Nachtzuschlag für Dauernachtwache im Pflegeheim

LAG Baden-Württemberg Az. 9 Sa 57/18 vom 11. Jan. 2019

Leitsatz

Der Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG für eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, die für den Arbeitgeber gesetzlich verpflichtende Nachtarbeit leistet, beträgt 20 %. Er setzt sich zusammen aus dem Grundzuschlag für gesetzlich vorgeschriebene Nachtarbeit von 15 % und einer Erhöhung von weiteren 5 % für den Umstand der Dauernachtwache.

Tenor

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 13. Juni 2018 - 1 Ca 491/17 - wird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil vom 24. Januar 2018 wird teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 813,52 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 1. August 2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt 2/3 der Kosten des Rechtsstreits, die Beklagte 1/3 mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die die Beklagte zu tragen hat.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Zuschläge für geleistete Nachtarbeit in einem Altenpflegeheim.

Die Beklagte betreibt bundesweit mehrere Altenheime, darunter auch eine Seniorenresidenz in F., in welcher die Klägerin als Altenpflegerin arbeitet. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden und auch arbeitsvertraglich wird nicht auf einen Tarifvertrag Bezug genommen.

Die Klägerin wird als Dauernachtwache zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr eingesetzt. Die Beklagte rechnet in der monatlichen Lohnabrechnung neben der festen Monatsvergütung für jede geleistete Stunde Nachtarbeit ein Nachtzuschlag in Höhe von 15% auf Basis der Stundenvergütung ab. Seit 01.02.2018 bezahlt die Beklagte an ihre Dauernachtwachen 20 %. Diese Zahlung erfolgte nicht rückwirkend. Die Beklagte sieht dies als eine freiwillige Erhöhung des Dauernachtwachenzuschlags an.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Belastung der Klägerin nicht über die Normalbelastung eines Nachtarbeitnehmers hinausgeht. Sie ist nach dem gegenwärtigen Streitstand weder belastender noch weniger belastend.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung verlangte die Klägerin unter Berücksichtigung des geleisteten Nachtzuschlages in Höhe von 15 % noch einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von weiteren 15% (zusammen 30%) für 921,30 Stunden im Zeitraum Mai 2016 bis 15. Juni 2017 geleistete Nachtarbeit.

Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von insgesamt 30% des Stundenlohns zu. Sie leiste dauerhaft Nachtarbeit und könne daher in Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.12.2015 (10 AZR 423/14) einen angemessenen Zuschlag im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG in Höhe von 30 % für sich beanspruchen.

Außerdem könne sie für jeden Monat, in welchem nur 15% Zuschlag auf Nachtarbeit geleistet wurde, noch eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB beanspruchen.

Nach Säumnis der Beklagten im Termin vom 24.Januar 2018 wurde die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 24. Januar 2018 verurteilt, an die Klägerin entsprechend dem Klagebegehren € 2436,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28. Dezember 2017 zu bezahlen sowie eine Verzugspauschale von € 520 € netto.

Gegen das der Beklagten am 6. Februar 2018 zugestellte Versäumnisurteil legte die Beklagte am 12. Februar 2018 Einspruch ein.

Die Klägerin beantragte im Einspruchstermin:

Das Versäumnisurteil vom 24. Januar 2018 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte beantragte,

das Versäumnisurteil vom 24. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, nach der im Rahmen von § 6 Abs. 5 ArbZG durchzuführenden Interessenabwägung könne die Klägerin lediglich einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 15% beanspruchen. Die Arbeit als Nachtwache in der stationären Altenpflege gehe nicht über die Erschwernis anderer Nachtarbeiten hinaus. Außerdem sei die Beklagte als Betreiberin einer stationären Altenpflegeeinrichtung nach § 10 der Verordnung des Sozialministeriums über personelle Anforderungen für stationäre Einrichtungen vom 07.12.2015 (Landespersonalverordnung; LPersVO) verpflichtet, einen Mindestpersonalumfang in der Nachtschicht einzusetzen. Nach § 10 LPersVO müsse im Nachtdienst ständig eine Pflegefachkraft eingesetzt und anwesend sein und zwar mindestens pro 45 Bewohnerinnen und Bewohner je eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter. Aufgrund dieser Vorgaben zum Einsatz von Mitarbeitern in der Nachtarbeit könne die "Verteuerung" von Nachtarbeit nicht als Gesichtspunkt für die Prüfung der Angemessenheit der Höhe des Nachtzuschlages dienen. Weil der Lenkungszweck in der stationären Pflege nicht erreichbar sei, sei der von der Beklagten vergütete Nachtzuschlag in Höhe von 15% angemessen.

