Ausschluss aus dem Betriebsrat - Verweigerung Betriebsratsaufgaben

LAG 6 TaBV 97/16 vom 17. Jan. 2017

Tenor:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 9. Aug. 2016 - 2 BV 2/16 wird abgeändert:

Der Beteiligte zu 3 wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe


I.

Die Beteiligten streiten um den Ausschluss des Beteiligten zu 3 (nachfolgend: Betriebsratsvorsitzender) aus dem Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Arbeitgeberin) beitreibt in B-Stadt und in A-Stadt Aluminiumwerke. Der Beteiligte zu 2 (nachfolgend: Betriebsrat) ist der im Werk A-Stadt errichtete Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Beteiligte zu 3 seit etwa 30 Jahren und seit 1994 im Wechsel mit der stellvertretenden Vorsitzenden B. ist.

Die Arbeitgeberin hatte sich in Insolvenz befunden. Das Insolvenzverfahren ist zwischenzeitlich beendet. Seit 1. Jan. 2014 galt ein Ergänzungstarifvertrag zu den Tarifverträgen der Metallindustrie mit einer Laufzeit bis 31. Dez. 2016, den die Arbeitgeberin mit der IG-Metall abgeschlossen hatte (Anlage AS1, Bl. 15 ff. d. A.).

Im Hinblick auf die mit dem Ergänzungstarifvertrag verbundenen Einschränkungen macht der Betriebsratsvorsitzende seit dem Jahr 2014 Ansprüche auf Zahlung eines Entgeltausgleiches bei Leistungsminderung und auf Zahlung einer tariflichen Treueprämie geltend. In dem dazu anhängig gemachten Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg - Kammer Neu-Ulm (8 Ca 312/15) hatte das Arbeitsgericht im Gütetermin vom 7. Juli 2015 in Abwesenheit beschlossen, neuen Termin auf Antrag einer Partei anzuberaumen. Ein dahingehender Antrag ist ersichtlich bislang nicht gestellt worden. In der Folgezeit hatten die Beteiligten (Betriebsratsvorsitzender und Arbeitgeberin) mehrfach, insbesondere in einem Gespräch des Betriebsratsvorsitzenden mit dem Personalleiter V., am 17. Sept. 2015 über eine Ausgleichszahlung an den Betriebsratsvorsitzenden verhandelt.

Die Beteiligten verhandelten über eine Betriebsvereinbarung zur Regelung eines Schichtmodells am Wochenende. Schichtarbeit am Wochenende war bislang ohne Betriebsvereinbarung bei freiwilliger Teilnahme der Mitarbeiter - nach formloser Beteiligung des Betriebsrats - gehandhabt worden. Daneben verhandelte die Arbeitgeberin mit der IG-Metall über eine Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages.

Ca. im November 2015 hatten sich die Betriebsratsgremien in den Betrieben des Unternehmens der Arbeitgeberin gegen die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages ausgesprochen.

Am 26. und am 29. Jan. 2016 fanden zwei Gespräche des Betriebsratsvorsitzenden zum einen mit dem damaligen Geschäftsführer Dr. H. und zum anderen mit den (damaligen) Geschäftsführern B. und Dr. H. statt, deren Inhalte im Einzelnen unter den Beteiligten streitig sind. Am 29. Jan. 2016 war ihm ein Aufhebungsvertrag mit der Bitte um Rückäußerung übergeben worden. In einem weiteren Gespräch des Betriebsratsvorsitzenden am 1. Feb. 2016, zu dem er seinen Sohn mitgenommen hatte, erhöhte die Arbeitgeberin das Abfindungsangebot, ohne dass der Vertrag zustande gekommen wäre.

Mit Schreiben vom 2. Feb. 2016 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden, die am 3. Feb. 2016 verweigert wurde.

Mit Antragsschrift vom 4. Feb. 2016, die am 5. Feb. 2016 per Telefax beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangen war, begehrt die Arbeitgeberin den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsratsgremium.

