Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Auszubildendenvertreters - Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen

BAG Erfurt Az. 7 ABR 33/09 vom 8. Sep. 2010

Leitsatz

1. Ein Auszubildender, der bereit ist, zu anderen als den sich aus § 78 a II BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden, muss dem Arbeitgeber unverzüglich nach dessen Nichtübernahmeerklärung seine Bereitschaft zu einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen mitteilen. Eine Einverständniserklärung im gerichtlichen Verfahren über den Auflösungsantrag genügt nicht.
2. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, durch eine Änderung seiner Arbeitsorganisation einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um die Weiterbeschäftigung des Auszubildendenvertreters zu gewährleisten.
3. Die Berufung des Arbeitgebers darauf, ihm sei mangels Beschäftigungsmöglichkeit die Weiterbeschäftigung eines Auszubildendenvertreters unzumutbar, kann rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich sein, wenn der Arbeitgeber den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit durch eine Änderung seiner Arbeitsorganisation oder seiner Personalplanung selbst mit der Absicht herbeigeführt hat, seiner Übernahmepflicht aus § 78 a II 1 BetrVG zu entgehen.
4. Kommt mit dem Auszubildendenvertreter auf anderer Grundlage als nach § 78 a II 1 BetrVG ein Arbeitsverhältnis zu Stande, kann dieses – z. B. tariflich begründete – Arbeitsverhältnis nicht nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG aufgelöst werden.

Tatbestand

Die Bet. streiten über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines früheren Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Die antragstellende und zu 1 beteiligte Arbeitgeberin betreibt Einrichtungsfachgeschäfte. Für ihren in der G-Straße in Köln geführten Betrieb wurden der zu 2 beteiligte Betriebsrat und die zu 4 beteiligte Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Der Bet. zu 3 absolvierte bei der Arbeitgeberin eine Ausbildung für den Beruf einer Fachkraft für Lagerlogistik, die am 31. 8. 2007 enden sollte. Er beendete die Ausbildung mit der Abschlussprüfung, die er am 20. 6. 2007 bestand. Zu diesem Zeitpunkt war er Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Er war der erste und im Jahr 2007 der einzige Absolvent dieser Berufsausbildung im Betrieb. Im Berufsausbildungsvertrag vom 27. 8. 2004 heißt es unter H auszugsweise:

„Sonstige Hinweise auf anzuwendende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Manteltarifvertrag des Einzelhandels NRW”

§ 23 IV des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 10. 2. 2006 (MTV) lautet: „Spätestens drei Monate vor dem vertraglichen Ende der Ausbildungszeit sollen sich Arbeitgeber und Auszubildender über eine Fortsetzung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses schriftlich erklären. Erklärt sich der Arbeitgeber nicht fristgerecht, gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, so hat er vor Mitteilung an den Auszubildenden den Betriebsrat zu hören und diesen über die Gründe für die beabsichtigte Nichtübernahme zu informieren. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates erfolgte Mitteilung über die Nichtübernahme ist unwirksam.”

