Pausenregelungen

BAG Erfurt Az. 1 ABR 65/79 vom 28. Juli 1981

Leitsatz

1. Bei den in BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2 angesprochenen Pausen handelt es sich um Ruhepausen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird, die also selbst nicht zur Arbeitszeit gehören und deshalb auch nicht vergütet werden müssen. Bezahlte Lärmpausen sind daher keine Pausen im Sinne dieser Vorschrift.

2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach BetrVG § 87 Abs 1 Nr 7 bezieht sich auf Regelungen, die der Arbeitgeber aufgrund bestehender arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften zu treffen hat. Das Vorhandensein solcher ausfüllungsbedürftiger Rahmenvorschriften ist Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht.

3. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach BetrVG § 91 ist nur gegeben, wenn die dort genannte besondere Belastung der Arbeitnehmer auf einer Änderung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung beruht. Es erstreckt sich nicht auf Fälle, in denen schon bestehende Verhältnisse den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen.

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsgegner (Betriebsrat) ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Einführung bezahlter Lärmpausen zusteht.

Die ASt. stellt in ihrem Werk W. vorwiegend Autokabelsätze her, wobei sie seit jeher - mindestens seit dem 1. 12. 1974 - lärmverursachende Kabelflechtmaschinen einsetzt.

Für die Arbeitsverhältnisse der etwa 700 im Werk W. beschäftigten Arbeitnehmer gelten die TVe für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW. § 5 des einschlägigen tarifl. Lohnrahmenabkommens (LRA) sieht die Zahlung einer prozentualen Erschwerniszulage für Arbeiten unter hohen körperl. Belastungen oder besonders starken Umgebungseinflüssen vor; gleiches soll auch für gesundheitsschädl. und gefahrl. Arbeiten gelten.

Mit Schreiben vom 6. 6. 1977 an die ASt. verlangte der Antragsgegner für Arbeiten an den Kabelflechtmaschinen nach § 5 LRA die Zahlung der Erschwerniszulage von 6 % des Ecklohnes und für alle an den Kabelflechtmaschinen beschäftigten Arbeitnehmer die Einführung bezahlter Lärmpausen von 10 Minuten je Stunde. Dabei sollten die Kabelflechtmaschinen in dieser Zeit stillstehen, damit die dort beschäftigten Arbeitnehmer sich von dem hohen Lärm erholen könnten. Zur Begründung wies der Antragsgegner darauf hin, daß unmittelbar an den Kabelflechtmaschinen eine Lärmbelästigung von 100 dB (A) gemessen worden sei; es gelte als gesicherte arbeitswissenschaftl. Erkenntnis, daß Lärm nicht nur das Gehör, sondern den gesamten Körper schädige; besonders bei einem Schallpegel von über 85 dB (A) sei der Lärm gesundheitsschädl.

Im März 1978 verlagerte die ASt. 12 der Kabelflechtmaschinen in einen geschlossenen Raum, um so eine Lärmdämmung für die gesamte Belegschaft zu erreichen. Innerhalb dieses geschlossenen Raumes verblieb eine Lärmbelästigung von über 90 dB (A). Die Flechtmaschinen, die nicht in den geschlossenen Raum umgesetzt worden waren, erhielten eine Abschirmung durch Schallschutzwände bzw. provisorische Schallschutzverkleidungen, so daß die Lärmbelästigung für andere als die unmittelbar an den Flechtmaschinen beschäftigten Arbeitnehmer gemildert wurde. Den Arbeitnehmern an den Kabelflechtmaschinen werden von der ASt. persönl. Gehörschutzmittel wie Ohrenschützer und Stöpsel zur Verfügung gestellt.

Da die Beteiligten über die Forderung des Antragsgegners keine Einigung erzielten, beschloß dieser, die Angelegenheit vor die Einigungsstelle zu bringen. Die ASt. vertrat die Auffassung, dem Antragsgegner stehe für sein Verlangen kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zu, und lehnte die Bildung einer Einigungsstelle ab.

Daraufhin bestellte auf Antrag des Antragsgegners das ArbG den Einigungsstellenvorsitzenden und bestimmte die Zahl der Beisitzer.

Bevor die Einigungsstelle einen Beschluß gefaßt hatte, leitete die ASt. das vorliegende Beschlußverfahren ein, mit dem sie gerichtl. klären lassen will, ob dem Antragsgegner das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht zusteht. Sie hat vorgetragen, das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Lärmpausen scheitere bereits an der Sperrwirkung des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG. Diese Sperrwirkung ergebe sich aus § 16 der Unfallverhütungsvorschrift 1.2 "Lärm" - VBG 121 - (UVV Lärm), wonach bei am 1. 12. 1974 bestehenden Arbeitsstätten nur der technische Aufsichtsbeamte Maßnahmen entsprechend § 3 UVV Lärm verlangen könne. Diese Vorschrift sei eine gesetzl. Regelung i. S. des Eingangssatzes. Auch die tarifl. Regelungen über Arbeitszeit und Erschwerniszulagen bildeten nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG eine Sperre für das Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners. Ein solches Mitbestimmungsrecht lasse sich auch nicht aus § 91 BetrVG herleiten; denn die an den Kabelflechtmaschinen beschäftigten Arbeitnehmer seien nicht durch "Änderungen der Arbeitsplätze" in besonderer Weise belastet worden. Darüber hinaus fehle es auch an der weiteren gesetzl. Voraussetzung, daß die Änderungen der Arbeitsplätze den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung offensichtl. widersprechen.

