Betriebsratsfreistellung - Schichtzuschläge - Alterssicherung

LAG Baden-Württemberg Az. 19 Sa 15/19 vom 17. Sep. 2019

Leitsatz

1. Wird ein Betriebsrat, an den bis dahin Schichtzuschläge gezahlt wurden, von der Arbeitspflicht vollständig freigestellt und werden an ihn die Schichtzuschläge in Form von Pauschalzahlungen weiter gewährt, so stellt dies keine unzulässige Begünstigung des Betriebsrats dar, auch wenn er sein Amt ausschließlich in der Tagesschicht ausübt (Abgrenzung zu BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 401/14 -).

2. Gerät der Schichtbetrieb in Wegfall - vorliegend wegen Stilllegung der Fabrikation - entfällt auch der Anspruch des Betriebsrats auf Weiterzahlung der Schichtpauschalen, weil der Verlust der Schichtzuschläge nicht ausschließlich auf der Freistellung beruht.

3. Ein Anspruch auf Weiterzahlung der Schichtzuschläge ergibt sich auch nicht aus § 6 MTV für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (Alterssicherung). Zwar sind die Schichtpauschalen in die Verdienstsicherung mit einzubeziehen. Die Auslegung des Tarifvertrages ergibt aber, dass sich die Verdienstsicherung um den Betrag der gezahlten Schichtpauschalen reduziert, wenn sämtliche Arbeitskräfte die Schichtzuschläge einbüßen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24. Januar 2019 - 1 Ca 212/18 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger pauschal gezahlte Schichtzuschläge nach Einstellung des Schichtbetriebes nach § 6 des Manteltarifvertrages für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (MTV) zustehen.

Der Kläger ist am 00.00.1961 geboren und freigestelltes Betriebsratsmitglied im Betrieb der Beklagten in M.. Vor seiner Freistellung war der Kläger seit dem 01. August 1978 als Dreher im 3-Schicht-Betrieb tätig, wofür er Schichtzuschläge erhielt. Seit seiner Freistellung im Jahre 1993 übt der Kläger sein Amt als Betriebsrat in der Tagesschicht aus und erhält von der Beklagten eine sogenannte Schichtpauschale in Höhe von zuletzt Euro 1.013,75 brutto. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden erzielte der Kläger zuletzt ein monatliches Entgelt in Höhe von ca. Euro 7.400,-- brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der MTV kraft wechselseitiger Mitgliedschaft Anwendung, der auszugsweise lautet:

Beschäftigte, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens ein Jahr angehören, haben Anspruch auf Verdienstsicherung.

Die tarifliche Verdienstsicherung bezieht sich nicht auf das Tarifentgelt, sondern auf das Effektiventgelt und wird wie folgt verwirklicht:

Der Alterssicherungsbetrag, der nach §§ 6.3 und 6.4 zu ermitteln ist, wird als Mindestverdienst garantiert.

Der laufende Verdienst innerhalb des nach § 6.9 zu regelnden Vergleichszeitraums wird mit dem Alterssicherungsbetrag verglichen.

Ist der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag, so ist ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen.

Beginn der Verdienstsicherung

Zusammensetzung und Errechnung des Alterssicherungsbetrages

Der Alterssicherungsbetrag errechnet sich wie folgt:

Aus den in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Verdienstsicherung erzielten (tariflichen und/oder übertariflichen) durchschnittlichen Zuschlägen für Sonn-, Feiertags-, Spät-, Nacht-(Schicht-), Montagearbeit sowie Erschwerniszulagen gem. § 8 BMTV, sofern die in § 6.4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Festschreibung des Alterssicherungsbetrages

Der sich aus der Berechnung nach §§ 6.3 und 6.4.2 ergebende Alterssicherungsbetrag ist mit den dort genannten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festzuschreiben. Die Mindestverdienstgarantie (§ 6.1.1) bezieht sich auf diese Entgeltbestandteile.

Fortschreibung des Alterssicherungsbetrages

Tarifbedingte Erhöhungen des Entgeltes nach Beginn der Verdienstsicherung erhöhen den Alterssicherungsbetrag.

Übertarifliche Entgeltbestandteile

Werden im Betrieb tarifliche Entgelterhöhungen voll oder teilweise auf das Effektiventgelt gegeben (errechnet auf der Basis des Effektivverdienstes), so erhöht sich dadurch der Alterssicherungsbetrag.

