Mitbestimmung über Dauer der Arbeitszeit

BAG Erfurt Az. 1 ABR 69/85 vom 13. Jan. 1987

Leitsatz

Der Betriebsrat hat jedenfalls dann nicht mitzubestimmen über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, wenn diese in einem Tarifvertrag geregelt ist (§ 87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG).

Tatbestand

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über den Umfang des Mitbestimmungsrechts bei der Änderung der Arbeitszeit.

Der Arbeitgeber unterhält mehrere Betriebe, u.a. den Betrieb "Bezirksleitung K ". In diesem Betrieb wird "stationäres" und "Fahrpersonal" beschäftigt. Der stationäre Bereich gliedert sich in die Abteilungen Verwaltung, Betriebsbüro, Personalbüro, Betriebsbahnhof, Lager, Transportdienste, Betriebsüberwachung und Werkküche. In diesen Abteilungen werden Arbeiter und Angestellte beschäftigt.

Für die tarifgebundenen Arbeitnehmer werden die Arbeitsbedingungen durch einen zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) vereinbarten Manteltarifvertrag vom 25. Mai 1981 geregelt. Dieser Tarifvertrag enthält in Abschnitt 4 Bestimmungen über die Arbeitszeit.

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In einigen Abteilungen wird fortlaufend an sieben Tagen in der Woche gearbeitet. Für die Arbeitnehmer werden Dienstpläne aufgestellt. Dabei wird die wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Tage in der Woche verteilt. In jeder Woche erhält jeder Arbeitnehmer somit zwei freie Tage. Die tägliche Arbeitszeit einschließlich der Pausen wurde für die stationären Betriebe zuletzt durch eine Betriebsvereinbarung vom 30. November 1975 geregelt. Diese Betriebsvereinbarung enthält für alle Abteilungen eine Regelung, an welchen Wochentagen gearbeitet wird, und Regelungen über die Dauer der einzelnen Schichten.

In den Fällen, in denen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Wochenarbeitstag fiel, an dem der Arbeitnehmer wegen des rollierenden Dienstplans nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet war (planmäßig freier Tag), brauchten diese Arbeitnehmer nach einer 1964 eingeführten Regelung an einem weiteren Tag dieser Woche nicht zu arbeiten; sie erhielten einen zusätzlichen freien Tag. Das gleiche galt in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer an einem Wochenfeiertag dienstplanmäßig arbeitete. Diese Regelung beruhte auf einer Absprache des damaligen Bezirksleiters mit dem Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 1983 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, er werde ab 1. April 1984 den Arbeitnehmern keinen zusätzlichen freien Tag mehr gewähren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochenfeiertag fiele. In diesem Schreiben heißt es:

"Nach der Gewerbeordnung ist Feiertagsarbeit auf den Personenkreis unserer Bezirksleitung zu beschränken, dessen Arbeiten der Natur nach keinen Aufschub gestatten. Derselbe hat keinen Anspruch auf einen Ausfall der Arbeitszeit an Feiertagen, gleichgültig, ob an wechselnden Dienstzeiten oder zu festen Tageszeiten gearbeitet wird. Wie allgemein bekannt, mußte unser Lagerpersonal bisher am Ostkopf des K Hbf unter erschwerten Arbeitsbedingungen seine Arbeitspflichten erfüllen - Fehlen von sozialen Einrichtungen -; es waren keine der modernen Arbeitswelt angepaßten Arbeitsplätze. Daher wurde es bisher stillschweigend als eine Art Erschwernisausgleich in Kauf genommen, daß dort beschäftigte Betriebsangehörige, und, in geringem Maße, zur Wahrung einer Gleichbehandlung, auch solche von anderen Betriebsbereichen unserer Bezirksleitung zusätzlich einen freien Tag nahmen, wenn das planmäßige Frei auf einen Wochenfeiertag fiel.

Nach Abschluß der Sanierungs-, Renovierungs- und Umbauarbeiten unseres Lagerbereiches einschließlich des Baues eines Sozialgebäudes mit Aufenthaltsraum und sanitären Einrichtungen, haben wir vorzeigbare und humanitäre Arbeitsplätze erhalten. Damit ist auch der Grund - erschwerte Arbeitsbedingungen - weggefallen, der in etwa die Gewährung eines zusätzlichen freien Tages bei Vorliegen der genannten Umstände rechtfertigt. Eine Betriebsvereinbarung ist hierüber nicht abgeschlossen worden. Trotzdem gehe ich davon aus, daß im Geiste - oder wie es auch genannt werden soll - eine solche oder ähnliche bestanden hat, die/das ich hiermit zum 31.03.1984 aufkündige, so daß ab 01.04.1984 die Gewerbeordnung und die tarifliche Regelung im DSG-Manteltarifvertrag angewandt wird."

Der Betriebsrat lehnte diese Änderung ab. Er hat die Auffassung vertreten, er habe bei dieser Änderung der Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen. Er hat beantragt,

1. festzustellen, daß die von dem Arbeitgeber mit Wirkung vom 1. April 1984 durchgeführte Dienstplanänderung für die Beschäftigten mit flexiblem Dienstplan im stationären Dienst rechtsunwirksam ist,

2. dem Arbeitgeber aufzugeben, es bei der bis zum 31. März 1984 geltenden Dienstplanregelung für die Beschäftigten mit flexiblem Dienstplan im stationären Dienst zu belassen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Arbeitnehmer, die aufgrund des Dienstplans an einem Wochenfeiertag arbeitsfrei hätten, hätten auch keinen Anspruch auf einen zusätzlichen Freizeitausgleich. Bei der Rückführung der Arbeitsbedingungen auf die gesetzlich und tariflich geregelten Ansprüche stehe dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu. Die etwaige Regelungsabrede aus dem Jahre 1964 habe keine Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers den Beschluß abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betriebsrat erreichen, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Gründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

