Mitbestimmung bei Einrichtung einer Rufbereitschaft

BAG Erfurt Az. 1 ABR 14/81 vom 22. Feb. 1983

Leitsatz

1. Bedingen organisatorische oder technische Gründe, daß Arbeitnehmer in einem Rechenzentrum über das Schichtende hinaus arbeiten, so ist diese Mehrarbeit mitbestimmungspflichtig auch dann, wenn jeweils nur ein Arbeitnehmer länger arbeiten muß. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt nicht deswegen, weil die Arbeitnehmer im Rechenzentrum aus eigener Entschließung "freiwillig" länger arbeiten.

2. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt keinen allgemeinen Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber, daß dieser Handlungen unterläßt, die gegen Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte des Betriebsrates verstoßen. Erst wenn ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz vorliegt, kann der Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG die Unterlassung solcher mitbestimmungswidriger Handlungen des Arbeitgebers verlangen.

Tatbestand

A. Die Antragsgegnerin betreibt einen wissenschaftl. Verlag. Im Rechenzentrum arbeiten 2 Rechenanlagen. Die ältere Anlage wird für Arbeiten im Versand, in der Buchhaltung, im Anzeigenwesen und in der Direktwerbung eingesetzt und ist mit diesen Arbeiten bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit ausgelastet. Die Übernahme von Arbeiten auf die neue Rechenanlage ist noch nicht abgeschlossen.

Im Rechenzentrum arbeiten 5 Angestellte in 2 Schichten. Jede Schicht ist mit mindestens 2 Angestellten besetzt. Die 1. Schicht läuft von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr, die 2. Schicht von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr.

Bedingt durch den Arbeitsanfall und durch den häufigen Ausfall der älteren Rechenanlage ist es in der Vergangenheit häufig dazu gekommen, daß die Angestellten des Rechenzentrums, insbesondere die der Nachmittagsschicht, länger als bis 22.00 Uhr gearbeitet haben. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin ergibt sich die Notwendigkeit, über 22.00 Uhr hinaus zu arbeiten, einmal aus dem Umstand, daß die Laufzeit der einzelnen Programme häufig im voraus schwer abzuschätzen ist und eine Unterbrechung des laufenden Programms dazu führt, daß bereits gespeicherte Daten verlorengehen und das Programm daher neu durchlaufen werden muß. Zum anderen mache ein Ausfall der Anlage die baldige Aufarbeitung liegengebliebener Vorgänge erforderl., weil vom Rechenzentrum Abläufe abhängig seien, deren Störung gravierende Auswirkungen habe. Zur Überwachung laufender Programme genüge an sich ein Angestellter, nach Vorschriften der Berufsgenossenschaft müßten jedoch nach 22.00 Uhr - wenn auch der Pförtner abgelöst sei - mindestens 2 Arbeitnehmer anwesend sein.

Für jeweils eine Sonderschicht im Rechenzentrum hat die Antragsgegnerin am 28. 4. und 5. 5. 1980 die Zustimmung des Betriebsrates beantragt, die vom Betriebsrat jeweils verweigert worden ist. Die Sonderschichten sind gleichwohl verfahren worden, die für Samstag, den 10. 5. 1980, beantragte Sonderschicht auch aus dem Grunde, weil die Anlage am 9. 5. 1980 ausfiel und bis 19.00 Uhr nicht wieder in Betrieb genommen werden konnte. Einschließl. dieser beiden Schichten haben Arbeitnehmer des Rechenzentrums in der Zeit vom 25. 4. bis 30. 6. 1980 insgesamt 23 mal länger als bis 22.00 Uhr gearbeitet. Am 8. 5. 1980 haben 3 Arbeitnehmer des Rechenzentrums - auf wessen Veranlassung hin ist streitig - eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich bereit erklärt haben, anfallende Überstunden und Sonderschichten aus den dargelegten Gründen zu fahren, und in der die Antragsgegnerin aufgefordert wird, eine Regelung zu finden, die "sicherstelle, daß auf freiw. Basis vereinbarte Sonderschichten durchgeführt und nicht durch Dritte untersagt werden können".

Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß ihm hinsichtl. der dargelegten Mehrarbeit im Rechenzentrum ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Es handele sich weder um Eil- noch um Notfälle. Das Einverständnis der Arbeitnehmer im Rechenzentrum schließe sein Mitbestimmungsrecht nicht aus. Er hat daher in dem vorliegenden, am 29. 5. 1980 anhängig gewordenen Verfahren beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, künftig die Anordnung von Veränderungen der betriebsübl. Arbeitszeit im Rechenzentrum ohne vorheriges Mitbestimmungsverfahren gemäß § 87 BetrVG zu unterlassen,

2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Mehrarbeit im Rechenzentrum sei nicht mitbestimmungspflichtig. Sie habe die Mehrarbeit nicht angeordnet, diese werde vielmehr von den Angestellten aus eigener Einsicht freiwillig geleistet, um schädl. Auswirkungen einer Unterbrechung des Programms oder eines Ausfalls der Anlage zu vermeiden. Keinem Angestellten würden Vorhaltungen gemacht, wenn er seine Arbeit um 22.00 Uhr beende. Darüber hinaus handele es sich um individuelle Einzelfälle, nicht aber um die Regelung eines generellen Tatbestandes. Das folge schon daraus, daß für die Mehrarbeit an sich ein Arbeitnehmer genüge. Jedenfalls bei der am 10. 5. 1980 verfahrenen Schicht habe es sich wegen des Ausfalls der Anlage um einen Notfall gehandelt.

Auch wenn die Mehrarbeit mitbestimmungspflichtig sein solle, könne der Betriebsrat nicht verlangen, daß die Mehrarbeit im Rechenzentrum unterbleibe, solange es zu einer Mitbestimmung des Betriebsrates nicht gekommen sei. § 23 Abs. 3 BetrVG gebe dem Betriebsrat einen vollstreckbaren Anspruch auf Unterlassung einer Handlung nur dann, wenn grob gegen Pflichten aus dem BetrVG verstoßen werde. Davon könne hier keine Rede sein, da die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit der Mehrarbeit im Rechenzentrum streitig sei und mit guten Gründen verneint werden könne.

Das ArbG hat dem Antrag stattgegeben. In der Rechtsbeschwerdeinstanz hat der Betriebsrat hilfsweise beantragt festzustellen, daß die Antragsgegnerin verpflichtet ist, künftig die Anordnung bzw. Duldung von Veränderungen der betriebsübl. Arbeitszeit im Rechenzentrum ohne vorheriges Mitbestimmungsverfahren gemäß den §§ 87, 76 BetrVG zu unterlassen.

Das LAG hat die Beschwerde zurückgewiesen, den Tenor des arbeitsgerichtl. Beschlusses jedoch dahin erweitert, daß die Antragsgegnerin auch die Duldung von Änderungen der betriebsübl. Arbeitszeit im Rechenzentrum ohne vorheriges Mitbestimmungsverfahren zu unterlassen habe.

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin führte zur Abweisung des Antrags.

Gründe

B. Zu Unrecht hat das LAG einen Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber bejaht, Mehrarbeit ohne vorherige Mitbestimmung des Betriebsrates nicht anzuordnen oder entgegenzunehmen.I. Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat beim ArbG beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, wenn dieser grob gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG verstößt.

Nicht alle Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Falle erfüllt.

1. Die Antragsgegnerin hat gegen Vorschriften des BetrVG verstoßen, als sie die hier strittige Mehrarbeit im Rechenzentrum anordnete oder entgegennahm, ohne den Betriebsrat zu beteiligen.

a) Mit der Frage des Umfangs und der Grenzen der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei vorübergehender Verlängerung der betriebsübl. Arbeitszeit, also bei Mehrarbeit, hat sich der Senat wiederholt befaßt (Beschl. vom 18. 11. 1980 - 1 ARB 8778 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Beschlüsse vom 2. 3. 1982 - 1 ABR 74/79 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, vom 8. 6. 1982 - 1 ABR 56/80 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit - und vom 21. 12. 1982 - 1 ABR 14/81 - AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Der Senat hat in diesen Entscheidungen ausgesprochen, daß sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung von Mehrarbeit nur auf kollektive Tatbestände beziehe. Ein solcher kollektiver Tatbestand sei dann gegeben, wenn sich eine Regelungsfrage stelle, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer berühre. Das sei dann anzunehmen, wenn ein zusätzl. Arbeitsbedarf regelmäßig auftrete und vorhersehbar sei. Zu regeln sei dann jedenfalls die Frage, ob und in welchem Umfange zur Abdeckung dieses Arbeitsbedarfs Überstunden überhaupt und gegebenenfalls wann und von wem geleistet werden sollen. Dieses Regelungsproblem sei unabhängig von der Person den individuellen Wünschen einzelner Arbeitnehmer. Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer komme es grundsätzl. nicht an, ihre Zahl biete allenfalls ein Indiz für das Vorhandensein eines kollektiven Tatbestandes. Eine mitbestimmungsfreie Einzelfallregelung liege nur dann vor, wenn mit dieser ledigl. individuellen Besonderheiten des einzelnen Arbeitnehmers, nicht aber einem betriebl. Regelungsbedürfnis Rechnung getragen werden solle. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Vorliegen eines betriebl. Regelungsbedürfnisses entfalle nicht deswegen, weil diesem Bedürfnis durch einzelvertragl. Vereinbarungen mit einem oder mehreren Arbeitnehmern bereits Rechnung getragen worden sei.

b) Geht man davon aus, so unterliegt die hier streitige Mehrarbeit im Rechenzentrum der Antragsgegnerin der Mitbestimmung des Betriebsrats. Arbeit im Rechenzentrum, die außerhalb der beiden Schichten - in der Regel nach der Nachmittagsschicht - geleistet wird, ist vorübergehende Mehrarbeit i. S. von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Sie wird über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet und von der Antragsgegnerin auch als Mehrarbeit angenommen und vergütet.

Die Notwendigkeit, diese Mehrarbeit zu leisten, folgt aus betriebl. Umständen. Sie ergibt sich nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin daraus, daß die Rechenanlage wiederholt ausfällt und daher liegengebliebene Arbeit nachgearbeitet werden muß, und daß es notwendig - zumindest aber wünschenswert ist -, während der Schicht begonnene Programme zu Ende zu fahren, um einen Verlust bereits gespeicherter Daten und ein neues Durchlaufen des Programmes zu vermeiden. Dieses Bedürfnis stellt sich immer wieder und ist im Hinblick auf die Kapazität der Rechenanlage und des anfallenden Arbeitsanfalls vorhersehbar. Damit stellt sich die Regelungsfrage, wie diesem Arbeitsanfall begegnet werden soll. Diese Frage ist einer Regelung durchaus zugängl., wie auch die von den Beteiligten im Laufe des Verfahrens gefundene Übergangsregelung zeigt. Eine solche Regelung kann insbesondere auch dem Umstand Rechnung tragen, daß es in Einzelfällen praktisch ausgeschlossen sein mag, die Zustimmung des Betriebsrats zu an einem bestimmten Tag konkret notwendig werdender Mehrarbeit zu erhalten. Diese Zustimmung kann der Betriebsrat in einer solchen Regelung auch im voraus erteilen (Beschl. des Senats vom 2. 3. 1982 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

Die Anordnung einer konkreten Mehrarbeit oder deren Entgegennahme dient auch nicht der Regelung eines mitbestimmungsfreien Einzelfalles. Auch wenn nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Grunde nur ein Arbeitnehmer für die anfallende Mehrarbeit erforderl. ist, geht es nicht um eine Regelung, die individuellen Besonderheiten oder Wünschen dieses Arbeitnehmers Rechnung trägt, sondern um die Befriedigung eines betriebl. Bedürfnisses. Es bleibt zu regeln und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zugängl., welcher der in Frage kommenden Arbeitnehmer jeweils unter welchen Voraussetzungen heranzuziehen ist.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt auch nicht deswegen, weil es sich um Eil- oder Notfälle handelt. Die Eilbedürftigkeit einer Maßnahme läßt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ohnehin nicht entfallen. Ihr kann gerade, wie schon ausgesprochen, durch eine vorausschauende Regelung begegnet werden. Ob in ausgesprochenen Notfällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt, braucht nicht entschieden zu werden. Solche Notfälle sind nicht ersichtl. Die Antragsgegnerin hat selbst vorgetragen, sie habe die hier allein strittige Mehrarbeit nie angeordnet, sondern ledigl. gern entgegengenommen. Keinem Angestellten des Rechenzentrums würden Vorhaltungen gemacht, wenn er um 22.00 Uhr seine Arbeit beende. Dann kann aber schlechterdings nicht angenommen werden, daß durch ein Unterbleiben der Mehrarbeit der Antragsgegnerin unverhältnismäßige Schäden entstehen können, die im Zusammenhang mit anderen Voraussetzungen allein die Annahme eines möglicherweise mitbestimmungsfreien Notfalles rechtfertigen könnten. Die Anordnung oder Entgegennahme von Mehrarbeit im Rechenzentrum unterlag und unterliegt daher der Mitbestimmung des Betriebsrates. Die Antragsgegnerin hat dieses Mitbestimmungsrecht - von der erwähnten Zwischenregelung abgesehen - nicht beachtet. Sie hat daher gegen ihre Verpflichtungen aus dem BetrVG verstoßen.

2. Aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen Pflichten aus dem BetrVG erwächst dem Betriebsrat ein Anspruch auf künftiges Unterlassen solcher Verstöße jedoch nur dann, wenn dieser Verstoß "grob" gewesen ist. Es bedarf im vorliegenden Falle keiner abschließenden Entscheidung der Frage, wann von einem groben Verstoß gesprochen werden kann. Ein grober Verstoß liegt jedenfalls nicht darin, daß der Arbeitgeber in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage eine bestimmte Meinungvertritt und nach dieser handelt (BAG 25, 415 = AP Nr. 4 zu § 40 BetrVG 1972).

Die Frage, wann bei Mehrarbeit im Betrieb ein mitbestimmungspflichtiger kollektiver Tatbestand anzunehmen ist und wann es sich um einen mitbestimmungsfreien Einzelfall handelt, war im ersten Halbjahr 1980 noch ungeklärt. Zur Abgrenzung wurden die unterschiedlichsten Ansichten vertreten (vgl. den Beschl. des Senats vom 18. 11. 1980, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die Frage ist erst durch die genannten Entscheidungen des Senats vom 18. 11. 1980 bis zum 21. 12. 1982 einer Klärung zugeführt worden, die auch der betriebl. Praxis in der Regel die Entscheidung ermöglichen wird, wann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei notwendig werdender Mehrarbeit zu beachten sind. Wenn daher die Antragsgegnerin vor diesen Entscheidungen des Senats die - wenn auch unzutreffende - Ansicht vertrat, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates seien im Hinblick auf die geringe Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und die Einmaligkeit jeder einzelnen Verlängerung der Arbeitszeit nicht zu beachten, so kann darin kein grober Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem BetrVG gesehen werden. Auch der Betriebsrat geht angesichts dieser tatsächl. Umstände davon aus, daß der Antragsgegnerin der Vorwurf eines groben Verstoßes nicht gemacht werden kann.

Auf § 23 Abs. 3 BetrVG kann daher der Betriebsrat seinen Anspruch auf Unterlassung nicht stützen. Auch sein Hilfsantrag festzustellen, daß die Antragsgegnerin ihm gegenüber zur Unterlassung verpflichtet sei, findet in dieser Vorschrift keine Grundlage.

II. Aus anderen Vorschriften des BetrVG oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen läßt sich der geltend gemachte "allgemeine" Unterlassungsanspruch nicht herleiten. § 23 Abs. 3 BetrVG regelt Unterlassungsansprüche des Betriebsrates wegen Verletzung seiner Beteiligungsrechte abschließend.

1. § 23 Abs. 3 BetrVG gibt dem Betriebsrat unter der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber grob gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG verstößt, einen Anspruch auf Vornahme, Unterlassung oder Duldung einer Handlung. Diese Vorschrift ist eine materiell-rechtl. Anspruchsgrundlage und nicht nur eine Norm des Verfahrensrechts, die besondere Antragsrechte im Beschlußverfahren gewählt. Aus ihr folgt zwingend, daß neben diesem ausdrückl. eingeräumten Anspruch dem Betriebsrat nicht noch ein weiterer "allgemeiner" Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung zustehen soll mit dem Inhalt, daß dieser Beteiligungsrechte des Betriebsrates beachtet und alles unterläßt, was gegen diese Beteiligungsrechte verstößt. § 23 Abs. 3 BetrVG wäre - jedenfalls insoweit - überflüssig, wenn dem Betriebsrat ohnehin bei jedem - auch leichten - Verstoß des Arbeitgebers gegen Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte ein Anspruch auf ein Verhalten des Arbeitgebers zustünde, das die Beachtung dieser Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte sichert.

Gäbe es einen "allgemeinen" Unterlassungsanspruch des Betriebsrates, wäre eine gerichtl. Entscheidung über diesen Anspruch nach § 85 ArbGG i. V. mit § 890 ZPO vollstreckbar. Gegen den Arbeitgeber, der der Unterlassungsverpflichtung zuwiderhandelt, könnte ein Ordnungsgeld bis zu 500000 DM festgesetzt werden. Ist dem Arbeitgeber jedoch nach § 23 Abs. 3 BetrVG im Anschluß an einen groben Verstoß gegen seine gesetzl. Pflichten ein bestimmtes Verhalten untersagt worden, könnte das Ordnungsgeld gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG im Höchstfalle nur 20000 DM betragen. Schon dieser Widerspruch zeigt, daß neben dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht noch ein weiterer, an weniger strenge Voraussetzungen gebundener "allgemeiner" Unterlassungsanspruch gegeben sein kann. 2. Es kann davon ausgegangen werden, daß das BetrVG den Betriebspartnern, aber auch den Gewerkschaften und einzelnen Arbeitnehmern unmittelbare Ansprüche i. S. von § 194 BGB einräumt, d. h. ihnen das Recht gibt, von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Das mag etwa für § 2 Abs. 2 (Zutrittsrecht der Gewerkschaften), für § 20 Abs. 3 (Tragung der Kosten der Betriebsratswahl), für § 29 Abs. 3 (Betriebsratssitzung auf Verlangen des Arbeitgebers), für § 40 (Tragung der Kosten der Betriebsratstätigkeit), für § 44 (Tragung der Kosten der Betriebsversammlung), für § 74 Abs. 2 (Unterlassung von Verstößen gegen die Friedenspflicht und ähnl.), für § 80 Abs. 2 (Vorlage von Unterlagen), für § 89 Abs. 2 (Mitteilung von Arbeitsschutzvorschriften), für § 93 (Stellenausschreibung auf Verlangen des Betriebsrates), möglicherweise auch für die Beratungsrechte der §§ 90 und 111 BetrVG zutreffen, ohne daß dies hier abschließend zu entscheiden wäre. Für die eigentl. Mitwirkungstatbestände, also da, wo der Betriebsrat ein Mitbestimmungs-, Zustimmungs-, Beratungs-, Anhörungs- oder Unterrichtungsrecht hat, läßt sich dagegen unmittelbar aus dem Wortlaut des Ges. ein Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber auf Vornahme bestimmter Handlungen oder auf Unterlassung mitwirkungswidriger Maßnahmen nicht herleiten. Die einzelnen Mitwirkungstatbestände räumen dem Betriebsrat ein Recht zur Mitwirkung ein, d. h. sie verleihen ihm eine bestimmte Berechtigung. Mit dieser Berechtigung korrespondiert eine zum Teil auch ausdrückl. normierte entsprechende Pflicht des Arbeitgebers. Aus einer Berechtigung des Betriebsrates allein folgt aber noch nicht das als Anspruch i. S. von § 194 BGB zu verstehende Recht des Betriebsrates, vom Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten zu verlangen, das den Berechtigungen des Betriebsrates Rechnung trägt und seinen korrespondierenden Pflichten entspricht. Ein solcher Anspruch bedarf einer Anspruchsgrundlage. Muß diese auch nicht stets ausdrückl. normiert sein, so kann sie jedenfalls dann nicht allein aus der eingeräumten Berechtigung hergeleitet werden, wenn sie zu einer ausdrückl. normierten Anspruchsgrundlage im Widerspruch stünde. Diese Anspruchsgrundlage ist § 23 Abs. 3 BetrVG. Ein dazu im Widerspruch stehender "allgemeiner" Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber auf ein bestimmtes Verhalten läßt sich daher aus den dem Betriebsrat im einzelnen eingeräumten Berechtigungen nicht herleiten.

3. Der aufgezeigte Widerspruch zwischen den Ansprüchen auf Vornahme, Duldung oder Unterlassung einer Handlung aus § 23 Abs. 3 BetrVG und "allgemeinen" Ansprüchen des Betriebsrates auf Beachtung seiner Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, also auch auf Unter-lassung mitbestimmungswidriger Handlungen, wird in der Lit. durchweg gesehen. Der Senat vermag jedoch der Ansicht nicht zu folgen, die aus der Unvereinbarkeit der beiden genannten Ansprüche herleitet, die Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG sei insoweit ohne Bedeutung, als der Betriebsrat "ohnehin" einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Beachtung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte habe (vgl. Thiele, GK-BetrVG, 3. Bearb., § 23 Rz. 4 und 89; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 23 Rz. 49 und 62; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 23 Rz. 5 und 63; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 23 Rz. 60; Dütz, Verfahrensrecht der Betriebsverfassung, AuR 1973, 353, 356). Gewährt das BetrVG dem Betriebsrat ausdrückl. einen Unterlassungsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber grob gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG verstößt, und wird dieser Anspruch vollstreckungsrechtl. besonders ausgestaltet, so kann diese Vorschrift nicht deswegen beiseite geschoben werden, weil aus allgemeinen Erwägungen hergeleitete Ansprüche zu diesem gesetzl. normierten Anspruch im Widerspruch stünden.

Eine solche Argumentation ist auch dann unzulässig, wenn man einräumt, daß § 23 Abs. 3 BetrVG noch einen Regelungsgehalt behält, auch wenn er neben "allgemeinen" Ansprüchen des Betriebsrates auf Vornahme, Duldung oder Unterlassung einer Handlung ohne Bedeutung ist. Dieser Regelungsgehalt wird in der Lit. darin gesehen, daß § 23 Abs. 3 BetrVG derartige Ansprüche auch einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft einräumt und daß ferner der Gewerkschaft und dem Betriebsrat solche Ansprüche auch dann zugestanden werden, wenn der Arbeitgeber nicht nur gegen Pflichten aus dem BetrVG verstößt, die ihm unmittelbar gegenüber der Gewerkschaft oder dem Betriebsrat selbst obliegen, sondern auch im Falle der Verletzung sonstiger Pflichten, wie sie beispielsweise gegenüber einzelnen Arbeitnehmern des Betriebes nach den §§ 81 bis 84 BetrVG bestehen können (Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 23 Rz. 38, 41 und 60; Dietz/Richardi, aaO, § 23 Rz. 5 und 63; Thiele, aaO, § 23 Rz. 4; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 23 Rz. 12 und 64; Dütz, aaO, S. 356; Weber, Das Erzwingungsverfahren gegen den Arb-Geb., 1979, S. 75).

Unterstellt man, daß Betriebsrat und Gewerkschaften nach § 23 Abs. 3 BetrVG die dort genannten Ansprüche auch dann geltend machen können, wenn der Arbeitgeber nicht jeweils ihnen gegenüber bestehende Verpflichtungen verletzt, so bliebe in der Tat der Vorschrift ein Anwendungsbereich auch dann erhalten, wenn man davon ausgeht, daß der Betriebsrat ohnehin mit Ansprüchen auf Duldung, Unterlassung Vornahme einer Handlung auf Verstöße gegen seine Mitwirkungsrechte reagieren kann. Ein solcher begrenzter Regelungsgehalt des § 23 Abs. 3 BetrVG entspricht jedoch weder dem Wortlaut noch der Stellung dieser Vorschrift im Ges. noch der Absicht des Gesetzgebers.

Wenn Sinn der Vorschrift sein sollte, auch den Gewerkschaften Ansprüche einzuräumen, hätte nichts näher gelegen, als die Vorschrift etwa folgendermaßen zu fassen: "Auch die Gewerkschaft kann bei... verlangen...". Wäre es darum gegangen, Rechte der einzelnen Arbeitnehmer durch Ansprüche des Betriebsrates oder der Gewerkschaft zu sichern, hätte es nahegelegen, dies in Verbindung mit den §§ 81 bis 86 oder im Zusammenhang mit § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu regeln, wo bestimmt ist, daß der Betriebsrat darüber zu wachen hat, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Ges. eingehalten, also die den Arbeitnehmern gegenüber bestehenden Verpflichtungen auch erfüllt werden. Der Gesetzgeber hat diese Regelung jedoch im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 BetrVG getroffen, wo dem Arbeitgeber bei groben Verstößen des Betriebsrates oder einzelner Betriebsratsmitglieder das Recht eingeräumt wird, die Auflösung des Betriebsrates oder den Ausschluß eines Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat zu verlangen, ein "Anspruch", der nicht allein daraus herzuleiten wäre, daß der Betriebsrat seine Pflichten aus dem BetrVG zu erfüllen hat und der Arbeitgeber berechtigt ist, ein solches pflichtenkonformes Verhalten des Betriebsrates zu erwarten. Im unmittelbaren Anschluß an diese Regelung der Reaktion des Arb-Geb. auf pflichtenverstöße des Betriebsrates regelt das BetrVG aus "Gründen der Gleichgewichtigkeit" (vgl. Bericht des BTAusschusses für Arbeit und Soziales, zu BT-Drucks. VI/2729, S. 21) die Rechtsfolgen eines groben Verstoßes des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG. Das spricht dafür, daß damit so, wie es auch im Wortlaut zum Ausdruck kommt, eine umfassende Regelung geschaffen werden sollte. Dem würde es widersprechen, wenn die Vorschrift nur für die beiden genannten Sonderfälle einen Regelungsgehalt behalten würde. 4. § 23 Abs. 3 BetrVG kann durch speziellere gesetzl. Vorschriften ausgeschlossen sein. So geht die Regelung des § 101 BetrVG der Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG vor, soweit beide Vorschriften sich in ihren Voraussetzungen decken (BAG, Beschl. vom 5. 12. 1978 - 6 ABR 70/77 - AP Nr. 4 zu § 101 BetrVG 1972). Gleiches mag für die Regelung in § 98 Abs. 5 und § 104 BetrVG gelten. Der hier in Rede stehende "allgemeine" Unterlassungsanspruch des Betriebsrates hat seine Grundlage jedoch nicht in einer spezielleren gesetzl. Vorschrift, sondern könnte - wenn überhaupt - nur aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Erwägungen hergeleitet werden. Diese vermögen § 23 Abs. 3 BetrVG nicht zu verdrängen.

5. Für eine abschließende Regelung der Ansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber bei Verstößen gegen seine Beteiligungsrechte spricht zusätzl., daß das BetrVG die Rechtsfolgen von Verstößen des Arbeitgebers gegen Beteiligungsrechte des Betriebsrates detailliert regelt.

a) Die Folgen aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine ausdrückl. normierten oder aus der Berechtigung des Betriebsrates unmittelbar folgenden Verpflichtungen sind in unterschiedlicher Weise ausdrückl. geregelt. So ist die ohne Zustimmung des Betriebsrates durchgeführte personelle Einzelmaßnahme auf Antrag des Betriebsrates aufzuheben, § 101 BetrVG. Eine ähnliche Regelung enthält § 98 Abs. 5 BetrVG hinsichtl. der Bestellung von Ausbildern. Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Betriebsänderungen ohne den Versuch eines Interessenausgleichs lösen als Sanktion Nachteilsausgleichsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer aus, § 113 BetrVG. Bei neuen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsplätzen kann der Betriebsrat Ausgleichsmaßnahmen verlangen, wenn diese den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltungder Arbeit offensichtl. widersprechen, § 91 BetrVG. Die vorsätzl. Behinderung oder Störung der Tätigkeit des Betriebsrates ist in § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unter Strafe gestellt. Die Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten nach den §§ 90, 92, 99, 106, 108, 110 und 111 BetrVG stellt nach § 121 BetrVG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Geldbuße geahndet werden kann. Für Maßnahmen des Arbeitgebers, die dieser unter Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 BetrVG vornimmt, ist auch ohne ausdrückl. gesetzl. Vorschrift weitgehend anerkannt, daß diese unwirksam sind (vgl. Galperin/Löwisch, aaO, § 87 Rz. 16 f.; mit w. Nachw.).

b) Der Senat verkennt nicht, daß diese Folgeregelungen und Sanktionen nicht immer ausreichen, um die Beachtung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates durch den Arbeitgeber in jedem Falle sicherzustellen. Beispielsweise führt die ohne den Versuch eines Interessenausgleichs durchgeführte Betriebsänderung zwar zu Nachteilsausgleichsansprüchen der Arbeitnehmer und damit zu einer finanziellen Belastung des Arb-Geb., das ändert aber nichts daran, daß die geforderte Beratung der Betriebsänderung mit dem Betriebsrat unterblieben ist und auch nicht mehr nachgeholt werden kann. Voll wirksam könnte dieses Mitberatungsrecht nur dann werden, wenn dem Arbeitgeber jede Betriebsänderung vor dem Abschluß dieser Beratungsphase, d. h. bis zum endgültigen Scheitern des Interessenausgleichs von der Einigungsstelle untersagt werden könnte. Nach § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahmen des Arbeitgebers sind zwar - zumindest in der Regel - unwirksam, sie führen aber vielfach zu faktischen Zwängen und mitbestimmungswidrigen Zuständen, die jedenfalls für die Vergangenheit nicht rückgängig gemacht oder beseitigt werden können. Ihre Nichtigkeit geltend zu machen obliegt im allgemeinen dem einzelnen Arbeitnehmer, der daran oft kein Interesse haben wird.

