Rente bei Wegeunfähigkeit trotz Verzicht aufs Auto

LSG Nordrhein-Westfalen Az. L 4 R 1015/20 vom 8. Okt. 2021

Der Fall: 

Ein Versicherter hat nach § 43 Abs. 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn er nicht mehr wegefähig ist. Dies setzt voraus, dass er nicht viermal am Tag Wegstrecken von über 500m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß bewältigen und ferner zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann.

Die wegeunfähige Klägerin begehrte vergeblich von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie verfügte über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw, den sie während des späteren Klageverfahrens abschaffte.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Sozialgericht Köln gab der Klage statt, die Berufung des Rentenversicherungsträgers hatte vor dem LSG keinen Erfolg.

Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist nach Auffassung der Richter Teil des versicherten Risikos. Es habe sich infolge der gesundheitlichen (Geh-)Einschränkungen in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Klägerin diese nicht mehr durch den jederzeitigen, tatsächlichen Zugriff auf einen ihr zur Verfügung stehenden Pkw zumutbar habe beseitigen können.

Die Klägerin durfte ihr Auto auch abschaffen und hat hierdurch ihre Wegeunfähigkeit nicht absichtlich im Sinne von § 103 SGB VI herbeigeführt. Denn die Klägerin hatte ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht vorsätzlich herbeigeführt. Ihre weitgehend eingeschränkte Gehfähigkeit hatte unverschuldet bestanden. Das Abschaffen ihres Pkw – aus welchen Gründen auch immer – sei unabhängig davon keine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles, weil sie auf diese Weise keine relevante gesundheitliche Einschränkung herbeigeführt habe.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen sich eine wegeunfähige Person dazu entscheidet, ihren Wagen zu verkaufen. Wegeunfähige sind nicht verpflichtet, den Pkw zu behalten, um das versicherte Risiko nicht eintreten zu lassen.