Keine Pflicht zur Führung eines Vorstellungsgesprächs mit schwerbehinderten Bewerbern

LAG Rheinland-Pfalz Az. 5 Sa 10/22 vom 21. Juli 2022

Der Fall: 

Ein Kirchenkreis der Evangelischen Kirche im Rheinland schrieb für sein Verwaltungsamt zum nächstmöglichen Zeitpunkt „eine Stelle in Vollzeit mit 39 Wochenstunden (m/w/d) in der Finanzbuchhaltung" aus. Darauf bewarb sich ein mit einem GdB von 60 schwerbehinderter Mann unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Der Kirchenkreis teilte ihm mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne. Zu einem Vorstellungsgespräch war er erst gar nicht eingeladen worden. Auf Nachfrage des Bewerbers erklärte der Kirchenkreis, dass ihn die fachliche Qualifikation einer Mitbewerberin überzeugt habe. Nun machte der Bewerber die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern geltend. Es ging ihm um 7.500,00 €.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Die Klage war unbegründet und einen Anspruch auf eine Entschädigung hatte der schwerbehinderte Bewerber nicht. Zunächst stellte das Gericht fest, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nicht vorlag. Eine solche Benachteiligung konnte es insbesondere auch nicht daraus erkennen, dass der Bewerber keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten hatte. Zwar begründet der Verstoß eines öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 S. 3 SGB IX geregelte Pflicht, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Die Evangelische Kirche einschließlich ihrer Untergliederungen ist aber nach Ansicht des Gerichts kein öffentlicher Arbeitgeber im Sinne der §§ 165 S. 3, 154 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX. Dass der Kirchenkreis eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, ändert nichts daran. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist kirchliche Gewalt grundsätzlich keine staatliche Gewalt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Öffentliche Arbeitgeber sind gemäß § 165 S. 3 SGB IX verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber in Bewerbungsverfahren grundsätzlich zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Vorausgesetzt natürlich, die Schwerbehinderung ist aus den Bewerbungsunterlagen ersichtlich oder dem Arbeitgeber bekannt. Verzichtet werden kann auf eine Einladung nur dann, wenn der schwerbehinderte Bewerber ganz offensichtlich nicht fachlich geeignet ist. Im Zweifel müssen schwerbehinderte Bewerber daher immer zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden.