich der zur Verfügung zu stellenden Literatur zugebilligt und insoweit keinen Grund zu Beanstandungen mehr gesehen, weil die Arbeitgeberin sich an die Reihenfolge einer vom Betriebsrat vorgelegten Literaturliste gehalten hatte. Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verfügt der Betriebsrat über Grundausstattung an arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Gesetzestexten und Kommentaren, die zumindest für den Bereich des BetrVG auch dem aktuellen Stand entspricht. Darüber hinausgehende Fachliteratur ist erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Situation des Betriebs oder anhand der jeweiligen Größe und Zusammensetzung des Betriebsrats benötigt wird, derzeitig oder demnächst anfallende gesetzliche Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Insoweit mahnt die Rechtsbeschwerde eine großzügigere Auslegung des Erforderlichkeitsbegriffs an, ohne die Kriterien im einzelnen zu nennen. Sie setzt damit ihre Beurteilung des Sachverhalts an die Stelle des Beschwerdegerichts. Das vermag revisionsrechtlich zu beanstandende Rechtsfehler nicht zu begründen.