Der Bet. zu 3 beantragte mit Schreiben vom 20. 4. 2007 unter Berufung auf § 78 a BetrVG die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Abschluss seiner Ausbildung. Die Arbeitgeberin teilte ihm unter dem 3. 5. 2007 mit, dass sie ihn nicht weiterbeschäftigen werde, weil sie im Bereich Logistik des Einrichtungshauses in der G-Straße keine vakante Stelle anbieten könne. Die Betreffzeile des Schreibens lautet: „Erklärung der Nichtübernahme nach § 23 IV Manteltarifvertrag nach Ende der Ausbildung”. Der Bet. zu 3 verlangte mit Anwaltsschreiben vom 16. 5. 2007 vorsorglich erneut die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach § 78 a BetrVG. Die Arbeitgeberin hatte für das Einrichtungshaus in der G-Straße am 29. 3. 2007 die Stelle einer Führungsnachwuchskraft in der Logistik in Vollzeit ausgeschrieben. Diese Ausschreibung zog sie nach dem Übernahmeverlangen des Bet. zu 3 vom 20. 4. 2007 zurück. Die Stelle wurde mindestens ein halbes Jahr lang nicht besetzt. Der Beschäftigungsbedarf wurde durch Über- oder Mehrarbeit anderer Arbeitnehmer aufgefangen. Im Teilbereich Warenfluss der Logistikabteilung der Arbeitgeberin werden 90 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Arbeitgeberin stellte in der Logistikabteilung den Arbeitnehmer B zum 1. 5. 2007 als Ersatz für einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer befristet bis 31. 8. 2007 ein. In der Zeit vom 16. 6. bis 30. 7. 2007 beschäftigte sie im Bereich Warenfluss der Logistik drei Arbeitnehmer befristet mit einer Arbeitszeit von jeweils 100 Monatsstunden. Nach Differenzen über die verweigerte Weiterbeschäftigung des Bet. zu 3 stimmte der Betriebsrat Überarbeitsanträgen der Arbeitgeberin nicht zu. Er meinte, an Stelle der Überarbeit könne eine Vollzeitstelle für den Bet. zu 3 geschaffen werden. Die Arbeitgeberin setzte daraufhin in der Zeit vom 24. bis 28. 7. 2007 drei Leiharbeitnehmer ein. Die Arbeitgeberin bot dem Bet. zu 3 nach dem Ende der Ausbildung eine Teilzeitstelle im Umfang von 87 Monatsstunden an. Der Bet. zu 3 lehnte dieses Angebot ab. Während der ersten zwei Monate nach Abschluss der Ausbildung wurde er zunächst nicht beschäftigt. Seitdem setzt die Arbeitgeberin den Bet. zu 3 auf dieser Stelle in Teilzeit von 87 Monatsstunden gegen eine Vergütung nach Lohngruppe III c des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel im Land Nordrhein-Westfalen (LTV) ein. Der Bet. zu 3 hat sich am 15. 12. 2008 – in der Anhörung vor dem LAG – bereit erklärt, mit Tätigkeiten im Warenfluss der Logistik beschäftigt zu werden, die nur einem Teil seiner Ausbildung gerecht werden und nach Lohngruppe II c LTV zu vergüten sind.

Die Arbeitgeberin hat mit ihrer am 12. 6. 2007 beim ArbG eingegangenen Antragsschrift zuletzt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Bet. zu 3 verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Weiterbeschäftigung sei ihr unzumutbar, weil es im Ausbildungsbetrieb keine ausbildungsgerechten Dauerarbeitsplätze gebe. Die im Warenfluss ausgeschriebenen Arbeitsplätze verlangten grundsätzlich keine abgeschlossene Ausbildung. Sie unterfielen der Lohngruppe II LTV. Die Arbeitgeberin habe außerdem allgemein nur befristete Arbeitsverträge geschlossen. Wegen der Neueröffnung eines weiteren Einrichtungshauses in O. habe sie im Einrichtungshaus in der G-Straße einen Umsatzrückgang erwartet. Die Ausschreibung der Stelle einer Führungsnachwuchskraft in der Logistik im Frühjahr 2007 sei mit Blick auf den zu erwartenden Umsatzrückgang zurückgezogen worden. Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt, das zwischen ihr und dem Bet. zu 3 gem. § 78 a BetrVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Die Bet. zu 2 bis 4 haben gemeint, ein betrieblicher Bedarf für die Beschäftigung des Bet. zu 3 ergebe sich bereits aus dem regelmäßigen Abschluss befristeter Teilzeitarbeitsverträge im Bereich Warenfluss der Logistik. Bei Vertragsschluss sei stets nicht absehbar, ob der Beschäftigungsbedarf später tatsächlich entfallen werde. Für eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sprächen auch die in der Logistik aufgelaufenen Überstunden, die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und der Einsatz eigener logistikfremder Arbeitnehmer. Die später zurückgezogene Ausschreibung der Stelle einer Führungsnachwuchskraft in der Logistik vom 29. 3. 2007 zeige, dass eine ausbildungsadäquate freie Stelle vorhanden gewesen sei.

Das ArbG hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das LAG (BeckRS 2009, 54530) hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LAG.

Entscheidungsgründe

15B. Mit der vom BeschwGer. gegebenen Begründung kann der Auflösungsantrag der Arbeitgeberin nicht abgewiesen werden.

Die vor dem LAG erklärte Bereitschaft des Bet. zu 3, nicht ausbildungsadäquat weiterbeschäftigt zu werden, wurde nicht rechtzeitig geäußert. Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend dar. Das LAG hat zwar zu Recht erkannt, dass zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 nach § 78 a II 1 BetrVG ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Der Senat kann auf Grund der vom LAG getroffenen Feststellungen aber nicht beurteilen, ob der Auflösungsantrag nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG begründet ist. Es fehlen hinreichende Feststellungen des BeschwGer., ob im Betrieb der Arbeitgeberin in der G-Straße im Zeitraum vom 20. 3. bis 20. 6. 2007 ein freier und für eine Besetzung mit dem Bet. zu 3 geeigneter dauerhafter Arbeitsplatz als Fachkraft für Lagerlogistik zur Verfügung stand. Der Senat kann nach den Feststellungen des LAG auch nicht abschließend beurteilen, ob zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 auf der Grundlage von § 23 IV MTV ein der Auflösung nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG nicht zugängliches unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist.