Sie hat vorgetragen, der Betriebsratsvorsitzende habe im Gesprächstermin mit Dr. H. am 26. Jan. 2016 über seine persönliche Situation (Entgeltausgleich), über die zu verhandelnde Betriebsvereinbarung und die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages gesprochen. Er sei dabei nochmals auf seine Forderung eines Entgeltausgleiches von mtl. € 150.- zu sprechen gekommen, während Dr. H. auf die ablehnende Stellungnahme der Geschäftsleitung verwiesen habe. Daraufhin habe der Betriebsratsvorsitzende sinngemäß geäußert, er könne sich um die betrieblich an ihn herangetragenen Themen erst dann als Betriebsratsvorsitzender kümmern, wenn über seine persönliche Forderung entschieden sei. Er könne die Themen konstruktiv vorantreiben oder auch Steine in den Weg legen. Nach der anschließenden (einvernehmlichen) Diskussion der weiteren Probleme habe der Betriebsratsvorsitzende beim Verlassen des Raumes nochmals erklärt, er brauche zuerst eine Lösung seiner Situation, erst dann könne er sich um andere Dinge kümmern.

Beim Gespräch mit den Geschäftsführern B. und Dr. H. am 29. Jan. 2016 habe der Betriebsratsvorsitzende erneut seine Ansprüche auf die geltend gemachten Zahlungen erhoben und erklärt, ansonsten werde er die Ausdehnung des Schichtmodells am Wochenende und die Verlängerung des Ergänzungstarifvertrages boykottieren. Im weiteren Gesprächsverlauf habe er wiederholt, wenn er "das" nicht geregelt bekomme, gehe er nach hinten und sage den Leuten (Mitarbeiter des Schmelzbetriebes), dass sie ab sofort am Wochenende nicht mehr zu kommen brauchten. Er werde dann gegen die Firma verhandeln.

Im weiteren Gespräch vom 1. Feb. 2016 habe der Betriebsratsvorsitzende vorstehende Äußerungen nicht bestritten. Sein Sohn habe nur relativiert, die Androhungen seien keine Erpressung.

Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat auszuschließen.

Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben beantrag,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Textentwurf der Betriebsvereinbarung sei erst am 22. Jan. 2016 vorgelegt worden und habe nicht alle Punkte, auf die man sich geeinigt habe, enthalten.

Es sei üblich gewesen, in Besprechungen auch private und dienstliche Belange anzusprechen. Hintergrund seiner Forderung sei gewesen, dass er von der tariflich eingeräumten Möglichkeit des "Entgeltausgleiches bei Leistungsminderung habe Gebrauch machen wollen. Er habe einen Verlust von mtl. € 175.- erlitten, den er im gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Augsburg geltend gemacht habe. Er habe beschlossen, mit der Arbeitgeberin eine gütliche Lösung herbeizuführen.

Unzutreffend sei, dass er Druck ausgeübt habe. Die ihm zugeschriebenen Äußerungen seien nicht gefallen. Nach Ablehnung seiner Forderung im Gespräch vom 29. Jan. 2016 sei die Arbeitgeberin unvermittelt mit dem Vorschlag eines vorformulierten Aufhebungsvertrages auf ihn zugekommen, als er schon den Raum verlassen hatte.

Das Arbeitsgericht Augsburg hat den Antrag mit Beschluss vom 9. Aug. 2016 (Bl. 193 ff. d. A.) nach informatorischer Anhörung von Dr. H. und dem Betriebsratsvorsitzenden abgewiesen. Wegen des (un-)streitigen weiteren Vortrags der Beteiligten und der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

Im Wesentlichen führt das Arbeitsgericht aus, die dem Betriebsratsvorsitzenden zur Last gelegten Aussagen wiesen einen Bezug zur Betriebsratstätigkeit auf und stellten einen groben Verstoß gegen die ihm obliegenden Amtspflichten dar. Allerdings habe die Kammer nach informatorischer Anhörung des Geschäftsführers Dr. H. und dem Betriebsratsvorsitzenden nicht die Überzeugung gewinnen können, letzterer habe diese Äußerungen getan. Eine lediglich informatorische Anhörung sei dem Umstand geschuldet, dass eine Beweiserhebung nicht habe stattfinden können.

