Mitbestimmung bei Gehalt, Provision und Prämien

BAG 1 ABR 44/87 vom 6. Dez. 1988

Leitsatz

Erhalten Vertriebsbeauftragte (angestellte Verkäufer) ein Einkommen, das sich aus einem Grundgehalt, einem variablen erfolgsabhängigen Einkommen (Provision) und Prämien zusammensetzt, hat der Betriebsrat bei der Festlegung des Verhältnisses von Festgehalt zu den variablen Einkommensbestandteilen sowie bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander mitzubestimmen.

Gründe

A. Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber streiten darüber, ob dem Gesamtbetriebsrat bei Gehalts-, Provisions- und Prämienregelungen des Arbeitgebers für Vertriebsbeauftragte ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Der Arbeitgeber ist ein Großunternehmen der Computer-Industrie mit über 60 Geschäftsstellen in allen größeren Städten der Bundesrepublik. Die Geschäftsstellen sind eigenständige Betriebe, für die keine Tarifbindung besteht. Im übrigen gelten für den Arbeitgeber die für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen geschlossenen Tarifverträge. Die in den Geschäftsstellen gewählten Betriebsräte und der Betriebsrat in P haben einen Gesamtbetriebsrat, den Antragsteller, gewählt.

Der Arbeitgeber beschäftigt in den Geschäftsstellen etwa 450 Verkäufer. Der Arbeitgeber gliedert diese Mitarbeiter in

a) Vertriebsassistenten (VA)

(Das ist eine Nachwuchskraft, die sich in der Schulung zum Vertriebsbeauftragten befindet)

b) Vertriebsbeauftragte (VB)

(Dieser betreut im Rahmen der Vertriebsrichtlinien ein ihm zugeteiltes Vertriebsgebiet)

c) Senior-Vertriebsbeauftragte (Senior-VB)

(Dieser hat die Aufgabe eines VB, arbeitet aber selbständiger)

d) Verkaufsgruppenleiter (VGL)

(Das ist eine Verkaufskraft mit Vertriebsgebiet, die wie ein Senior-VB arbeitet, der aber weitere Verkaufskräfte unterstellt sind)

e) Verkaufsleiter.

Der Arbeitgeber zahlt den Vertriebsbeauftragten und Senior-Vertriebsbeauftragten ein Grundgehalt, sowie ein am Auftragswert ausgerichtetes variables erfolgsabhängiges Einkommen (VEK) sowie verschiedene Prämien. Die Festlegung des Grundgehalts erfolgt durch den Vorgesetzten des Vertriebsbeauftragten bzw. des Senior-Vertriebsbeauftragten. Dabei hat der Arbeitgeber den Vorgesetzten eine Bandbreite vorgegeben, die z.B. für einen Vertriebsbeauftragten 1.600,-- DM bis 2.500,-- DM und für einen Senior-Vertriebsbeauftragten 2.150,-- DM bis 3.150,-- DM beträgt. Bei der Festlegung des Grundgehalts berücksichtigt der Vorgesetzte die Persönlichkeit des Vertriebsbeauftragten, den Umfang der Vorgabenerfüllung aus vorangegangenen Jahren sowie das Ergebnis der Leistungsbeurteilung. Dabei besteht kein fester Katalog von Kriterien, anhand derer der Vorgesetzte das Grundgehalt festlegt; doch hat der Arbeitgeber mit Rundschreiben vom 30. Juni 1982 ("Kurzdarstellung Gehaltsfindung GS-Organisation") für die Gehaltsfindung und die dabei zu berücksichtigenden Punkte bei der individuellen Festlegung Empfehlungen ausgesprochen.

Das variable erfolgsabhängige Einkommen (VEK) ist in einer Betriebsvereinbarung vom 13. Dezember 1984, die der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber geschlossen haben, geregelt. Nach dieser Betriebsvereinbarung wird von der Vertriebsleitung für den Berichtszeitraum (1. Januar bis 31. Dezember eines jeden Jahres) ein variables erfolgsabhängiges Einkommensziel (VEK-Ziel) festgelegt. Wird das Ziel nicht voll erreicht, so wird der dem erreichten Auftragswert entsprechende Geldwert gezahlt. Die Höhe der Bezüge aus dem variablen Einkommenssystem richtet sich also nach dem Auftragswert, den der Vertriebsbeauftragte tatsächlich erreicht. Allerdings wird der Auftragswert VEK unter Berücksichtigung bestimmter Gewichtungsfaktoren ermittelt, die in der Betriebsvereinbarung festgelegt sind. Der Vertriebsbeauftragte kann abweichend von dem festgelegten variablen erfolgsabhängigen Einkommensziel ein anderes Ziel wählen.

Zusätzlich zum Grundgehalt und zum variablen erfolgsabhängigen Einkommen gewährt die Antragsgegnerin den Vertriebsbeauftragten Prämien.

Einmal wird eine sogenannte Gebietsteilzielprämie (GTZ-Prämie) für die Erreichung von Gebietsteilzielen gezahlt. Der Katalog der Gebietsteilziele gemäß der Betriebsvereinbarung vom 13. Dezember 1984 umfaßt sieben Ziele. Das sind nach Teil B Ziffer 5.1 der Betriebsvereinbarung

Anzahl Systeme mit dem System ...

Anzahl Systeme oder Auftragsbruttowert mit dem System ...

Anzahl Systeme oder Auftragsbruttowert mit dem Standard-Software-Paket ...

Anzahl Systeme oder Auftragsbruttowert in der Branche/bei Firma ...

Anzahl Systeme oder Auftragsbruttowert in der Firma ..., in Abteilung ...

Anzahl Neukunden oder Auftragsbruttowert bei Neukunden ... ggf. in Branche ...

Auftragswert (inklusive Software-Einmalkosten) Individual-Software ... und/oder Standard-Software ... oder Standard-Software-Paket ...

Der Vertriebsbeauftragte kann auch mehrere Gebietsteilziele wählen. Für die volle Erfüllung aller sieben Gebietsteilziele erhält er eine Prämie von 100 %, bei voller Erreichung einzelner Teilziele entsprechend anteilige Prämien. Die Auswahl und Höhe der Gebietsteilziele wird nach der Betriebsvereinbarung (Ziffer 5.4) von der Geschäftsleitung festgelegt, die auch die Höhe der Prämie (zur Zeit für die Erfüllung aller Gebietsteilziele 9.000,-- DM) bestimmt.

Der Vertriebsbeauftragte erhält nur dann eine Gebietsteilzielprämie, wenn er ein Gebietsteilziel zu 100 % erfüllt, erreicht er 200 % der Vorgabe, erhält er keine höhere Prämie. Erreicht er nur 99 % eines Gebietsteilziels oder aller Gebietsteilziele, so erhält er keine Prämie.

Vertriebsbeauftragte, die Anlagen mittlerer Datentechnik für die mittelständische Wirtschaft vertreiben und Vertriebsbeauftragte, die Text-Systeme vertreiben, erhalten nach Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung für die anteilige Erfüllung der Jahresvorgabe eine sogenannte Quartalsprämie und bei der anteiligen Erfüllung der Jahresvorgabe in mehreren aufeinanderfolgenden Quartalen eine zusätzliche Kontinuitätsprämie (Ziffer 4.2 der Betriebsvereinbarung). Den Höchstbetrag für die Quartals-/Kontinuitätsprämie hat der Arbeitgeber derzeit auf 12.000,-- DM jährlich festgesetzt.

In einem früheren Beschlußverfahren zwischen den Beteiligten über streitige Fragen der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats bei der Einkommensgestaltung für Vertriebsbeauftragte hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit rechtskräftigem Beschluß vom 14. Mai 1976 entschieden, daß der Gesamtbetriebsrat für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig ist. Das Landesarbeitsgericht hat in jener Entscheidung auch ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Einführung und Ausgestaltung eines Systems erfolgsabhängiger Vergütung für Vertriebsbeauftragte bejaht, ebenso bei der Regelung der Vorgaben, Optionsklassen, Vorgabenbemessungsgrundlage für die einzelnen Optionsklassen, die Gewichtungsfaktoren und die Progressionsstufen bei mehr als 100%-iger Vorgabenerfüllung. Dagegen hat es ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Höhe des Einkommensziels für die 100%-ige Vorgabenerfüllung verneint. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist bei dem Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 13. Dezember 1984 berücksichtigt worden.

Mit dem vorliegenden Beschlußverfahren begehrt der Gesamtbetriebsrat eine weitere Klärung strittiger Fragen hinsichtlich seiner Mitbestimmung bei der Einkommensregelung für Vertriebsbeauftragte, insbesondere bei der Festlegung des Grundgehalts und bei der Festlegung des Verhältnisses der einzelnen Bestandteile des Gesamtvergütungssystems zueinander.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung der Kriterien für die Bemessung des Fixgehalts. Die Unternehmensleitung könne die Bemessungskriterien innerhalb der vorgegebenen Mindest- und Höchstbeträge nicht einseitig handhaben. Die Bemessungskriterien seien vielmehr schon unter dem Gesichtspunkt der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit im Wege der Mitbestimmung zwischen den Beteiligten festzulegen.

Auch bei der Festlegung des Verhältnisses von festen zu variablen Einkommensbestandteilen sowie der variablen Einkommensbestandteile untereinander bestehe ein Mitbestimmungsrecht. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Höhe des Entgelts beanspruche er nicht.

Der Gesamtbetriebsrat hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt festzustellen, daß er bei der Regelung der Entlohnung für Vertriebsbeauftragte in folgenden Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht hat:

1. bei den festen Gehaltsbestandteilen

a) bei der abstrakten Bildung der Gehaltsbandbreiten und der Festlegung des Verhältnisses zueinander,

b) bei der Festlegung der Grundsätze für die Einordnung eines Vertriebsbeauftragten innerhalb dieser Bandbreiten,

c) bei der Ausgestaltung der besonderen Vertragsbedingungen;

2. bei der Festlegung des Verhältnisses von festen Einkommensbestandteilen (Grundgehalt) zu variablen Einkommensbestandteilen;

3. bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander.

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Anträge seien zum Teil unzulässig, weil sie zu unbestimmt und mehrfach auslegbar seien, außerdem seien sie insgesamt unbegründet. Einem Mitbestimmungsrecht bei den festen Gehaltsbestandteilen stehe schon der Vorrang des Tarifvertrages entgegen. Tariflich freigegeben seien nur Provisions- und Prämienregelungen. Hinsichtlich des Grundgehalts bestehe aber keinerlei Leistungsbezogenheit und es gehöre auch nicht zum Provisionssystem. Selbst wenn das anders gesehen würde, bestehe keine Mitbestimmung, weil es sowohl an einer Festlegung von Zuordnungskriterien wie einer Bewertung solcher Kriterien fehle. Die Gehaltsbandbreiten stellten kein Entlohnungssystem dar, aus dem sich nach bestimmten Regeln ein Gehaltswert für Mitarbeiter ergebe. Sie seien nur ein Orientierungsrahmen, innerhalb dessen der Vorgesetzte in jedem Einzelfall das Grundgehalt festlege.

Hinsichtlich der begehrten Mitbestimmung bei der Festlegung des Verhältnisses der einzelnen Einkommensbestandteile zueinander beruft sich der Arbeitgeber vor allem darauf, daß damit im Ergebnis eine Mitbestimmung bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Entgeltteile begehrt werde, die dem Gesamtbetriebsrat nicht zustehe.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Gesamtbetriebsrats als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß der Gesamtbetriebsrat bei der Regelung der Entlohnung für Vertriebsbeauftragte mitzubestimmen hat, soweit es sich bei den festen Gehaltsbestandteilen um die abstrakte Bildung der Gehaltsbandbreiten und die Festlegung des Verhältnisses zueinander handele sowie bei der Festlegung der Grundsätze für die Einordnung eines Vertriebsbeauftragten innerhalb dieser Bandbreiten. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Gesamtbetriebsrat, den Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben, soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge zu 2 und 3 zurückgewiesen hat, sowie festzustellen, daß der Gesamtbetriebsrat mitzubestimmen hat bei der Festlegung des Verhältnisses von festen Einkommensbestandteilen (Grundgehalt) zu variablen Einkommensbestandteilen und bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist begründet, weil er ein Mitbestimmungsrecht bei der Feststellung des Verhältnisses von festen zu variablen Einkommensbestandteilen und des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander hat.

I.1. Rechtskräftig abgewiesen ist der Antrag des Gesamtbetriebsrats festzustellen, er habe bei der Ausgestaltung der besonderen Vertragsbedingungen bei festen Gehaltsbestandteilen ein Mitbestimmungsrecht. Der Gesamtbetriebsrat hat klargestellt, daß auch nach seiner Auffassung das Landesarbeitsgericht insoweit den Antrag zu Recht abgewiesen hat. Insoweit greift der Gesamtbetriebsrat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht an.

2. Nicht mehr rechtshängig sind auch die Anträge zu 1 a und b, mit denen der Gesamtbetriebsrat beantragt hat festzustellen, daß er bei den festen Gehaltsbestandteilen bei der abstrakten Bildung der Gehaltsbandbreiten und der Festlegung des Verhältnisses zueinander sowie bei der Festlegung der Grundsätze für die Einordnung eines Vertriebsbeauftragten innerhalb dieser Bandbreiten mitzubestimmen habe. Diesen Anträgen hat das Landesarbeitsgericht stattgegeben, der Arbeitgeber aber keine Rechtsbeschwerde eingelegt.

II. Rechtshängig sind damit nur noch die Anträge des Gesamtbetriebsrats festzustellen, daß er bei der Festlegung des Verhältnisses von festen Einkommensbestandteilen (Grundgehalt) zu variablen Einkommensbestandteilen und bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander mitzubestimmen hat.

1. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Mai 1976 der begehrten Feststellung nicht entgegensteht, weil das Landesarbeitsgericht in jener Entscheidung über die Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats bei der Gestaltung des eigentlichen VEK-Systems und der Ausgestaltung durch Gewichtungsfaktoren entschieden hat, nicht jedoch über die Frage, ob der Gesamtbetriebsrat bei der Festlegung des Verhältnisses von festen Gehaltsbestandteilen zu den variablen Einkommensbestandteilen sowie bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander mitzubestimmen hat.

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, der Gesamtbetriebsrat sei nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die hier geltend gemachten Mitbestimmungsrechte zuständig. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Danach ist der Gesamtbetriebsrat überhaupt nur zuständig, wenn eine Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe betrifft. Dies ist vorliegend der Fall, weil der Arbeitgeber die Vergütung der Vertriebsbeauftragten des gesamten Unternehmens einheitlich regeln will. Auch in diesen Fällen ist der Gesamtbetriebsrat aber nur zuständig, wenn eine Beteiligungsangelegenheit nicht durch die Einzelbetriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann. Damit sind nicht nur Angelegenheiten gemeint, deren Regelung den Einzelbetriebsräten objektiv unmöglich ist. Vielmehr erfaßt § 50 Abs. 1 BetrVG auch die subjektive Unmöglichkeit. Subjektiv ist den einzelnen Betriebsräten beispielsweise eine Regelung im gesamten Bereich freiwilliger Betriebsvereinbarungen unmöglich, wenn der Arbeitgeber nur auf überbetrieblicher Ebene zu einer Regelung bereit ist. Nach heute herrschender Meinung ist der Gesamtbetriebsrat jedoch nicht nur zuständig, wenn der einzelne Betriebsrat objektiv oder subjektiv außerstande ist, das Mitbestimmungsrecht auszuüben, sondern auch, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder jedenfalls betriebsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des einzelnen konkreten Unternehmens und der konkreten Betriebsräte abzustellen ist. Kein zusätzlicher Konkretisierungsgewinn ergibt sich aber, wenn - wie vom Landesarbeitsgericht - auf die Natur der Sache abgestellt wird, um zu ermessen, ob eine unternehmenseinheitliche Regelung erforderlich ist. Insoweit wird nur ein unbestimmter Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt.

Im Beschluß vom 29. März 1977 hat der Senat ausgeführt, die funktionale Organisation des Unternehmens und damit die Entscheidung, daß die Vergütung der Außendienstangestellten zentral für das gesamte Unternehmen des Arbeitgebers geregelt werde, sei Sache des Unternehmers und unterliege nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die vorgegebene Entscheidung, die Vergütung zentral zu regeln, lasse damit eine Mitbestimmung der einzelnen Betriebsräte nicht zu. Es bestünde sonst die Gefahr, daß zentrale Entscheidungen nicht mehr erfolgen, sondern unterschiedliche Ordnungen für einzelne Betriebe Platz greifen würden. Das stünde aber im Widerspruch zu der vorgegebenen Struktur des Unternehmens. Aus diesem Grunde hat der Senat in jener Entscheidung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Mitbestimmung bei Provisionen bejaht. Auch wenn die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht ausreicht, ist auch im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zu bejahen. Auch in diesem Falle hat der Unternehmer entschieden, daß das Entgeltsystem für alle Vertriebsbeauftragten unternehmenseinheitlich festgelegt werden soll. Dementsprechend hat auch der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über das variable erfolgsabhängige Einkommenssystem und die bei der Ausgestaltung zu beachtenden Gewichtungsfaktoren abgeschlossen, ebenso über die Ausgestaltung der zusätzlich gewährten Prämien. Es ist deshalb keine Frage bloßer Zweckmäßigkeit, sondern in der Tat auch eine Frage der Lohngerechtigkeit, daß dann auch das Verhältnis von festen Gehaltsbestandteilen zu variablen Einkommensbestandteilen und das Verhältnis der einzelnen variablen Einkommensbestandteile untereinander einheitlich für das gesamte Unternehmen festgelegt wird.

3. Der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats steht auch nicht der Tarifvorrang entgegen. Nach der Senatsentscheidung vom 24. Februar 1987 gilt im Verhältnis von § 77 Abs. 3 zu § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG das sogenannte Vorrangsprinzip. § 77 Abs. 3 BetrVG bildet danach keine Schranke neben § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG wird also nur ausgeschlossen, wenn die Angelegenheit für den Arbeitgeber bindend durch Tarifvertrag bereits geregelt ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gilt für die Geschäftsstellen, bei denen die Vertriebsbeauftragten beschäftigt werden, kein Tarifvertrag. Abgesehen davon ist das bei dem Arbeitgeber praktizierte Entgeltsystem, bestehend aus einem festen Grundgehalt, variablem erfolgsabhängigem Einkommen, Gebietsteilzielprämien und Quartals- sowie Kontinuitätsprämien, tariflich nicht geregelt. Tariflich geregelt ist in dem für die Hauptverwaltung des Arbeitgebers in P geltenden Gehaltstarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Nordrhein-Westfalen nur, daß - soweit Provisionen gezahlt werden - der ausgezahlte Betrag mindestens das Tarifgehalt erreichen muß. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß für die Frage, ob ein Tarifvorrang besteht, das gesamte Entgeltsystem gesehen werden muß, das sich vorliegend aus den drei Entlohnungsgrundsätzen festes Grundgehalt, variables erfolgsabhängiges Einkommen und Prämien zusammensetzt. Dementsprechend steht vorliegend dem Begehren des Gesamtbetriebsrats der Tarifvorrang nicht entgegen.

4. Das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung.

Lohngestaltung ist gegenüber Entlohnungsgrundsatz und Entlohnungsmethode der weitergehende Begriff. Er umfaßt alle generellen (kollektiven) Regelungen, nach denen die Entlohnung im Betrieb bzw. Unternehmen sich richten soll. Es geht bei der Lohngestaltung um die Struktur des Lohnes und dessen Vollziehungsformen, die Grundlage der Lohnfindung und die betriebliche Lohngerechtigkeit, aber nicht um die Lohnhöhe. Demgegenüber versteht man unter Entlohnungsgrundsatz das System, nach dem das Arbeitsentgelt gezahlt werden soll (z.B. Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn) und seine Ausformung. Und unter Entlohnungsmethoden ist die Art und Weise der Durchführung des gewählten Entlohnungssystems zu verstehen.

b) Zumindest zur betrieblichen Lohngestaltung gehört die Festlegung des Verhältnisses von festen zu variablen Einkommensbestandteilen sowie die Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander. Zur Gestaltung des Entgeltsystems gehört eben nicht nur die Entscheidung, welche Entlohnungsgrundsätze bzw. welche Kombination von Entlohnungsgrundsätzen für die Vergütung maßgebend sein soll, sondern auch, in welchem Verhältnis die einzelnen Gehaltsgrundsätze stehen sollen, wenn ein kombiniertes Entgeltsystem gewählt wird. Gerade dieses Verhältnis der einzelnen Entgeltgrundsätze zueinander berührt die Lohngerechtigkeit. Gerade hier müssen unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden. Der Arbeitgeber mag ein legitimes Interesse an einem möglichst großen Anteil leistungsbezogener variabler Einkommensbestandteile haben, um den Vertriebsbeauftragten eine möglichst große Motivation für ein verkaufsförderndes Verhalten zu geben. Dagegen wird bei der Belegschaft eher ein Interesse an einem so hohen Grundgehalt bestehen, daß dieses zumindest das Existenzminimum deckt. Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist es aber gerade, einen Ausgleich zwischen den berechtigten unternehmenspolitischen Zielen des Arbeitgebers und den Belangen der Belegschaft bei der Ausgestaltung des Entgeltsystems zu schaffen. Dementsprechend hat der Senat bereits in der Entscheidung vom 29. März 1977 entschieden, zur Lohngestaltung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gehörten die Fragen, ob ein Lohn- (Gehalts-)Fixum und/oder Provisionen gezahlt werden, ferner die Arten der Provisionen, das Verhältnis der Provision zum Lohnfixum (Anrechenbarkeit) sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander.

Das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Festlegung des Verhältnisses von festen zu variablen Gehaltsbestandteilen und bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Gehaltsbestandteile untereinander ergibt sich auch aus dem Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen. Dieses besteht nicht nur darin, daß der Betriebsrat mitentscheiden kann, welches System, nach dem das Arbeitsentgelt gezahlt werden soll (Zeitlohn, Akkordlohn, Prämienlohn oder Kombination zwischen diesen) gewählt wird. Damit wäre nur eine sehr abstrakte Entscheidung getroffen, die zur Lohngerechtigkeit nur wenig beitragen kann. Nach dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts ist vielmehr davon auszugehen, daß das Mitbestimmungsrecht auch bei der Festlegung des Verhältnisses der einzelnen Entgeltbestandteile zueinander (Grundgehalt, Provision, Prämie) besteht, ebenso bei der Festsetzung der Bezugsgrößen, z.B. ob bei Erreichen einer bestimmten Umsatzgrenze die Provisionssätze linear, progressiv oder degressiv verlaufen, und weiterhin die abstrakte Staffelung der Provisionssätze bzw. Prämiensätze.

c) Dementsprechend hat der Gesamtbetriebsrat im vorliegenden Falle bei der Festlegung des Verhältnisses von Festgehalt zu variablen Einkommensbestandteilen und bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander mitzubestimmen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

aa) Sein Hinweis, der Gesamtbetriebsrat könne sich nicht auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 29. März 1977 berufen, weil inzwischen das Bundesarbeitsgericht die Auffassung aufgegeben habe, die Abschlußprovision sei ein vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, geht fehl, denn der Senat hatte in der damaligen Entscheidung ausgeführt, das Verhältnis der Provision zum Lohnfixum sowie das Verhältnis der Provisionen zueinander gehöre zur Lohngestaltung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG hat der Senat in jener Entscheidung nicht abgestellt. Nicht richtig ist auch der Einwand des Landesarbeitsgerichts, in der Entscheidung vom 29. März 1977 habe der Senat zwar ausgeführt, zur Lohngestaltung gehöre auch das Verhältnis von Provision zum Lohnfixum, habe aber nur entschieden über die Anrechenbarkeit eines festen Gehaltsbestandteils auf die Provision. Die Anrechenbarkeit des Festgehalts auf die Provision betreffe im Gegensatz zur Festlegung des Verhältnisses von Festgehalt zu variablen Gehaltsbestandteilen nicht die Höhe des Entgelts.

Auch wenn - wie im vorliegenden Falle - das Verhältnis von Festgehalt zu variablen Einkommensbestandteilen generell festgelegt werden soll, ist damit über die Höhe des Gesamteinkommens nicht entschieden. Es kann das Verhältnis von Festgehalt zu Provision in verschiedenster Weise festgelegt werden, ohne daß sich die Höhe des Gesamteinkommens auch nur um einen Pfennig ändert. Der Gesamtbetriebsrat will aber nur bei der Festlegung des Verhältnisses mitbestimmen und hat ausdrücklich klargestellt, daß sich das Mitbestimmungsrecht nicht auf die Höhe auswirken soll. Richtig ist, daß der Arbeitgeber bei der Annahme eines Mitbestimmungsrechts bei der Festlegung des Verhältnisses von Grundgehalt zum variablen Einkommen nicht einseitig die Höhe eines Teils des Entgeltsystems ändern kann, weil dadurch gleichzeitig das Verhältnis zu den anderen Entgeltbestandteilen geändert wird. Davon ist aber nicht die Höhe des Gesamteinkommens betroffen. Eine Mitbestimmung über die Höhe des Einkommens folgt bei der Mitbestimmung über das Verhältnis zwischen Grundgehalt und variablen Einkommensbestandteilen auch nicht daraus, daß das Grundgehalt der Vertriebsbeauftragten bereits festgelegt ist; ein Verhältnis von 1 (Grundgehalt) : 3 (variable Einkommensbestandteile) führt nicht automatisch zu einem möglichen Gesamtverdienst in Höhe des vierfachen Grundgehalts. Das von den Beteiligten zu vereinbarende Verhältnis der verschiedenen Vergütungsbestandteile muß nämlich nicht auf den gegenwärtig geltenden Grundgehältern aufbauen, kann diese vielmehr auch anders festlegen. Das einem Vertriebsbeauftragten vertraglich zugesagte höhere Grundgehalt hätte in diesem Falle lediglich die Funktion eines garantierten Mindesteinkommens aus neuem Grundgehalt und variablen Einkommensbestandteilen.

bb) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts besteht darin, daß es seinen zutreffenden Ausgangspunkt, die von dem Arbeitgeber gezahlten festen Gehaltsbestandteile, das variable erfolgsabhängige Einkommen und die Prämien seien ein zusammenhängendes Entgeltsystem und deshalb stehe der Tarifvorrang der Annahme des Mitbestimmungsrechts nicht entgegen, bei der Entscheidung, ob dann bei der Festlegung des Verhältnisses von festen Gehaltsbestandteilen zu variablem Einkommen und bei der Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander ein Mitbestimmungsrecht besteht, verlassen hat. Hier hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht die einzelnen Einkommensbestandteile getrennt betrachtet. Aus der Tatsache, daß ein einzelner Einkommensbestandteil vom Arbeitgeber nicht einseitig in der Höhe geändert werden kann, ohne das Verhältnis zu den anderen Einkommensbestandteilen zu verändern, hat es den unrichtigen Schluß gezogen, damit stehe fest, daß bei der Annahme eines Mitbestimmungsrechts der Gesamtbetriebsrat zugleich über die Höhe des Einkommens mitbestimmen könne. Gerade das ist nicht der Fall. Das Mitbestimmungsrecht endet dort, wo die Gesamthöhe des Entgelts betroffen wird. Der Gesamtbetriebsrat hat also mitzubestimmen bei der Festlegung des Verhältnisses (z.B. 40 % Festgehalt, 40 % variables erfolgsabhängiges Einkommen und 20 % Quartals- bzw. Kontinuitätsprämien) der einzelnen Gehaltsbestandteile zueinander. Das Mitbestimmungsrecht endet, wo die Gesamthöhe des zusammenhängenden Entgeltsystems betroffen wird. Der Gesamtbetriebsrat kann zwar eine Veränderung des Verhältnisses der einzelnen Einkommensbestandteile erreichen, aber nicht eine Veränderung der vom Arbeitgeber festgelegten Höchstgrenze für das Gesamteinkommen der Vertriebs- und Senior-Vertriebsbeauftragten.