Werden übertarifliche Entgeltbestandteile zulässigerweise auf tarifbedingte Erhöhungen des Entgeltes angerechnet, so kann eine solche Anrechnung bei den Beschäftigten mit Anspruch auf Verdienstsicherung nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen. Eine solche Anrechnung wirkt sich auf den Alterssicherungsbetrag aus.

Anmerkung:

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.02.1985 ist § 6.11 insoweit nichtig, als die Anrechnung an das Einvernehmen mit dem Betriebsrat gebunden ist.

Der Interessenausgleich und Sozialplan bei der Beklagten vom 06. Februar 2017 hatte die Stilllegung des Produktionsbereichs im Werk M. sowie die Entlassung aller ehemals im Schichtbetrieb beschäftigten Arbeitskräfte zur Folge. Die Belegschaftsstärke sank von ca. 1600 auf ca. 700 Köpfe.

Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 19. März 2018 mit, der Schichtbetrieb sei im Dezember 2017 beendet worden und sie werde folglich keine weiteren Schichtpauschalen an den Kläger ausbezahlen. Diese seien für Januar und Februar 2018 irrtümlich geleistet worden und würden vom Lohn für den Monat April einbehalten (Bl. 7 der Akte des Arbeitsgerichts).

Die am 30. Mai 2018 eingereichte Klage hat die Schichtpauschalen bis Mai 2018 zum Gegenstand.

Der Kläger hat vorgetragen und die Ansicht vertreten, die Schichtpauschale sei Bestandteil der tariflichen Alterssicherung, die einen Mindestverdienst garantiere. Die Schichtpauschale sei deshalb weiterzugewähren. Für die Einstellung der Zahlung durch die Beklagte fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Die Zahlung führe nicht zu einer unzulässigen Begünstigung des Klägers. Im Betrieb gebe es keine Arbeitnehmer mehr, die vor Einstellung des Produktionsbereichs im Schichtbetrieb beschäftigt waren. Indessen würden Monteure je nach Situation im Kundenbetrieb dort Schichtarbeit leisten.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.180,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB

aus 1.013,75 Euro brutto seit dem 01.04.2018

aus 3.153,25 Euro brutto seit dem 01.05.2018

aus 1.013,75 Euro brutto seit dem 01.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen und die Ansicht vertreten, der Anspruch des Klägers sei mit der Einstellung der Schicht im Betrieb M. entfallen. Die Zahlungen für Januar 2018 in Höhe von Euro 1.125,75 und für Februar 2018 in Höhe von Euro 1.013,75 habe sie zurückfordern können und müssen. Weitere Zahlungen schulde sie nicht. Die Schichtzulage zähle zwar zum Arbeitsentgelt im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG. Ab Januar 2018 wäre sie jedoch nicht mehr angefallen, wenn der von seiner beruflichen Tätigkeit zur Durchführung von Betriebsratsaufgaben freigestellte Kläger gearbeitet hätte. Seit Januar 2018 gewähre die Beklagte auch allen anderen Arbeitnehmern im Betrieb M. keine Schichtzuschläge mehr. Die mit der Schichtarbeit verbundene Erschwernis sei unabhängig von der Freistellung auf Grund der Aufgabe der Schichtarbeit weggefallen. Die Fortgewährung von Schichtzuschlägen würde zu einer unzulässigen Begünstigung des Klägers führen. Die Rückforderung für Januar und Februar 2018 sei deswegen und nach den Grundsätzen des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24. Januar 2019 nach dem Klageantrag erkannt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Bezahlung des Alterssicherungsbetrages im Sinne der §§ 6.1, 6.3 und 6.4 des MTV. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen der Verdienstsicherung im Sinne von § 6.1 bis 6.4 MTV. Die dem Kläger beklagtenseits garantierten Zuschläge zur Schichtarbeit würden zum Alterssicherungsbetrag des § 6.1.1 des Manteltarifvertrages zählen. Die Beklagte habe an den Kläger im Zeitraum zwischen dem 01. Januar und dem 31. Mai 2018 Euro 5.180,75 brutto zu wenig bezahlt. Die Beklagte könne sich nicht auf das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG berufen. Auch wenn der Kläger keine Schichtarbeit mehr leiste, hätte die Beklagte den Alterssicherungsbetrag als Mindestverdienst bezahlen müssen. Ihre Unterscheidung zwischen personen-/altersbedingtem Ausfall der Leistung von Schichtarbeit und dem betriebsbedingten Wegfall von Sonderformen der Arbeit (hier: Einstellung des Schichtbetriebes zum 31. Dezember 2017) finde in dem Manteltarifvertrag keine Stütze. Vielmehr werde der Alterssicherungsbetrag von der Beklagten als Mindestverdienst garantiert.