Eine unzureichende Sicherung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates allein kann es jedoch nicht rechtfertigen, im Widerspruch zur Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG dem Betriebsrat auch dann das Recht einzuräumen, vom Arbeitgeber die Unterlassung mitwirkungswidriger Handlungen zu verlangen, wenn dieser nicht grob gegen seine Pflichten verstößt. Der Gesetzgeber hat gesehen, daß gegen Beteiligungsrechte des Betriebsrates verstoßen werden kann. Er hat die Folgen eines solchen Verstoßes in einer Reihe spezieller Vorschriften unterschiedl. geregelt. Auch das schließt einen über § 23 Abs. 3 BetrVG hinausgehenden vorbeugenden Schutz gegen Verletzungen von Beteiligungsrechten des Betriebsrates, der zu dieser Vorschrift in Widerspruch stünde, aus.

c) Hinzu kommt, daß jedenfalls im Bereich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 BetrVG der Betriebsrat dem Eintritt mitbestimmungswidriger Zustände auch auf andere Weise begegnen kann. Er kann in Angelegenheiten des § 87 BetrVG, soweit sein Mitbestimmungsrecht reicht, selbst, gegebenenfalls durch Anrufung der Einigungsstelle, eine seinem Mitbestimmungsrecht Genüge tuende Regelung einer bestimmten Angelegenheit erreichen. Er kann die Einigungsstelle anrufen und deren Errichtung betreiben (§ 98 ArbGG), es

sei denn, diese ist offensichtl. unzuständig. Bei einem Streit der Betriebspartner darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, kann auch der Arbeitgeber die Anrufung der Einigungsstelle nicht verhindern, d. h. das Unterlassen der Anrufung nicht fordern. Das Bestellungsverfahren kann für die Dauer des Streits über das Mitbestimmungsrecht selbst nicht ausgesetzt werden, die Tätigkeit der Einigungsstelle wird durch dieses Verfahren nicht blockiert (Beschl. des Senats vom 24. 11. 1981 - 1 ABR 42/79 - AP Nr. 11 zu § 76 BetrVG 1972). Bei dieser Sachlage bedarf es eines durchsetzbaren Anspruchs gegen den Arbeitgeber, daß dieser initiativ wird und das Einigungsverfahren betreibt oder jedenfalls untätig bleibt, nicht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt diesen vielmehr in die Lage, dem Eintreten mitbestimmungswidriger Zustände weitgehend selbst vorzubeugen. Angesichts der aufgezeigten Detailregelung ist es auch von einem auf vertrauensvoller Zusammenarbeit aufbauenden Verständnis des Verhältnisses der Betriebspartner zueinander her gerechtfertigt, daß der Betriebsrat erst dann ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers soll verlangen können, wenn dieser grob gegen seine betriebsverfassungsrechtl. Pflichten verstößt.

6. Ein solches Verständnis der Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates gegen Verstöße des Arbeitgebers bedeutet nicht, daß damit die Rechtsstellung des Betriebsrates - etwa entgegen einer Absicht des Gesetzgebers, dessen Rechtsstellung zu verbessern - gegenüber früher geschmälert würde (so aber Dietz/Richardi, aaO, § 23 Rz. 63; Thiele, aaO, § 23 Rz. 89; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 23 Rz. 60; Gnade/Kehrmann/Schneider, aaO, § 23 Rz. 9; Dütz, aaO, S. 356). Davon könnte nur dann gesprochen werden, wenn das BetrVG 1952 solche Ansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber auf ein pflichtenkonformes Verhalten gewährt hätte oder wenn solche wenigstens allgemein anerkannt gewesen wären. Das trifft jedoch nicht zu.

Ansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Handlungen sind durch die Rechtspr., insbesondere des BAG - soweit ersichtl. - nicht behandelt worden. In einer Entscheidung vom 20. 9. 1957 (BAG 4, 306 = AP Nr. 34 zu § 1 KSchG [1951]) hat das BAG auch für den Fall, daß ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflicht, den Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung zu hören, ohne individual-rechtl. Folgen bleibt, den Betriebsrat allein auf strafrechtl. Sanktionen verwiesen. In einer Entscheidung vom 15. 12. 1961 (BAG 12, 117 = AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG Arbeitszeit) hat der Senat den Arbeitgeber für berechtigt gehalten, eine einstw. vorläufige Regelung der Arbeitszeit einseitig zu treffen, wenn er oder der Betriebsrat unverzügl. die Einigungsstelle anrufe. Nur wenn das nicht geschehe, sei die einseitig vorgenommene Arbeitszeitregelung unwirksam. Wenn dem Arbeitgeber in dieser Entscheidung die Befugnis zur einseitigen Regelung eingeräumt wird, so ist damit jedenfalls ein Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung einseitiger mitbestimmungswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers ausgeschlossen worden. Von einem solchen Unterlassungsanspruch ist in der Entscheidung auch keine Rede. Als Sanktion für die Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates wird ledigl. die Unwirksamkeit der Maßnahme herausgestellt.In der Lit. findet sich bei Fitting/Kraegeloh/Auffarth (BetrVG 1952, 9. Aufl., § 82 Rz. 4 und § 66 Rz. 18) die Bemerkung, daß der Betriebsrat bei Verletzung seiner Mitwirkungsrechte im Beschlußverfahren deren künftige Beachtung als Verpflichtung des Arbeitgebers feststellen lassen könne, wenn Wiederholungsgefahr bestehe. Künftige Verstöße könnten dann in entsprechender Anwendung von § 85 ArbGG, § 890 ZPO bestraft werden. Das ist im Grunde keine andere Regelung, als sie jetzt in § 23 Abs. 3 BetrVG enthalten ist. Im übrigen war ungeklärt, welche Ansprüche i. S. von § 194 BGB dem Betriebsrat gegen den Arbeitgeber zustehen können (Galperin, BetrVG 1952, 4. Aufl., Anh. § 82 Rz. 21).

Auch unter der Geltung des BetrVG 1952 ergab sich damit aus der Gewährung von Mitwirkungsrechten an den Betriebsrat nicht gleichzeitig dessen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf ein Verhalten, das seinen korrespondierenden Pflichten gegenüber dem Betriebsrat entspricht. Wenn § 23 Abs. 3 BetrVG jetzt dem Betriebsrat solche Ansprüche bei groben Verstößen einräumt, so liegt darin keine Schmälerung der Rechtsposition des Betriebsrates gegenüber früher. Im Gegenteil, seine Rechtsstellung wird verstärkt.

7. Mit der Entscheidung, daß § 23 Abs. 3 BetrVG allgemeine Ansprüche des Betriebsrates auf Beachtung seiner Beteiligungsrechte ausschließt, setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur bisherigen Rechtspr. des BAG.

In der Entscheidung des Senats vom 22. 12. 1980 (BAG 34, 331 = AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf [zu C II 2 der Gründe]) hat der Senat beiläufig darauf verwiesen, daß der Betriebsrat unter Umständen eine einstw. Vfg. erwirken könne, die dem Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit aus Rechtsgründen verbietet. Damit wird zwar von einem Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung der Einführung einer mitbestimmungswidrigen Kurzarbeit ausgegangen, es wird jedoch nicht gesagt, ob dieser Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG oder aus einer anderen gesetzl. Regelung herzuleiten ist. Dazu bestand kein Anlaß. In der Entscheidung des Senats vom 8. 6. 1982 - 1 ABR 56/80 - AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit - hat der Senat einen Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung der Anordnung von Mehrarbeit ohne Mitbestimmung des Betriebsrates bejaht. Ob die Rechtsgrundlage dieses Unterlassungsanspruches in § 23 Abs. 3 BetrVG oder in einer Norm des BetrVG zu sehen ist, wurde in dieser Entscheidung des Senats nicht näher erörtert. Den genannten Senatsentscheidungen läßt sich daher nicht entnehmen, der Senat habe einen von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG unabhängigen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates anerkannt.

Der 6. Senat hat in seiner Entscheidung vom 22. 7. 1980 (BAG 34, 75 = AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972) einen Unterlassungsanspruch des Arb-Geb. gegen den Betriebsrat bejaht. Er hat ausgesprochen, daß der Arbeitgeber bei Verstößen des Betriebsrates gegen die diesem obliegende betriebsverfassungsrechtl. Friedenspflicht berechtigt sei, die Unterlassung solcher Handlungen zu verlangen. Dieser Unterlassungsanspruch des Arb-Geb. ist jedoch anderer rechtl. Natur. Er geht nicht auf Unterlassung

solcher Handlungen, deren Vornahme gegen ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates verstößt. Er findet vielmehr seine Rechtsgrundlage darin, daß den Betriebspartnern zur Sicherung höherwertiger Rechtsgüter bestimmte Handlungen ausdrückl. verboten sind. Die Entscheidung des 6. Senats besagt daher nichts für den hier abgelehnten allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber.