Die ASt. hat in 1. Instanz beantragt festzustellen,

1. daß dem Antragsgegner ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bezügl. der Einführung der Lärmpausen und der Zahlung von Erschwerniszulagen nicht zusteht,

2. daß die Einigungsstelle für die Entscheidung der Fragen laut Ziff. 1) nicht zuständig ist,

3. daß die Anrufung und Bildung einer Einigungsstelle aufgrund des Schreibens des Antragsgegners an die ASt. vom 6. 6. 1977 unzulässig ist.

Der Antragsgegner hat um Zurückweisung der Anträge gebeten und erwidert, die Anträge der ASt. seien bereits wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Zunächst habe die Einigungsstelle im Rahmen ihrer Vorfragenkompetenz darüber zu entscheiden, ob ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand vorliege. Diese Vorfragenkompetenz schließe das Rechtsschutzinteresse aus und lasse erst nach der Entscheidung der Einigungsstelle eine gerichtl. Überprüfung zu. lm übrigen seien die Anträge aber auch unbegründet. Das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 und auch aus § 91 BetrVG. Insbesondere bleibe nach der UVV Lärm und den dazu ergangenen Durchführungsregelungen ein Gestaltungsspielraum für Maßnahmen der Lärmminderung. Gerade zur Ausfül-lung dieses Rahmens gewähre § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht.

Das ArbG hat den Anträgen der ASt. in vollem Umfange entsprochen.

Gegen diesen erstinstanzl. Beschluß hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, die er jedoch auf die Verneinung des Mitbestimmungsrechts hinsichtl. der Einführung von Lärmpausen beschränkt hat. Die ASt. hat ihren Antrag zu Ziff. 3) in der Beschwerdeinstanz zurückgenommen.

Das LAG hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

B. Zur Entscheidung stehen nur noch die Anträge auf Feststellung, daß dem Antragsgegner ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bezügl. der Einführung von Lärmpausen nicht zusteht und daß der Einigungsstelle deshalb die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Einführung von Lärmpausen fehlt. Diesen Anträgen haben die Vorinstanzen mit Recht stattgegeben.

I. Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht im Wege.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Rechtsschutzinteresse für die von der ASt. begehrte Entscheidung nicht dadurch ausgeschlossen, daß bereits eine Einigungsstelle gebildet ist diese über die Vorfrage ihrer Zuständigkeit auch selbst entscheiden könnte. Die Einigungsstelle kann zwar auch die Vorfrage, ob ein ihre Zuständigkeit begründendes erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, mitentscheiden. Eine solche Entscheidung entfaltet aber keine Rechtskraftwirkung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat; denn die Einigungsstelle ist kein Gericht. Eine Befriedungswirkung tritt deshalb durch einen ihre Zuständigkeit bejahenden oder verneinenden Spruch der Einigungsstelle nicht ein. Es kann jederzeit geltend gemacht werden, die durch ihren Spruch geregelte Frage unterliege nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, so daß sie unzuständig gewesen und ihr Spruch deshalb rechtlich unverbindl. sei. Unter diesen Umständen liegt es im Interesse des Arbeitgebers wie auch des Betriebsrates, wenn die Frage nach dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, von der die Zuständigkeit der Einigungsstelle abhängt, nicht während des gesamten Einigungsstellenverfahrens in der Schwebe bleibt und dadurch das Verfahren, die Betriebspartner und letztl. auch die betroffenen Arbeitnehmer belastet, sondern wenn sie möglichst frühzeitig einer gerichtl. Klärung zugeführt wird. Nicht zuletzt auch wegen der von ihm zu tragenden Kosten, die durch die Tätigkeit der Einigungsstelle verursacht werden, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen gerichtl. Klärung noch vor der Durchführung des Einigungsstellenverfahrens. Das hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 15. 10. 1979 - 1 ABR 49/77 - AP Nr. 5 zu § 111 BetrVG 1972 [zu B II der Gründe]) und in dem nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Beschluß vom 9. 12. 1980 - 1 ABR 102/78 - entschieden. Hieran ist festzuhalten.

2. Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde weiter, daß die Vorinstanzen die Einigungsstelle nicht am Verfahren beteiligt haben. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, daß die Einigungsstelle an einem arbeitsgerichtl. Beschlußverfahren, in dem es um die Frage geht, ob die zu regelnde Angelegenheit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegt und ob demgemäß die Einigungsstelle zuständig ist, nicht beteiligt und deshalb auch nicht gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG 1979 (§ 83 Abs. 1 ArbGG 1953) anzuhören ist, weil es sich in einem solchen Falle allein um einen Kompetenzstreit zwischen den Betriebspartnern handelt, an dessen Entscheidung die Einigungsstelle wegen ihrer bloßen Hilfs- und Ersatzfunktion für die Betriebspartner kein eigenes betriebsverfassungsrechtl. Interesse haben kann (Senatsbeschlüsse vom 22. 1. 1980 - 1 ABR 48/77 und 1 ABR 28/78 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und AP Nr. 7 zu § 111 BetrVG 1972; vgl. auch Senatsbeschluß vom 28. 4. 1981 - 1 ABR 53/79 - AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen [zu B I 2 der Gründe]; sämtliche Beschlüsse sind auch zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung des Gerichts bestimmt). Die Vorinstanzen haben die Einigungsstelle deshalb mit Recht nicht am Verfahren beteiligt.

II. In der Sache selbst hat das LAG zutreffend angenommen, daß der Antragsgegner das von ihm in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht für die Einführung bezahlter Lärmpausen weder auf § 87 Abs. 1 Nrn. 2 oder 7 BetrVG noch auf § 91 BetrVG stützen kann.

1. Nach § 87 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in den dort genannten Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzl. oder tarifl. Regelung nicht besteht. Die Beteiligten streiten bereits darüber, ob die Unfallverhütungsvorschrift 1.2 "Lärm" (VBG 121) vom 1. 12. 1974 oder die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV -) vom 20. 3. 1975 (BGBl. I, 729) für den Betrieb der Ast. eine abschließende gesetzl. Regelung des Lärmschutzes und damit eine Sperre für ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners darstellt. Der Senat brauchte diese Frage und auch die weitere Frage, ob die tariflichen Vorschriften über die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 2 MTV vom 23. 1. 1975) und die Zahlung einer Erschwerniszulage für gesundheitsschädl. und gefährl. Arbeiten (§ 5 LRA) der vom Antragsgegner angestrebten betriebl. Regelung bezahlter Lärmpausen entgegenstehen, nicht zu entscheiden. Auch wenn weder ein gesetzl. noch ein tarifl. Hindernis für die angestrebte Regelung besteht, läßt sich ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners aus § 87 Abs. 1 BetrVG nicht herleiten, weil die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Nrn. 2 oder 7 dieser Vorschrift nicht gegeben sind.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der tägl. Arbeitszeit einschließl. der Pausen. Bei den in dieser Vorschrift angesprochenen Pausen handelt es sich um Ruhepausen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird, die also nicht selbst zur Arbeitszeit gehören. Der Begriff der Pause wird hier im Gegensatz zur Arbeitszeit verwendet. Das hat der Senat schon zu der dem § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG weitgehend entsprechenden früheren Vorschrift des § 56 Abs. 1 Buchst.a) BetrVG 1952 klargestellt(BAG 13, 345 [353] = AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Akkord [zu 3f der Gründe]). Da diese Pausen keine Arbeitszeit sind, müssen sie auch nicht vergütet werden. Im vorliegenden Falle geht es dem Antragsgegner jedoch gerade um bezahlte Lärmpausen unter Anrechnung auf die Arbeitszeit. Für ein Mitbestimmungsrecht zu einer solchen Regelung gibt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine Rechtsgrundlage her. Das hat das LAG richtig erkannt und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.

b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzl. Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Dieser Mitbestimmungstatbestand bezieht sich mithin auf Regelungen, die der Arbeitgeber aufgrund bestehender arbeitsschutzrechtl. Vorschriften zu treffen hat. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beschränkt sich damit auf die Ausfüllung vorgegebener Normen. Das Vorhandensein solcher ausfüllungsbedürftiger Rahmenvorschriften ist also Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. An einer derartigen, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erst eröffnenden Rahmenvorschrift über den Lärmschutz fehlt es jedoch für den Betrieb der Ast.

aa) Das LAG hat geprüft, ob die Unfallverhütungsvorschrift 1.2 "Lärm" (VBG 121) vom 1. 12. 1974 (UVV Lärm) eine Öffnungsklausel für das vom Antragsgegner in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht zur Festlegung von Lärmpausen enthält; es hat diese Frage aber mit Recht verneint.

Einen Ansatzpunkt für die betriebl. Regelung von Lärmpausen bietet nur § 3 UVV Lärm. Die Vorschrift lautet:

"(1) Der Unternehmer hat nach den hierfür geltenden besonderen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sowie nach den fortschrittl., in der Praxis bewährten Regeln der Technik unter Einbeziehung der gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse dafür zu sorgen, daß

1. Arbeitsstätten so eingerichtet sind und

2. Arbeitsverfahren so gestaltet sind und angewandt werden, daß auf die Versicherten kein Lärm einwirkt.

(2) Arbeitseinrichtungen müssen nach hierfür geltenden besonderen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sowie nach den fortschrittlichen, in der Praxis bewährten Regeln der Lärmverminderungstechnik unter Einbeziehung der gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse beschaffen sein und betrieben werden."