Das Arbeitsgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht nur einen Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 15%, sondern in Höhe von 30%. Das ergebe sich bereits aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09. Dezember 2015 (10 AZR 423/14). Da die Klägerin dauerhaft Nachtarbeit leiste, sei ein Zuschlag von 30 % angemessen. Es bestehe wegen der damit verbundenen Mehrbelastung regelmäßig ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 30% auf den jeweiligen Bruttostundenlohn. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne der Umstand, dass die Tätigkeit zwingend nachts ausgeführt werden müsse (Erfordernis einer Nachtwache in einem Altenheim) nicht dazu führen, dass der Nachtarbeitszuschlag geringer ausfalle. Da vom Umfang des Zuschlages auch auf den Umfang der (fakultativen) Freistellung nach § 6 Abs. 5 ArbZG geschlossen werde, würde dies dazu führen, dass bei gesundheitsschädlicher Dauernachtarbeit dem Arbeitnehmer ein geringerer Schutz durch weniger bezahlten Zeitausgleich eingeräumt würde. Aus Sicht des Arbeitnehmers, der in Dauernachtarbeit eingesetzt wird, würden die gesundheitlichen Belastungen jedoch nicht dadurch geringer oder gar ausgeglichen, wenn und soweit die Nachtarbeit im Betrieb zwingend notwendig sei. Darüber hinaus verfange die Argumentation der Beklagten nicht, weil ein gesetzlicher Zwang zur Dauernachtarbeit in stationären Altenpflegeheimen nicht bestehe. Es wäre etwa möglich, in einem rollierenden System Mitarbeiter abwechselnd zu Nachtschichten heranzuziehen. Damit sei der mit dem Nachtzuschlag verfolgte Lenkungszweck nicht bedeutungslos, da der Arbeitgeber durchaus die Wahl zwischen Dauernachtarbeit und einem rollierenden Schichtsystem hat. Die Klägerin könne nach § 288 Abs. 5 BGB für jeden Monat, in welchem nur 15% Zuschlag auf Nachtarbeit geleistet wurde, noch eine Verzugspauschale in Höhe von jeweils 40 € nach § 288 Abs. 5 BGB beanspruchen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Juli 2018 zugestellte Urteil vom 13. Juni 2018 am 10. Juli 2018 fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der aufgrund eines fristgerechten Verlängerungsantrags vom 4. September 2018 bis zum 16. Oktober 2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 16. Oktober 2018 fristgerecht begründet.

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht habe den unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der Zuschlagshöhe nicht richtig ausgelegt. Es habe bei der Beurteilung der Zuschlagshöhe den Zweck des Zuschlags, Arbeitgeberverhalten zu steuern, nicht hinreichend berücksichtigt und bewertet.

Das Arbeitsgericht wende das Urteil des BAG vom 09.12.2015, 10 AZR 423/14, auf den hier vorliegenden Sachverhalt nicht vollständig richtig an. Anzuerkennen sei, dass dem Lenkungszweck eine bedeutende Rolle spiele bei der Bemessung der Zuschlagshöhe zukomme, dann müsse dieser Zweck auch eine hinreichende Bedeutung erlangen und könne in einer Gesamtabwägung nicht rechtsfehlerfrei gegenüber dem Ausgleichszweck des Zuschlags unberücksichtigt bleiben.

Da das Arbeitsgericht im vorliegenden Fall unberücksichtigt gelassen hat, dass dem Zuschlag ein Lenkungszweck innewohne und es deshalb fälschlich keinen reduzierenden Effekt anerkenne, wenn der Lenkungszweck nicht erreichbar sei, so weiche das Gericht nicht nur von den wesentlichen Grundgedanken der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Auslegungsregeln des Angemessenheitsbegriffes in § 6 Abs. 5 ArbZG ab, sondern greift auch unzulässig in das Unternehmergrundrecht und das Recht auf Gleichbehandlung des Arbeitgebers ein. Die "Unvermeidbarkeit' der Nachtarbeit sei im Hinblick auf die Zwecksetzung des Zuschlags für Nachtarbeit ein wesentlicher Aspekt. Ungleiches würde sachwidrig gleich behandelt, würde der Aspekt bei der Bemessung der Zuschlagshöhe im Ergebnis keine Berücksichtigung finden und sich effektiv nicht auswirken. Der Umstand, dass die Klägerin Dauernachtarbeit leiste, sei lediglich mit einem Aufschlag von 5 % - Punkten auf den Nachtarbeitszuschlag zu berücksichtigen, der zunächst unter Berücksichtigung des Lenkungszwecks des Nachtarbeitszuschlags zu ermitteln sei und bei dem zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte Nachtarbeit an sich nicht vermeiden könne, sondern allenfalls die Dauernachtarbeit.