Mit der Berufung greift die Beklagte das Urteil an. Bei der Schichtzulage handle es sich um einen freiwilligen übertariflichen Lohnbestandteil, der mit den allgemein zustehenden Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt worden sei. Die freiwillige übertarifliche Zulage werde nicht zum tariflichen Mindestentgelt erklärt, welches durch § 6 MTV gesichert werde. Die tarifliche Alterssicherung schütze nur vor Einbußen auf Grund des Alters des Arbeitnehmers, nicht aber vor – wie vorliegend – betriebsbedingten Anpassungen. Eine Besserstellung älterer Arbeitnehmer gegenüber jüngeren Arbeitnehmern sei weder vom Wortlaut „Alterssicherung“ noch vom Sinn und Zweck des Tarifvertrages gedeckt. Eine zweckwidrige Bevorzugung älterer Arbeitnehmer trete aber ein, wenn diese allein auf Grund der Alterssicherung weiterhin Schichtzuschläge erhielten, alle anderen jüngeren Arbeitnehmer jedoch nicht.

Aus § 6.11 Abs. 2 MTV ergebe sich die Befugnis zur Kürzung übertariflicher Lohn- und Gehaltsbestandteile. Die Rechtsfolge müsse auch auf den vorliegenden Fall der Abschaffung einer Schichtzulage als Folge der Aufgabe der Schichtarbeit angewendet werden. Bei der Schichtzulage handle es sich um einen übertariflichen Lohnbestandteil. Würden einzelvertraglich bzw. betrieblich vereinbarte Schichtzulagen zum tariflichen Mindestentgelt erklärt, enthalte die tarifliche Regelung eine unwirksame Effektivgarantieklausel. Den Tarifvertragsparteien könne ein so weitreichender Regelungswille nicht unterstellt werden.

Die Weiterzahlung der Schichtzulage verstoße gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 BetrVG. Denn der Kläger hätte, wenn er gearbeitet hätte, keinen Anspruch auf die Schichtzulage im Rahmen der Alterssicherung. Die Einstellung der Zahlung führe auch nicht zu einer Benachteiligung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern, die seit Januar 2018 außerhalb des Schichtmodells beschäftigt würden und ebenfalls keine Schichtzuschläge mehr erhielten. Zu Recht habe die Beklagte deshalb überzahlte Beträge zurückgefordert und einbehalten. Zu Unrecht begehre der Kläger weitere Zahlungen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24.01.2019 (Az. 1 Ca 212/18) ist aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24.01.2019 Az: 1 Ca 212/18 wird zurückgewiesen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es handle sich bei der Schichtpauschale schon nicht um eine freiwillige übertarifliche Zulage. Der Anspruch ergebe sich direkt aus den Regelungen zu § 9 MTV. Die ursprünglich angefallenen Schichtzuschläge seien nach Freistellung des Klägers als Pauschale gezahlt worden. Die Schichtpauschale sei entsprechend den tariflichen Bestimmungen Bestandteil des zu gewährenden Alterssicherungsbetrages geworden, der nach dem MTV als Effektivgehalt garantiert und als Mindestverdienst zu zahlen sei. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die tariflichen Zuschläge auch nach Schließung der Fabrik und Einstellung der Schichtarbeit im Betrieb weiter zu zahlen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Abbau übertariflicher Zulagen sei nicht einschlägig.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 17. September 2019 Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils, weil die Klage unbegründet ist.

Die Berufung ist an sich statthaft nach den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil sie formgerecht durch Anwaltsschriftsatz und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V. mit §§ 519, 520 ZPO. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 24. Januar 2019 wurde der Beklagten am 12. Februar 2019 zugestellt. Die Berufung ging am 11. März 2019 und der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 08. April 2019 bei dem Landesarbeitsgericht ein. Binnen der antragsgemäß verlängerten Frist für die Berufungsbegründung erreichte dieselbe das Landesarbeitsgericht am 09. Mai 2019. Die Berufungsbegründung setzt sich hinreichend mit den tragenden Erwägungen des Arbeitsgerichts auseinander, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der monatlichen Schichtpauschale in der Zeit von Januar bis Mai 2018.

