"Handelsblatt" für Betriebsrat nicht erforderlich

BAG 7 ABR 42/89 vom 29. Nov. 1989

Leitsatz

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, daß ihm der Arbeitgeber die Zeitung "Handelsblatt" zur Verfügung stellt.

Gründe

I. Der beteiligte Arbeitgeber vertreibt die Produkte eines japanischen Automobilherstellers in der Bundesrepublik Deutschland. Der bei ihm gebildete Betriebsrat forderte im Jahre 1988 in Anlehnung an eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Darmstadt (Beschluß vom 30. Oktober 1986 - 2 BV 5/86 - AiB 1987, 95 f.), daß ihm der Arbeitgeber werktäglich je ein Exemplar der Zeitungen "Handelsblatt" und "Süddeutsche Zeitung" zur Verfügung stelle. Der Arbeitgeber lehnte diese Forderung ab. Er nahm den Betriebsrat statt dessen in den Verteiler des hausinternen Pressespiegels auf.

In dem daraufhin eingeleiteten Beschlußverfahren hat der Betriebsrat vorgetragen, das Informationsbedürfnis eines Betriebsrates erstrecke sich auch auf den Bereich der aktuellen Tagespolitik. Für die tägliche Betriebsratsarbeit sei eine möglichst frühzeitige Informierung des Betriebsrates über aktuelle Fragen z. B. zur Steuerreform, zum Sozialrecht, zur Arbeitsmarktpolitik, zur Arbeitssicherheit oder zur Entwicklung neuer Technologien erforderlich. Insofern reiche es nicht aus, daß der Arbeitgeber Fachliteratur zur Verfügung stelle. Daran ändere auch der hausinterne Pressespiegel nichts, der ausschließlich nach den Interessen des Arbeitgebers zusammengestellt werde.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Arbeitgeber zu verpflichten, ihm werktäglich je ein Exemplar des "Handelsblattes" und der "Süddeutschen Zeitung" zur Verfügung zu stellen.

Der beteiligte Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat vorgetragen, der Betriebsrat habe nicht dargelegt, daß der Bezug von Zeitungen zur Erledigung seiner Betriebsratsarbeit erforderlich sei. Darüber hinaus stehe dem Betriebsrat mit dem Pressespiegel werktäglich eine umfangreiche Übersicht der Presse vom Vortage zur Verfügung.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Betriebsrat hat dagegen - beschränkt auf den Bezug der Zeitung "Handelsblatt" - Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, dem Betriebsrat die Zeitung "Handelsblatt" als erforderliches sachliches Mittel i. S. von § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung zu stellen.

1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, inwieweit der Bezug des "Handelsblattes" für die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zweckmäßig, nützlich und sachdienlich sei. Maßgebend sei allein, ob der Bezug der Zeitung für die konkrete Arbeit des Betriebsrats im Betrieb des Arbeitgebers erforderlich und verhältnismäßig sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Aktuelle Tagespolitik gehöre nicht zu dem Aufgabenbereich eines Betriebsrates. Soweit sich die übrigen vom Betriebsrat genannten Themen auf die konkrete Betriebsratsarbeit auswirkten, würden sie in der Fachpresse hinreichend behandelt. Eine frühere Informierung des Betriebsrates, z. B. über die Planung von Gesetzesinitiativen, sei nicht notwendig.

2. Diese Ausführungen sind im Rahmen der Rechtsbeschwerde nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, daß die Zeitung "Handelsblatt" nicht werktäglich, sondern nur börsentäglich erscheint, gehört diese Zeitung nicht zu den erforderlichen Sachmitteln i. S. von § 40 Abs. 2 BetrVG.

a) Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat u. a. für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Zu den sachlichen Mitteln gehören nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts neben arbeitsrechtlichen Gesetzestexten und Kommentaren auch Fachzeitschriften, die geeignet sind, dem Betriebsrat die für seine Tätigkeit notwendigen Informationen zu vermitteln. Die dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben lassen sich sachgerecht nur durch laufende und aktuelle Unterrichtung über die mit den Aufgaben und Problemstellungen zusammenhängenden arbeits- und sozialrechtlichen Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung sowie insbesondere Erkenntnissen über mögliche Handlungsspielräume bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz lösen. Solche Informationen kann sich ein Betriebsrat nicht allein durch Unterrichtung in den einschlägigen Gesetzen oder deren Kommentierungen in Erläuterungsbüchern verschaffen, sondern er ist zur verantwortlichen Wahrnehmung seiner Befugnisse auch auf die Unterrichtung durch regelmäßig erscheinende Publikationen angewiesen, in denen diese Themen nach neuestem Stand fachlich dargestellt werden (vgl. BAGE 42, 259, 264 f. = AP Nr. 20 zu § 40 BetrVG 1972, zu III 3 a der Gründe).

Der ständige Bezug einer Zeitung ist zur Erfüllung von Betriebsratsaufgaben regelmäßig nicht erforderlich (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 40 Rz 55; GK-Wiese, BetrVG, 4. Aufl., § 40 Rz 76 m.w.N.). Im Gegensatz zu einer Fachzeitschrift vermittelt das "Handelsblatt" nur selten Fachkenntnisse, die einen unmittelbaren Bezug zu aktuellen Betriebsratsaufgaben aufweisen und die der Betriebsrat sofort benötigt. Die Zeitung enthält vornehmlich allgemeine Informationen aus Politik und Wirtschaft. Diese Informationen können sich im Rahmen von Betriebsratsarbeit durchaus mittelbar als nützlich erweisen. Dieser Umstand macht die Zeitung aber nicht zur unmittelbaren Durchführung von Betriebsratsarbeit erforderlich. Insoweit reichen private Informationsquellen und betriebliche Erfahrungen aus. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Darmstadt (Urteil vom 30. Oktober 1986 - 2 BV 5/86 - AiB 1987, 95 f.) kann ein Betriebsrat nicht für alle Themen, die gemäß § 45 BetrVGeinmal Gegenstand einer Betriebsversammlung sein können, ein umfassendes Informationsbedürfnis geltend machen.