Da die Beklagte die Nachtarbeit an sich nicht vermeiden könne und sie diese auch im Interesse des Gemeinwohls erbringe, entfalle der Lenkungszweck des Nachtzuschlags und es sei ein Nachzuschlag von 15 % angemessen.

Im Übrigen wird auf die umfangreichen Rechtsausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Az.: 1 Ca 491/17 vom 13.06.2018 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass bei Dauernachtarbeit ein Zuschlag von 30 % angemessen sei. Es sei auch kein Abschlag vorzunehmen, weil die Nachtarbeit unvermeidbar sei. Die gesundheitlichen Belastungen für die Klägerin durch die Nachtarbeit bestünden unabhängig davon, ob die Nachtarbeit vermeidbar oder unvermeidbar sei. In jedem Fall sei aber die Dauernachtarbeit vermeidbar, so dass ein Zuschlag von 30 % unabhängig von der generellen Vermeidbarkeit der Nachtarbeit angemessen sei.

Wegen der weiteren Ausführungen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern; im Übrigen war die Berufung unbegründet.

I.

Da die Berufung nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthaft ist und nach § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und nach § 66 Abs. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO form-und fristgerecht begründet wurde, ist die Berufung zulässig. Die Begründung der Berufung setzt sich in einem den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Umfang mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander. Die Berufung ist auch zulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Verzugspauschale richtet. Zwar hat die Beklagte in der Berufungsbegründung hierzu keine näheren Ausführungen gemacht. Jedoch erfasst die Begründung der Beklagten, der Klägerin stehe überhaupt kein Anspruch zu auch den möglichen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB. Eine weitere Begründung war für die Zulässigkeit der Berufung insoweit nicht erforderlich.

II.

Die Berufung ist überwiegend begründet und führt aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von angemessenen Zuschlägen für die geleistete Nachtarbeit für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 6 Abs. 5 ArbGG beträgt 20 %. Da die Beklagte bereits einen Zuschlag von 15 % gezahlt hat, die Klägerin mit ihrer Klage weitere 15 % verlangt, war der Klägerin nur ein Drittel der Klageforderung zuzusprechen. Einen Anspruch auf Zahlung der Verzugspauschale von 40 EUR pro Monat hat die Klägerin nicht.

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht bei seinem Urteil von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Höhe des Zuschlages für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG ausgegangen (BAG, 9. Dezember 2015, 5 AZR 423 / 14).

a) Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist der Arbeitgeber, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht, verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Abs. 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - Rn. 15 mwN).

Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor. Auf I., 2., 3. und 4.des angegriffenen Urteils, Seite 4) wird ausdrücklich Bezug genommen.

b) Das Arbeitsgericht ist auch zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Zuschlag iHv. 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG darstellt. Auch hier geht es zutreffend von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, 9. Dezember 2015, 5 AZR 423 / 14) aus.

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber von der Erkenntnis ausgegangen ist, dass auf Nachtarbeit in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft trotz ihrer Gesundheitsschädlichkeit nicht völlig verzichtet werden kann. § 6 Abs. 5 ArbZG setzt hier an und soll für diejenigen Arbeitnehmer, die Nachtarbeit leisten, zumindest einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewähren (BT-Drs. 12/5888 S. 26). Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsleistungen nehmen der Nachtarbeit dabei nicht ihre spezifische Gesundheitsgefährdung, dienen aber unmittelbar oder mittelbar dem Gesundheitsschutz (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu B I 3 b bb (3) der Gründe, BAGE 102, 309). Soweit ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen ist, wirkt sich dieser auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers nicht unmittelbar aus, sondern dient dem Gesundheitsschutz mittelbar (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - zu B II 2 a bb der Gründe). Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen; Nachtarbeit soll für Arbeitgeber weniger attraktiv sein. Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - zu B I 4 b der Gründe, aaO). Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, den Umfang des Ausgleichs für Nachtarbeit selbst festzulegen (BT-Drs. 12/5888 S. 22). Ebenso wenig hat er aber dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB übertragen. Vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs um die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die letztlich den Gerichten für Arbeitssachen obliegt, wenn Streit über dessen Umfang besteht.

§ 6 Abs. 5 ArbZG stellt den Ausgleich durch Gewährung bezahlter freier Tage neben die Zahlung des Nachtarbeitszuschlags. Zwischen den Alternativen des Belastungsausgleichs besteht nach der gesetzlichen Regelung kein Rangverhältnis, insbesondere kein Vorrang des Freizeitausgleichs, auch wenn dies Zwecken des Gesundheitsschutzes möglicherweise dienlicher wäre. Die Angemessenheit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG ist dabei für beide Alternativen nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen. Der Umfang der Ausgleichsverpflichtung hängt nicht davon ab, für welche Art des Ausgleichs sich der Arbeitgeber entscheidet.

Nach gefestigter Rechtsprechung aller mit dieser Frage befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts ist ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des Bruttostundenlohns bzw. eine entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage regelmäßig als angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG anzusehen.

Ein Wert von 25 % ist typischerweise dann angemessen, wenn ein Arbeitnehmer "Nachtarbeitnehmer" iSv. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, also im gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang von 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leistet oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leistet und während dieser Zeit die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, ohne dass besondere Umstände vorliegen, die Anlass für eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs bieten würden. Unabhängig von den anderen Zwecken der steuerrechtlichen Regelung in § 3b Abs. 1 Nr. 1 EStG kann aus ihr jedenfalls entnommen werden, dass auch der Gesetzgeber eine solche Größenordnung grundsätzlich als angemessen akzeptiert hat. Eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des von § 6 Abs. 5 ArbZG geforderten Ausgleichs für Nachtarbeit kommt in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorliegen, die den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % wegen der im Vergleich zum Üblichen niedrigeren oder höheren Belastung als zu gering oder zu hoch erscheinen lassen. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - Rn. 12). Bei der Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit ist deshalb regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % auf den Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl freier Tage als angemessen anzusehen, da sich nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen sich die Belastung mit dem Umfang der geleisteten Nachtarbeit erhöht (BAG, 9. Dezember 2015, 5 AZR 423 / 14 - II 2 a der Gründe).

Andererseits kann nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil z.B. in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen kann oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 115, 372). Relevanz kann die letztgenannte Erwägung aber nur in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist. Auch in einem solchen Fall ist ein Zuschlag von 10 % aber regelmäßig die Untergrenze dessen, was als angemessen angesehen werden kann (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - aaO [Angehörige eines Rettungsdienstes]; BAG, 09. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 Rn. 16ff).

Kann bei Dauernachtarbeit mit dem Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden, kommt ein "Abweichen nach unten" nur dann in Betracht, wenn - wie etwa im Rettungswesen - überragende Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern (BAG, 25. April 2018 - 5 AZR 25/17, Rn. 56).

c) Die Anwendung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung führt zu dem Ergebnis, dass für die Tätigkeit der Klägerin ein Zuschlag für deren Nachtarbeit i.H.v. 20 % der Stundenvergütung angemessen im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG ist.

Das beruht auf folgenden Erwägungen:

aa) Auszugehen ist davon, dass ein Nachtarbeitszuschlag von 25 % angemessen ist. Dieser berücksichtigt jedoch nicht die Besonderheiten der konkreten Tätigkeit der Klägerin. Diese sind zum einen, dass sie in Dauernachtschicht arbeitet, zum anderen aber, dass die Beklagte die angeordnete Nachtschicht nicht vermeiden kann, weil sie hierzu nach § 10 LPersVO gesetzlich verpflichtet ist. Dafür, dass die Beklagte mehr Nachtarbeit anordnet als ihrer gesetzlichen Verpflichtung entspricht, gibt es keine Anhaltspunkte. Weitere Besonderheiten der Tätigkeit der Klägerin sind hier gerade nicht zu berücksichtigen, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich die Tätigkeit der Klägerin ansonsten von sonstigen Tätigkeiten nicht besonders unterscheidet. Die Anforderungen an die Tätigkeit der Klägerin sind nach dem unstreitigen Parteivortrag weder besonders belastend noch entlastend und unterscheiden sich nicht von einer gewöhnlichen Tätigkeit.

bb) Ein "Korrekturbedarf" besteht daher im vorliegenden Fall nur hinsichtlich des Umstandes, dass die Klägerin Dauernachtarbeit leistet und dass die Beklagte Nachtarbeit aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat.

Diese beiden Gesichtspunkte sind bei der Bewertung der Angemessenheit des Zuschlages für die Nachtarbeit der Klägerin voneinander zu trennen.

Anders als vom Arbeitsgericht angenommen führt der Umstand, dass die Beklagte die Dauernachtarbeit der Klägerin vermeiden könnte nicht dazu, dass sie hinsichtlich der Höhe des Nachtarbeitszuschlags so zu behandeln ist wie ein Arbeitgeber, der an sich insgesamt vermeidbare Nachtarbeit anordnet und diese dann in Dauernachtarbeit ausführen lässt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass bei einer unterlassenen Differenzierung in diesen unterschiedlichen Gestaltungen eine unzulässige Gleichsetzung der zur Nachtarbeit "gezwungenen" Beklagten mit solchen Arbeitgebern erfolgt, die Nachtarbeit aus vorwiegend wirtschaftlichen Erwägungen anordnen.

Der vom Arbeitsgericht angeführte staatliche Schutzauftrag verbietet es nicht, bei der Festlegung der Höhe des Nachtarbeitszuschlags auch bei Dauernachtarbeitnehmern danach zu unterscheiden, ob durch die Dauernachtarbeit unvermeidbare oder vermeidbare Nachtarbeit geleistet wird, so wie dieser Unterschied auch bei Nachtarbeitnehmer ohne die zusätzlichen Belastungen der Dauernachtarbeit zu berücksichtigen ist.

Der der Klägerin zu zahlende angemessene Nachtarbeitszuschlag ist daher in zwei getrennten Schritten zu ermitteln:

Ausgehend von dem "Regelnachtarbeitszuschlag" von 25 % ist in einem ersten Schritt eine Korrektur vorzunehmen, weil es sich bei der von der Klägerin geleisteten Nachtarbeit um gesetzlich angeordnete Nachtarbeit im Interesse des Gemeinwohls handelt und in einem zweiten Schritt eine weitere Korrektur vorzunehmen, weil die geleistete Dauernachtarbeit die Klägerin zusätzlich in ihrer Gesundheit gegenüber einfacher Nachtarbeit beeinträchtigt.

(1) Angesichts dessen, dass der Lenkungszweck des Nachtarbeitszuschlags bezüglich der an sich zu leistenden Nachtarbeit bei der Beklagten aufgrund der gesetzlichen Vorgabe hier nicht erreicht werden kann, ist von dem Regelnachtarbeitszuschlag und 25 % ein angemessener Abschlag vorzunehmen. Die Voraussetzungen für einen solchen Abschlag liegen vor. Das Bundesarbeitsgericht hat dafür verlangt, dass überragende Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern. Durch die gesetzliche Anordnung, dass in Heimen wie dem von der Beklagten betriebenen eine bestimmte Mindestbesetzung der Nachtdienste zu erfolgen hat, hat der Gesetzgeber bereits deutlich gemacht, dass es sich dabei um Interessen des Gemeinwohls handelt.

§ 2 Abs. 1 LPersVO verlangt von dem Träger einer stationären Einrichtung durch den Einsatz der Leitung einer stationären Einrichtung, der verantwortlichen Pflegefachkraft, der Fachbereichsleitung sowie der sonstigen Beschäftigten der stationären Einrichtung sicherzustellen, dass der Zweck des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes nach § 1 Abs. 1 und 2 WTPG gewahrt wird.

Zweck des WTPG ist es nach § 1 Abs. 1 und 2 u.a., die Würde, die Privatheit, die Interessen und Bedürfnisse volljähriger Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf oder volljähriger Menschen mit Behinderungen als Bewohner stationärer Einrichtungen und ambulant betreuter Wohngemeinschaften vor Beeinträchtigungen zu schützen (Nr. 1), eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens sowie der Pflege und Betreuung zu sichern und eine angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen (Nr. 4), ein Sterben in Würde zu ermöglichen (Nr. 8).

Zudem dienen die genannten Ziele auch der Sicherung und Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Daher dient auch die Beachtung der Besetzungsregel des § 10 LPersVO für Zeiten der Nachtdienste der Erfüllung der vorgenannten Gesetzeszwecke damit auch der Wahrung der Würde der dort wohnenden Menschen. Es handelt sich daher um überragende Zwecke des Gemeinwohls, die die Beklagte mit dem Betrieb der Senioren - Wohneinrichtung verfolgt.