Gegen diesen ihr am 19. Aug. 2016 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 15. Sept. 2015, der am 16. Sept. 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17. Okt. 2016, der am 18. Okt. 2016 eingegangen war, begründet.

Die Arbeitgeberin hält, unter ergänzender Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag, daran fest, der Betriebsratsvorsitzende habe die erstinstanzlich wiedergegebenen Äußerungen getan. Diese habe das Erstgericht zu Recht als groben Verstoß angesehen. Zu rügen sei die unterlassene förmliche Parteivernehmung und die unterlassene Einvernahme des weiteren Geschäftsführers B.. Dr. H. sei zudem zwischenzeitlich als Geschäftsführer ausgeschieden und stehe als Zeuge zur Verfügung.

Sie beantragt:

I. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg, Az. 2 BV 2/16, vom 09.08.2016 wird abgeändert.

II. Der Beteiligte zu 3 wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.

Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Beschwerde mangels Auseinandersetzung mit den Gründen des Erstbeschlusses für unzulässig.

Eine förmliche Parteivernehmung komme mangels eines Verfahrensgegners nicht in Betracht. Deswegen sei die Beschwerde auch unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat Dr. H. als Zeigen und den Betriebsratsvorsitzenden als Beteiligten vernommen. Wegen der Beweisthemen und der Beweisergebnisse wird auf das Protokoll vom 17. Jan. 2017 (Bl. 266 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des Sachvortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 4. Feb. 2016 (Bl. 9 ff. d. A.), vom 11. Mai 2016 (Bl. 88 ff. d. A.), vom 28. Juni 2016 (Bl. 147 ff. d. A.), vom 15. Sept. 2016 (Bl. 218 ff. d. A.), vom 17. Okt. 2016 (Bl. 235 ff. d. A.) und vom 21. Dez. 2016 (Bl. 264 f. d. A.), des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden vom 3. Mai 2016 (Bl. 69 ff. d. A.) vom 9. Juni 2016 (Bl. 122 ff. d. A.), vom 10. Juni 2016 (Bl. 125 ff. d. A.), vom 12. Juli 2016 (Bl. 166 ff. d. A.) und vom 7. Dez. 2016 (Bl. 260 ff. d. A.) sowie auf die Protokolle vom 12. Mai 2016 (Bl. 98 ff. d. A.), vom 19. Juli 2016 (Bl. 186 ff. d. A.) und vom 17. Jan. 2017 (Bl. 266 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG). Insbesondere liegt eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Erstbeschluss vor, wenn die Beschwerdeführerin gegen die Art der "Beweiserhebung" des Arbeitsgerichts argumentiert.

2. In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.

Die Kammer ist nach durchgeführter Beweiserhebung überzeugt, dass die gegenständlichen Bemerkungen seitens des Betriebsratsvorsitzenden gefallen waren. Diese stellen einen groben Verstoß gegen die ihm obliegenden Amtspflichten als Betriebsratsmitglied dar und rechtfertigen seine Entfernung aus dem Betriebsratsgremium.

a. Nach durchgeführter Beweiserhebung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsratsvorsitzende die streitigen Bemerkungen getan hatte.

aa. Die dem Betriebsratsvorsitzenden seitens der Arbeitgeberin vorgeworfenen Bemerkungen sind zur Überzeugung der Kammer durch ihn getan worden. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. H.. Der Zeuge ist nach Ansicht der Kammer auch glaubwürdig. Er hat in sich widerspruchsfrei den Ablauf der Gespräche - im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Angaben des Betriebsratsvorsitzenden - von den streitigen Bemerkungen abgesehen - geschildert und angegeben, wann die Bemerkungen des Betriebsratsvorsitzenden im Gesprächsverlauf gefallen waren. Zwar war der Zeuge zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der Arbeitgeberin und ist noch - nach seinen Angaben - Geschäftsführer der Holding. Ungeachtet dessen waren keine Anhaltspunkte zu erkennen, dass er mit besonderem Eifer gegen den Betriebsratsvorsitzenden ausgesagt hätte. Vielmehr hat er seine Angaben sachlich und ruhig vorgebracht, ohne dass zu erkennen gewesen wäre, dass er den Verfahrenserfolg des einen oder anderen Beteiligten erstrebt hätte.

bb. Den Äußerungen den Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen seiner Einvernahme als Beteiligter konnte die Kammer nicht folgen.

