Ansprüche auf Vorlage Gehaltslisten - elektronische bzw. gedruckte Form - Betriebsrat

LAG 8 TaBV 42/18 vom 23. Okt. 2018

Tenor:

  1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 06.07.2018 - Az. 11 BV 47/18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über Ansprüche auf Vorlage von Gehaltslisten in elektronischer bzw. gedruckter Form.

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin bietet Privat- und Geschäftskunden Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Mobilfunk, Festnetz, Datendienste und Breitbandinternet an. In ihrer in E. ansässigen Zentralverwaltung ist der antragstellende 27köpfige Betriebsrat gebildet. Er verfügt über eine Sekretariatskraft, die selbst Mitglied des Betriebsrats ist.

In den ersten fünf Monaten des Jahre 2018 machten 28 betriebsangehörige Arbeitnehmer Auskunftsansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz geltend. Die Arbeitgeberin erklärte gemäß § 14 Abs. 2 EntgTranspG, dass sie die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung generell oder in bestimmten Fällen selbst übernehme. Sie unterrichtet den Betriebsrat regelmäßig per E-Mail über die eingehenden Anfragen der Mitarbeiter und die erteilten Auskünfte. Die Arbeitgeberin gewährt dem Betriebsrat Einsicht in die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Listen über die Bruttolöhne und -gehälter der Beschäftigten betreffend die Entgeltbestandteile einschließlich übertariflicher Zulagen und individuell ausgehandelter Zahlungen. Der Betriebsrat kann die Entgeltlisten entweder auf einem ihm zur Verfügung gestellten PC als pdf-Datei oder als Ausdruck dieser Datei einsehen. Er hat dabei die Möglichkeit, sich Notizen zu machen und Auswertungen - etwa Berechnungen - unter Zuhilfenahme elektronischer Hilfsmittel wie Taschenrechner oder Laptop vorzunehmen.

Keine Einigkeit zwischen den Beteiligten besteht, ob der Betriebsrat neben der Einsichtnahme auch eine Überlassung der Entgeltlisten verlangen kann. Nach entsprechender Beschlussfassung in seiner Sitzung vom 10.01.2018 machte der Betriebsrat einen solchen Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin geltend. Im Rahmen der sich anschließenden Korrespondenz der Beteiligten, wegen deren Inhalts auf Blatt 10 ff. der Akte verwiesen wird, konnte ein Einvernehmen nicht erzielt werden.

Mit dem vorliegenden, am 07.03.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag im Beschlussverfahren verfolgt der Betriebsrat sein Begehren nunmehr gerichtlich. Er hat gemeint, ihm seien über §§ 13 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG, 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG umfassende Aufgaben im Bereich der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb überantwortet worden, die sich gerade nicht in der Erteilung von Auskünften nach §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 2 EntgTranspG erschöpften. Zur Erfüllung dieser Aufgaben habe der Betriebsausschluss gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG nicht nur das Recht auf Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten, sondern dürfe diese auch auswerten. Unter Auswertung sei die Verarbeitung (Sortieren von Daten, Anstellen von Berechnungen und Vergleichen) im Sinne des § 3 Abs. 4 BDSG, Art. 4 Nr. 2 DSGVO zu verstehen. Dies sei ohne Überlassen der Entgeltlisten bzw. die Möglichkeit, diese zu fotografieren, zu fotokopieren bzw. zur Gänze abzuschreiben nicht möglich. Das setzte in der Reihenfolge von Haupt- und Hilfsanträgen die Übermittlung der entsprechend aufgeschlüsselten Listen in elektronischer Form (Hauptantrag), in ausgedruckter Papierform (Hilfsantrag zu 1.), eines PC mit dort gespeicherten Listen (Hilfsantrag zu 2.) bzw. das Zurverfügungstellen von Büropersonal, welches die Listen abschreiben könne (Hilfsantrag zu 3.).

