Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung

BAG 1 ABR 73/89 vom 21. Aug. 1990

Leitsatz

Kündigt der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung über eine freiwillige Leistung, so wirken ihre Regelungen nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht nach. Die Arbeitnehmer haben nach Ablauf der Betriebsvereinbarung keinen Anspruch mehr auf die in der Betriebsvereinbarung geregelten Leistungen.

Gründe

A. Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen am 10. Dezember 1987 eine Betriebsvereinbarung, die u.a. wie folgt lautet:

Zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat wird vereinbart:

1. Ab 1988 wird den Beschäftigten des Bereiches Hamburg/Nord eine jährliche Sonderzahlung in Höhe des monatlichen Bruttoentgelts entsprechend dem am 1.10.86 vereinbarten Gehaltstableau gezahlt.

2. Die Auszahlung dieser Sonderzuwendung erfolgt jeweils im Mai bzw. November des laufenden Jahres zu je 50 v.H. ...

Am 27. Juni 1988 schrieb der Arbeitgeber an den Betriebsrat:

Betr.: Betriebsvereinbarung vom 4.10.1986 nebst Ergänzung vom 10.12.1987

Hiermit kündige ich fristgemäß zum 30.9.1988 die oben aufgeführte Betriebsvereinbarung. Diese Kündigung geschieht rein vorsorglich, da beabsichtigt ist, mit der zuständigen Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) einen Tarifvertrag abzuschließen. Demgemäß muß auch aus formalen Gründen die Betriebsvereinbarung beendet werden. Die Betriebsvereinbarung vom 4.10.1986 sieht eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum 30.9.1988 vor.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß die Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 trotz der erfolgten Kündigung über den 30. September 1988 hinaus nachwirke. Diese Betriebsvereinbarung habe Ansprüche der Arbeitnehmer auf eine Sonderzahlung, die zuvor auf einer Gesamtzusage beruht hätten, sichern wollen. Eine solche ablösende Betriebsvereinbarung könne durch eine Kündigung nicht ohne Nachwirkung beendigt werden. Erforderlich sei vielmehr der Abschluß einer neuen Betriebsvereinbarung.

Über eine solche neue Betriebsvereinbarung haben sich die Beteiligten nicht geeinigt. Der Betriebsrat hat daher die Bildung einer Einigungsstelle betrieben. Sein Antrag auf Bestimmung eines Vorsitzenden ist durch Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. April 1989 - 17 BV 1/89 - rechtskräftig abgewiesen worden.

Der Betriebsrat hat im vorliegenden Verfahren beantragt festzustellen, daß die mit Anschreiben vom 27. Juni 1988 gekündigte Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 über den 30. September 1988 nachwirkt, bis sie durch eine andere Betriebsvereinbarung ersetzt ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er ist der Ansicht, daß die gekündigte Betriebsvereinbarung nicht nachwirke. Vor Abschluß der Betriebsvereinbarung habe es keine Zusage über die Zahlung einer jährlichen Sonderzahlung im Betrieb gegeben.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter und beantragt hilfsweise festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 durch die Kündigung vom 27. Juni 1988 nicht aufgelöst ist.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen. Die gekündigte Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 wirkt nicht nach.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß nach § 77 Abs. 6 BetrVG eine Betriebsvereinbarung nur nachwirke, wenn ihre Regelung eine Angelegenheit betreffe, in der ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. Das sei bei der Betriebsvereinbarung über eine jährliche Sonderzahlung nicht der Fall. Bei dieser handele es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, zu der der Arbeitgeber nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle verpflichtet werden könne. Daß der Arbeitgeber aus anderen Gründen - aufgrund einer Gesamtzusage an die Arbeitnehmer des Betriebes - zur Zahlung der Sonderzahlung verpflichtet sei, sei nicht erwiesen. Der Betriebsrat habe nicht vorgetragen, wann und unter welchen Umständen eine solche Zusage gemacht worden sei.

Dem ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.

II. Eine Betriebsvereinbarung über eine sogenannte freiwillige Leistung des Arbeitgebers wirkt nach erfolgter Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht nach.

1. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten die Regelungen einer Betriebsvereinbarung in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, nach Ablauf der Betriebsvereinbarung, also nach deren Kündigung, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Eine Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung kommt danach nur dann in Betracht, wenn die in der Betriebsvereinbarung getroffene Regelung eine Angelegenheit der sogenannten erzwingbaren Mitbestimmung betrifft. Ist die Angelegenheit nur der freiwilligen Mitbestimmung zugänglich, wirkt die in ihr getroffene Regelung nach Ablauf der Betriebsvereinbarung, bei einer Kündigung also nach Ablauf der Kündigungsfrist, nicht nach. Darauf, ob die Betriebsvereinbarung freiwillig abgeschlossen worden ist oder auf einem Spruch der Einigungsstelle beruht, kommt es nicht an.

2. Der gesetzlichen Regelung läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, inwieweit eine Betriebsvereinbarung nachwirkt, die eine Angelegenheit regelt, die zum Teil der freiwilligen Mitbestimmung, zum Teil der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Um solche Betriebsvereinbarungen handelt es sich in der Regel dann, wenn in ihnen die Zahlung einer sogenannten freiwilligen Leistung des Arbeitgebers geregelt wird. Bei der Gewährung solcher freiwilliger Leistungen hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinsichtlich des sogenannten Leistungsplanes mitzubestimmen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Mitbestimmungsfrei ist hingegen die Entscheidung des Arbeitgebers, ob er überhaupt eine freiwillige Leistung erbringen und welche Mittel er dafür zur Verfügung stellen will. Der Betriebsrat kann über einen Spruch der Einigungsstelle die Gewährung einer freiwilligen Leistung nicht erzwingen.

a) Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 18. April 1989 ausgesprochen, daß im Falle der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung keine Nachwirkung eintritt. Für eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines übertariflichen Urlaubsgeldes hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1989 ebenfalls eine Nachwirkung für die Zeit nach Ablauf der Betriebsvereinbarung verneint. Auch der Sechste Senat hat eine Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung über ein freiwilliges Weihnachtsgeld abgelehnt. Alle Entscheidungen gehen davon aus, daß der Betriebsrat nur über den jeweiligen Leistungsplan mitzubestimmen habe, ein Mitbestimmungsrecht daher nur so lange bestehe, wie der Arbeitgeber die freiwillige Leistung auch gewähre. Falle die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung infolge der Kündigung der Betriebsvereinbarung weg, sei für einen mitbestimmten Verteilungsplan kein Raum mehr.

b) Vor den genannten Entscheidungen ist die Frage der Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen im Schrifttum nur vereinzelt erörtert worden. Schwerdtner hat die Ansicht vertreten, auch freiwillige Betriebsvereinbarungen über eine Ruhegeldordnung wirkten analog § 4 Abs. 5 TVG für die bei Kündigung der Betriebsvereinbarung bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse nach. Der Einsatz der Betriebsvereinbarung als Gestaltungsmittel dürfe nicht dazu führen, daß bei derart kollektivrechtlich begründeten Ansprüchen der Arbeitnehmer schlechter stehe als bei einzelvertraglichen Zusagen. Hanau unterscheidet danach, ob die Kündigung einer solchen teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung erfolgt, um den Verteilungsplan zu ändern oder ob sie auf eine ersatzlose Beseitigung der Leistung abzielt. Nur im ersteren Falle wirke die Betriebsvereinbarung bis zur Vereinbarung eines neuen Leistungsplanes nach. Blomeyer ist hingegen der Ansicht, daß sich die Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen über teilmitbestimmungspflichtige Sozialleistungen automatisch auch auf die mitbestimmungsfreie Vorgabe erstrecke, die Betriebsvereinbarung also insgesamt nachwirke. Der Arbeitgeber habe jedoch einen Anspruch gegen den Betriebsrat auf Neuabschluß einer Betriebsvereinbarung, die die mitbestimmungsfreie Vorgabe - nämlich die Abschaffung der Sozialleistung - beachten müsse. Diese mitbestimmungsfreie Vorgabe sei auch für die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung verbindlich.

Leinemann ist wie die genannten Entscheidungen der Ansicht, daß nach Kündigung einer solchen teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung kein Raum mehr sei für einen mitbestimmten Verteilungsschlüssel und daher die Betriebsvereinbarung nicht nachwirke. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither haben sich im Ergebnis der Ansicht von Hanau angeschlossen. Kreutz hält die Frage für nicht ausdiskutiert und referiert lediglich den dargelegten Meinungsstand. Zusätzlich weist er darauf hin, bei auf Dauer gedachten Sozialleistungen seien Betriebsvereinbarungen zum Schutz begründeter Rechte und Anwartschaften im Zweifel dahin auszulegen, daß ihre Kündigung ganz oder teilweise ausgeschlossen sein soll.

c) Nach den genannten Entscheidungen haben sich Richardi und erneut Blomeyer mit der Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen befaßt. Richardi geht dabei ebenso wie schon in seinem Kommentar davon aus, daß § 77 Abs. 6 BetrVG lediglich zum Schutz der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eine Weitergeltung mitbestimmungspflichtiger Betriebsvereinbarungen nach ihrem Ablauf anordne, mithin ein anderes Ordnungsproblem regele als § 4 Abstvg. 5 TVG. Hinsichtlich der Frage, welche Wirkungen eine gekündigte Betriebsvereinbarung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer habe, bestehe daher eine Regelungslücke, die durch analoge Anwendung von § 4 Abs. 5 TVG zu schließen sei. Das führe dazu, daß auch freiwillige Betriebsvereinbarungen nach ihrem Ablauf nachwirkten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt würden. Gelte das schon für freiwillige Betriebsvereinbarungen, so erst recht für teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen. Dem hat sich Blomeyer, der in seiner früheren Stellungnahme die Annahme einer solchen Regelungslücke noch als nicht überzeugend abgelehnt hat, im wesentlichen angeschlossen. Die Normen einer abgelaufenen Betriebsvereinbarung entfalten danach analog § 4 Abs. 5 TVG eine Nachwirkung für die Arbeitsverhältnisse, die bereits durch die abgelaufene Betriebsvereinbarung gestaltet worden sind.

3. Der Senat folgt der Ansicht des Dritten, Sechsten und Achten Senats. Nur dann, wenn teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen keine Nachwirkung entfalten, wird sichergestellt, daß der Arbeitgeber mit Mitteln des Betriebsverfassungsrechts nicht gezwungen wird, eine freiwillige Leistung länger zu erbringen, als er aufgrund der in der Betriebsvereinbarung eingegangenen Bindung verpflichtet ist. Haben die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung über eine freiwillige Leistung abgeschlossen, zu deren Gewährung der Arbeitgeber nicht über einen Spruch der Einigungsstelle gezwungen werden kann, so haben die Arbeitnehmer auf diese freiwillige Leistung einen Anspruch nur so lange, wie diese Betriebsvereinbarung in Kraft ist. Der Umstand, daß die nähere Ausgestaltung der freiwilligen Leistung durch den sogenannten Leistungsplan der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ändert daran nichts. Ein solcher Leistungsplan ist auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrats bei freiwilligen Arbeitgeberleistungen - Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit - nur so lange von Bedeutung, als der Arbeitgeber die freiwillige Leistung erbringt. Der Senat hat daher schon in seiner Entscheidung vom 13. September 1983 für den vergleichbaren Fall der Mitbestimmungspflichtigkeit des Geldfaktors einer freiwilligen Prämie ausgesprochen, daß auch ein Spruch der Einigungsstelle über den Geldfaktor der Prämie den Arbeitgeber nur dann und so lange bindet, wie dieser die Prämie gewähren will und auch gewährt. Der Arbeitgeber kann daher trotz eines Spruchs der Einigungsstelle über die Höhe des Geldfaktors der Prämie noch von der Gewährung der Prämie überhaupt absehen. Dann kann ihn aber auch eine Betriebsvereinbarung über den Leistungsplan, auch wenn dieser der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, nicht hindern, die in der Betriebsvereinbarung gleichzeitig - freiwillig - begründete Verpflichtung zur Erbringung der zusätzlichen Leistung durch Kündigung der Betriebsvereinbarung zum Erlöschen zu bringen. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung für deren Laufzeit, jährlich einen bestimmten Betrag als Weihnachtsgratifikation an die Arbeitnehmer zu zahlen und wird in einer weiteren Betriebsvereinbarung - gegebenenfalls durch einen Spruch der Einigungsstelle - der Verteilungsplan für diese Leistung geregelt, so braucht der Arbeitgeber, wenn er die Zahlung der Gratifikation einstellen will, lediglich die erstgenannte Betriebsvereinbarung fristgemäß zu kündigen. Schon damit wird die Betriebsvereinbarung über den Leistungsplan gegenstandslos. Sie braucht nicht einmal gekündigt zu werden. Die Frage ihrer Nachwirkung stellt sich damit überhaupt nicht. Für die rechtliche Behandlung der Kündigung der freiwillig eingegangenen Verpflichtung, eine freiwillige Leistung zu erbringen, kann es aber keinen Unterschied machen, ob die Zusage der freiwilligen Leistung und der Verteilungsplan in einer Betriebsvereinbarung oder getrennt geregelt sind.