III. Schließt § 23 Abs. 3 BetrVG demnach "allgemeine" Ansprüche des Betriebsrates auf Beachtung seiner Beteiligungsrechte durch den Arbeitgeber aus, so kann dahingestellt bleiben, ob sich diese aus § 2 Abs. 1 BetrVG oder aus einer entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB überhaupt herleiten ließen, wie dies in der Rechtspr. der Instanzgerichte und in der Lit. teilweise versucht worden ist.

Mangels eines groben Verstoßes der Antragsgegnerin gegen ihre betriebsverfassungsrechtl. Pflichten kann daher der Betriebsrat von ihr nicht verlangen, daß sie die Anordnung oder Entgegennahme von Mehrarbeit so lange unterläßt, bis nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Genüge getan ist. Das macht die Abweisung des Antrages erforderl.

1. Die Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des BAG, daß es im Betriebsverfassungsrecht keinen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegenüber dem Arb-Geb. bei Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte gebe (Leitsatz 2), hat erhebl. Aufsehen erregt. Namentl. ist sie von Autoren, die der Gewerkschaft nahestehen, massiv kritisiert worden, weil jetzt angebl. zentrale Mitbestimmungsrechte nicht mehr gesichert seien, sondern unterlaufen werden könnten; es sei ein Angriff auf die Betriebsverfassung, der Rechtsbrüche erleichtere; das BAG habe mit seiner unhaltbaren Rechtspr. eine mitbestimmungsfeindl. Einstellung; die Gewerkschaften erwarteten daher berechtigterweise, daß der Senat zu ausgewogenen Entscheidungen zurückfinde (vgl. Bobke, AiB 1983, 84; Kehrmann, Quelle 1983, 232 [234]; Klebe, Quelle 1983, 551 ; Kümpel, AiB 1983, 132, 165; Michaelis, BetrR 1983, 393 ff.; W. Schneider, Quelle 1983, 491, 553, 670; 1984, 59; - krit. auch Derleder, AuR 1983, 289 ff.; Dütz, DB 1984, 115 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl. 1984, § 23 Rn. 60; § 87 Rn. 161). Diese Kritik ist rechtspolitisch verständl. und mag de lege ferenda Beachtung finden, doch ist sie überzogen und rechtsdogmatisch unberechtigt. Der Beschluß des BAG befriedigt zwar in der Begründung nicht in allen Punkten, ihm ist aber trotzdem im Ergebnis zuzustimmen. Daran wird auch vermutlich die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1217/83) nichts andern. Im übrigen ist dem Senat in jeder Hinsicht zu folgen, was er zu dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Anordnung von Mehrarbeit für einen kollektiv bestimmten Teil von Arbeitnehmern ausgeführt hat (Leitsatz 1).

2. Die Auffassung des BAG und des Schrifttums

Der Senat hat bereits am 8. 6. 1982 (AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) einen ähnl. Fall zu entscheiden gehabt, in dem ebenfalls einArbeitgeber einseitig trotz Widerspruch des Betriebsrates Mehrarbeit angeordnet hatte, weil nach seiner Auffassung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bestehe. Damals hatte der Senat bei derartigen Vorkommnissen einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bejaht, ohne freilich auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage abzustellen oder gar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG zu prüfen (vgl. auch unter B II 7 der Gründe). Tatsächl. war der Unterlassungsanspruch des Betriebsrates für den früheren Vorgang gegeben, weil ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem BetrVG wegen mehrfachen, unberechtigten Bestreitens des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates vorlag und damit der Tatbestand des § 23 Abs. 3 BetrVG erfüllt war (vgl. auch den nachgebildeten Beispielsfall bei v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 1983, § 11 I 5, S. 137). Insoweit waren ledigl. der damalige Leitsatz und die damaligen Entscheidungsgründe zu weit formuliert worden, die nun in der jetzigen Entscheidung zutreffend präzisiert worden sind.

a) Nach der Auffassung des BAG bestehen Unterlassungsansprüche des Betriebsrates, abgesehen von bestimmten betriebsverfassungsrechtl. Sondervorschriften wie etwa § 74 Abs. 2 BetrVG, nur nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch einseitiges Handeln verletzt. Der Tatbestand des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG setzt jedoch einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem BetrVG voraus. Aus anderen Vorschriften des BetrVG oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen soll sich ein "allgemeiner Unterlassungsanspruch" nicht herleiten lassen. Der Senat kommt damit zu Ergebnissen, wie sie z. T. schon vom Schrifttum vertreten werden, ohne daß freilich diese Auffassungen zitiert worden wären (so schon Grunsky, ArbGG, 4. Aufl. 1981, § 85 Rn. 8-10; Heinze, DB, Beil. 9/1983; Zöllner, ArbR, 1. Aufl. 1977 und jetzt auch 3. Aufl. 1983, § 46 III 4, 5; außerdem ebenso v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 11 I 5 und Söllner, ArbR 8. Aufl. 1984, § 21 VII). Danach ist § 23 Abs. 3 BetrVG gegenüber anderen, allgemeinen Unterlassungsansprüchen als lex specialis anzusehen, weshalb auch die Zwangsvollstreckung, insbesondere eine einstw. Vfg., nicht nach der allgemeinen Regel des § 85 Abs. 1 BetrVG i. V. m. §§ 704 ff. ZPO, sondern nur noch nach dieser Bestimmung erfolgen könne.

b) Die überwiegende Meinung in der Lit. versteht die Funktion des § 23 Abs. 3 BetrVG und die Möglichkeiten des Betriebsrates, bei mitbestimmungswidrigen Maßnahmen des Arbeitgebers von diesem Unterlassung verlangen zu können, völlig anders als besondere, betriebsverfassungsrechtl. Vollstreckungsregelungen (vgl. Burghardt, Die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, 1979, S. 435 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. 1981, § 23 Rn. 5; Dütz, DB 1984, 117 ff., 118; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 23 Rn. 60, § 87 Rn. 161; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl. 1982, § 23 Rn. 49, 62, § 87 Rn. 41a; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl. 1983, § 23 Rn. 50, § 87 Rn. 6; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, 1979, § 23 Rn. 7, § 87 Rn. 3; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 5. Aufl. 1983, § 219 VII 5, § 235 IV 2; Stege/Weinspach, BetrVG, 4. Aufl. 1981, § 87 Rn. 68; Thiele, GK-BetrVG, 2. Bearb. 1978/79, § 23 Rn. 4, 89; Wiese, GK-BetrVG, 3. Bearb. 1982, § 87 Rn. 73). Diese Auffassungen hat der Senat überhaupt nicht zitiert, geschweige denn sich mit ihnen auseinandergesetzt. Bei einer so wichtigen Frage für das Betriebsverfassungsrecht, die freilich erst jetzt in ihrer vollen Tragweite erkannt worden ist, hätte schon eine größere Diskussionsbereitschaft und dadurch eine höhere Plausibilität für die Entscheidung erwartet werden können.

Nach Meinung des genannten Schrifttums kommt § 23 Abs. 3 BetrVG zunächst der Charakter einer Prozeßstandschaftsnorm zu: Gewerkschaften und Betriebsräten soll die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Verstößen des Arbeitgebers gegen ihn treffende Pflichten aus dem BetrVG in einem zweistufigen Verfahren vorzugehen und zwar gerade dann, wenn nicht eigene Rechte der Gewerkschaften oder des Betriebsrates mißachtet worden sind. So kann der Betriebsrat etwa im Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG die Verletzung der Individualrechte der Arbeitnehmer aus §§ 81-86 BetrVG oder die Rechte der Jugendvertretung rügen, die Gewerkschaft kann bei einem schwachen Betriebsrat über die Sanktion des § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte den Arbeitgeber anhalten, seinen Pflichten nachzukommen. § 23 Abs. 3 BetrVG wird bei dieser Betrachtungsweise als aus Gründen der Gleichgewichtigkeit notwendiges Pendant zu den Sanktionen gegenüber dem Betriebsrat und dessen Mitgliedern in § 23 Abs. 1 BetrVG verstanden. Der Grund, weswegen in Abweichung zu §§ 888 Abs. 1, 890 Abs. 1 ZPO die Vorschrift des § 23 Abs. 3 BetrVG im Tatbestand einen groben Verstoß verlangt nur Ordnungsgeld bis zur Höhe von 20000 DM zuläßt, wird darin gesehen, daß die Gewerkschaften und der Betriebsrat als Prozeßstandschafter im Gegensatz zu dem aus eigenem Recht klagenden Gläubiger schließl. fremde Rechte wahrnehmen und deswegen ledigl. gravierende Verstöße verfolgen und nur Rechtsfolgen erreichen können, die den Arbeitgeber als Vollstreckungsschuldner weniger schwer treffen. Damit stelle sich § 23 Abs. 3 BetrVG für die Gewerkschaften als Teil der ihnen in der Betriebsverfassung zukommenden Kontroll- und Überwachungsrechte dar (dazu v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 5 V 2).

Bei Verletzung eigener Rechte der Gewerkschaften oder des Betriebsrates stehe hingegen das Beschlußverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80 ff. ArbGG zur Verfügung, wobei die Zwangsvollstreckung gemäß § 85 Abs. 1 ArbGG nach den Vorschriften des 8. Buches der ZPO erfolgt. Danach soll § 85 Abs. 1 ArbGG nicht von § 23 Abs. 3 BetrVG verdrängt werden, vielmehr hätten beide Normen völlig verschiedene Fälle im Auge (Dütz, AuR 1972, 353 (356); Jahnke, Zwangsvollstreckung in der Betriebsverfassung, 1977, S. 15 mit Fn. 17; K. Weber, Das Erzwingungsverfahren gegen den Arbeitgeber nach § 23 Abs. 3 BetrVG, 1979, S. 11). Der materiellrechtl. Unterlassungsanspruch wird demzufolge nicht aus § 23 Abs. 3 BetrVG, sondern aus anderen Vorschriften entnommen. Teilweise wird vorgeschlagen, bei einseitigen mitbestimmungswidrigen Maßnahmen des Arbeitgebers dem Betriebsrat einen Anspruch aus § 1004 BGB analog (LAG Hamm, DB 1983, 1336,1338; Denck, RdA 1982, 279, 284; - dagegen Zöllner, § 46 III 6 a. E.) oder aus der verletzten Mitbestimmungsvorschrift selbst (Adomeit, BB 1972, 53, 54; Galperin/Löwisch, § 87 Rn. 41a; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, § 87 Rn. 6; Kammann/Hess/Schlachauer, § 87 Rn. 3; Stege/Weinspach, § 87 Rn. 68; Strasser in Festschrift für G. Müller, 1981, 609, 618 ff.; Wiese, GK-BetrVG, § 87 Rn. 73; Jahnke, SAE 1983, 147), insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wie im vorliegenden Fall zu geben. Neuerdings werden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Betriebsrates auch aus § 78 Satz 1 BetrVG (Dütz, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber im Anwendungsbereich von § 87 BetrVG, 1983, S. 31 ; ders., DB 1984, 115, 118) oder aus dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis und den daraus entstehenden Nebenleistungspflichten hergeleitet (Derleder, AuR 1983, 289, 301; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 87 Rn. 161).

3. Die Argumente des BAG

Gleichwohl ist dieser Kritik nicht zu folgen, weil dem BAG jedenfalls in seiner Grundkonzeption zuzustimmen ist. Unter B II 1-6 der Gründe wird im einzelnen dargelegt, weshalb ein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nicht besteht. Zutreffendes Hauptargument ist dabei, daß § 23 Abs. 3 BetrVG lex specialis und daher die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen ausgeschlossen ist.

a) Richtig ist namentlich der Ausgangspunkt (unter B II 1 der Gründe), daß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG eine materiellrechtl. Anspruchsgrundlage für Unterlassungsansprüche und nicht ledigl. eine Verfahrensnorm darstellt, wie dies meist stillschweigend und oft widersprüchl. von der Lit. unterstellt wurde (vgl. Dietz/Richardi, § 23 Rn. 62 ff.; Dütz, AuR 1973, 356; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 23 Rn. 38; Galperin/Löwisch, § 23 Rn. 49; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, § 23 Rn. 38; Kammann/Hess/Schlochauer, § 23 Rn. 7; Stege/Weinspach, § 23 Rn. 14; Thiele, GK-BetrVG, § 23 Rn. 4 und 89). Das zeigt insbesondere der Vergleich von Satz 1 gegenüber den Sätzen 2 bis 5 in § 23 Abs. 3 BetrVG, wonach nur letztere eindeutig formellrechtl. Charakter haben (ebenso Heinze, DB, Beil. 9/1983, S. 13 unter d). Der Wortlaut des Satzes 1 zwingt nämlich nicht zu der Annahme, daß auch er ausschließl. formellrechtl. Natur ist. Vielmehr hat der Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ledigl. die Besonderheit, daß er nur über das ArbG geltend gemacht werden kann, ähnlich wie § 98 Abs. 5 Satz 1 BetrVG oder der Aufhebungsanspruch nach § 101 Satz 1 BetrVG (vgl. auch B II 5a der Gründe; zu letzterem v. Hoyningen-Huene, RdA 1982, 209); die genannten Bestimmungen umfassen damit aber gleichzeitig auch das materielle Recht des Betriebsrates, das ledigl. in eine bestimmte Form gekleidet werden muß. Dem widerspricht es nicht, daß der Betriebsrat oft unmittelbar Ansprüche gegenüber dem Arb-Geb. geltend machen kann, z. B. in §§ 74 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1, 80 Abs. 2 Satz 2, 91 Satz 1, 93, 95 Abs. 2 Satz 1, 104 Satz 1 BetrVG. In diesen Fällen wird oft informell die Anerkennung des Anspruchs durch den Arbeitgeber zu erreichen sein, so daß es nicht der strengen Form der Geltendmachung über das ArbG als relativ hohe Schwelle zur Verminderung von derartigen Verfahren bedarf, zumal gelegentl. vor der eventuellen Anrufung des ArbG die Einigungsstelle zur Vermittlung vorgeschaltet ist.

b) Diese materiellrechtl. Anspruchsgrundlage des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schließt als lex specialis andere, allgemeine Unterlassungsansprüche aus (B II 1 der Gründe). Als konkurrierende Norm käme hier allenfalls der quasinegatorische Unterlassungsanspruch in analoger Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht (zu ihm Medicus, MüKo BGB, 1981, § 1004 Rn. 82 m. w. N.; Henckel, AcP 174 [1974], 97, 120-144), wonach der Betriebsrat wegen Beeinträchtigung seines Mitbestimmungsrechtes Unterlassung der beabsichtigten Handlung des Arbeitgebers verlangen könnte. Aus anderen, darüber hinausgehenden Bestimmungen (z. B. §§ 78 oder 87 BetrVG) ist jedenfalls unmittelbar ein derartiger Anspruch nicht abzulesen. Richtig führt aber dazu der Senat aus, daß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG überflüssig wäre, wenn ohnehin eine andere Anspruchsgrundlage gegeben wäre. Da jedoch das BetrVG eine in sich ausgewogene und abschließende Sonderregelung für den Bereich der betriebl. Mitbestimmung darstellt (vgl. v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 2 III), können betriebsverfassungsrechtl. Ansprüche auch nur aus diesem Normenkomplex abgeleitet werden. Ließe man darüber hinaus allgemein geregelte Ansprüche für den Betriebsrat zu, so wäre die Ausgewogenheit der gesetzgeberischen Entscheidung im BetrVG in Frage gestellt. Ein anderes Problem ist freilich, ob möglicherweise der Gesetzgeber selbst die gerechte Abwägung der Interessen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht ordnungsgemäß vorgenommen hat; diese Entscheidung darf aber das erkennende Gericht nicht an sich ziehen, sondern muß den Willen des Gesetzgebers respektieren...

c) Unter B II 1 der Gründe weist der Senat weiterhin darauf hin, daß vollstreckungsrechtl. ein Widerspruch entstünde, wenn der allgemeine Unterlassungsanspruch nach §§ 85 Abs. 1 ArbGG, 890 ZPO vollstreckt wird und ein einfacher Pflichtenverstoß mit einem Ordnungsgeld bis zu 500000 DM gesichert wird, wohingegen der besondere Unterlassungsanspruch bei einer groben Pflichtverletzung nach § 23 Abs. 3 BetrVG ledigl. mit einer Buße bis zu 20000 DM bewehrt ist. Hieraus wird der Schluß gezogen, daß ein allgemeiner Unterlassungsanspruch nicht bestehen könne. Diese Argumentation ist freilich nicht zwingend. Zwar trifft es zu, daß die vollstreckungsrechtl. Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 2-5 BetrVG eine formellrechtl. Sondernorm im Verhältnis zu § 85 Abs. 1 ArbGG i. V. m. den allgemeinen Vorschriften darstellt; das entspricht der ganz h. L. (vgl. Dietz/Richardi, § 23 Rn. 64; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 23 Rn. 60 a. E.; Galperin/Löwisch, § 23 Rn. 62; Grunsky, § 80 Rn. 8; Kammann/Hess/Schlochauer, § 23 Rn. 76; Thiele, GK-BetrVG, § 23 Rn. 89). Damit wird aber umgekehrt nicht bewiesen, daß § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auch materiell eine ausschließl. Sonderregelung enthalten muß; das ergibt sich vielmehr schon aus den unter 3a und b genannten Argumenten. Hier scheint der Senat selbst die bisher von der h. L. vertretene widersprüchl. Vorge-hensweise noch nicht konsequent genug getrennt zu haben (hierzu auch die Nachw. bei Heinze, DB, Beil. 9/1983, S. 2 f.).