16I. Die Entscheidung des LAG hält der rechtsbeschwerderechtlichen Prüfung nicht stand.

171. Das LAG hat zutreffend erkannt, dass zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wurde.

18a) Nach § 78 a II 1, I BetrVG gilt zwischen einem Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines der anderen dort genannten Betriebsverfassungsorgane ist, und dem Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet, wenn der Auszubildende in den letzten drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt. Diese Übernahmeverpflichtung soll die Ämterkontinuität der in § 78 a I BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen gewährleisten und den Amtsträger vor nachteiligen Folgen bei seiner Amtsführung während des Berufsausbildungsverhältnisses schützen. Die Vorschrift stellt eine besondere gesetzliche Ausformung des betriebsverfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbots von Amtsträgern in § 78 S. 2 BetrVG dar. Durch ein form- und fristgerechtes Übernahmeverlangen des Auszubildenden entsteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitglied der in § 78 a I BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen nach § 78 a II 1 BetrVG ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 16).

19b) Danach ist zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen. Die Voraussetzungen des § 78 a II 1 BetrVG sind erfüllt. Der Bet. zu 3 gehört zu dem von § 78 a I BetrVG geschützten Personenkreis. Er war bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der Bet. zu 3 hat mit Schreiben vom 20. 4. 2007 und 16. 5. 2007 innerhalb der Frist des § 78 a II 1 BetrVG seine Weiterbeschäftigung von der Arbeitgeberin verlangt.

202. Die angefochtene Entscheidung ist unrichtig, soweit das LAG den Auflösungsantrag abgewiesen hat. Mit der vom BeschwGer. gegebenen Begründung kann der Antrag der Arbeitgeberin, das nach § 78 a II 1 BetrVG zu Stande gekommene Arbeitsverhältnis aufzulösen, nicht abgewiesen werden. Das LAG hat nicht festgestellt, dass während des Drei-Monats-Zeitraums vor dem vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses ein konkreter freier und für die Besetzung mit dem Bet. zu 3 geeigneter Dauerarbeitsplatz vorhanden war.

21a) Der Arbeitgeber kann gem. § 78 a IV 1 Nr. 1 BetrVG die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 78 a II 1 BetrVG verhindern oder gem. § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG dessen Auflösung herbeiführen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer ihm die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Dabei stimmt der Begriff der Zumutbarkeit in § 78 a IV 1 BetrVG mit dem in § 626 I BGB nicht überein (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 17).

22aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht erst dann unzumutbar, wenn die Voraussetzungen des § 626 I BGB erfüllt sind. Die zum Begriff der Unzumutbarkeit in § 626 I BGB entwickelten Grundsätze lassen sich nicht auf § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG übertragen. Der Tatbestand des § 626 I BGB ist erfüllt, wenn dem Arbeitgeber schon die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Bei der Auflösung des nach § 78 a II 1 BetrVG entstandenen Arbeitsverhältnisses ist demgegenüber maßgeblich, ob dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Amtsträgers in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zumutbar ist (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 18; BAG, NZA 2009, 1168 Os. = NJOZ 2009, 3932 = EzAÜG BetrVG Nr. 112 Rdnr. 16).

23bb) Neben personen- und verhaltensbedingten Gründen können auch betriebliche Gründe die Auflösung des kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Die Fortsetzung des nach § 78 a II 1 BetrVG begründeten Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen unzumutbar, wenn in seinem Betrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft beschäftigt werden kann. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Ausbildungsbetrieb (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 19; BAG, NZA 2009, 1168 Os. = NJOZ 2009, 3932 = EzAÜG BetrVG Nr. 112 Rdnr. 17).