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3. In diesem Beschlußverfahren geht es nur um das Bestehen oder Nichtbestehen betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten, nicht um den Inhalt von Einzelarbeitsverträgen. Der Senat hat nur darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber nach dem Betriebsverfassungsgesetz einseitig, also ohne Zustimmung des Betriebsrats, gegenüber den Arbeitnehmern vorgehen kann. Dagegen ist in diesem Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob und wie der Arbeitgeber seine Vorstellungen über die Arbeitszeit gegenüber seinen Arbeitnehmern durchsetzen kann. Denkbar ist, daß die Arbeitnehmer aufgrund langjähriger betrieblicher Übung einen Anspruch auf Freizeitausgleich erworben haben. Dann müßte der Arbeitgeber, falls er die Arbeitsbedingungen ändern will, eine Änderungskündigung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern aussprechen. Denkbar ist aber auch, daß er sich eine jederzeitige Abänderbarkeit gegenüber den Arbeitnehmern vorbehalten hat, dann könnte er diese die Arbeitnehmer begünstigende Regelung nach billigem Ermessen widerrufen.

II. Das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht besteht nicht. Nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG hat der Betriebsrat nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Hier besteht eine tarifliche Regelung. Der Tarifvertrag bestimmt, in welchem zeitlichen Umfang ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Er regelt auch die Ausnahmen. Er legt damit fest, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer nicht zur Dienstleistung verpflichtet ist.

1. Nach Abschnitt 4.1.1 beträgt die regelmäßige Arbeitszeit für alle Beschäftigten 40 Stunden in der Woche. Die Wochentage, an denen diese Arbeit zu leisten ist, werden mit dem Betriebsrat vereinbart. Im vorliegenden Falle haben sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf eine Verteilung der Arbeitszeit auf fünf Wochentage geeinigt. Zwei Wochentage müssen nach Tarifvertrag und ergänzender Regelungsabrede danach arbeitsfrei bleiben.

Da aus betrieblichen Gründen an sieben Tagen in der Kalenderwoche gearbeitet werden muß, sind Dienstpläne für die Arbeiten an einzelnen Wochentagen aufzustellen. Dabei haben Arbeitgeber und Betriebsrat im vorliegenden Fall die Dienstpläne nach einem "rollierenden System" aufgestellt. Dadurch verschieben sich jeweils die Wochentage, an denen ein Arbeitnehmer, der in diesem rollierenden System arbeitet, nicht zu arbeiten braucht, also seinen arbeitsfreien Tag hat.

Feiertage wirken sich nach dem Tarifvertrag nicht auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit aus. Müssen die Arbeitnehmer ausnahmsweise an einem Feiertag arbeiten - das kann nach §§ 105 a ff. GewO zulässig sein -, erhalten sie Lohn und einen Zuschlag (Abschnitt 4.8.1 und 4.8.2). Brauchen die Arbeitnehmer nicht zu arbeiten, wird die ausfallende Arbeitszeit nach Maßgabe des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen vergütet; insoweit verweist der Tarifvertrag auf diese gesetzliche Regelung (Abschnitt 4.8.3).

Weitere Auswirkungen auf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit haben die Feiertage nicht. Insofern enthält der Tarifvertrag eine abschließende Regelung. Für Arbeitnehmer, die an einem Wochenfeiertag arbeiten, sind außer dem Feiertagszuschlag keine weiteren Zeit- oder Geldausgleiche, also auch kein weiterer freier Tag vorgesehen. Nach dem Tarifvertrag wird die Wochenarbeitszeit nicht verkürzt, wenn ein Wochenfeiertag mit dem Tag, an dem der Arbeitnehmer dienstplanmäßig nicht zu arbeiten braucht, zusammenfällt. Da für diese Fallgestaltungen der Tarifvertrag keine besonderen Regelungen vorsieht, bleibt es bei der allgemeinen Bestimmung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Hätten die Tarifvertragsparteien eine Ausnahme von der Verpflichtung der Arbeitnehmer, 40 Wochenstunden zu arbeiten, vorsehen wollen, hätten sie dies deutlich im Tarifvertrag zum Ausdruck gebracht. Ihnen waren die betrieblichen Verhältnisse beim Arbeitgeber bekannt. Der die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer regelnde Tarifvertrag ist ein Firmentarifvertrag. Andere Tarifverträge enthalten eine solche Regelung; so hat das Landesarbeitsgericht Hamm auf einen Tarifvertrag hingewiesen, in dem ausdrücklich bestimmt wird, daß für eine auf einen Wochenfeiertag fallende Freizeit zusätzlicher Freizeitausgleich an einem anderen Tag zu gewähren ist.

Von der Frage, in welchem zeitlichen Umfang die Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, ist die weitere Frage zu unterscheiden, ob und in welchem Umfang günstigere Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern und über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit möglich sind. Solche Abreden sind nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig. Allein daraus, daß sie zulässig sind, kann jedoch nicht geschlossen werden, der Tarifvertrag habe nur eine Höchstdauer der wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt. Dieser Tarifvertrag legt Leistung und Gegenleistung abschließend fest. Zu der Leistung, die Arbeitnehmer schulden, gehört die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit.

Da die Dauer der Arbeitszeit tariflich geregelt ist, besteht kein Bedürfnis für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Dauer der Arbeitszeit. Vielmehr ist die tariflich geregelte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, soweit keine günstigeren Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehen, der Rahmen, in dem der Betriebsrat bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen hat (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG).

2. Da die tarifliche Regelung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausschließt, braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob der Betriebsrat über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hätte, wenn die Dauer der Arbeitszeit nicht tariflich geregelt wäre. Diese Frage hat der Senat bisher noch nicht entschieden.