Die Klage ist zulässig, der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Anders als es nach der Klagebegründung scheint, begehrt der Kläger nicht etwa Schichtpauschalen für die Monate Januar und Februar 2018. Denn diese wurden von der Beklagten mit den jeweiligen Abrechnungen bezahlt. Vielmehr fordert der Kläger für März, April und Mai 2018 jeweils Schichtpauschalen in Höhe von Euro 1.013,75 brutto und darüber hinaus für den Monat April 2018 restliches Arbeitsentgelt, welches die Beklagte unter Verrechnung mit ihrem Rückforderungsanspruch für die Monate Januar und Februar 2018 einbehalten hat. Das ergibt sich aus dem Zinslauf der Antragsstellung. Im Übrigen hätte es zwar nahegelegen, den Klageantrag für den Monat April 2018 auf den vollen Bruttobetrag abzüglich des ausgezahlten (verminderten) Nettobetrages auszurichten. Es ist aber zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte vom Entgelt des Klägers für den Monat April 2018 Bruttobeträge in Höhe von Euro 1.125,75 für Januar 2018 und in Höhe von Euro 1.013,75 für Februar 2018 in Abzug gebracht hat und mithin dem Kläger zu wenig Bruttoentgelt abgerechnet und an ihn zur Auszahlung gebracht hat.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung der Schichtpauschalen über Dezember 2017 hinaus aus den §§ 37 Abs. 3, 38 Abs. 1 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB und § 6 MTV. Zu Recht hat die Beklagte die irrtümlichen Zahlungen zurückgefordert.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Schichtpauschale für den Monat März 2018.

Das ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Zahlung der Schichtpauschale seit Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht im Jahr 1993 einen Verstoß gegen das Begünstigungsgebot des § 78 Satz 1 BetrVG darstellt, wie das die Beklagte auf Seite 7 unten der Berufungsbegründung wohl meint.

Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligte oder begünstigt werden. Die Regelung dient – ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) – der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder. Das Ehrenamtsprinzip stärkt maßgeblich das Vertrauen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer darauf, dass die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte durch den Betriebsrat nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile für die Betriebsratsmitglieder beeinflussbar ist. Mit dem Ehrenamtsprinzip ist es insbesondere nicht vereinbar, dass Betriebsratsmitglieder durch ihre Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungs- oder Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig (BAG 20. Januar 2010 – 7 ABR 68/08 – Rn. 10, juris; 18. Februar 2014 – 3 AZR 568/12 – Rn. 28, juris; 16. Februar 2005 – 7 AZR 95/04 – zu I 1 der Gründe, AP BPersVG § 46 Nr. 26 jeweils m.w.N.).

Der Kläger übt seit seiner Freistellung im Jahr 1993 sein Betriebsratsamt nicht in gleicher Weise aus wie seine Tätigkeit als Dreher in der Zeit zuvor. Er wird nicht mehr in wechselnden Schichten tätig, sondern ausschließlich in der Tagschicht. Damit ist die z.B. mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis weggefallen. Die Weiterzahlung der bis dahin angefallenen Schichtzuschläge in Form einer Schichtpauschale war zwar eine Begünstigung des Klägers, aber nicht unzulässig. Sie war vielmehr durch § 37 Abs. 2 BetrVG gerechtfertigt.

Danach sind Mitglieder des Betriebsrats ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Betriebsratsausgaben erforderlich ist. Die Vergütungsfortzahlungspflicht gilt auch für vollständig nach § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder. § 37 Abs. 2 BetrVG begründet keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds aus § 611 Abs. 1 BGB (a.F. vgl. nunmehr § 611a Abs. 2 BGB) i.V.m. mit dem Arbeitsvertrag sowie dem ggf. anzuwendenden Tarifvertrag, in dem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrags nimmt. Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern, indem es ihm die Befürchtung nimmt, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung seines Ehrenamts zu erleiden. Diese Vorschrift, die für alle Betriebsratsmitglieder unabhängig von einer etwaigen Freistellung nach § 38 BetrVG gilt, konkretisiert hinsichtlich der Vergütung das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.

Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgelts bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen ist, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte.

Zum Arbeitsentgelt i.S.v. § 37 Abs. 2 BetrVG gehören alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Zu dem Arbeitsentgelt zählen neben der Grundvergütung insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie werden für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstige Zeiten gewährt. Sie dienen nicht dem Ersatz von tatsächlichen Mehraufwendungen, die dem Arbeitnehmer bei der Erbringung der Arbeitsleistung entstehen. Das Arbeitsentgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen (BAG 18. Mai 2016 – 7 AZR 301/14 – Rn. 13ff., juris; 29. April 2015 – 7 AZR 123/12 – Rn. 12, 13; 18. Februar 2014 – 3 AZR 568/12 – Rn. 26, juris jeweils mit weiteren Nachweisen).

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 18. Mai 2016 (- 7 AZR 401/14 – juris) Nachtarbeitszuschläge einem Betriebsrat nicht zugesprochen, der vor der Amtsübernahme Nachtarbeit geleistet hatte und mit der Amtsübernahme seinen Arbeitsbeginn im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber in die nicht zuschlagspflichtige Zeit verschoben hat, um den Mitarbeitern eine bessere Kontaktaufnahmemöglichkeit zu ermöglichen und seiner Betriebsratsarbeit nachgehen zu können. Das Bundesarbeitsgericht hielt den Verlust des Nachtarbeitszuschlags für gerechtfertigt, weil er nicht auf der (teilweisen) Freistellung, sondern auf der im Einvernehmen mit dem dortigen Kläger vorgenommenen Verschiebung von dessen Arbeitszeit um zwei Stunden beruhe.

Im Fall der vollständigen Freistellung gem. § 38 BetrVG – wie vorliegend – ist eine Vereinbarung über die Verschiebung der Arbeitszeit obsolet und wird von den Parteien auch nicht behauptet. Denn für die Dauer der Freistellung besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Das freigestellte Betriebsratsmitglied unterliegt nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Die Freistellung soll ausschließlich die sachgerechte Wahrnehmung der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben sicherstellen. Anstelle der Arbeitspflicht tritt die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem er angehört, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten (BAG 18. Mai 2016 – 7 AZR 401/14 – Rn. 24, juris; 10. Juli 2013 – 7 ABR 22/12 – Rn. 19, 20, juris).

Ohne die Freistellung hätte der Kläger im Zeitraum 1993 bis 2017 Schichtarbeit leisten müssen, weil er bereits in der Zeit zuvor dazu verpflichtet war und es zu keiner abändernden Abrede der Parteien hierüber gekommen ist. Der nach § 37 Abs. 2 BetrVG auszugleichende Verlust der Schichtzuschläge beruhte vorliegend ausschließlich auf der Freistellung nach § 38 Abs. 1 BetrVG. Es ist weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Schichtpauschale nicht im Einklang mit dem Lohnausfallprinzip steht und gegen § 78 Satz 2 BetrVG zu einer unzulässigen Verdiensterhöhung für den Kläger geführt hat.

Dem Kläger steht die Schichtpauschale für März 2018 aber deshalb nicht zu, weil er mit Schließung des Produktionsbereichs und Einstellung der Schichtarbeit seit Januar 2018 keinen Anspruch mehr darauf hat und die Weiterzahlung zu einem Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG führen würde.

Hätte der Kläger im März 2018 gearbeitet, hätte er keine Schichtzuschläge erhalten, wo es auf den Streit der Parteien nicht ankommt, ob die Zuschläge auf freiwilliger oder auf tariflicher Basis bis Dezember 2017 geleistet wurden.

Seit Januar 2018 findet im Betrieb der Beklagten in M. keine Schichtarbeit mehr statt. Der Produktionsbereich wurde stillegelegt. Der Kläger trägt selbst in der Klage vor, dass alle Arbeitnehmer, die im Schichtbetrieb beschäftigt waren, im Laufe des Jahres 2017 aufgrund des abgeschlossenen Sozialplanes aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden sind. Die Belegschaft wurde von ca. 1600 Arbeitskräften auf deren ca. 700 reduziert.

Zwar hat der Kläger im Schriftsatz vom 20. Dezember 2018 an das Arbeitsgericht fünf Arbeitskräfte benannt, die als Monteure je nach Situation im Kundenbetrieb im Schichtdienst eingesetzt werden und nach Ansicht des Klägers hierfür Zuschläge nach §§ 9, 10 MTV erhalten. Der Kläger meint weiter, im Rahmen einer fiktiven Betrachtung hätte die Beklagte ihn als Monteur im Schichtbetrieb weiter einsetzen können.

Dem folgt die Kammer nicht. Eine Beschäftigung des Klägers als Monteur ist zwar abstrakt möglich, aber entspricht nicht der hypothetischen Wahrscheinlichkeit.