24(1) Ob ein Beschäftigungsbedarf für den durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden zur Verfügung steht, bestimmt sich nach den arbeitstechnischen Vorgaben und der Personalplanung des Arbeitgebers, der darüber entscheidet, welche Arbeiten im Betrieb verrichtet werden sollen und wie viele Arbeitnehmer damit beschäftigt werden. Ohne Bedeutung ist daher, ob Arbeitsaufgaben vorhanden sind, mit deren Verrichtung ein Arbeitnehmer betraut werden könnte. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen Arbeitsplätze neu zu schaffen, um die Weiterbeschäftigung zu gewährleisten. Von Missbrauchsfällen abgesehen ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch nicht gehindert, durch eine Veränderung der Arbeitsorganisation Arbeitsplätze wegfallen zu lassen. Ist dagegen im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ein freier Arbeitsplatz vorhanden, hat bei der Prüfung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung ein künftiger Wegfall von Arbeitsplätzen unberücksichtigt zu bleiben (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 20; BAG, NZA 2009, 1168 Os. = NJOZ 2009, 3932 = EzAÜG BetrVG Nr. 112 Rdnr. 18 m. w. Nachw.).

25(2) Nach diesen Grundsätzen ist dem Arbeitgeber die Übernahme eines durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden aus betrieblichen Gründen nicht allein deshalb unzumutbar, weil er sich entschließt, in seinem Betrieb anfallende Arbeitsaufgaben künftig nicht mehr eigenen Vertragsarbeitnehmern, sondern Leiharbeitnehmern zu übertragen. Allein durch die Entscheidung des Arbeitgebers, künftig für die Erledigung der Arbeitsmenge Leiharbeitnehmer einzusetzen, ändert sich die Anzahl der im Betrieb eingerichteten Arbeitsplätze und damit auch der Beschäftigungsbedarf nicht (ausführlich BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 21 m. w. Nachw.).

26cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung i. S. des § 78 a IV BetrVG auf den Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses abzustellen. Die Weiterbeschäftigung eines durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden kann dem Arbeitgeber i. S. von § 78 a IV BetrVG im Einzelfall auch zumutbar sein, wenn er einen kurz vor der Beendigung der Berufsausbildung frei gewordenen Arbeitsplatz wieder besetzt hat, statt ihn für einen nach § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden freizuhalten. Das gilt regelmäßig bei einer Besetzung, die innerhalb von drei Monaten vor dem vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses vorgenommen wird. Der Arbeitgeber muss innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 78 a II 1 BetrVG mit einem Übernahmeverlangen rechnen. Diesem Verlangen hat er nachzukommen, wenn nicht die Ausnahmetatbestände des § 78 a IV BetrVG erfüllt sind. Aus diesem Grund führt ein zum Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung fehlender Beschäftigungsbedarf nicht zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitgeber einen innerhalb von drei Monaten vor der vertraglich vereinbarten Beendigung des Ausbildungsverhältnisses frei gewordenen Arbeitsplatz besetzt hat und die sofortige Neubesetzung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse geboten war (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 23 m. w. Nachw.; BAG, NZA 2009, 1168 Os. = NJOZ 2009, 3932 = EzAÜG BetrVG Nr. 112 Rdnr. 20).

27b) Danach hält die Begründung, mit der das LAG den Auflösungsantrag abgewiesen hat, der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. Das LAG hat unzutreffend angenommen, das in der Anhörung im Beschwerderechtszug erklärte Einverständnis des Bet. zu 3 damit, im Bereich Warenfluss der Logistikabteilung und mit Tätigkeiten der Lohngruppe II c weiterbeschäftigt zu werden, stehe der verlangten Auflösung des Arbeitsverhältnisses entgegen.

28aa) Nach § 78 a II 1 BetrVG entsteht durch ein vom Auszubildenden form- und fristgerecht erhobenes Weiterbeschäftigungsverlangen kraft Gesetzes ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis, das einen Anspruch auf eine ausbildungsgerechte Beschäftigung im Ausbildungsbetrieb begründet. Inhaltliche Änderungen dieses Arbeitsverhältnisses unterliegen dem Konsensprinzip. Deshalb darf ein Auflösungsantrag nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG nicht mit der Erwägung abgewiesen werden, dem Arbeitgeber wäre die Begründung eines anderen als des nach § 78 a II BetrVG entstehenden Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen. Aus dem Schutzzweck des § 78 a BetrVG ergibt sich allerdings eine Pflicht des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Auszubildenden zu anderen als den sich aus § 78 a II 1 BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen, wenn sich der Auszubildende zumindest hilfsweise mit einer Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen bereit erklärt hat. Hat der Auszubildende seine Bereitschaft zu einer anderweitigen Beschäftigung im Ausbildungsbetrieb erklärt, muss der Arbeitgeber prüfen, ob ihm diese möglich und zumutbar ist. Unterlässt er die Prüfung oder verneint er zu Unrecht die Möglichkeit und die Zumutbarkeit, kann das nach § 78 a II 1 BetrVG entstandene, auf die ausbildungsgerechte Beschäftigung gerichtete Arbeitsverhältnis nicht nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG aufgelöst werden, obwohl eine vollzeitige Beschäftigungsmöglichkeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf nicht besteht. Der Arbeitgeber ist dann darauf verwiesen, die notwendigen Änderungen der Vertragsbedingungen durch individualrechtliche Maßnahmen durchzusetzen (vgl. BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 31 m. w. Nachw.; BAGE 127, 126 = NZA 2009, 202 Rdnr. 29).

