Keine informationelle Allzuständigkeit der SBV

ArbG Hamburg Az. 5 BV 13/21 vom 9. Nov. 2021

Der Fall: 

Der vorliegende Fall spielte in einem Betrieb mit einem etablierten mehrstufigen Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem, gemäß dem von der Festlegung der Beurteilungsstufe die Höhe der erfolgenden Bonuszahlung sowie eine etwaige Gehaltserhöhung abhängt. Hierzu erstellt die Arbeitgeberin regelmäßig eine Datensammlung (sog. „Gesamtliste“), aus der sich jedenfalls Name, Vorname, Abteilung, Schwerbehinderteneigenschaft, Gleichstellung, die beabsichtigte Beurteilungsstufe, der beabsichtigte Bonus sowie eine etwaig beabsichtigte Gehaltserhöhung aller Beschäftigten ergeben. Diese Gesamtliste übersendet sie sodann an den Betriebsrat zur Einsicht und etwaigen Stellungnahme.

Im Jahr 2019 bat die SBV die Arbeitgeberin erfolglos darum, ihr die Gesamtliste ebenfalls zur Einsichtnahme und etwaigen Stellungnahme zu übersenden. Sie begründete dies mit ihrer sich aus Gesetz und den bestehenden Betriebsvereinbarungen ergebenden Aufgabe als Vertrauensperson, etwaige Benachteiligungen der Gruppe der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten zu prüfen. Dies erfordere aber, anhand von Daten vergleichen zu können, wie diese Gruppe im Vergleich zu der Gruppe der Beschäftigten ohne Schwerbehinderung oder Gleichstellung beurteilt werde.

Die Arbeitgeberin verweigerte die Herausgabe der Gesamtliste, erklärte sich jedoch bereit, Daten über die beabsichtigten Beurteilungen, Boni und Gehaltsentwicklungen der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten zu liefern. Die Daten der anderen Beschäftigten seien vertraulich und könnten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht an die SBV weitergegeben werden. Weiterhin stellte die Arbeitgeberin ein Kurvendiagramm zur Verfügung, das einerseits die Bewertung 2019 für alle Arbeitnehmer sowie andererseits die Bewertung für die Arbeitnehmer mit Behinderung grafisch darstellt.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Arbeitsgericht teilte die Auffassung der Arbeitgeberin. Ein Anspruch der SBV auf Einsichtnahme der Daten sämtlicher Mitarbeiter (sog. Gesamtliste) ergebe sich nicht aus § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Der SBV obliege keine informationelle Allzuständigkeit. Soweit allgemeine Interessen der Mitarbeiter im Betrieb betroffen sind, obliege deren Wahrnehmung dem Betriebsrat. Ein Einsichtsrecht in die Daten der Mitarbeiter bestehe nur insoweit, als es um die konkrete Beurteilung von Mitarbeitern mit Schwerbehinderung beziehungsweise diesen gleichgestellten Mitarbeitern gehe. Diese Informationen habe die SBV erhalten. Ziel der gesetzlichen Regelungen in § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX sei es unter anderem, behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und gleiche Teilhabechancen zu eröffnen. Die SBV solle daher Gelegenheit haben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, gegebenenfalls nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen. Die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte sollen es der SBV ermöglichen, auf eine sachdienliche Behandlung hinzuwirken, wenn die Belange eines schwerbehinderten Menschen oder schwerbehinderter Beschäftigter als Kollektiv für die Entscheidung des Arbeitgebers erheblich sind. Ein wie von der Vertrauensperson gefordertes allgemeines Informationsrecht der Schwerbehindertenvertretung existiere nicht.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Die in § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX normierte „Allzuständigkeit“ der SBV bezieht sich auf Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen, disziplinarische Maßnahmen und vieles andere. Sie gilt aber nur für (schwer-)behinderte sowie ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer (vgl. § 151 Abs. 1 SGB IX) und gerade nicht für alle Mitarbeiter des Betriebs.