(1) Zunächst ist festzuhalten, dass eine Beteiligteneinvernahme entsprechend § 447 ZPO auch im Beschlussverfahren erfolgen kann. Zuzugeben ist dem Betriebsrat und dem Betriebsratsvorsitzenden allerdings, dass (zumeist) keine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift in Betracht kommt, da es im Beschlussverfahren meist an einem Antragsgegner fehlt. Allein, zumindest in Verfahren, da eine Leistung gefordert wird, muss angegeben werden, wer diese zu erbringen haben soll. Diese Person oder Stelle ist dann als Antragsgegner anzusehen (vgl. etwa Weth, Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren, 1995, S. 111 f., 180 ff, 198 ff.).

Ungeachtet dessen ist die nach § 447 ZPO mögliche Beantragung der Einvernahme des Prozessgegners als Partei im Beschlussverfahren dahingehend zu modifizieren, dass die Einvernahme eines anderen Beteiligten beantragt werden kann. Dies stellt § 83 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich klar (vgl. dazu auch GMP/Matthes/Spinner, ArbGG, 8. Aufl., § 83 Rz. 102).

(2) Der Aussage des Betriebsratsvorsitzenden als Beteiligten konnte die Kammer nicht folgen. Die Aussage erschien auswendig gelernt. Der Betriebsratsvorsitzende hatte diese abgelesen. Dies vermag auch die präzise angegebenen Uhrzeiten, zu denen etwa Telefonate geführt worden waren bzw. zu denen er den Geschäftsführer getroffen hatte, erklären kann. Die Angabe einer auf die Minute genauen Uhrzeit ist nach den zwischenzeitlich seit den Vorgängen verstrichenen (fast) 12 Monaten nicht anders zu erklären, als dass die Daten auswendig gelernt bzw. wie hier aufgezeichnet und abgelesen worden waren. Der Eindruck einer auswendig gelernten Aussage bestätigt sich ferner, dass der Betriebsratsvorsitzende die Vorgänge chronologisch und vollständig hatte schildern wollen, unabhängig davon, ob einzelne Umstände, wie etwa die Diskussionspunkte anlässlich der Betriebsversammlung am 18. Jan. 2016 überhaupt vom Beweisthema erfasst werden. Er hatte seine Aufzeichnungen ohne Rücksicht auf das Beweisthema vorbringen (vorlesen) wollen.

(3) Angesichts der durch die Beweisaufnahme gefundenen Überzeugung der Kammer bedurfte es der weiterhin angebotenen (subsidiären) Beteiligteneinvernahme des Geschäftsführers der Arbeitgeberin B. nicht mehr.

bb. In den Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden ist eine grobe Verletzung seiner Pflichten als Betriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzender zu sehen, die auf Antrag des antragsberechtigten Arbeitgebers (§ 23 Abs. 1 BetrVG) den Ausschluss seiner Person aus dem Betriebsratsgremium rechtfertigt (§ 23 Abs. 1 BetrVG).