4. Die im Schrifttum gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen.

Das gilt zunächst für die Ansicht von Richardi, § 77 Abs. 6 BetrVG regele überhaupt nicht die Frage, welchen Einfluß der Ablauf einer Betriebsvereinbarung auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer habe. Es ist verfehlt, in § 77 Abs. 6 BetrVG nur eine - geradezu versehentlich erfolgte - Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats zu sehen. Einer solchen Sicherung bedarf es nicht. Da in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eine Regelung überhaupt nur unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats möglich ist, kann auch eine "andere Abmachung" im Sinne von § 77 Abs. 6 BetrVG - solange die Angelegenheit überhaupt mitbestimmungspflichtig ist - nur eine neue mitbestimmte Regelung sein. Wenn daher § 77 Abs. 6 BetrVG bestimmt, daß nach Ablauf der mitbestimmten Betriebsvereinbarung deren Regelung bis zum Abschluß der neuen Abmachung weitergilt, so soll damit nicht die Mitbestimmungspflichtigkeit der neuen Regelung gesichert, sondern aus der Mitbestimmungspflichtigkeit einer Regelung dieser Angelegenheit überhaupt die Konsequenz gezogen werden, daß trotz Kündigung der Betriebsvereinbarung diese mitbestimmte Regelung weitergilt, und zwar so, wie dies § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG vorschreibt, unmittelbar und zwingend. Auch die weitergeltende Betriebsvereinbarung gestaltet daher die Arbeitsverhältnisse der von ihrer Regelung betroffenen Arbeitnehmer. Schreibt aber § 77 Abs. 6 BetrVG diese Nachwirkung nur für Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung vor, kann die gleiche Rechtsfolge für eine freiwillige Betriebsvereinbarung nicht durch eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 5 TVG herbeigeführt werden, zumal ein Grund, der eine Nachwirkung auch freiwilliger Betriebsvereinbarungen erforderlich machen könnte, nicht ersichtlich ist.

Wenn Hanau der Ansicht ist, teilmitbestimmte Betriebsvereinbarungen wirkten jedenfalls dann nach, wenn die Kündigung der Betriebsvereinbarung nur eine Änderung des Leistungsplanes zum Ziele hat, so ist über diese Fallgestaltung hier nicht zu entscheiden. Mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 sollte die Verpflichtung zur Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung ganz zum Erlöschen gebracht werden. Für diesen Fall geht auch Hanau davon aus, daß die teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung nicht nachwirkt.

Wenn dem Dritten Senat vorgeworfen wird, er anerkenne mittelbar eine Nachwirkung teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen, wenn er die aufgrund der gekündigten Betriebsvereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung erworbenen Besitzstände der betroffenen Arbeitnehmer schütze, so wird damit die Entscheidung des Dritten Senats mißverstanden. Der Dritte Senat unterscheidet streng zwischen der Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung und den aufgrund der gekündigten Betriebsvereinbarung schon erworbenen Besitzständen der Arbeitnehmer, die durch die Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht berührt werden. Wenn der Dritte Senat meint, daß solche erworbenen Besitzstände kraft Gesetzes in gewissem Umfange geschützt sind, so anerkennt er damit nicht eine Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung, sondern trägt nur der Tatsache Rechnung, daß durch die Kündigung einer Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern nicht rückwirkend bereits erworbene Rechte entzogen werden können.

5. Wenn schließlich die Rechtsbeschwerde meint, es könne nicht richtig sein, daß der Arbeitgeber sich von einer durch Betriebsvereinbarung begründeten Leistungspflicht leichter lossagen könne als von einer einzelvertraglichen Zusage, so vermag auch das eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Schon der Ausgangspunkt dieser Ansicht ist unzutreffend. Auch eine einzelvertragliche Zusage kann von vornherein befristet oder widerruflich ausgestaltet sein, so daß es zur Beseitigung des Anspruchs auf die Leistung weder eines Aufhebungsvertrages noch einer Änderungskündigung bedarf. Daß eine ohne eine solche Einschränkung auf Dauer zugesagte Leistung notfalls nur durch eine Änderungskündigung beseitigt werden kann, gegen die der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, besagt nicht, daß der Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung nicht eine Verpflichtung begründen dürfte, von der er sich leichter lösen kann.

Nach allem wirkt die Betriebsvereinbarung vom 10. Dezember 1987 über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung nach ihrer Kündigung nicht nach. Das Landesarbeitsgericht hat daher den Antrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen, so daß die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats nicht begründet ist.