In den Durchführungsregelungen und Erläuterungen zu § 3 Abs. 1 und 2 UVV Lärm heißt es, daß als Lärmverminderungsmaßnahmen grundsätzl. Art auch Lärmpausen genügender Länge und Häufigkeit in Betracht kommen.

Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 UVV Lärm gilt § 3 dieser Unfallverhütungsvorschrift jedoch nicht für Arbeitsstätten, Arbeitseinrichtungen und Arbeitsverfahren, die beim Inkrafttreten der UVV Lärm am 1. 12. 1974 eingerichtet waren, betrieben oder angewandt wurden. Das ist hier der Fall. Die lärmverursachenden Kabelflechtmaschinen wurden im Betriebe der ASt. bereits beim Inkrafttreten der UVV Lärm eingesetzt. Für solche am 1. 12. 1974 bereits betriebenen Arbeitseinrichtungen kann zwar gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 UVV Lärm der technische Aufsichtsbeamte im Einzelfall verlangen, daß sie nach ihrer Anschaffung dem § 3 UVV Lärm entsprechend eingerichtet und gestaltet werden, wenn sie entweder wesentl. geändert werden oder wenn auf die Versicherten ein Lärm mit einem Beurteilungspegel von 90 dB (A) mehr einwirkt oder wenn bei den auf der Arbeitsstätte beschäftigten Versicherten die Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit oder Lärmtaubheit aufgetreten ist. Ob diese Voraussetzungen für ein Eingreifen des technischen Aufsichtsbeamten im vorliegenden Falle gegeben sind, bedarf keiner Prüfung. Denn nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des LAG hat der technische Aufsichtsbeamte bisher für den Betrieb der ASt. ein Verlangen gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 UVV Lärm nicht gestellt.

bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde enthält auch die ArbStättV keine auf den Betrieb der ASt. anwendbare Rahmenvorschrift über den Lärmschutz, die durch die betriebl. Festlegung von Lärmpausen ausgefüllt werden könnte. Zu Unrecht verweist die Rechtsbeschwerde hierzu auf § 15 ArbStättV. Diese Vorschrift betrifft die Höhe des Schallpegels. Sie bestimmt in ihrem Abs. 1, daß der Schallpegel in Arbeitsräumen so niedrig zu halten ist, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist, und legt sodann Höchstgrenzen für den Beurteilungspegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen fest. Hier geht es also um Maßnahmen zur Herabsetzung des Schallpegels. Dieses Ziel kann durch die Einführung von Lärmpausen nicht erreicht werden. Lärmpausen dienen ledigl. dazu, die gesundheitsschädl. Auswirkungen eines zu hohen Schallpegels zu mildern. Auf § 15 ArbStättV kann sich der Antragsgegner daher für das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht berufen.

2. Dem LAG ist schließl. auch darin zuzustimmen, daß § 91 BetrVG keine Rechtsgrundlage für ein Mitbestimmungsrecht des Antragsgegners zur Einführung von Lärmpausen hergibt. Nach dieser Bestimmung kann der Betriebsrat, wenn die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtl. widersprechen, in besonderer Weise belastet werden, angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 91 BetrVG ist also nicht bei jeder besonderen Belastung gegeben, sondern nur, wenn diese auf einer Änderung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung beruht. Es wird mithin eine Änderung der bestehenden Verhältnisse vorausgesetzt (Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 91 Anm. 3, 4; Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 91 Anm. 2; GK-Wiese, BetrVG, § 91 Anm. 3; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 91 Anm. 5).

Im Streitfalle fehlt es bereits an der gesetzl. vorausgesetzten Änderung der bestehenden Verhältnisse. Es ist von keinem der Beteiligten vorgetragen worden, daß sich die Verhältnisse an den lärmerzeugenden Kabelflechtmaschinen seit dem Inkrafttreten des BetrVG von 1972 i. S. des § 91 BetrVG geändert haben. Der angefochtene Beschluß spricht insoweit von den "seit jeher bestehenden Verhältnissen an den lärmerzeugenden Kabelflechtmaschinen". Nur Änderungen, die nach dem Inkrafttreten des BetrVG von 1972 vorgenommen worden sind, können von diesem Ges. erfaßt werden und damit für ein Mitbestimmungsrecht nach dessen § 91 Bedeutung haben. Das BetrVG von 1952 enthielt keine dem § 91 BetrVG 1972 entsprechende Bestimmung.

Die im Jahre 1978 vorgenommene Umsetzung und Abschirmung von Kabelflechtmaschinen im Betriebe der ASt. war keine Änderung i. S. des § 91 BetrVG, weil diese Maßnahmen nicht zu besonderen Belastungen der Arbeitnehmer führten, sondern gerade umgekehrt die schon bestehenden Belastungen milderten.

Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die im Anschluß an Dietz-Richardi (BetrVG, 5. Aufl., § 91 Anm. 4) das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 91 BetrVG auch auf die Fälle erstrecken will, in denen schon bestehende Verhältnisse den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, ist unvereinbar mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Ges. Zu beachten ist hier auch der systematische Zusammenhang des § 91 BetrVG mit der Vorschrift des § 90 BetrVG, die den Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über die Planung von baulichen Maßnahmen, von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder von Arbeitsplätzen rechtzeitig zu unterrichten und die vorgesehenen Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Art der Arbeit und die Anforderungen an die Arbeitnehmer mit ihm zu beraten, wobei Arbeitgeber und Betriebsrat die gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit berücksichtigen sollen. Das Ges. stellt also auch hier eindeutig auf eine Änderung bestehender Verhältnisse ab. Der Hinweis von Dietz-Richardi, der Betriebsrat könne auch von sich aus den Eintritt in das Planungsstadium nach § 90 BetrVG herbeiführen, indem er nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG entsprechende Maßnahmen beim Arbeitgeber beantrage, mit denen dieser sich wegen des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit auseinandersetzen müsse, geht fehl. Auch wenn sich der Arbeitgeber mit einem auf Arbeitsschutzmaßnahmen abzielenden Antrag des Betriebsrates befassen muß, so ist damit noch nicht das Planungsstadium nach § 90 BetrVG erreicht, das eine Änderung i. S. von § 91 BetrVG zur Folge haben kann. Im übrigen würde der von Dietz-Richardi ins Auge gefaßte Weg vom Ansatz her voraussetzen, daß der das Planungsstadium auslösende Antrag des Betriebsrates Maßnahmen zum Inhalt hat, die den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtl. widersprechen; denn nur Änderungen mit diesen Auswirkungen werden von § 91 BetrVG erfaßt.

III. Nach alledem fehlt es an einer rechtl. Grundlage für das vom Antragsgegner beanspruchte Mitbestimmungsrecht. Das LAG hat daher den Feststellungsanträgen der Ast. mit Recht stattgegeben, so daß die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen war.

Der Beschluß betrifft die Mitbestimmung über bezahlte Lärmpausen. Er hat darüber hinaus grundsätzl. Bedeutung für die Erzwingbarkeit von Pausen zur Sicherung einer menschengerechten Gestaltung der Arbeit. In der Amtl. Sammlung ist er in BAG 36, 138-148 veröffentlicht.

1. Prozessualer Teil

a) Das BAG bestätigt seine Rechtspr., daß der Arbeitgeber bereits während des Verfahrens vor der Einigungsstelle das ArbG anrufen kann, um feststellen zu lassen, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht. Der Spruch der Einigungsstelle ist nämlich keine Prozeßvoraussetzung für das Beschlußverfahren über die Zuständigkeit der Einigungsstelle. Auch wenn die Einigungsstelle durch Beschluß des ArbG errichtet ist, kann der Arbeitgeber das Beschlußverfahren einleiten; denn das ArbG prüft im Beschlußverfahren über die Besetzung der Einigungsstelle ledigl., ob die Einigungsstelle offensichtl. unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Deshalb kann sogar während des Beschlußverfahrens über die Besetzung der Einigungsstelle ein Beschlußverfahren über die Zuständigkeit der Einigungsstelle anhängig gemacht werden (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, 6. Aufl. 1982, § 76 RdNr. 54).

Die Einigungsstelle braucht jedoch, wenn ihre Zuständigkeit bestritten wird, nicht das Verfahren einzustellen oder auszusetzen, sondern sie kann selbst entscheiden, ob die Zuständigkeit gegeben ist. Sie hat also die Vorfragenkompetenz. Es steht sogar nicht einmal in ihrem Ermessen, ob sie diese Kompetenz ausübt, sondern sie ist verpflichtet, ihre Zuständigkeit zu prüfen; denn die Einigungsstelle kann in der Sache selbst gegen den Willen eines Beteiligten nur entscheiden, wenn sie annimmt, daß ein ihre Zuständigkeit begründendes erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht. Hat sie Zweifel, so braucht sie zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen. In diesem Fall darf sie aber nicht einen Spruch in der Sache selbst erlassen, sondern muß das Einigungsverfahren aussetzen, bis ihre Zuständigkeit arbeitsgerichtl. geklärt ist. Die Beteiligten brauchen dies aber nicht abzuwarten, sondern können während des Einigungsverfahrens das ArbG anrufen, um im Beschlußverfahren klären zu lassen, ob die Einigungsstelle zuständig ist.

b) Das BAG bestätigt seine Rechtspr., daß die Einigungsstelle in einem Beschlußverfahren über ihre Zuständigkeit nicht beteiligt ist; denn es handelt sich um einen Kompetenzstreit zwischen den Betriebspartnern.

