Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Vorlage eines ärztlichen Attests am ersten Tag

BAG Erfurt Az. 1 ABR 5/22 vom 15. Nov. 2022

Der Fall: 

Ein Arbeitgeber gab gegenüber einem klar abgegrenzten Teil seiner Arbeitnehmer die Anweisung, bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein ärztliches Attest vorzulegen. Der Betriebsrat sah darin sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt, da es sich um die Frage der betrieblichen Ordnung handelt. Der Betriebsrat verlangte daraufhin, die erteilte Weisung zurückzunehmen.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das BAG entschied, es fehle im Streitfall an einem kollektiven Bezug und damit bestehe auch kein Unterlassungsanspruch. In dem vorliegenden Fall sei nicht ersichtlich, dass die Attestauflage der Arbeitgeberin auf einer bestimmten Regel beruhe und die Auflage eine dauerhafte Regel darstelle. Nach dem BAG begründet auch der Umstand, dass sich die Weisung abstrakt gegenüber Arbeitnehmern mit „hohen Fehlzeiten“ richte, keine Regelhaftigkeit und damit auch keinen kollektiven Bezug.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Grundsätzlich hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn eine Vielzahl von Fällen oder der ganze Betrieb von der Anordnung einer Attestpflicht ab dem 1. Krankheitstag betroffen ist. Bei einer geringen Anzahl von Arbeitnehmern schließt dies das BAG aus. Der Betriebsrat kann aber auch für solche Einzelfälle eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließen und somit seine Mitbestimmung ausüben.