Kein Anspruch auf leidensgerechten Arbeitsplatz im Home-Office

LAG Köln Az. 3 Sa 540/21 vom 12. Jan. 2022

Der Fall:

Die 35-jährige Arbeitnehmerin war als medizinische Fachangestellte bei ihrer Arbeitgeberin angestellt, die eine Augenklinik sowie zwölf weitere medizinische Versorgungszentren betreibt. Sie litt an Multipler Sklerose, der GdB betrug 50. Vom 15.01.2020 bis 09.02.2021 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im Nachgang eines BEM-Gesprächs beantragte die Arbeitgeberin einen Zuschuss für die behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes der Klägerin, der ihr in Höhe von 2.488,91 EUR auch gewährt wurde. Die Arbeitnehmerin verlangte von der Arbeitgeberin schließlich einen leidensgerechten Arbeitsplatz im Home-Office. Sie machte geltend, dies sei im BEM-Gespräch vereinbart worden. Das Arbeitsgericht wies ihre Klage allerdings ab.

Ende November 2019 kündigte die Altenpflegerin ihre Stellung aus gesundheitlichen Gründen zum 01.02.2020. Die Arbeitgeberin erhob nach verweigerter Rückzahlung Klage, jedoch wiesen das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht diese ab. Letztinstanzlich hatte dann das BAG darüber zu befinden.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Arbeitsgericht und in der Berufungsinstanz sodann auch das LAG entschieden übereinstimmend, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf die Einrichtung eines Home-Office-Arbeitsplatzes hat. Ein Anspruch auf die beantragte Beschäftigung folge insbesondere weder aus dem BEM-Gespräch, da die Parteien hier keinen rechtswirksamen Änderungsvertrag geschlossen hatten, noch aus der Pflicht der Arbeitgeberin, ihr Direktionsrecht mit Rücksicht auf die Interessen ihrer Angestellten auszuüben. Zwar kann die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht gebieten, im Rahmen des Direktionsrechts eine Tätigkeit zu übertragen, die der Arbeitnehmer noch erbringen kann, der Arbeitgeber sei aber nicht verpflichtet, eine vertragsfremde Beschäftigung zu ermöglichen. Eine Tätigkeit im Home-Office, bei der die Klägerin die Telefonzentrale betreut, Termine koordiniert und Praxiskorrespondenz erledigen würde, erfülle jedoch nicht das Berufsbild als medizinische Fachangestellte. Ein Anspruch auf die begehrte Tätigkeit folgt schließlich auch nicht aus dem Recht (schwer-)behinderter Menschen auf Beschäftigung, vgl. § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX. Zwar könne sich ein Anspruch des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers auf anderweitige, sogar auf vertragsfremde Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertragliche Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann. Ein Anspruch bestehe aber nicht, soweit die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, vgl. § 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX. Insbesondere müsse der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Das Urteil zeigt beispielhaft, welche Möglichkeiten Beschäftigte mit anerkannter Schwerbehinderung, Gleichstellung oder auch schon im Vorfeld im Rahmen eines BEM haben, um für sich bessere oder geeignetere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.