Kein Recht auf Unterrichtung in bestimmter Art und Weise

LAG Hamburg Az. 7 TaBV 8/21 vom 22. Apr. 2022

Der Fall: 

Im Betrieb der Arbeitgeberin gab es ein mehrstufiges Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem. Von der Festlegung der Beurteilungsstufe hing die Höhe der für das jeweilige Kalenderjahr erfolgenden Bonuszahlung und eine etwaige Gehaltserhöhung im darauffolgenden Kalenderjahr an den Beschäftigten ab. In der einschlägigen Betriebsvereinbarung war unter anderem geregelt, dass bei der jeweiligen Zielfestlegung für schwerbehinderte Mitarbeiter auf Wunsch die jeweilige Behinderung berücksichtigt werde.

Im Vorfeld der Unterrichtung der Beschäftigten über die Festlegung ihrer Beurteilungsstufen und der Höhe der daraus resultierenden Bonuszahlung erstellte die Arbeitgeberin eine Datensammlung („Gesamtliste“), aus der sich jedenfalls Name, Vorname, Abteilung, Schwerbehinderteneigenschaft, Gleichstellung, die beabsichtigte Beurteilungsstufe, der beabsichtigte Bonus sowie eine etwaig beabsichtigte Gehaltserhöhung aller Beschäftigten ergaben. Die Arbeitgeberin übersandte diese Gesamtliste an den Betriebsrat zur Einsicht und Stellungnahme, nicht jedoch an die im Betrieb ebenfalls vertretene Schwerbehindertenvertretung. Diese beantragte daher vor Gericht deren Überlassung und verwies in diesem Zusammenhang auf ihr Unterrichtungs- und Anhörungsrecht aus § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Gericht wies den Antrag der SBV zurück. Die Arbeitgeberin war zwar verpflichtet, die SBV vor Mitteilung der Leistungsbeurteilung an einen schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Arbeitnehmer hierüber zu unterrichten und sie hierzu anzuhören. Die SBV kann aber keine Unterrichtung durch eine – vorliegend ausschließlich begehrte – Einsichtnahme in bestimmte Unterlagen der Arbeitgeberin verlangen. „Unterrichten“ im Sinne von § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX beinhaltet ein „aktives Tun“ des Dienstgebers. Auf welche Art und Weise die Unterrichtung zu erfolgen hat, bestimmt das Gesetz aber nicht. Der Arbeitgeber kann deshalb die Form der Unterrichtung festlegen, soweit damit der Informationsanspruch der Schwerbehindertenvertretung vollständig erfüllt wird.

Das Gericht wies den Antrag darüber hinaus auch deswegen ab, weil er zumindest auch Fallgestaltungen umfasste, in denen er sich als unbegründet erwies. Denn das Begehren der SBV erstreckte sich insoweit unterschiedslos auf die Einsichtnahme in die Daten der beabsichtigten Leistungsbeurteilung aller Arbeitnehmer des Betriebes. Unstreitig erfolgt die Leistungsbeurteilung und die daran anschließende Bonusfestsetzung aber nur abteilungsbezogen durch die jeweiligen Abteilungsleiter auf Grundlage des zur jeweils Verfügung stehenden individuellen Abteilungsbudgets. Da es jedoch – ebenfalls unstreitig – verschiedene Abteilungen gab, in denen keine schwerbehinderten Menschen oder diesen Gleichgestellte beschäftigt wurden, war nicht erkennbar, weshalb insoweit eine Angelegenheit im Sinne des § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX vorläge.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Aus § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX folgt kein generelles Einsichtnahmerecht in Unterlagen, sondern nach dieser Bestimmung ist die Art der Unterrichtung gerade nicht an ein Einsichtnahmerecht geknüpft. § 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX konstituiert von dem Grundsatz der Freiheit der Art und Weise der Unterrichtung lediglich für Bewerbungsverfahren eine Ausnahme.