BAG 7 AZR 753/87 vom 14. Sep. 1988
Nicht amtlicher Leitsatz
Das dem § 37 Abs. 2 BetrVG zugrunde liegende Lohnausfallprinzip gibt dem Betriebsratsmitglied nur einen Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts; zum Arbeitsentgelt aber gehört das beim Arbeitgeber gewährte Kilometergeld nicht. Die bei dem Arbeitgeber bestehende Regelung stellt sich vielmehr als ein Verfahren dar, durch das im beiderseitigen Interesse bei Montagetätigkeit unnötige Fahrten zum Betriebssitz vermieden und Abrechnungsschwierigkeiten verringert werden sollen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Nahauslösung und Kilometergeld auch für die Zeiten seiner Betriebsratstätigkeit fortzuzahlen sind. Der Kläger ist bei der Beklagten als Aufzugsmonteur beschäftigt und Mitglied des Betriebsrats der Niederlassung Frankfurt. Für das Arbeitsverhältnis gilt der Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues vom 30. April 1980 mit Anmerkungen (BMTV).
Seit Januar 1985 benutzt der Kläger seinen Privatwagen für Dienstfahrten. In der Zeit vom 1. Oktober bis 12. Dezember 1985 war er an insgesamt 38 Tagen nicht auf Montageeinsatz, sondern übte Betriebsratstätigkeit aus und fuhr zu diesem Zweck in den Betrieb. Für diese Fahrten von seiner Wohnung in Offenbach zum Betriebssitz in Frankfurt am Main benutzte er seinen Privat-Pkw über insgesamt 1.060 km.
Mit der Klage hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung folgender der Höhe nach unstreitiger Beträge verlangt:
234,84 DM brutto (steuerpflichtiger Teil der Nahauslösung, 38 Tage zu je 6,18 DM brutto),
445,20 DM netto (1.060 km zu je 0,42 DM netto),
164,-- DM brutto (Entschädigung für die Mitnahme von Arbeitsmaterial).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der steuerpflichtige Teil der Nahauslösung stehe ihm auch dann zu, wenn er statt seiner Montagetätigkeit erforderliche Betriebsratstätigkeit ausführe. Ihm stehe auch Kilometergeld zu, wenn er mit seinem Privat-Pkw von seinem Wohnort in Offenbach anstatt zur Montagebaustelle in Erfüllung seines Betriebsratsamts zum Betriebssitz fahre. Denn wenn er und die anderen Monteure auf Montage führen, werde das Kilometergeld auch von ihrem Wohnsitz aus berechnet. Auch wenn Monteure aus dienstlichen Gründen zum Betriebssitz führen, erhielten sie Kilometergeld. Dies müsse daher auch dann gelten, wenn er Betriebsratstätigkeiten am Betriebssitz ausübe.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 234,84 DM brutto sowie 445,20 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen, ferner die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an ihn weitere 164,-- DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im wesentlichen eingewandt, die Nahauslösung gemäß § 7.3.1 BMTV habe in vollem Umfange Aufwendungsersatzcharakter. Sie werde daher nicht gezahlt, wenn keine Montagefahrten unternommen würden. Kilometergeld könne nur für Dienstfahrten verlangt werden; die Fahrt vom Wohnort zum Betriebssitz falle hingegen in die Privatsphäre eines jeden Arbeitnehmers.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung der Nahauslösung in Höhe von 234,84 DM brutto und des Kilometergeldes in Höhe von 445,20 DM netto (jeweils einschließlich der Zinsforderung) stattgegeben, im übrigen (d.h. hinsichtlich der Mitnahmeentschädigung) die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des steuerpflichtigen Teils der Nahauslösung in Höhe von 234,84 DM brutto wendet.
Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Februar 1988 entschieden und dort näher begründet hat, gehört der steuerpflichtige Teil der gemäß § 7 des auch im vorliegenden Rechtsstreit einschlägigen Bundesmontagetarifvertrages zu zahlenden Nahauslösung zum Arbeitsentgelt, das bei Betriebsratsmitgliedern gemäß § 37 Abs. 2 BetrVGwährend ihrer Freistellung für eine erforderliche Betriebsratsarbeit nicht gemindert werden darf. An dieser rechtlichen Würdigung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest, zumal sich insoweit im vorliegenden Rechtsstreit keine neuen Gesichtspunkte ergeben haben. Hinsichtlich der Nahauslösung ist daher die Verurteilung der Beklagten zu Recht erfolgt.
II. Begründet ist die Revision hingegen, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Kilometergeld (445,20 DM netto) verurteilt hat.
1. Zur Begründung dieses Zahlungsanspruchs hat das Landesarbeitsgericht zunächst ausgeführt, gemäß Ziffer 4 der Betriebsvereinbarungen vom 15. Dezember 1980 bzw. 1. November 1983 hätten Monteure bei Dienstfahrten mit ihrem Privat-Pkw Anspruch auf Fahrtkosten ab ihrer Wohnung in der durch die Betriebsvereinbarung vom 24. Oktober 1984 festgesetzten Höhe. Dienstfahrten in diesem Sinne seien alle im dienstlichen Interesse unternommenen Fahrten.
Sofern das Landesarbeitsgericht bereits mit diesen Ausführungen begründen wollte, auch der Kläger habe einen Anspruch auf Kilometergeld, weil auch er seine Fahrten im dienstlichen Interesse durchgeführt habe, kann sich der Senat dem schon deshalb nicht anschließen, weil die angeführten Betriebsvereinbarungen im Entscheidungsfall als Anspruchsgrundlage ausscheiden. Sie beziehen sich allein auf Fahrten, die Arbeitnehmer der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Monteure durchführen. Dem Landesarbeitsgericht mag zwar darin zu folgen sein, daß hierzu auch Fahrten gehören, die Monteure nicht zur Montagestelle, sondern zum Betriebssitz durchführen, um dort z.B. Ersatzteile zu besorgen, Montagezettel abzugeben oder Arbeitsaufträge abzuholen. Anders verhält es sich jedoch bei Fahrten aus Anlaß einer Betriebsratstätigkeit; hier wird der Arbeitnehmer gerade nicht in seiner Eigenschaft als Monteur tätig. Die Bestimmungen der angeführten Betriebsvereinbarungen können daher hier einen Anspruch nicht für sich allein, sondern allenfalls in Verbindung mit gesetzlichen Vorschriften begründen, die dem Betriebsratsmitglied für seine Betriebsratstätigkeit die gleiche Rechtsstellung einräumen, die es bei Verrichtung seiner eigentlichen Arbeitsaufgaben hätte.
2. Eine solche gesetzliche Vorschrift hat das Landesarbeitsgericht in seiner weiteren Begründung in § 37 Abs. 2 BetrVG gesehen. Es hat dazu im einzelnen ausgeführt, auch der Kläger habe Anspruch auf Erstattung der Kosten für seine (der Betriebsratstätigkeit dienenden) Fahrten von der Wohnung zum Betriebssitz. Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG dürfe die Betriebsratstätigkeit nicht zu einer Schmälerung des Arbeitseinkommens führen. Das Betriebsratsmitglied habe einen Anspruch auf Fortzahlung des individuellen Arbeitsentgelts. Dies gelte auch für den Ersatz der Aufwendungen, die sowohl bei der Ausübung der Arbeit, als auch bei der Ausübung der Betriebsratstätigkeit gleichermaßen entstünden. Eine andere Auffassung würde gegen den Grundsatz verstoßen, daß das Betriebsratsmitglied wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt werden dürfe.
Auch diese Begründung trägt den Zahlungsanspruch des Klägers nicht. Das dem § 37 Abs. 2 BetrVG zugrunde liegende Lohnausfallprinzip gibt dem Betriebsratsmitglied nur einen Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts; zum Arbeitsentgelt aber gehört das bei der Beklagten gewährte Kilometergeld nicht. Die bei der Beklagten bestehende Regelung stellt sich vielmehr als ein Verfahren dar, durch das im beiderseitigen Interesse bei Montagetätigkeit unnötige Fahrten zum Betriebssitz vermieden und Abrechnungsschwierigkeiten verringert werden sollten. An sich müßte der Arbeitnehmer die Kosten seiner Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte selbst tragen; der Arbeitgeber hätte dann für die Kosten der Fahrten zwischen Betriebsstätte und tatsächlichem Einsatzort aufzukommen. Fährt der Arbeitnehmer dagegen direkt von seiner Wohnung zum Einsatzort und übernimmt der Arbeitgeber hierfür die anfallenden Kosten, so kann dies je nach dem räumlichen Verhältnis zwischen Wohnung des Arbeitnehmers, Betriebsstätte und tatsächlichem Einsatzort für den Arbeitgeber günstiger oder ungünstiger sein; als positives Ergebnis bleibt in jedem Falle eine Verkürzung der Wegezeiten insgesamt.
Insgesamt stellt sich damit die bei der Beklagten aufgrund der angeführten Betriebsvereinbarungen geltende Fahrtkostenerstattungsregelung als vereinfachtes Abrechnungsverfahren dar, das nur bei tatsächlicher Montagetätigkeit gilt. Durch dieses vereinfachte Abrechnungsverfahren werden die Fahrtkostenerstattungen nicht zu zusätzlichem Arbeitsentgelt, wie auch daraus erhellt, daß sie etwa im Krankheitsfalle nicht weiterzugewähren sind.