2. Mitbestimmungsrecht über die Einführung von bezahlten Lärmpausen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 7 BetrVG

a) Das BAG läßt offen, ob der Gesetzes- und Tarifvertragsvorbehalt im vorliegenden Fall eingreift, weil nach seiner Meinung bereits die Voraussetzungen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht gegeben sind. Ledigl. zur Ergänzung sei deshalb hier bemerkt, daß eine gesetzl. oder tarifvertragl. Regelung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG nur verdrängt, wenn die Angelegenheit, für die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, bereits mit für den Arbeitgeber verbindl. Wirkung geregelt ist. Behält der Arbeitgeber einen Regelungsspielraum, so bleibt das Mitbestimmungsrecht bestehen. Arbeitgeber und Betriebsrat sind aber an die gesetzl. oder tarifvertragl. Regelung gebunden; denn das Mitbestimmungsrecht kann nur in den Grenzen der gesetzl. oder tarifvertragl. Regelung ausgeübt werden.

b) Mit der Einführung bezahlter Lärmpausen verlangt der Betriebsrat keine Regelung über die Verteilung der Arbeitszeit. Deshalb kann er, wie das BAG zutreffend feststellt, ein Mitbestimmungsrecht nicht auf § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG stützen. Nach dieser Vorschrift hat er über "Beginn und Ende der tägl. Arbeitszeit einschließl. der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage" mitzubestimmen. Die Mitbestimmung umfaßt auch die Festlegung der Pausen; sie beschränkt sich hier nicht nur auf die Lage, sondern erstreckt sich auch auf die Dauer der Pausen (ebenso Dietz-Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 213; Galperin-Löwisch, BetrVG, 6. Aufl. 1982, § 87 RdNr. 90; Wiese, GK-BetrVG, 3. Bearb. 1982, § 87 RdNr. 143; a. A. Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG 1979, § 87 RdNr. 68). Mit dem Begriff der Pausen, über deren Beginn und Ende der Betriebsrat mitzubestimmen hat, sind hier aber die Ruhepausen gemeint, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird. Pausen unter Anrechnung der Arbeitszeit fallen dagegen nicht unter den Mitbestimmungstatbestand. Sie betreffen einen völlig anderen Sachverhalt; denn es wird eine Arbeitszeitverkürzung verlangt.

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bezieht sich nicht auf die Arbeitszeit als Maßstab für den Umfang der vertragl. geschuldeten Arbeitsleistung, für die als Gegenleistung das Arbeitsentgelt zu erbringen ist (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 210). Da der Betriebsrat außerdem die Bezahlung der Lärmpause verlangt, umfaßt das Regelungsbegehren, daß für die Dauer der Lärmpause das Arbeitsentgelt zu erbringen ist. Durch das Mitbestimmungsrecht kann aber nicht erzwungen werden, daß ein Arbeitgeber die Entlohnung auch dann gewähren muß, wenn der Arbeitnehmer seine Leistung nicht erbringt. Deshalb fällt auch nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Ausgestaltung des Synallagmas, also das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 492 und 543).

c) Für den Regelungsanspruch des Betriebsrates kommt ledigl. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht. Diese Norm regelt aber nur einen Teilbereich der Beteiligung des Betriebsrates bei der Sicherung einer menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Ledigl. "Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzl. Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften" bilden den Mitbestimmungstatbestand. Voraussetzung ist also, daß gesetzl. Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften bestehen, in deren Rahmen Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz zu treffen sind. Besteht keine derartige Pflicht des Arbeitgebers auf Grund einer arbeitsschutzrechtl. Vorschrift, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nur nach § 91 BetrVG..

Das Vorhandensein einer ausfüllungsbedürftigen Rahmenvorschrift ist deshalb Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Das BAG zieht als derartige Rahmenvorschrift die Generalklausel des § 3 UVV Lärm in Erwägung, hält sie aber auf den vorliegenden Fall für nicht anwendbar, weil die lärmverursachenden Kabelflechtmaschinen im Betrieb bereits beim Inkrafttreten der Unfallverhütungsvorschrift eingesetzt wurden und deshalb § 3 gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 UVV Lärm nicht gilt. Nach dem Begründungszusammenhang liegt der Umkehrschluß nahe, daß § 3 UVV Lärm als Rahmenvorschrift anwendbar wäre, wenn die lärmverursachenden Kabelflechtmaschinen erst nach Inkrafttreten der Unfallverhütungsvorschrift eingesetzt worden wären. Damit stellt sich die Frage, ob eine Generalklausel, wie § 3 UVV Lärm sie darstellt, eine Rahmenvorschrift i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sein kann. Dabei kommt ohnehin nur die Regelung in Abs. 1 in Betracht; denn Abs. 2 enthält keinen Rahmen, der durch eine Regelung des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat ausgefüllt werden kann. § 3 Abs. 1 UVV Lärm ist dagegen sehr weitgefaßt; denn er verlangt vom Arbeitgeber, dafür zu sorgen, daß Arbeitsstätten so eingerichtet sind und Arbeitsverfahren so gestaltet sind angewandt werden, daß auf die Versicherten kein Lärm einwirkt. Es stellt sich deshalb die Frage, warum das BAG im vorliegenden Fall nicht die Generalklausel in § 120a GewO als Rahmenvorschrift herangezogen hat. Der Grund dafür kann nur sein, daß es diese gesetzl. Regelung überhaupt nicht als Ausfüllungsnorm i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht gezogen hat.

Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß § 120a GewO und die ihm entsprechenden Generalklauseln über die Fürsorgepflicht Ausfüllungsnormen i. S. des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG seien (vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, Vorbemerkung vor § 89 RdNr. 27; Galperin-Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 156a; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 126; Weiss, BetrVG, 2. Aufl. 1980, § 87 RdNr. 20; Denck, ZfA 1976, S. 447 [454] und RdA 1982, S. 279 [285]; vgl. auch Ehmann, Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei neuen Technologien, 1981, S. 91 f.). Der Rückgriff auf die gesetzl. Regelung der Fürsorgepflicht darf aber nicht bewirken, daß der für die Mitbestimmung des Betriebsrates wesentl. Unterschied zwischen dem gesetzl. und autonomen Arbeitsschutz derogiert wird. Die Fürsorgepflicht beschränkt sich näml. nicht nur auf den Gesundheitsschutz im Rahmen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung, sondern sie erstreckt sich auch auf die Beachtung der allgemein anerkannten sicherheitstech-nischen, arbeitsmedizinischen und hygienischen Regeln sowie die Beachtung der sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ArbStättV). Im letzteren Fall hat der Betriebsrat aber nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7, sondern nach § 91 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Die gesetzl. Regelung der Fürsorgepflicht kann deshalb nicht i. S. abstrakter Gefahrenabwehr als Ausfüllungsnorm für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG herangezogen werden. Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers und der Berufsgenossenschaften, die Regelungen zu geben; anderenfalls würde nämlich nicht eine Rahmenausfüllung vorgenommen, sondern in Wahrheit eine völlig eigenständige umfassende Regelung getroffen werden (ebenso LAG Berlin, DB 1981, S. 1520; LAG Düsseldorf, DB 1981, S. 1781; vgl. auch Dietz-Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 350 f. ).

§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Rechtsvorschriften, die zur Konkretisierung der Fürsorgepflicht im Mitbestimmungsverfahren erzwungen werden können. Insbesondere scheidet eine Pausenregelung aus. Für sie kommt auch Denck zu diesem Ergebnis, obwohl er die gesetzl. Regelung der Fürsorgepflicht in § 120a GewO als Grundlage einer Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG anerkennt; er meint aber, der arbeitszeitl. Gesundheitsschutz sei dem § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zur Gänze entzogen, weil die Nr. 2 und 3 des § 87 BetrVG sich für diesen Bereich als Spezialregelungen verstünden (RdA 1982 S. 279 [289]). Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine gesetzl. Regelung über den Gesundheitsschutz eine Höchstdauer der Beschäftigung an bestimmten Geräten vorsieht, die eine Pausenregelung zwingend erfordert. In diesem Fall besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Deshalb besteht insoweit kein Unterschied zu § 91 BetrVG, der nach Denck allein sedes materiae einer Pausenregelung sei (RdA 1982, S. 279 [289]).

Selbst wenn eine Arbeitsschutzvorschrift eine bestimmte Pausenregelung erfordert, bedeutet dies nicht, daß der Betriebsrat über das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG die Einführung bezahlter Pausen verlangen kann. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht auf die Festlegung des Synallagmas, also auf das Verhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt. Ledigl. mittelbar können sich Auswirkungen ergeben, wenn der Arbeitgeber wegen einer arbeitsschutzrechtl. Pausenregelung einen Arbeitnehmer nicht kontinuierl. beschäftigen kann.

3. Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG

a) Das BAG sieht für den vorliegenden Fall auch in § 91 BetrVG keine Rechtsgrundlage für ein Mitbestimmungsrecht zur Einführung von Lärmpausen. Nach seiner Auffassung ist näml. das Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG, wie es im dritten Leitsatz hervorhebt, "nur gegeben, wenn die dort genannte besondere Belastung der Arbeitnehmer auf einer Änderung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung beruht". Die Änderung muß nach dem Inkrafttreten des BetrVG 1972 vorgenommen worden sein. Das Mitbestimmungsrecht soll sich dagegen nicht auf Fälle erstrecken, in denen schon bestehende Verhältnisse den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtl. widersprechen.

Die praktische Bedeutung dieser Feststellung wird um so mehr sinken, als man sich von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BetrVG 1972 entfernt. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat das korrigierende Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG nur hat, wenn die besondere Belastung der Arbeitnehmer auf einer Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung beruht. Der Gesetzestext spricht zwar für diese Meinung; er verlangt aber nicht, daß die Änderung final auf einem Willen des Arbeitgebers beruht, sondern möglich ist auch, daß die Änderung aus sonstigen Gründen eintritt, was vor allem für die Arbeitsumgebung von Bedeutung sein kann. Das BAG zieht jedoch neben dem nach seiner Ansicht "klaren und eindeutigen Wortlaut des Gesetzes" auch den "systematischen Zusammenhang des § 91 BetrVG mit der Vorschrift des § 90 BetrVG" heran, die den Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über die Planung der dort genannten Maßnahmen rechtzeitig zu unterrichten und sie mit ihm zu beraten. Das Gesetz stelle "auch hier eindeutig auf eine Änderung bestehender Verhältnisse ab". Der gesetzessystematische Zusammenhang bedeutet aber nicht, daß das in § 90 BetrVG geregelte Unterrichtungs- und Beratungsrecht eine Vorstufe des Mitbestimmungsrechts darstellt, so daß § 91 BetrVG eingreift, sobald Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung erzielt haben. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil er bereits im Planungsstadium beteiligt war und während der Beratung der vorgesehenen Maßnahme nicht widersprochen oder ihr sogar zugestimmt hat (ebenso Dietz-Richardi, BetrVG, § 91 RdNr. 14; Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, § 91 RdNr. 8; Galperin-Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 12; Weiss, BetrVG, § 91 RdNr. 2; wohl auch Wiese, GK-BetrVG, § 91 RdNr. 7; verneinend für den Fall der Zustimmung: Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 91 RdNr. 2; Stege-Weinspach, BetrVG, 4. Aufl. 1981, § 91 RdNr. 6). Beide Beteiligungsrechte bestehen unabhängig voneinander. Dann erscheint aber auch nicht zwingend geboten, den Mitbestimmungstatbestand in § 91 BetrVG auf den Fall zu beschränken, daß eine Änderung der Arbeitsgestaltung auf einem final gesteuerten Willen des Arbeitgebers beruhen muß.