Der Betriebsrat hat beantragt,

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

Sie hat die Auffassung vertreten, die Anträge seien mangels Bestimmtheit unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Dem Begehren des Betriebsrats stehe nicht nur der eindeutige Wortlaut von § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG entgegen. Der Betriebsrat verkenne vielmehr auch, dass sich am Aufgabenkanon des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb mit Einführung des EntgTranspG nichts geändert habe, sehe man von der Einbindung in die Auskunftserteilung ab. Demzufolge führe die Gesetzesbegründung ausdrücklich aus, dass die bisherige Rechtslage zum bloßen Einsichtsrecht des Betriebsausschusses in die Entgeltlisten fortgelten solle. "Auswerten" meine ein Verarbeiten auf Basis der Einsichtnahme, mehr nicht. Wo das EntgTranspG - wie in § 20 - eine Vorlagepflicht von Unterlagen normieren wolle, da sage es das auch. Für eine zurückhaltende Auslegung des § 13 Abs. 2 EntgTranspG stritten zudem die Grundsätze des Datenschutzes. Das Zurverfügungstellen einer Schreibkraft könne der Betriebsrat schon deshalb nicht verlangen, weil die Entgeltlisten nicht komplett abgeschrieben werden dürften. Abgesehen davon verfüge er bereits über eine Sekretariatskraft.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 06.07.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Wortlaut des § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG und die in der BT-DrS 18/11133 enthaltene Gesetzesbegründung sprächen eindeutig dafür, dass sich an der bisherigen Rechtslage nichts ändern solle. Die Aufführung des Begriffs "einzusehen" ergebe keinen Sinn, wenn unter "verarbeiten" dann doch ein Aushändigen der Bruttoentgeltlisten zu verstehen sein sollte. Bedenken an der Praktikabilität der Regelung müssten deshalb als nachrangig behandelt werden. Der auf die Gestellung zusätzlichen Personals gerichtete Hilfsantrag zu 3. bleibe aus den von der Arbeitgeberin vorgebrachten Argumenten ohne Erfolg.

Gegen den ihm am 16.07.2018 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Betriebsrat mit einem am 06.08.2018 bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Er meint, das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Gesetzesbegründung nur besage, dass es für die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem EntgTranspG keiner Überlassung von Entgeltlisten an den Betriebsausschuss bedürfe. Der Betriebsrat stütze seinen Anspruch jedoch auf § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, wonach ihm auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Diese seien durch die Schaffung des EntgTranspG erweitert worden, weil der Betriebsrat explizit in die Pflicht zur Förderung der "Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb" und die Überwachung der Beachtung der dort normierten speziellen Diskriminierungsverbote eingebunden sei. Gerade dafür sei ihm das Recht zuerkannt worden, die Entgeltlisten "auszuwerten". Dies erfordere insbesondere in größeren Betrieben zwingend deren Überlassung, gleich in welcher Form. Es könne nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein, einen Rechtsanspruch zu schaffen und ihn gleichzeitig faktisch zu verunmöglichen.

Der Betriebsrat beantragt,

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Hauptantrag zu II.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Hauptantrag zu II. und dem Hilfsantrag zu 1.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Hauptantrag zu II. und dem Hilfsantrag zu 1. und 2.:

