Einigungsstellenspruch über betriebliche Lohngestaltung; Mitbestimmung bei Festlegung einer betrieblichen Lohnstruktur

BAG 1 ABR 31/93 vom 14. Dez. 1993

Leitsatz

1. Überläßt ein Tarifvertrag den Einzelvertragsparteien die Vereinbarung der Höhe des Entgelts, ohne selber eine Entgeltordnung aufzustellen, unterliegt die Festlegung und Gewichtung von Kriterien für eine betriebliche Lohnstruktur dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr.10 BetrVG.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs. Antragsteller ist der Arbeitgeber, Antragsgegner ist der bei dem antragstellenden Arbeitgeber gebildete Betriebsrat.

Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers finden die Tarifverträge für die Westfälische Fleischwarenindustrie Anwendung. Der Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Westfälische Fleischwarenindustrie enthält in § 2 Regelungen über die Lohngruppen I, II und III. Danach fallen in die Lohngruppe I "Gesellen, Facharbeiter sowie Handwerker, Kraftfahrer, Maschinisten und Heizer". In die Lohngruppe II fallen "ungelernte Arbeitnehmer mit schweren Arbeiten sowie Wächter und Pförtner". In die Lohngruppe III gehören "ungelernte Arbeitnehmer mit leichteren Arbeiten".

§ 3 des Tarifvertrages betrifft "angelernte Arbeitnehmer" und lautet:

"Die Lohntafel sieht keine besondere Gruppe für angelernte Arbeiter und angelernte Arbeiterinnen vor. Diese Löhne werden individuell in den Betrieben unter Hinzuziehung des Betriebsrates vereinbart, jedoch mit der Maßgabe, daß das bisherige Verhältnis dieser Löhne zum Facharbeiterlohn bzw. Arbeiterlohn in keinem Falle verschlechtert wird."

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat bei der Lohngestaltung für die angelernten Arbeitnehmer nach § 3 des Tarifvertrages mitzubestimmen hat. Es wurde eine Einigungsstelle gebildet, die mit den Stimmen der vom Betriebsrat benannten Beisitzer und der Stimme des Einigungsstellenvorsitzenden am 18. Oktober 1991 folgenden Beschluß faßte:

Zur Begründung dieses Beschlusses hat die Einigungsstelle ausgeführt, die Festsetzung der Wertunterschiede zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen sei eine Frage der abstrakten mitbestimmungspflichtigen Ausgestaltung von Entlohnungsgrundsätzen. Die Bildung von zwei betrieblichen Lohngruppen für die im Lohn- und Gehaltstarifvertrag als angelernte Arbeiter und Arbeiterinnen bezeichnete Gruppe von Arbeitnehmern diene der Durchsichtigkeit und innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit. Da ein Facharbeiter sowie die weiteren in der Lohngruppe I des Tarifvertrages aufgeführten Arbeitnehmer qualitativ höherwertige Tätigkeiten als die angelernten Arbeitnehmer leisteten, entspreche es der Lohngerechtigkeit, daß der Lohn der angelernten Arbeitnehmer im Vergleich zu diesen Arbeitnehmern niedriger sein müsse. Da jedoch angelernte Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit zu erbringen hätten, müsse der Lohn für angelernte Arbeitnehmer höher sein als die Vergütung der in die tarifliche Lohngruppe II einzugruppierenden ungelernten Arbeitnehmer mit schweren Arbeiten.

Mit ihrem am 6. November 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit des ihr am 24. Oktober 1991 zugestellten Beschlusses der Einigungsstelle geltend gemacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, durch den Spruch werde das dem Arbeitgeber durch den Tarifvertrag eingeräumte Recht, die Löhne für die angelernten Arbeitnehmer einzelvertraglich zu vereinbaren, unzulässigerweise beeinträchtigt. Eine Einschränkung sei nur insoweit zulässig, als das bisherige Verhältnis der Löhne zum Facharbeiterlohn bzw. Arbeiterlohn in keinem Falle verschlechtert werden dürfe.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei insoweit nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG eingeschränkt, als eine tarifliche Regelung bestehe. Der Tarifvertrag enthalte eine erschöpfende und abschließende Regelung hinsichtlich der Lohngruppen. Außerdem enthalte er eine Regelung der Lohnhöhe. Für die angelernten Arbeitnehmer trete nämlich der individuell vereinbarte Lohn an die Stelle der durch den Tarifvertrag festgesetzten Löhne. Daher dürften die Betriebsparteien keine Richtlinien über die Festsetzung der Löhne erlassen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats könne erst einsetzen, sobald die Löhne zwischen dem Arbeitgeber und den angelernten Arbeitnehmern individuell vereinbart worden seien.

Im übrigen werde durch den angefochtenen Einigungsstellenbeschluß festgestellt, welche Tätigkeiten der Gruppe der angelernten Arbeitnehmer zuzuordnen sei. Diese Feststellung bedeute jedoch eine unzulässige Vollziehung der tariflichen Normen.

Ferner stehe der im Tarifvertrag vorgesehenen individuellen Regelung auch die Bildung von zwei Gruppen der angelernten Arbeitnehmer und die Festlegung der Lohndifferenz zwischen diesen betrieblichen Lohngruppen entgegen. Der Beschluß schränke auch dadurch das tarifvertraglich vorgesehene Recht der individuellen Vereinbarung der Löhne ein. Deshalb habe die Einigungsstelle ihr Ermessen überschritten.

Der Arbeitgeber hat beantragt, gemäß § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 18. Oktober 1991, zugestellt am 24. Oktober 1991, unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die tarifvertraglichen Regelungen stünden dem Spruch der Einigungsstelle nicht entgegen. In § 3 des Tarifvertrages hätten die Tarifvertragsparteien lediglich von ihrer Regelungsbefugnis hinsichtlich der Lohnhöhe Gebrauch gemacht. Fragen der Lohnstrukturen eines Lohnfindungssystems hätten sie jedoch bewußt offen gelassen. Der Spruch habe lediglich abstrakt die Voraussetzungen für die betrieblichen Lohngruppen bestimmt. Die einzelvertragliche Abrede bleibe ausdrücklich unberührt.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Antrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die in dem Spruch der Einigungsstelle getroffene Regelung enthalte keinen Rechtsverstoß und überschreite auch nicht die Grenzen des der Einigungsstelle zustehenden Ermessens. Die dagegen erhobenen Angriffe der Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers sind nicht begründet.

1.a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Die Beteiligung des Betriebsrats in diesem Bereich soll den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen. Es geht um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges. Die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit soll durch die Mitbestimmung des Betriebsrats gewährleistet werden. Dagegen hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht über die Gehaltshöhe. Der Betriebsrat hat daher ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung abstrakt-genereller (kollektiver) Grundsätze zur Lohnfindung, nicht aber bei der Festsetzung des einzelnen Entgelts.

b) Vorliegend hat die Einigungsstelle eine Lohnordnung für die angelernten Arbeitnehmer beschlossen, indem sie zunächst festlegte, welche Arbeitnehmer eine angelernte Tätigkeit ausübten, dann die angelernten Tätigkeiten zwei verschiedenen Lohngruppen zuordnete und regelte, daß die Höhe der Lohndifferenz mindestens 3,3 % zwischen beiden Gruppen betrug. Der Lohn für die angelernten Arbeitnehmer in beiden Lohngruppen sollte niedriger als die Löhne nach der tariflichen Lohngruppe I und höher als die nach der tariflichen Lohngruppe II sein.

2. Diese Regelung ist nicht bereits durch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen, wonach der Betriebsrat in den in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Angelegenheiten nur mitzubestimmen hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht.

Die notwendige Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen.

Entsprechend dem Sinn des Ausschlusses des Mitbestimmungsrechts bei einer bestehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelung greift der Vorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur ein, wenn die gesetzliche oder tarifliche Regelung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt und damit schon selbst dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts Genüge tut. Dem entspricht die ganz herrschende Meinung in der Literatur.

3. Der Lohn- und Gehalts-TV für die Westfälische Fleischwarenindustrie enthält keine inhaltliche und abschließende Regelung über die Grundsätze, nach denen die angelernten Arbeitnehmer entlohnt werden sollen. § 2 des Tarifvertrages enthält nur Lohngruppen für Gesellen, Facharbeiter sowie Handwerker, Kraftfahrer, Maschinisten und Heizer (Lohngruppe I), für ungelernte Arbeitnehmer mit schweren Arbeiten (Lohngruppe II) sowie ungelernte Arbeitnehmer mit leichteren Arbeiten (Lohngruppe III). Die Vorschrift des § 3 des Tarifvertrages ordnet ausdrücklich an, daß die Löhne für angelernte Arbeitnehmer individuell in den Betrieben unter Hinzuziehung des Betriebsrates vereinbart werden. § 3 stellt lediglich den Grundsatz auf, "daß das bisherige Verhältnis dieser Löhne zum Facharbeiterlohn bzw. Arbeiterlohn in keinem Falle verschlechtert wird".

Soweit in dem Tarifvertrag die Vereinbarung der Höhe der Löhne den Arbeitsvertragsparteien überlassen wird, löst dies kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus, denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird vom Mitbestimmungsrecht nicht gedeckt die Bestimmung der Höhe des Entgelts. Entscheidend ist, daß der Tarifvertrag keinerlei Kriterien für die Löhne der angelernten Arbeitnehmer enthält, keinerlei Gewichtung vorsieht und deshalb eine Transparenz bei der Lohnfindung nicht ermöglicht, die Arbeitnehmer auch nicht vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützt.

Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Herausnahme der angelernten Arbeitnehmer aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages als schlichte Nichtregelung verstanden wird oder als gewollte Negativregelung. In beiden Fällen kann die Tarifnorm dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung zu schützen, die Kriterien für die Lohngestaltung und deren Gewichtung offenzulegen und damit die betriebliche Lohnfindung transparent zu machen, nicht Genüge tun. Nur eine die sachliche Substanz selbst regelnde gesetzliche oder tarifliche Norm könnte das Mitbestimmungsrecht verdrängen.

4. Der Spruch der Einigungsstelle verstößt auch nicht gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, insbesondere hat er nicht die Grenzen des Mitbestimmungsrechts überschritten.

a) Richtig ist der Hinweis der Rechtsbeschwerde, daß die Betriebsparteien und damit ebenso die Einigungsstelle nicht verbindlich festlegen können, was unter einem angelernten Arbeitnehmer zu verstehen ist, denn hierbei handelt es sich nicht um eine Regelungs-, sondern um eine Rechtsfrage, die im Streitfalle von den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden ist. Wohl aber kann die Einigungsstelle im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für die Entlohnung von angelernten Arbeitnehmern differenzieren und die Tätigkeiten zwei verschiedenen Lohngruppen zuordnen, so wie das die Tarifvertragsparteien für die ungelernten Arbeitnehmer getan haben. Wird - wie im vorliegenden Falle - nach der Dauer der Anlernzeit unterschieden, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Einigungsstelle die Tätigkeiten aufzählt, die wegen der Dauer der Anlernzeit der einen oder der anderen Lohngruppe zugeordnet werden. Mit dem Aufstellen solcher Tätigkeitsbeispiele wird das Lohngruppensystem ausdifferenziert. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß die von der Lohngruppe I a erfaßten Tätigkeiten auch tatsächlich eine Einarbeitungszeit von zwei Monaten und die der Lohngruppe I b zugeordneten Tätigkeiten eine Einarbeitung von einem Monat erfordern, hat die Rechtsbeschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen, so daß der Senat hieran nach § 561 ZPO gebunden ist.

b) Ist es Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, eine transparente Lohnordnung für den Betrieb aufzustellen und zu einer innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit beizutragen, so ist von dem Mitbestimmungsrecht gedeckt nicht nur die Entscheidung, für die angelernten Arbeitnehmer nach der Dauer der Anlernzeit zwei verschiedene Lohngruppen zu bilden, sondern auch die Regelung, daß eine abstrakt bestimmte Mindestdifferenz zwischen den Löhnen beider Entgeltgruppen für die angelernten Arbeitnehmer bestehen muß. Zur Ausgestaltung des Entlohnungsgrundsatzes gehört nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Aufstellung des Entgeltsystems mit allen seinen Einzelheiten sowie die Bildung von Gehaltsgruppen nach bestimmten Kriterien einschließlich der isolierten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen oder sonstigen Bezugsgrößen.

Auch mit der Entscheidung, daß der Lohn für die angelernten Tätigkeiten zwischen den tariflichen Mindestlöhnen der Lohngruppe I (Facharbeiter) und der Lohngruppe II (ungelernte Arbeitnehmer mit schweren Arbeiten) liegen soll, hält sich die Einigungsstelle im Rahmen des Mitbestimmungsrechts. Auch mit dieser Festlegung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Lohnhöhe der angelernten Arbeitnehmer nicht festgelegt. Die Einigungsstelle setzt nur die von ihr wegen des Untätigbleibens der Tarifvertragsparteien gebildeten Lohngruppen für die angelernten Arbeitnehmer in ein Verhältnis zu den Tarifgruppen. Dies muß sie tun, will sie eine Gewichtung der Tätigkeit der angelernten Arbeitnehmer gegenüber der der Facharbeiter einerseits und der der ungelernten Arbeitnehmer andererseits erreichen. Dieser Teil der Regelung entspricht auch der Tendenz des Tarifvertrages; wenn in § 3 des Tarifvertrages festgehalten wird, daß das bisherige Verhältnis der Löhne der angelernten Arbeitnehmer zum Facharbeiterlohn bzw. Arbeiterlohn in keinem Falle verschlechtert werden darf, spricht viel dafür, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Lohn der angelernten Arbeitnehmer zwischen dem der Facharbeiter und dem der ungelernten Arbeiter liegen soll. Dem Arbeitgeber ist auch jetzt noch unbenommen, mit dem einzelnen Arbeitnehmer die Höhe des Lohnes zu vereinbaren. Er muß nur beachten, daß die Lohnhöhe der angelernten Arbeitnehmer zwischen dem tariflichen Mindestlohn der Tarifgruppen I und II liegen muß, außerdem ist nach dem Spruch der Einigungsstelle zu berücksichtigen, daß der Lohn für die Tätigkeiten, die eine Anlernzeit von ein und zwei Monaten erfordern, wenigstens um 3,3 % differiert. Der Arbeitgeber hat bei dieser von der Einigungsstelle gefundenen Lösung noch einen breiten Spielraum zur Festlegung des individuellen Lohns. Es ist ihm nicht vorgeschrieben, um wieviel Prozent der Lohn der angelernten Arbeitnehmer über dem tariflichen Mindestlohn des ungelernten Arbeitnehmers mit schweren Arbeiten liegen muß. Er kann also die ganze Bandbreite zwischen den Lohngruppen I und II ausschöpfen, muß nur dabei beachten, daß die Löhne der angelernten Arbeitnehmer mit einer Anlernzeit von zwei Monaten um 3,3 % höher sind als die der Arbeitnehmer mit einer Anlernzeit von einem Monat.

5. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, der Beschluß der Einigungsstelle verletze nicht § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG.

Nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG faßt die Einigungsstelle ihre Beschlüsse "unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen". Diese Ermessensentscheidung kann von den Gerichten für Arbeitssachen nur daraufhin überprüft werden, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (§ 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG). Gegenstand der Überprüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats das Ergebnis der Tätigkeit der Einigungsstelle. Ob der Spruch der Einigungsstelle die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens beachtet hat, beurteilt sich allein danach, ob die durch den Spruch getroffene Regelung als solche sich innerhalb dieser Grenzen hält, das heißt nach billigem Ermessen die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt. Es kommt nicht darauf an, durch welche Tatsachen und Annahmen die Einigungsstelle zu ihrem Spruch gekommen ist und ob die diesem Spruch zugrundeliegenden Erwägungen der Einigungsstelle folgerichtig waren und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben.

Schon von daher ist die Rüge der Rechtsbeschwerde, die Einigungsstelle habe einen Ermessensfehler begangen, indem sie das Ermessen nicht ausgeübt habe, unbegründet. Die Rechtsbeschwerde hat nämlich nicht behauptet, die Einigungsstelle habe den ihr vorgelegten Konflikt der Betriebspartner nicht vollständig durch eine eigene Regelung gelöst, sondern die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe das Ermessen nicht ausgeübt, weil sie unzutreffenderweise davon ausgegangen sei, der Tarifvertrag binde sie dahin, die Tätigkeit angelernter Arbeitnehmer gegenüber der von ungelernten Arbeitnehmern mit schweren Arbeiten stets als höherwertig zu behandeln. Selbst wenn die Einigungsstelle dem Tarifvertrag eine solche Wertung entnommen hätte, würde dies nichts daran ändern, daß die Einigungsstelle den Konflikt zwischen den Tarifparteien vollständig gelöst hat, sie gerade auch die betrieblichen Lohngruppen für die angelernten Arbeitnehmer in ein bestimmtes Verhältnis zu den tariflichen Lohngruppen der Facharbeiter und der ungelernten Arbeiter gestellt hat. Der Spruch der Einigungsstelle würde dann möglicherweise auf unrichtigen Erwägungen beruhen, das ändert aber nichts daran, daß das Ermessen ausgeübt worden ist.

Abgesehen davon hat die Einigungsstelle keineswegs bei der Wertung, daß die Tätigkeiten der angelernten Arbeitnehmer geringerwertig als die der Facharbeiter und höherwertig als die der ungelernten Arbeitnehmer sind, sich durch den Tarifvertrag gebunden gefühlt. In der Begründung zu dem Einigungsstellenbeschluß heißt es, daß von der Mehrheit der Mitglieder der Einigungsstelle nicht die Auffassung vertreten wird, daß bereits mittelbar aus der tariflich vorgegebenen Unterscheidung zwischen Gesellen, Facharbeitern, ungelernten Arbeitnehmern und angelernten Arbeitnehmern sich zwingend durch Auslegung des Tarifvertrages ergeben muß, daß der Lohn der angelernten Arbeitnehmer ausnahmslos höher als das Arbeitsentgelt der ungelernten Arbeitnehmer liegen muß. Nach Auffassung der Einigungsstelle führen die Facharbeiter gegenüber den angelernten Arbeitnehmern eine qualitativ höherwertige Arbeit aus, andererseits hat nach Auffassung der Einigungsstelle der angelernte Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit als der ungelernte Arbeitnehmer auch mit schweren Arbeiten zu erbringen, aus diesem Grunde hat die Einigungsstelle festgelegt, daß die betrieblichen Lohngruppen für die angelernten Arbeitnehmer zwischen die tariflichen Lohngruppen I und II einzuordnen sind. Diese Ermessensausübung erscheint nicht zwingend, erscheint aber auch nicht sachfremd. Auch die Rechtsbeschwerde hat nicht dargelegt, weshalb das Ergebnis ermessensfehlerhaft sein soll. Das Ergebnis des Spruchs im übrigen wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen. Bei der Differenzierung von angelernten Arbeitnehmern mit einer Anlernzeit von einem Monat und von mehr als zwei Monaten ist kein Anhaltspunkt erkennbar dafür, daß die Einigungsstelle die Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nicht angemessen berücksichtigt hätte. Ebenso ist nicht erkennbar, inwiefern die Mindestdifferenz von 3,3 % zwischen den Löhnen der angelernten Arbeitnehmer mit einer Anlernzeit von einem und von mehr als zwei Monaten die Belange der Belegschaft bzw. des Arbeitgebers nicht angemessen berücksichtigen würde.