Nach dem Normzweck des § 91 BetrVG soll der Betriebsrat Maßnahmen ergreifen können, wenn die Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtl. widerspricht und deshalb die Arbeitnehmer in besonderer Weise belastet. Berücksichtigt man, daß der Arbeitgeber in diesem Fall gegen die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Fürsorgepflicht verstößt, wenn er Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung nicht so gestaltet, daß ein offensichtl. Verstoß gegen gesicherte arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit behobenwird (vgl. auch Zöllner, ArbR, 2. Aufl. 1979, S. 138), so widerspricht es dem Normzweck des § 91 BetrVG, in diesem Fall kein korrigierendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates anzuerkennen (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, § 91 RdNr. 11 f.).

b) Die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts bedeutet nicht, daß der Betriebsrat im vorliegenden Fall die Einführung bezahlter Lärmpausen verlangen kann. Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG ist, daß über die Lärmbelästigung gesicherte arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse bestehen, gegen die im konkreten Fall offensichtl. verstoßen wird. Erst wenn diese Voraussetzung gegeben ist, kann der Betriebsrat, wie es im Gesetzestext des § 91 Satz 1 BetrVG heißt, "angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen". Die Ausgleichsmaßnahmen können sich nur darauf beziehen, daß Arbeitsplatz, Arbeitsablauf Arbeitsumgebung so gestaltet werden, daß sie den gesicherten arbeitswissenschaftl. Erkenntnissen entsprechen oder ihnen zumindest nicht offensichtl. widersprechen. Dagegen kann der Betriebsrat nicht verlangen, daß die besondere Belastung der Arbeitnehmer durch ein zusätzl. Arbeitsentgelt ausgeglichen wird; denn damit wäre der Zweck des Mitbestimmungsrechts vereitelt, den Arbeitnehmern eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit zu sichern (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, § 91 RdNr. 18). Eine Pausenregelung kommt deshalb nur in Betracht, soweit nicht durch andere angemessene Maßnahmen die Quelle der Lärmbelästigung beseitigt werden kann.

Das Ges. geht für die zu ergreifenden Maßnahmen von einer Stufenfolge aus, für die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt. Dabei ist in erster Linie anzustreben, daß die Belastung beseitigt wird. Nur soweit Maßnahmen zur Abwendung arbeitstechnisch nicht mögl. und aus wirtschaftl. Gründen nicht vertretbar sind, kann der Betriebsrat Maßnahmen zur Milderung und, soweit auch diese nicht ausreichen technisch nicht mögl. bzw. wirtschaftl. nicht vertretbar sind, Maßnahmen zum Ausgleich der Belastung verlangen. Für eine Pausenregelung ist deshalb Voraussetzung, daß gesicherte arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse eine bestimmte Dauer der Arbeitsunterbrechung erfordern, um die besondere Belastung abzuwenden, zu mildern oder auszugleichen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auch insoweit nur auf die ergonomische Arbeitsgestaltung, bezweckt also nicht die Einführung bezahlter Pausen. Nur mittelbar kann eine Auswirkung auf das Synallagma eintreten, wenn die Tätigkeit nicht ohne bestimmte Arbeitsunterbrechungen durchgeführt werden kann. Soweit der Arbeitnehmer in diesem Fall wegen der Arbeitsgestaltung des Arbeitgebers nicht beschäftigt werden kann, ist die Arbeitsunterbrechung wie Arbeitszeit zu behandeln. Das gilt aber nur, soweit gesicherte arbeitswissenschaftl. Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit eine Arbeitsunterbrechung erfordern. Erscheint es allein zweckmäßig, die in der Art der Arbeit liegende Belastung der Arbeitnehmer zu mildern, so scheidet § 91 BetrVG als Rechtsgrundlage aus. Der Betriebsrat hat ledigl. das als Mitbestimmungsrecht gestaltete Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, weitere Ruhepausen einzuführen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird (vgl. Dietz-Richardi, BetrVG, § 91 RdNr. 24).