Die Arbeitgeberin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie verweist darauf, dass sich im Hinblick auf das Zurverfügungstellen von Entgeltlisten an Betriebsrat bzw. Betriebsausschuss durch das EntgTranspG gegenüber der vorher bestehenden Rechtslage nichts geändert habe und auch nichts habe ändern sollen. § 80 Abs. 2 Satz 2, 2 Halbsatz BetrVG stelle die maßgebliche Befugnisnorm dar, die der Gesetzgeber zur Klarstellung in § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG übernommen habe. Die dort angeführte "Auswertung" der Entgeltlisten stehe in untrennbarem Zusammenhang mit der zuvor geregelten (bloßen) Einsichtnahme in diese. Gleiches lasse auch § 13 Abs. 3 EntgTranspG erkennen. Nach Wortlaut und Systematik bliebe unerklärlich, warum der Gesetzgeber ein Einsichtsrecht normiere, wenn zugleich die Überlassung der Listen geboten sein solle. Auch die Gesetzeshistorie streite gegen die vom Betriebsrat vorgenommene Auslegung. Unzutreffend sei, dass durch das EntgTranspG der Aufgabenkreis des Betriebsrats erweitert worden sei; vielmehr seien die bereits zuvor in § 80 Abs. 1 Nr. 2a) BetrVG genannten Aufgaben lediglich konkretisiert worden. Im Übrigen verbiete sich die Überlassung von Entgeltlisten an den Betriebsrat nach den Vorgaben der DSGVO schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen. Schon vor dem Hintergrund des hohen Haftungsrisikos aus Art. 82, 83 DSGVO sei nicht anzunehmen, dass ein Arbeitgeber ohne hinreichend klare gesetzliche Verpflichtung gezwungen sein solle, mehrmals im Jahr Kopien von Entgeltlisten anzufertigen und an den Betriebsrat weiterzuleiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.


II.1.


Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 ArbGG.

2.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

a.

Die Anträge des Betriebsrats sind zulässig; sie weisen insbesondere die gemäß § 253 Abs. 2 Nr.2 ZPO erforderliche hinreichende Bestimmtheit auf. Der Betriebsrat begehrt - orientiert am Wortlaut des § 13 Abs. 3 EntgTranspG - nach Maßgabe des Hauptantrags die Übergabe von (Brutto-)Entgeltlisten, auf denen nach Geschlecht aufgeschlüsselt umfassend die an alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten gewährten Entgeltbestandteile aufgeführt sind. Dass hiervon irgendwelche Entgeltbestandteile nicht erfasst sein sollen, lässt sich weder den Anträgen noch ihrer Begründung entnehmen. Zwischen den Beteiligten scheinen auch keine Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der Listen zu existieren, denn diese müssten gleichermaßen bei der Einsichtnahme auftreten, die die Arbeitgeberin aber unstreitig gewährt, ohne dass der Betriebsrat insoweit Rügen erhebt. Dass der Betriebsrat weiterhin keine Stichtage oder zeitliche Übergaberhythmen in die Anträge aufgenommen hat, folgt aus dem Fehlen entsprechender Vorgaben im Gesetz und kann nicht anders verstanden werden, als dass die Übergabe der Listen immer dann erfolgen soll, wenn der Betriebsrat dies verlangt, ohne sich dabei rechtsmissbräuchlich zu verhalten. Eine nähere Konkretisierung oder gar Einschränkung ist unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht zu verlangen. In diesem Sinne ist in der Rechtsprechung des BAG durchaus anerkannt, dass das Recht auf Einsichtnahme in Bruttolohn- und Gehaltslisten aus § 80Abs. 2 Satz 2 BetrVG in zulässiger Weise ohne weitere Beschreibungen gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. etwa den Beschluss vom 14.01.2014 - 1 ABR 54/12, NZA 2014, 738).

b.

Die Anträge sind jedoch - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat - unbegründet. Der Betriebsrat kann weder die Übergabe der Entgeltlisten in elektronischer oder gedruckter Form, noch die Überlassung eines PC, auf dem die Listen gespeichert sind, noch die Gestellung zusätzlichen Büropersonals zwecks Schaffung einer "Abschreibemöglichkeit" der Listen verlangen. Derartige Ansprüche bestehen auch nach Inkrafttreten des EntgTranspG generell nicht; darauf, ob der Begriff des "Auswertens" lediglich eine zeitweilige Überlassung rechtfertigte, kommt es nicht an.

aa.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass jedenfalls bis zum Inkrafttreten des EntgTranspG die streitigen Ansprüche des Betriebsrats nicht bestanden haben und sie nunmehr nicht deshalb existieren, weil der Betriebsrat in die Erteilung der Auskünfte gegenüber den Mitarbeitern gemäß §§ 10 f. EntgTranspG nach § 14 Abs. 1 EntgTranspG involviert wäre, denn diese erbringt die Arbeitgeberin gemäß § 14 Abs. 2 EntgTranspG selbst.

bb.