Ergänzend ist ledigl. darauf hinzuweisen, daß durch das neue zutreffende Verständnis von § 23 Abs. 3 BetrVG nicht etwa die Regelung des § 85 Abs. 1 ArbGG praktisch unanwendbar wird, wie dies Fitting/Auffarth/Kaiser (§ 87 Rn. 161, S. 982) behaupten. Denn zum einen berührt § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG als materiellrechtl. Regelung die Verfahrensnorm überhaupt nicht und kann sie daher auch nicht unanwendbar machen. Zum anderen kann die allgemeine Norm des § 85 Abs. 1 ArbGG durchaus gegenüber bestimmten Sonderregelungen nachrangig sein; sie ist aber nur hinsichtl. des Regelungsbereichs des § 23 Abs. 3 Satz 2-5 BetrVG ausgeschlossen und bleibt für alle anderen Vollstreckungsfälle einschlägig.

d) Neben dem besonderen Unterlassungsanspruch des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG könnte es allerdings einen noch spezielleren, im BetrVG geregelten Unterlassungsanspruch für den Bereich der Mitbestimmungsrechte geben, wie es ausdrückl. für § 74 Abs. 2 Satz 3 anerkannt ist (vgl. B II 4 der Gründe und BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972). Daher erwägt der Senat unter B II 2 zu Recht, ob derartige Unterlassungsansprüche bestehen. Das wird verneint, weil angebl. die Mitbestimmungstatbestände nur sog. Berechtigungslagen, nicht aber echte Ansprüche i. S. des § 194 BGB darstellten. Diese Erwägung entspricht in auffälliger Weise den Überlegungen von Heinze (DB, Beil. 9/1983, S. 3, 14, 16; - kritisch zum vermutl. Argumentationszusammenhang Kümpel, AiB 1983, 135 und Derleder, AuR 1983, 289), der sich seinerseits auf v. Jhering beruft (Der Zweck im Recht, 1878, Kap. VIlI, 11. Abschnitt = 4. Aufl. 1904, S. 256 ff.). Demgegenüber zitiert Jahnke (Zwangsvollstreckung in der Betriebsverfassung, 1977, S. 11), der die Konzeption des BAG nicht vertritt (vgl. S. 15 Fn. 17), einleitend ebenfalls v. Jhering, wonach ein Rechtssatz ohne Rechtszwang ein Widerspruch in sich selbst sei. Wie immer man dazu steht: Die Mitbestimmungsregelung des § 87 BetrVG wird verkannt, wenn man bei ihr einen echten Anspruch ablehnt, wie es das BAG tut. Vielmehr enthält dieser Tatbestand ein echtes Recht des Betriebsrates auf Mitbestimmung, das dieser auch nötigenfalls gerichtl. durchsetzen kann (dazu unten 4.). Dieser "Anspruch" des Betriebsrates besteht darin, ein "Tun" vom Arbeitgeber zu verlangen, nämlich ihn an der Entscheidung gleichberechtigt zu beteiligen. Allerdings darf dies nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß damit automatisch und zusätzl. ein Unterlassungsanspruch verbunden wäre, der in § 87 BetrVG gerade nicht normiert ist (a. A. ohne Begründung Galperin/Löwisch, § 87 Rn. 41a; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 87 Rn. 161, die einen Nebenleistungsanspruch unterstellen). Denn ein derartiges Recht auf Unterlassung der vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahme kann der Bestimmung nicht entnommen werden und muß auch keineswegs in ihr enthalten sein. Das zeigt etwa ein Vergleich von § 985 BGB mit § 1004 BGB, wonach nur bei ersterer Anspruchsgrundlage ein Tun (Herausgabe) verlangt werden kann, nicht aber gleichzeitig auch Unterlassung, die erst nach letzterer Norm erfolgt. Vielmehr macht gerade die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG deutlich, daß der Betriebsrat nicht in die Leitung des Betriebes eingreifen darf; ihn trifft also insoweit ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ! Demzufolge kann es auch von daher keinen allgemeinen, gerichtl. durchsetzbaren Unterlassungsanspruch des Betriebsrates geben, wenn gerade das BetrVG derartige Eingriffe verbietet und nur unter der besonderen Voraussetzung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zuläßt (ähnlich Söllner, § 21 VII; Zöllner, § 46 III 6; s. auch v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 11 I 4 und 5).

e) Voll zuzustimmen ist dem Senat, daß § 23 Abs. 3 BetrVG aufgrund seiner systematischen Stellung im Ges. und entsprechend dem Willen des Gesetzgebers eine umfassende Regelung für alle betriebsverfassungsrechtl. Unterlassungsansprüche und nicht bloß für die beiden genannten Fälle der Prozeßstandschaft zur Wahrnehmung fremder Rechte darstellt (B II 3 der Gründe). Das ergibt sich in der Tat aus der Gegenüberstellung von Abs. 1 und Abs. 3 in § 23 BetrVG, die jeweils allgemeine Rechtsfolgen bei Pflichtenverstößen vom Betriebsrat einerseits und vom Arbeitgeber andererseits regeln. Dabei ist aber nicht zu verkennen, daß die Normierung des Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber in § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG insoweit völlig unsystematisch ist, als in dem 2. Abschnitt des 2. Teils des Gesetzes ledigl. die Amtszeit des Betriebsrates erfaßt ist. Dieser gesetzl. Systemfehler kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß jedenfalls diese Regelung im organisatorischen Teil gegenüber dem 4. Teil des Ges. über die Mitwirkung Mitbestimmung der Arbeitnehmer einen vor die Klammer gezogenen, allgemeinen Normenkomplex enthält, der je nach Anwendungsbereich für alle Mitbestimmungstatbestände einschlägig ist. Die Argumentation der zitierten, bisher vorherrschenden Gegenansicht greift also zu kurz, wenn sie meint, daß der Gesetzgeber ledigl. aus Gründen der Gleichgewichtigkeit auch dem Betriebsrat vollstreckungsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen wollte. Dies mag zwar der gesetzgeberische Anlaß für die Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG gewesen sein, tatsächl. wurde aber ein abschließend geregelter, materiellrechtlicher Unterlassungsanspruch in Satz 1 festgelegt, wie jetzt die systematische und teleologische Auslegung ergibt. Freilich wurde das in der Vergangenheit nicht hinreichend erkannt, weil betriebsverfassungsrechtl. Unterlassungsansprüche erst in letzter Zeit relevant geworden sind, so daß auch erst jetzt die volle Tragweite des § 23 Abs. 3 BetrVG "entdeckt" worden ist.

f) Zuzustimmen ist dem Senat weiterhin, daß das BetrVG als abgeschlossene Sonderregelung (dazu bereits oben 3b) die Rechtsfolgen von Verstößen des Arbeitgebers gegen Beteiligungsrechte des Betriebsrates detailliert geregelt hat (B II 5 der Gründe). Freilich ist dadurch nicht gewährleistet, daß dadurch alle betriebsverfassungsrechtl. Pflichtenverstöße des Arbeitgebers auch sanktioniert sein müßten (vgl. B II 5b der Gründe). Derartige gesetzgeberische Unvollständigkeiten beruhen namentl. darauf, daß die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates erst allmähl. im BetrVG 1952 begründet und im BetrVG 1972 weiter ausgebaut worden sind, ohne daß dadurch aber von vornherein vom Gesetzgeber eine totale Beteiligung des Betriebsrates bei allen Maßnahmendes Arbeitgebers angestrebt oder gar sanktioniert sein sollte. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß damit im Ergebnis nicht von einer effektiven Beteiligung des Betriebsrates gesprochen werden könne (Dütz, DB 1984, 115), bzw. eine Einschränkung der Sanktionsmöglichkeiten gegen den Arbeitgeber zu Lasten des Betriebsrates im Verhältnis zur Rechtslage nach dem früheren Recht vorliege, was vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war (vgl. B II 6 der Gründe und Fitting/Auffarth/Kaiser, § 23 Rn. 60; Thiele, GK-BetrVG, § 23 Rn. 89). Denn unzweifelhaft sollte zwar durch das BetrVG 1972 die Rechtsstellung des Betriebsrates verbessert und verstärkt werden (vgl. v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 164 m. w. N.). Damit steht aber nicht im einzelnen fest, welche konkreten Positionen des Betriebsrates ausgebaut oder daß gar umfassende Eingriffsmöglichkeiten für den Betriebsrat statuiert worden sind. Vielmehr können bestimmte Ansprüche des Betriebsrates nur aus genau umrissenen Tatbeständen des Gesetzes gewonnen werden. Wenn in diesem Zusammenhang eine weitere Sicherung der Mitbestimmungsrechte erforderl. erscheint, kann dieser rechtspolitische Wunsch nur im Wege der Gesetzesänderung erreicht werden. Die derzeitige Rechtslage läßt jedoch einen umfassenden, allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber bei einfacher Verletzung des Mitbestimmungsrechtes nicht zu, da ein Unterlassungsanspruch - abgesehen von zusätzl. Sondervorschriften - nur in § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aufgenommen worden ist.

g) Deshalb muß sich der Betriebsrat mit den vom BetrVG zur Verfügung gestellten Sanktions- oder Sicherungsmöglichkeiten seines Mitbestimmungsrechtes begnügen und etwa im Fall des § 87 BetrVG als weiteres Mittel die Anrufung der Einigungsstelle erwägen (B II 5c der Gründe). Dabei wird nicht übersehen, daß bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Einigungsstelle die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates faktisch durch einseitige Entscheidungen und dadurch entstehende Sachzwänge beeinträchtigt werden. Dennoch bringt das BAG im Kern einen richtigen Gesichtspunkt zum Ausdruck. Das BetrVG wird von dem Gedanken durchzogen, daß die Betriebspartner in Streitfällen miteinander zu verhandeln haben (vgl. §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 BetrVG), eine betriebl. Streiterledigung versuchen (vgl. § 76 Abs. 1-6 BetrVG) und erst danach die ArbG einschalten sollen (§ 76 Abs. 7 BetrVG). Insoweit kann man von einer Subsidiarität des Gerichtseingriffs sprechen. Daher wird darauf zu achten sein, daß man den Arb-Geb. veranlaßt, mit dem Betriebsrat zu verhandeln, nicht jedoch, vom Arbeitgeber in allen möglichen Fällen Unterlassung zu verlangen, weil dies die Leitung des Betriebes unnötig erschweren würde.

Nur eine derartige Verhaltensweise entspricht dann auch dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Allerdings ist nicht zu verkennen, daß bereits die Mißachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates durch den Arbeitgeber einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit darstellen kann, wenn auf diese Weise ein rechtswidriger Zustand herbeigeführt wird. Demgegenüber muß aber berücksichtigt werden, daß bereits § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG davon ausgeht, daß es im Betrieb strittige Fragen gibt, also gesetzl. nicht stets und von vornherein Einmütigkeit und Harmonie zwischen den Betriebspartnern unterstellt wird. Daher wird man das Übergehen von Mitbestimmungsrechten aufgrund einer Fahrlässigkeit des Arbeitgebers, aufgrund vertretbarer anderer Rechtsauffassung oder aufgrund einer unklaren Rechtslage (vgl. dazu BAG AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf unter C III) nicht stets als Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern betrachten können. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Erst wenn der Arbeitgeber bewußt oder hartnäckig wider bessere Einsicht Mitbestimmungsrechte mißachtet und einseitig an sich mitbestimmungspflichtige Anordnungen trifft, ist das Kooperationsgebot verletzt (vgl. v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 4 II S. 34), das dann auch als grober Verstoß gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG sanktioniert ist.

h) Im übrigen ist noch auf einen weiteren Umstand hinzuweisen: Im Regelfall kann in unserer Rechtsordnung nur ein nachträgl. Rechtsschutz gewährt werden, durch den die ursprüngl. Rechtslage wiederhergestellt wird. Man denke namentl. an Schadenersatzansprüche gemäß § 249 Satz 1 BGB (dazu Henckel, AcP 174 [1974], 110 ff.; Medicus, MüKo BGB, § 1004 Rn. 6). Besonders deutlich wird dieser Gedanke auch bei Kündigungen, deren Wirksamkeit zunächst unterstellt die mögliche Unwirksamkeit erst nachträgl. gerichtl. festgestellt werden kann (vgl. §§ 7, 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG), auch wenn die Kündigung eigentl. von Anfang an sozial ungerechtfertigt war. Nur unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG kann die Kündigung als vorläufig nicht wirksam angesehen werden; einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch trotz erklärter Kündigung gibt es aber bisher nicht (vgl. dazu den Vorlagebeschluß des BAG vom 21. 12. 1983, AP Nr. 10 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = ZIP 1984, 209). Diese vergleichende Betrachtung macht auch für den Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten deutlich, daß die Rechtsordnung zunächst gewisse Rechtsverletzungen in Kauf nimmt und erst nachträgl. versucht, die Verstöße zu bereinigen. Nur in bestimmten Fällen ist unter besonderen Voraussetzungen vorbeugender Rechtsschutz nötig. Dies ist aber von § 23 Abs. 3 BetrVG ausreichend berücksichtigt.

4. Durchsetzungsmöglichkeiten des Mitbestimmungsrechtes durch den Betriebsrat

a) Im vorliegenden Fall waren vollstreckungsrechtl. Fragen nicht zu behandeln. Gleichwohl ist für die Zukunft zu fragen, wie Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durchgesetzt werden können und ob auch eine einstw. Vfg. in Betracht kommt. Soweit es sich um grobe Verstöße des Arbeitgebers handelt, enthält § 23 Abs. 3 BetrVG eine abschließende Regelung: Der Betriebsrat kann bei grober Mißachtung seiner Mitbestimmungsrechte im Beschlußverfahren (§ 2a Nr. 1 ArbGG) gemäß Satz 1 durch das ArbG vom Arbeitgeber Unterlassung der Maßnahme verlangen; die Vollstreckung richtet sich nach Satz 2-5. Außerdem kommt gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG eine einstw. Vfg. in Betracht, wenn zu befürchten ist, daß die Durchsetzung des Mitbestimmungsrechtesdurch die vorweggenommene, einseitige Entscheidung des Arbeitgebers praktisch nicht mehr zum Zuge kommt (§ 935 ZPO) bzw. wenn diese zur Sicherung des Rechtsfriedens gemäß § 940 ZpO erforderl. ist (ebenso BAG AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf [unter C II 2]; LAG Frankfurt/M., BB 1979, 942; Dütz, ZfA 1972, 260; Dütz, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche... 1983, S. 62 ff.; Heinze, DB, Beil. 9/1983, S. 23; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl. 1981, vor § 935 Rn. 75; Thiele, GK-BetrVG, § 23 Rn. 101; Weber, aaO, S. 152 ff.; - a. A. LAG Hamm, DB 1977, 1514; Dietz/Richardi, § 23 Rn. 79; Fitting/Auffarth/Kaiser, § 23 Rn. 44; Galperin/Löwisch, § 23 Rn. 61; Kammann/Hess/Schlochauer, § 23 Rn. 74). Dabei ist Verfügungsanspruch das materiellrechtl. Recht des Betriebsrates aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der seinerseits das Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestandes voraussetzt; Verfügungsgrund ist die genannte Eilbedürftigkeit. Inhaltl. kann vom ArbG gemäß § 938 ZPO dem Arbeitgeber die Vornahme der einseitigen Handlung verboten werden.

b) Liegt hingegen bei Übergehung der Mitbestimmungsrechte nur ein einfacher Verstoß des Arbeitgebers vor (oben 3g), so kann der Betriebsrat keinen Unterlassungsanspruch geltend machen. Andererseits muß dem Betriebsrat dennoch die reale Möglichkeit verbleiben, seine Mitbestimmungsrechte gerade im Kernbereich der Mitbestimmung, bei den sozialen Angelegenheiten des § 87 BetrVG, durchzusetzen. Ansonsten besteht die Gefahr, daß diese wichtigsten Mitbestimmungstatbestände der Sache nach der freiwilligen Mitbestimmung gemäß § 88 BetrVG angenähert werden, also im Ergebnis nicht ohne weiteres durchsetzungsfähig wären. Beim Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG geht es um echte gleichberechtigte Beteiligung (positives Konsensprinzip), weswegen auch von der notwendigen Mitbestimmung des Betriebsrates gesprochen wird (vgl. v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, § 12 I 1a). Dabei muß der Arbeitgeber von sich aus den Betriebsrat an den Gegenständen des § 87 Abs. 1 beteiligen nicht abwarten, ob der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht erst beansprucht (vgl. v. Hoyningen-Huene, § 12 I 3a). Um diese Beteiligung des Betriebsrates sicherzustellen, muß man ihm daher die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung (§ 85 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 935 ff. ZPO) gegen den Arbeitgeber zu erreichen, belassen. Inhaltl. kann der Betriebsrat dann konsequenterweise aber nicht Unterlassung verlangen; er kann vielmehr beantragen, daß dem Arbeitgeber aufgegeben wird, den Betriebsrat bei einer konkret zu bezeichnenden Maßnahme zu beteiligen. Eine derartige einstw. Vfg. ist auch nicht durch die Sonderregelung des § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen (vgl. auch BAG AP Nr. 19 zu § 80 BetrVG 1972 mit Anm. v. Hoyningen-Huene), weil sie sich nicht auf den Unterlassungsanspruch erstreckt. Das Gericht kann demgegenüber auch nicht ein Unterlassungsgebot verfügen (so aber Dütz, DB 1984, 124), weil damit über den Hauptanspruch hinausgegangen das gerichtl. Ermessen überschritten würde. Verfügungsanspruch ist dabei der jeweilige Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 BetrVG als echte materiellrechtl. Anspruchsgrundlage; als Verfügungsgrund kommt die drohende Vereitelung des jeweiligen Mitbestimmungsrechts in Betracht, falls der Arbeitgeber ansonsten vollendete Tatsachen schaffen würde. Daß es sich bei dieser einstw. Vfg. um eine nur unter erschwerten Voraussetzungen mögliche Leistungsverfügung handelt, steht diesem Lösungsvorschlag nicht entgegen. Denn gerade im Arbeitsrecht hat die Leistungsverfügung einen weiten und eigenständigen Anwendungsbereich (vgl. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, 11. Aufl. 1983, Rn. 924; Schaub, Arbeitsrechtl. Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl. 1982, § 117; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl. 1981, vor § 935 Rn. 75).

Die Vollstreckung dieser einstw. Vfg. erfolgt dann gemäß § 85 Abs. 1 ArbGG i. V. m. den Vorschriften nach dem 8. Buch der ZPO. Da es sich bei der Beteiligung des Betriebsrates in Angelegenheiten des § 87 BetrVG für den Arbeitgeber um eine unvertretbare Handlung gemäß § 888 Abs. 1 ZPO handelt, kann dem Arbeitgeber ein Zwangsgeld bis zu 50000 DM für den Fall der Weigerung auferlegt werden. Damit wäre der positive Effekt erreicht, auf den Arbeitgeber einerseits genügend Druck auszuüben, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu realisieren, ohne daß andererseits dem Arbeitgeber, wie es bei einem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates der Fall wäre, entgegen § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu stark die Hände gebunden würden.

5. Ergebnis

Die neue Rechtspr. des BAG ist zu begrüßen, die nunmehr den Inhalt des § 23 Abs. 3 BetrVG zutreffend darlegt. Ein materiellrechtl. Unterlassungsanspruch des Betriebsrates besteht demzufolge - abgesehen von Sonderregelungen - nur noch nach dieser Bestimmung bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG, insbesondere bei unberechtigtem, nachhaltigem Bestreiten von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates. Die Vollstreckung kann nur nach § 23 Abs. 3 Satz 2-5 BetrVG erfolgen, wobei ein einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG in Betracht kommen kann. Liegt hingegen nur ein "einfacher Verstoß" des Arbeitgebers gegen Mitwirkungsrechte des Betriebsrates vor, z. B. bei Bestehen einer unklaren Rechtslage, so kann der Betriebsrat nicht Unterlassung der geplanten Maßnahme des Arbeitgebers verlangen, sondern nur im Wege des arbeitsgerichtl. Beschlußverfahrens seine Beteiligung aufgrund des Mitbestimmungsrechtes geltend machen. Dieser Leistungsanspruch unterliegt auch den allgemeinen vollstreckungsrechtl. Bestimmungen und kann daher auch mittels einstw. Vfg. durchgesetzt werden.