Die Berechnung der nach § 37 Abs. 2 BetrVG geschuldeten Vergütung nach dem Lohnausfallprinzip erfordert eine hypothetische Betrachtung, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte. Zur Berechnung der hypothetischen Vergütung ist die Methode zu wählen, die dem Lohnausfallprinzip am besten gerecht wird. Dabei sind die Besonderheiten des jeweiligen Vergütungsbestandteils zu berücksichtigen (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 123/13 – Rn. 14, juris). Der Kläger wurde von der Beklagten als Dreher eingestellt und beschäftigt. Mit der Stilllegung des Produktionsbereiches wäre der Kläger ggf. in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen gewesen, § 15 Abs. 5 KSchG. Der Kläger geht nach seinen Einlassungen im Kammertermin selbst davon aus, dass Monteure grundsätzlich niedriger eingruppiert seien als er. Eine Beschäftigung als Monteur ist im Fall des Klägers eher fernliegend. Damit beruht der Verlust der Schichtzulage ab Januar 2018 nicht ausschließlich auf der Freistellung des Klägers. Folglich entfällt insofern der Anspruch nach §§ 38, 37 II BetrVG.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Schichtpauschale für März 2018 ergibt sich auch nicht aus der Alterssicherung nach § 6 MTV. Das hat das Arbeitsgericht verkannt.

Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft Organisationszugehörigkeit Anwendung, § 3 Abs. 1 TVG. Der Kläger hat im Juli 2015 das 54. Lebensjahr vollendet und erfüllt damit die persönlichen Voraussetzungen nach 6.2 MTV.

Nach § 6.2, 3 MTV ist der laufende Verdienst mit dem Alterssicherungsbetrag zu vergleichen und es ist ggf. ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen. Berücksichtigungsfähig sind u.a. die in den letzten Kalendermonaten vor Beginn der Verdienstsicherung erzielten (tariflichen und/oder übertariflichen) durchschnittlichen Zuschläge für Sonn-, Feiertags-, Spät-, Nacht- (-Schicht), Montagearbeit sowie Erschwerniszulagen, § 6.3.5 MTV, soweit die Voraussetzungen nach § 6.4 MTV erfüllt sind, was vorliegend nicht im Streit steht.

Damit sind auch die von der Beklagten an den Kläger vor Eintritt der Verdienstsicherung gezahlten Schichtpausacheln berücksichtigungsfähig. Denn der Kläger konnte nur aufgrund seiner Freistellung als Betriebsrat keine Schichtzuschläge mehr erwirtschaften. Die Nichtberücksichtigung der Pauschalzahlungen würde zu einer unmittelbaren Benachteiligung i.S.d. § 78 Satz 2 BetrVG führen.

Zwar hat sich die Beklagte – erstmalig – im Berufungsverfahren darauf berufen, bei den bis Dezember 2017 gezahlten Schichtzuschlägen handele es sich um einen „freiwilligen übertariflichen Lohnbestandteil“. Die Beklagte vermochte dies auf Nachfrage im Kammertermin nicht näher zu erläutern. Ihr Vorbringen ermangelt der Substanz und ist auf dem Hintergrund der Tarifbindung eher fernliegend. Denn §§ 9,10 MTV regeln die Zuschlagspflicht für Mehr-, Spät-, Nach-, Sonntags- und Feiertagsarbeit im Einzelnen nach Grund und Höhe.

Dessen ungeachtet hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden, dass die Alterssicherung gem. § 6 MTV auch bezüglich der Einbeziehung übertariflicher Lohnbestandteile wirksam sei und keine unzulässige Effektiv- oder Effektivgarantieklausel darstelle. Das Bundesarbeitsgericht hat das damit begründet, dass durch die tarifliche Verdienst- bzw. Alterssicherung die Rechtsnatur der über- und außertariflichen Vergütungsbestandteile, die in die Verdienstsicherung eingehen, nicht geändert werde. Die Tarifvertragsparteien regelten nur, dass diese Vergütungsbestandteile in die Alterssicherung als Berechnungsgrundlage einbezogen werden. Die vertraglich begründeten über- und außertariflichen Vergütungsbestandteile würden nicht in tarifliche Ansprüche umgewandelt. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitsvertragsparteien über die über- und außertariflichen Leistungen blieben unberührt. Eine wirksame Änderung dieser Leistungen führe zu einer entsprechenden Änderung der Alterssicherung (BAG 16. Juni 2004 – 4 AZR 408/03 – zu MTV NW/MD gültig ab 1. Januar 1997 betreffend Provisionen auf arbeitsvertraglicher Grundlage, Rn. 51ff., juris m.w.N.).

Die Einbeziehung der Schichtpauschalen in die Verdienstsicherung ist deshalb nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat aber mit Wirkung ab Januar 2018 keinen Anspruch auf Verdienstsicherung in Höhe der Schichtpausacheln mehr. Das ergibt die insbesondere an Sinn und Zweck des Tarifvertrages orientierte Auslegung von § 6 MTV. Danach reduziert sich mit Einstellung des Schichtbetriebes im Betrieb M. die Verdienstsicherung um den Betrag, der auf die Schichtzuschläge bzw. im Fall des Klägers auf die Schichtpauschale entfällt.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Der maßgebliche Sinn der Erklärung ist zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzugezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (st. Rspr. des BAG, 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 – Rn 13, 14, juris; 13. März 2007 – 1 AZR 232/06 – Rn. 29, juris; 8. März 2006 – 10 AZR 129/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Telekom Nr. 3, zu II 2 a der Gründe).

Der Wortlaut des Tarifvertrages ist zwar insofern eindeutig, dass sich die Verdienstsicherung nicht auf das Tarifentgelt, sondern auf das Effektiventgelt bezieht, § 6.1 Satz 2 MTV. Folgerichtig wird die Einbeziehung von übertariflichen Tarifbestandteilen wie Zulagen und Zuschlägen ausdrücklich angeordnet, § 6.3.4. und § 6.3.5 MTV. Damit ist aber noch nicht entschieden, wie sich spätere Änderungen von Lohnbestandteilen auf die Höhe des jeweils geschuldeten Alterssicherungsbetrages auswirken.

Zwar lässt der Wortlaut auch ein Verständnis der tariflichen Reglung zu, nach dem eine Festschreibung der tatsächlich erzielten Vergütung auch in Fällen einer allgemeinen Reduzierung tariflicher oder übertariflicher Vergütungsbestandteile stattfinden soll. Ein solches Verständnis würde aber dem Sinn und Zweck der tariflichen Alterssicherung nicht gerecht. Diese besteht darin, ältere Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch altersbedingte Leistungsabnahme Verdiensteinbußen erleiden. Dagegen ist er nicht darauf gerichtet, ältere Arbeitnehmer von allgemeinen Lohneinbußen auszunehmen, die nicht vom Alter und der Leistungsfähigkeit abhängen. Eine Besserstellung älterer Arbeitnehmer würde über das Ziel der Verdienstsicherung hinausgehen, die geschützten Arbeitnehmer so zu stellen, als wären sie nicht leistungsgemindert. Arbeitsrechtlich zulässige allgemeine Lohnkürzungen, die nicht vom Alter und der Leistungsfähigkeit abhängen, muss der verdienstgesicherte Arbeitnehmer ebenso hinnehmen, wie alle anderen Arbeitnehmer, auch wenn sie hierfür im Tarifwortlaut keine Anhaltspunkte finden (BAG 13. März 2007 – 1 AZR 232/06 – Rn. 30, juris zu § 9 MTV Nordwestliches Niedersachsen i.d.F. vom 19. August 2002; 8. November 2016 – 4 AZR 608/05 – Rn. 20, juris zu § 9 MTV Hamburg/Schleswig Holstein).

Darüber hinaus enthält § 6 MTV insbesondere in § 6.10 und § 6.11 Anhaltspunkte, die für eine Berücksichtigung nachträglicher Änderungen über die dort geregelten Fälle hinaus sprechen. Denn nach § 6.10 MTV erhöhen tarifbedingte Erhöhungen des Entgeltes nach Beginn der Verdienstsicherung den Alterssicherungsbetrag. Entsprechendes gilt nach § 6.11 Abs. 1 MTV, wenn im Betrieb tarifliche Entgelterhöhungen voll oder teilweise auf das Effektiventgelt gegeben werden. Dem gegenüber kann eine Anrechnung bei den Beschäftigten mit Anspruch auf Verdienstsicherung mit Wirkung auf den Alterssicherungsbetrag erfolgen, wenn übertarifliche Entgeltbestandteile auf tarifbedingte Erhöhungen des Entgeltes angerechnet werde, § 6.11 Abs. 2 MTV. Damit bestehen die arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten auch zum Nachteil des Arbeitnehmers nach Beginn der Verdienstsicherung fort. Außerdem haben die Tarifvertragsparteien mit der Überschrift „Alterssicherung zu § 6 MTV“ den Zweck der tariflichen Regelung hinreichend beschrieben, Arbeitnehmer vor altersbedingten Verdiensteinbußen zu schützen (vgl. BAG 28. Juli 1999 – 4 AZR 295/97 – Rn. 43ff, juris).

Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, dass eine Betriebsvereinbarung zur Absenkung übertariflicher Lohnbestandteile, wie beispielsweise Zulagen oder zur Umstellung der Vergütungsgrundsätze auf den Prämienlohn Auswirkungen auf die Verdientsicherung haben können (BAG 13. März 2007 – 1 AZR 232/06 – juris; 8. November 2006 – 4 AZR 608/05 - juris, Sonderfall; 28. Juli 1999 – 4 AZR 295/97 – juris; 15. Oktober 1997 – 3 AZR 443/96 - juris; 7. Februar 1995 – 3 AZR 402/94 – juris).

Dabei hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass bei einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung der betrieblich vereinbarte Lohnbestandteil zum tariflichen Mindestentgelt erklärt würde. Er würde der Verfügung der Arbeitsvertragsparteien entzogen. Die tarifliche Regelung wäre eine Effektivgarantieklausel und als solche nicht wirksam. Es sei davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien die ihnen bekannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beachten wollten (BAG 15.10.1997 – 3 AZR 443/96 – Rn. 21, 22, juris). Das Bundesarbeitsgericht hat auch darauf hingewiesen, dass eine Besserstellung verdienstgesicherter Arbeitnehmer gegenüber vergleichbaren nicht verdienstgesicherten Arbeitnehmern unter Berücksichtigung des Leistungszwecks der Alterssicherung, den Lebensstandard der Arbeitnehmer, deren Leistungskraft mit zunehmendem Alter oft nachlasse, zu erhalten, zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG führen könnte (BAG 7. Februar 1995 – 3 AZR 402/94 – Rn. 31ff., juris zum „Anrechnungsverbot“).

Auch im vorliegenden Fall ist eine Änderung nach Eintritt der Verdienstsicherung eingetreten, die alle Arbeitnehmer im Betrieb gleichermaßen betrifft. Anders als in den vom BAG entschiedenen Fällen ist zwar nicht durch eine Betriebsvereinbarung in übertarifliche Lohnbestandteile eingegriffen worden. Eine entsprechende Regelung wird von keiner Seite vorgetragen. Vielmehr wurde die Schichtarbeit im Betrieb der Beklagten in M. faktisch mit der Einstellung des Produktionsbereichs zum Januar 2018 abgeschafft. Dies hatte zur Folge, dass die bis dahin gezahlten Schichtzuschläge, die auf den §§ 9, 10 MTV beruhen – so der Kläger – oder auf freiwilliger Grundlage – so die Beklagte – seit Januar 2018 an keine Arbeitskraft mehr bezahlt werden.

Das wirkt sich auch auf die Verdienstsicherung nach § 6 MTV aus. Denn die alle Arbeitnehmer betreffende Lohneinbuße beruht ausschließlich auf betriebsbedingten Gründen und hat mit einem altersbedingten Nachlassen der Leistungsfähigkeit nichts zu tun.

Die Beklagte hat deshalb zu Recht die Zahlung des Verdienstsicherungsbetrages in Höhe der Schichtzulage ab März 2018 eingestellt.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Kläger keine Schichtzulage in Form der Verdienstsicherung für die Monate April und Mai 2018 verlangen kann.

Zu Recht hat deshalb die Beklagte darüber hinaus die im Januar und Februar 2018 geleisteten Zahlungen zurückgefordert. Denn sie hat ohne Rechtsgrund geleistet, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Es ist unstreitig, dass die Beklagte irrtümlich geleistet hat und nicht etwa, um den Kläger als Betriebsrat in gesetzeswidriger Weise zu begünstigen (zum Rückforderungsrecht in einem solchen Fall vgl. BAG 8. November 2017 – 5 AZR 11/17 – Rn. 34ff. juris). Die Beklagte durfte den Rückforderungsanspruch gegen den Vergütungsanspruch des Klägers für April 2018 aufrechnen, §§ 387ff. BGB.

Auf die begründete Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.