Das Bundesarbeitsgericht hat bisher jedoch nicht entschieden, in welcher Höhe ein Abschlag hier angemessen ist bzw. wie sich der angemessene Regelzuschlag von 25 % auf einen Lenkungsanteil und einen Anteil, der dem individuellen Nachteilsausgleich dient aufteilt. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 31. August 2005 (5 AZR 545 / 04 - Rettungsdienst) bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft eine Untergrenze für den Zuschlag von 10 % akzeptiert. Da die Parteien hier übereinstimmen, dass sich die Nachtdienste der Klägerin durch keine Besonderheiten von der Tätigkeit und sonstigen Nachtdiensten und Nachtarbeit unterscheidet, ist davon auszugehen, dass eine Verringerung des Zuschlages auf 10 % unangemessen ist. Da es sich bei den Nachtdiensten der Klägerin um "Normalarbeit" handelt, hält das Gericht hier einen Zuschlag von 15 % für angemessen. Mit einem solchen Betrag werden die Interessen beider Parteien bei einer an sich unvermeidlichen Nachtarbeit ausreichend gewahrt. Zu Gunsten der Beklagten wird berücksichtigt, dass der Lenkungszweck des Nachtarbeitszuschlags hier nicht erreicht werden kann, zu Gunsten der Klägerin wird gleichwohl ein nennenswerter Betrag festgesetzt, der dazu dient, die unvermeidlichen ihr persönlich entstehenden Nachteile und gesundheitlichen Beeinträchtigungen auszugleichen.

(2) In einem davon zu trennenden Schritt ist zu prüfen, in welchem Umfang die Tatsache, dass die Klägerin eine insoweit vermeidbare Dauernachtarbeit ausführt, zu einer Erhöhung des Zuschlages zu führen hat. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09. Dezember 2015 (10 AZR 423/14) geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Erhöhung von 5 %-Punkten die zusätzlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass sie Dauernachtarbeit leistet angemessen ausgleicht. Ob hier etwas Anderes gilt, wenn die Arbeitnehmerin die Wahl hat zwischen Nachtarbeit in Wechselschicht und Dauernachtarbeit und sich für Dauernachtarbeit entscheidet, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Daraus ergibt sich, dass die Klägerin einen Anspruch auf einen Zuschlag für die von ihr geleistete Dauernachtarbeit i.H.v. 20 % des Stundenlohnes hat.

Ausgehend von einem Stundenlohn von 17,64 EUR beträgt dieser Zuschlag daher 3.528 EUR für jede Nachtstunde und für die Zahl der geltend gemachten Stunden 3250,35 EUR. Da die Beklagte bereits 2436,83 EUR an Nachtzuschlägen für den streitigen Zeitraum gezahlt hat, verbleibt ein Rest von 813,52 EUR. In diesem Umfang ist die Klage begründet gewesen, darüber hinaus nicht. Das Urteil war entsprechend auf die Berufung der Beklagten abzuändern.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Verzugspauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandene Beitreibungskosten und damit insoweit auch einen Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB aus (BAG, 25. September 2018 - 8 AZR 26/18).

Der Gesetzgeber hat mit § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern darüber hinaus auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch - unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage - ausschließt, die abschließende Grundentscheidung getroffen, das Kostenrisiko in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dadurch überschaubar zu halten, dass jede Partei von vornherein weiß, dass sie an bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz angefallenen Beitreibungskosten stets und maximal nur das zu tragen hat, was sie selbst aufwendet. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung gilt es zu respektieren. Sie darf grundsätzlich nicht durch Zubilligung materiell-rechtlicher Kostenerstattungspflichten unterlaufen werden.

Aus diesem Grunde war das arbeitsgerichtliche Urteil auch diesbezüglich abzuändern und die Klage abzuweisen.

Das Urteil wurde aus Gründen der Klarstellung neu gefasst, nachdem der Klage zunächst durch ein Versäumnisurteil stattgegeben und dieses aufrechterhalten worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zu verteilen sind.

Für beide Parteien war die Revision zuzulassen, da die Frage der Höhe der Nachtarbeitszuschläge bei vorgeschriebener Nachtarbeit in Senioren- und Pflegeheimen nicht endgültig geklärt und von allgemeinem Interesse ist. Zudem liegt eine Divergenz zur Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 4. April 2017, 9a Sa 7/17 vor.