29bb) Allerdings muss ein Auszubildender, der bei Fehlen einer ausbildungsadäquaten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch zu anderen als den sich aus § 78 a II BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis im Ausbildungsbetrieb übernommen werden möchte, dem Arbeitgeber unverzüglich nach dessen Nichtübernahmeerklärung seine Bereitschaft zu einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen mitteilen. Eine Einverständniserklärung im gerichtlichen Verfahren über den Auflösungsantrag genügt nicht. Der Auszubildende darf sich nicht darauf beschränken, sein Einverständnis mit allen in Betracht kommenden Beschäftigungen zu erklären oder die Bereitschaftserklärung mit einem Vorbehalt zu verbinden. Er muss die von ihm hilfsweise für möglich gehaltene Beschäftigung vielmehr so konkret beschreiben, dass der Arbeitgeber erkennen kann, wie sich der Auszubildende seine Weiterarbeit vorstellt (BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 32; BAGE 127, 126 = NZA 2009, 202 Rdnr. 30).

30cc) Der Bet. zu 3 erklärte sich hier nicht rechtzeitig dazu bereit, zu geänderten Bedingungen weiterbeschäftigt zu werden. Er erteilte sein Einverständnis nicht unverzüglich nach der Nichtübernahmemitteilung der Arbeitgeberin, sondern erst im gerichtlichen Verfahren über den Auflösungsantrag in der Anhörung vor dem LAG. Seine Bereitschaft zur Weiterarbeit zu geänderten Bedingungen war demnach unbeachtlich und löste keine weitere Prüfungspflicht der Arbeitgeberin aus.

31II. Die Entscheidung des BeschwGer. stellt sich weder aus anderen Gründen i. S. von § 561 ZPO als richtig dar, noch ist die Sache i. S. von § 563 III ZPO zur Endentscheidung reif. Der Beschluss des LAG war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das BeschwGer. zurückzuverweisen.

321. Nach den vom LAG getroffenen Feststellungen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Arbeitgeberin die Weiterbeschäftigung des Bet. zu 3 i. S. von § 78 a IV 1 BetrVG unzumutbar war. Das LAG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche Tätigkeiten ausbildungsgerecht sind und ob im Ausbildungsbetrieb innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 78 a II 1 BetrVG freie und auf Dauer zu besetzende Vollzeitstellen mit ausbildungsadäquaten Tätigkeiten vorhanden waren. Ebenso wenig lässt sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LAG abschließend beurteilen, ob zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 ein Arbeitsverhältnis nach § 23 IV MTV zu Stande gekommen ist, das nicht nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG aufgelöst werden könnte.

33a) Das LAG ist zu Unrecht davon ausgegangen, die Weiterbeschäftigung des Bet. zu 3 sei der Arbeitgeberin zumutbar, weil der von ihm eingenommene Teilzeitarbeitsplatz mit einer Arbeitszeit von 87 Monatsstunden auf Grund der aufgelaufenen Über- und Mehrarbeit auf eine Vollzeitstelle aufgestockt werden könne.

34aa) Die Erwägung des BeschwGer. reicht schon deswegen nicht aus, weil das LAG nicht festgestellt hat, dass der eingenommene Teilzeitarbeitsplatz ausbildungsgerecht ist.

35bb) Im Übrigen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, durch eine Änderung seiner Arbeitsorganisation einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um die Weiterbeschäftigung zu gewährleisten (vgl. BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 20 m. w. Nachw.). Das gilt auch für die Entscheidung, ob durch den Abbau von Überstunden zusätzliche Einstellungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Es unterliegt der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers zu entscheiden, ob durch Abbau von Überstunden ein Arbeitsplatz geschaffen werden soll oder nicht (vgl. BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 Rdnr. 27). Die Arbeitgeberin ist deswegen nicht verpflichtet, das in der Logistik entstandene Überstundenvolumen in einen Dauerarbeitsplatz umzuwandeln. Der kurzfristige Einsatz von Leiharbeitnehmern in der Zeit vom 24. bis 28. 7. 2007 rechtfertigt ohnehin nicht den Schluss, dass ein Dauerarbeitsplatz vorhanden ist. Schließlich ist auch nicht festgestellt, dass im Drei-Monats-Zeitraum des § 78 a II 1 BetrVG mehrere unbefristete ausbildungsgerechte Teilzeitstellen frei waren, die als Vollzeitstellen hätten behandelt werden können.