(1) Ein den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat rechtfertigender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten ist dann anzunehmen, wenn eine Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies ist dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint (BAG v. 27. 7. 23016 - 7 ABR 14/15, juris, Rz. 21; BAG v. 22. 6. 1993 - 1 ABR 62/92, EzA BetrVG 1972 § 23 Nr. 35; LAG Hessen v. 11. 2. 2016 - 9 TaBV 135/15, ArbR 2016, 389, Rz. 63 [juris] m.w.N.). § 23 Abs. 1 BetrVG stellt dabei keine Sanktion wegen der Amtspflichtverletzung dar, sondern will künftige Amtspflichtverletzungen durch das betreffende Betriebsratsmitglied ausschließen. Dabei entspricht das Tatbestandsmerkmal der groben Pflichtverletzung der geforderten Wiederholungsgefahr bei negatorischen Klagen wie der geforderten Besorgnis einer nicht rechtzeitigen Erfüllung bei einer Klage auf künftige Leistungen. Darin liegt mithin eine Rechtsschutzvoraussetzung dar (BAG v. 23. 6. 1992 - 1 ABR 11/92, EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 51; LAG Hessen v. 11. 2. 2016, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch DKK/Trittin, BetrVG, 10. Aufl., § 23 Rz. 10 f.).

(2) Eine derartige grobe, erhebliche und objektiv schwerwiegende, Pflichtverletzung ist vorliegend gegeben. Der Betriebsratsvorsitzende hat mit seinen wiederholten Bemerkungen zu erkennen gegeben, dass ihm primär an der Regelung seiner (vermeintlichen) persönlichen Ansprüche liegt und er bereit ist, dafür auch seine Betriebsratstätigkeit, also die sachgerechte Fortsetzung der laufenden Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur Regelung der Schichtarbeit an Wochenenden hintanzustellen. Zudem hat er sich bei nicht erfolgender Regelung seiner persönlichen Angelegenheiten, wie im Gespräch vom 29. Jan. 2016, dahingehend erklärt, die Arbeitnehmer anzuhalten, nicht mehr zur Wochenendtätigkeit zu erscheinen. Er setzte mithin seine Amtspflichten und sein Gewicht als Betriebsratsvorsitzender ein, um für sich - berechtigte oder nicht berechtigte - Vorteile zu erreichen. Diese Bemerkungen waren geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den Betriebspartnern nachhaltig zu erschüttern, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG) für die Zukunft nicht mehr zu erwarten ist.

Der Ausschluss aus dem Betriebsratsamt dient nicht allein der Sanktion der pflichtwidrigen Bemerkungen des Betriebsratsvorsitzenden. Vielmehr ist auch künftig eine derartige unerlaubte Druckausübung, also der Einsatz des Betriebsratsamtes mit den damit verbundenen Pflichten, zu erwarten, wenn der Betriebsratsvorsitzende der Ansicht ist, dass ihm, ihm zustehende Ansprüche versagt werden.

(3) Dagegen spricht nicht, dass der Vertreter des Betriebsrats, Herr S., im Anhörungstermin vom 17. Jan. 2017 (sinngemäß) geäußert hatte, der Betriebsrat habe stets die betrieblichen Notwendigkeiten im Auge gehabt; die Betriebsratsvorsitzende sei nicht das einzige bzw. bestimmende Betriebsratsmitglied. Mag dies in der Vergangenheit auch so gewesen sei, so muss die Arbeitgeberin künftig in ähnlichen Situationen ggf. mit einer gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit verstoßenden "Obstruktionspolitik" des Betriebsratsvorsitzenden rechnen, wobei sie nicht davon ausgehen kann, der Betriebsrat werde im Gremium aus ihrer Sicht bestehende betriebliche Notwendigkeiten erkennen. Die vom Betriebsratsvorsitzenden ggf. angeführten Argumente und deren Wirkung im Betriebsratsgremium können nicht im Vorfeld prognostiziert werden.

Zudem: Auch wenn das Betriebsratsgremium etwaige - unterstellte - künftige Verstöße des Betriebsratsvorsitzenden gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht mittragen und ausgleichen würde, so könnte der Betriebsratsvorsitzende die notwendige Mitbestimmung in sozialen und/oder personellen Fragen immerhin verzögern, indem er die mitbestimmungs- oder beteiligungspflichtigen Angelegenheiten nicht sofort auf die Tagesordnung der nächsterreichbaren Betriebsratssitzung nimmt (§ 29 Abs. 2 BetrVG).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geboten (§ 92 Abs. 1, § 73 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Dr. KünzlSchallerPrietz