Der Betriebsrat meint jedoch, sein Aufgabenkanon sei im Zusammenhang mit der Schaffung des EntgTranspG wegen der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen im Betrieb generell dergestalt erweitert worden, dass er die Aufgaben sinnvoll nur bei Überlassung der Entgeltlisten erfüllen könne, insbesondere sei ansonsten die ihm gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG überantwortete "Auswertung" der Entgeltlisten nicht möglich. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Ihr steht die Auslegung des EntgTranspG entgegen.

aaa.

Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058; BAG, Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 374/16, NZA 2017, 378).

bbb.

Nach diesen Grundsätzen, denen sich das Gericht anschließt, lässt sich aus den Bestimmungen des EntgTranspG im Zusammenspiel mit § 80 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BetrVG kein Anspruch des Betriebsrats auf Überlassung von Entgeltlisten - egal in welcher Form - ableiten.

(1) Das EntgTranspG räumt dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsausschuss seinem Wortlaut nach an keiner Stelle einen Überlassungsanspruch ein, vielmehr spricht § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG von "hat das Recht … einzusehen". Spiegelbildlich verpflichtet § 13 Abs. 3 EntgTranspG den Arbeitgeber zur Gewährung von Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter der Beschäftigten. Das korrespondiert mit der in Bezug genommenen Spezialregelung des § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG, wonach der Betriebsausschuss berechtigt ist, in die Entgeltlisten "Einblick zu nehmen" (vgl. zur Verknüpfung LAG Hamm, Beschluss vom 19.09.2017 - 7 TaBV 43/17, NZA-RR 2018, 82, Rdz. 51). "Einsicht" bzw. "Einblick" verlangt indes gerade keine Einräumung einer dauerhaften physischen Verfügungsgewalt über die Entgeltlisten.

(2) Auch das dem Betriebsausschuss weiter gewährte Recht zur Auswertung der Entgeltlisten führt nicht zu einem mittelbar aus § 80 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz BetrVG zu gewinnenden Überlassungsanspruch. Nach allgemeinen Sprachgebrauch ist unter "auswerten" "im Hinblick auf seine Aussagekraft prüfen (und aufbereiten), nutzbar machen" (zitiert nach www.Duden.de, nachgeschaut am 22.10.2018) zu verstehen. Eine Auswertung in diesem Sinne setzt nicht notwendig eine (auch zeitlich) unbeschränkte Verfügungsgewalt über eine zu prüfende Unterlage voraus; vielmehr lassen sich auch aus bloß zu sichtenden Quellen Informationen herauslesen. Sähe der Gesetzgeber dies nicht ebenso, beschränkte sich das Einsichtsrecht aus § 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG auf einen reinen Selbstzweck: Wozu sollte der Betriebsausschuss in Entgeltlisten Einblick nehmen, wenn ihm dies keinen Erkenntnisgewinn verschaffte?

(3) Die Arbeitgeberin verweist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf, dass es eine arbeitsgesetzlich einheitliche Verwendung des Begriffs "auswerten" nicht gibt und insbesondere nicht ersichtlich ist, dass dieser im datenschutzrechtlichen Sinne zu interpretieren ist (vgl. Blatt 4 ff. der Beschwerdeerwiderung). Er ist vielmehr im Kontext der Regelungen des EntgTranspG zu lesen. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG hat der Betriebsausschluss das Recht, die Entgeltlisten "für die Erfüllung seiner Aufgaben nach Absatz 1" einzusehen und auszuwerten. Beide Vorgänge werden in einem Atemzug genannt, eine Differenzierung nach den unterschiedlichen Aufgaben des Betriebsrats nach § 13 Abs. 1 EntgTranspG findet nicht statt. Insbesondere lässt sich dem Gesetzeswortlaut kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Einsichtnahme nur mit der Auswertung zum Zwecke der Auskunftserteilung nach § 14 Abs. 1 EntgTranspG korrespondierte (was auch der Betriebsrat nicht in Zweifel zieht), während für die Auswertung zur Erfüllung weitergehender Aufgaben nach § 13 Abs. 1 EntgTranspG über das Einsichtsrecht hinaus ein Überlassungsrecht bestehen soll. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte er es ausdrücklich regeln müssen, und zwar insbesondere deshalb, weil beim Bestehen eines Anspruchs auf Überlassung umfassender Bruttoentgeltlisten - egal aus welchem Grund er gewährt wird - das Recht auf Einsichtnahme sinnentleert würde.

(4) Es ist nicht zu erkennen, wodurch sich der Aufgabenkanon des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des EntgTranspG, abgesehen von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung gemäß §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 2, geändert haben sollte mit der Folge, dass nach Sinn und Zweck nunmehr ein Anspruch auf Überlassung von Bruttoentgeltlisten anzuerkennen wäre, den es bisher nicht gab. Die in § 13 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG genannte Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb besteht "im Rahmen seiner (des Betriebsrats) Aufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG"; die Regelung betrifft nur eine bestimmte Ausprägung des geschlechtsneutralen Gleichstellungsgebotes und konkretisiert sie im Sachzusammenhang des EntgTranspG. Die Aufgaben des Betriebsrats werden mithin nicht erweitert, sondern nur klargestellt (so auch ErfK-Schlachter, 18. Aufl. 2018, § 13 EntgTranspG Rdz. 1). In diesem Sinne heißt es in der Gesetzbegründung zum EntgTranspG (BT-DrS 18/11133, S. 62): "Damit (mit § 13 Abs. 1 Satz 1) wird unterstrichen, dass das Thema Entgeltgleichheit eine allgemeine Aufgabe des Betriebsrats darstellt, da es sich dabei um einen Anwendungsfall der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern handelt" (Klammerzusatz und Unterstreichung durch das Gericht). Ebenfalls nicht neu ist der in § 6 Abs. 1 EntgTranspG enthaltene Mitwirkungsauftrag bzw. die Pflicht zur Überwachung des Verbots der Geschlechtsdiskriminierung aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 EntgTranspG. Diese Aufgaben des Betriebsrats waren auch bisher schon in § 17 Abs. 1 AGG bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit §§ 1, 7 Abs. 1 AGG geregelt.

(5) Für die hier vertretene Auslegung streitet zudem der weitere Inhalt der Gesetzesbegründung, in der mit keinem Wort von einem Anspruch des Betriebsausschusses auf Überlassung von Entgeltlisten die Rede ist, sondern ausschließlich von einem Einsichtsrecht (BT-DrS 18/11133, S. 63). Ob das im Hinblick auf eine effektive Umsetzung der Aufgaben des Betriebsrats bei der Durchsetzung der Entgeltgleichheit praktikabel ist oder nicht, mag diskutabel sein, berechtigt aber die an den erkennbaren Willen des Gesetzgebers gebundenen Gerichte für Arbeitssachen nicht, die einschlägigen Bestimmungen des EntgTranspG und des BetrVG zu korrigieren. Gerichte dürfen ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung keinesfalls an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen, sondern haben die gesetzgeberische Grundentscheidung zu respektieren (BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774, Rdz. 73).

Ob die Überlassung von Entgeltlisten an Betriebsrat und Betriebsausschuss weiterhin auch aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig ist, bedarf in Anbetracht des vorstehenden, klaren Auslegungsergebnisses keiner Erörterung.

cc.

Wegen der Unbegründetheit des Hilfsantrags zu 3) - Gestellung von Büropersonal zwecks Abschreiben der Entgeltlisten - wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Ziffer II.2. der Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Das Abschreiben von Entgeltlisten ist nach der Rechtsprechung des BAG unzulässig. Erwägungen, die eine weitergehende Auseinandersetzung mit diesem Punkt geböten, enthält die Beschwerdebegründung des Betriebsrats nicht.

3.

Das Gericht hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deshalb gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht für den Betriebsrat zugelassen.

Schneider
Hinterberg
Bobach