36b) Die Feststellungen des LAG rechtfertigen bislang nicht die Annahme, die Arbeitgeberin habe ihre Übernahmeverpflichtung aus § 78 a II 1 BetrVG in rechtsmissbräuchlicher Weise umgehen wollen, indem sie die Ausschreibung einer für den Bet. zu 3 geeigneten, ausbildungsgerechten und unbefristeten Stelle nur deshalb zurückgezogen habe, um die Übernahme des Bet. zu 3 zu verhindern. Eine missbräuchliche Umgehung der Übernahmeverpflichtung aus § 78 a II 1 BetrVG kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber eine Veränderung seiner Arbeitsorganisation allein zu dem Zweck vornimmt, eine Übernahme der durch § 78 a BetrVG geschützten Personen zu verhindern (vgl. BAG, AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 78 a Nr. 5 Rdnr. 20; BAG, NZA 2009, 1168 Os. = NJOZ 2009, 3932 = EzAÜG BetrVG Nr. 112 Rdnr. 18 m. w. Nachw.). Hiermit ist es vergleichbar, wenn ein Arbeitgeber die Ausschreibung einer von ihm zur (Neu-)Besetzung vorgesehenen geeigneten Stelle nur deswegen – vorübergehend – zurückzieht, um seiner Übernahmeverpflichtung zu entgehen.

37c) Die tatsächlichen Feststellungen des LAG lassen schließlich auch keine abschließende Beurteilung zu, ob zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 nach § 23 IV MTV ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist. Ein solches auf tariflicher Grundlage entstandenes Arbeitsverhältnis könnte nicht nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG aufgelöst werden. Die gesetzliche Auflösungsmöglichkeit des § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG erfasst nur das auf der Grundlage von § 78 a II 1 BetrVG begründete Arbeitsverhältnis. Sollte die Entscheidung des Senats vom 29. 11. 1989, die offenlässt, ob durch Weiterarbeit nach § 17 BBiG a. F. (heute: § 24 BBiG) ein Arbeitsverhältnis begründet wurde (BAGE 63, 319 = NZA 1991, 233 [zu B II 2 a. E.]), anders zu verstehen sein, hält der Senat an dieser Auffassung nicht länger fest.

382. Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat demnach nicht abschließend beurteilen, ob der Auflösungsantrag der Arbeitgeberin begründet ist. Die Sache war an das BeschwGer. zurückzuverweisen.

39a) Das LAG wird zunächst aufzuklären haben, ob zwischen der Arbeitgeberin und dem Bet. zu 3 nach dem in der Nichtübernahmeerklärung vom 3. 5. 2007 zitierten § 23 IV MTV ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen ist. Es wird insbesondere zu prüfen haben, ob der Betriebsrat vor der Nichtübernahmemitteilung ordnungsgemäß informiert und angehört wurde (§ 23 IV 3 MTV). Sollte das nicht zutreffen, wäre ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auf der Grundlage von § 23 IV MTV zu Stande gekommen, das nicht nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG aufgelöst werden könnte.

40b) Kommt das LAG zu dem Ergebnis, dass nach § 23 IV MTV kein Arbeitsverhältnis begründet wurde, wird es klären müssen, ob für den Bet. zu 3 im Zeitraum vom 20. 3. bis 20. 6. 2007 im Ausbildungsbetrieb ein freier Dauerarbeitsplatz in seinem Ausbildungsberuf zur Verfügung stand. Es wird dabei insbesondere zu prüfen haben, ob die am 29. 3. 2007 ausgeschriebene Stelle einer Führungsnachwuchskraft in der Logistik ausbildungsgerecht und auf Dauer eingerichtet war. In diesem Fall wird sich das BeschwGer. eine Überzeugung davon bilden müssen (§ 286 I 1 ZPO), ob die Ausschreibung nur deshalb zurückgezogen wurde, um die Weiterbeschäftigung des Bet. zu 3 zu vereiteln.