Betriebsvereinbarung zur Regelung von Suchtgefahren im Betrieb

Zwischen der Geschäftsleitung der Muster GmbH

- folgend Arbeitgeber genannt –

und dem Betriebsrat der Muster GmbH

- folgend Betriebsrat genannt –

Wird die folgende Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abgeschlossen:

Präambel:

Der Konsum von Drogen oder Alkohol vor oder während der Arbeitszeit stellt eine Gefährdung für das Leben und die Gesundheit eines jeden Beschäftigten dar. Steht ein Beschäftigter unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol kann dies insbesondere unvorhersehbare Schäden an Maschinen, Betriebsanlagen und –einrichtungen verursachen. Dabei ist auch der Versicherungsschutz alkoholisierter oder berauschter Mitarbeiter gefährdet. Ferner kann hierbei mitunter auch eine Haftung auf Schadensersatz entstehen. Der § 38 der Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften untersagt den Beschäftigten einen sich selbst oder andere gefährdenden Alkoholkonsum und verbietet dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung alkoholisierter Arbeitnehmer. Arbeitgeber und Betriebsrat sind zur Anwendung der Unfallverhütungsvorschriften verpflichtet. Aus diesem Grund haben sich die Betriebsparteien auf nachfolgende Betriebsvereinbarung geeinigt:

§ 1 Geltungsbereich

Die vorliegende Betriebsvereinbarung erhebt einen Geltungsanspruch für alle Beschäftigten der Firma … in …

§ 2 Ziel der Betriebsvereinbarung

Die vorliegende Betriebsvereinbarung bezweckt eine Erhöhung der Arbeitssicherheit und die Erhaltung der Gesundheit der Beschäftigten. Darüber hinaus sollen zwischenmenschliche Beziehungen gefördert und der Missbrauch von Suchtmitteln und der Gebrauch von illegalen Drogen abgeschafft werden. Gefährdeten und abhängigen Kranken soll in diesem Zug ein frühzeitiges Hilfsangebot unterbereitet werden. Hilfsangebote sollen des Weiteren auch an Beschäftigte gerichtet werden, die unter süchtigem Verhalten, wie beispielsweise Essstörungen, Spiel-, Arbeits- oder Nikotinsucht leiden.

Die Betriebsvereinbarung dient somit der Sicherung der Gleichbehandlung aller Betroffenen und der Zurverfügungstellung einer durchschaubaren Richtlinie für alle Betroffenen.

§ 3 Gebrauch von Suchtmitteln

Im Hinblick auf den Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz kommen die in § 38 UVV festgelegten Grundsätze zur Geltung. Der Paragraph besagt, dass sich Versicherte durch den Konsum von Alkohol sich nicht in einen Zustand versetzen dürfen, der zur Gefährdung der eigenen Person oder von anderen führen kann und wonach Versicherte, die infolge des Alkoholkonsums oder anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen. Ferner besteht aufgrund der erhöhten Unfallgefahr in der Abteilung … ein absolutes Alkoholverbot.

Die Einnahme von Medikamenten sollte überdies nur in Absprache mit Ärzten erfolgen, da derartige Arzneimittel aufgrund ihrer stimmungsverändernden Substanzen, die Unfallgefahr erheblich erhöhen kann.

Ferner besteht ein ausdrückliches Verbot im Hinblick auf den Konsum illegaler Drogen.

§ 4 Ausschank von Alkohol – Ausgabe von Medikamenten

Die Betriebsparteien haben sich gegen ein absolutes Alkoholverbot ausgesprochen, sind sich jedoch einig, dass Alkohol grundsätzlich als Genussmittel und nicht als alltägliches Konsummittel eingesetzt werden soll. Dies soll durch eine Veränderung der Trinkkultur erzielt werden. Der Ausschank von Alkohol soll dabei wie folgt geregelt werden:

  • Der Ausschank von harten Spirituosen ist grundsätzlich untersagt.
  • Das Angebot alkoholfreier Getränke soll günstiger sein, als das Angebot alkoholischer Getränke.
  • Werden Tätigkeiten ausgeführt, die als besonders durstauslösend angesehen werden, sollen alkoholfreie Getränke kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
  • Alkoholische Getränke dürfen zu Feiern, wie beispielsweise Jubiläen oder Geburtstagen, mitgebracht werden.
  • Der private Verkauf von alkoholischen Getränken wird ausdrücklich untersagt
  • Die Ausgabe von Medikamenten darf ausschließlich in Absprache mit dem jeweiligem Verantwortlichen und dem zuständigen Betriebsarzt stattfinden. Der Betriebsarzt muss in diesem Zug feststellen, welche Medikamente zu welchem Anlass ausgegeben werden dürfen. Hierbei muss die Anonymität des Beschäftigten stets gewahrt werden. Dem Arbeitskreis „Gesundheit“ ist darüber Bericht zu erstatten, in welchen Abteilungen der Gebrauch von Medikamenten stark ausgeprägt ist.

§ 5 Aufklärung

Die Beschäftigten sollen fortlaufend darüber aufgeklärt werden,

  • Dass Suchtmittel wie Alkohol, Medikamente mit stimmungsverändernden Substanzen und Drogen ihre Denk, Reaktions- und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können.
  • Dass durch Suchtmittel ihre eigene Sicherheit und das Wohlergehen anderer gefährden können
  • Dass der Missbrauch dieser Suchtmittel Abhängigkeitserkrankungen herbeiführen kann und darüber hinaus auch zur Entstehung von Volkskrankheiten, wie zum Beispiel Krebs oder HerzKreislauf-Erkrankungen führen kann
  • Dass auch psychosoziale Krankheitserscheinungen mit Abhängigkeitscharakter, wie zum Beispiel Essstörungen, die Arbeits oder Glücksspielsucht, zu Schädigungen der eigenen Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen führen kann.

§ 6 Schulungsmaßnahmen

Systematisch über den Missbrauch von Suchtmitteln und seine Folgen aufgeklärt, werden alle an verantwortlicher Stelle tätigten Beschäftigten, wie Abteilungsleiter, Ausbilder, und Schwerbehindertenvertreter.

Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Schulung von Vorgesetzten zu, die Gespräche mit Betroffenen führen.

§ 7 Beseitigung von Ursachen, die zum Missbrauch von Suchtmitteln Anlass geben

Der verstärkte Missbrauch von Suchtmitteln in bestimmten Abteilungen oder Beschäftigtengruppe, wird in Zusammenschluss mit den Betroffenen, einer Überprüfung unterzogen, im Zuge derer die Ursachenfaktoren für diese identifiziert und beseitigt werden sollen.

§ 8 Maßnahmen und Hilfsangebote für Beschäftigte mit Suchtproblemen

  1. Vorgesetzte führen mit Beschäftigten ein Gespräch, bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen aufgrund eines Suchtproblems nicht mehr nachkommen können. Bei diesem Gespräch werden dem Beschäftigten seine arbeitsvertraglichen Verletzungen dargelegt und erläutert, dass sein negatives Arbeitsverhalten wahrscheinlich auf seine Suchtproblematik zurückzuführen ist. Darüber hinaus soll dem Betroffenen Suchtliteratur zur Selbsteinschätzung zur Verfügung gestellt werden. Personelle Konsequenzen werden dabei nicht gezogen. Für den Fall, dass das Arbeitsverhalten weiterhin durch das Suchverhalten des Beschäftigten negativ beeinträchtigt wird, wird ihm jedoch das nächste Konfliktgespräch angekündigt.
  2. Werden die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen durch das Suchtverhalten des Beschäftigten erneut verletzt, findet zwischen dem zuständigen Vorgesetzen in Zusammenarbeit mit dem Suchtkrankenhelfer und dem Betroffenen ein zweites Gespräch statt. Im Zuge dieses Gesprächs wird der Betroffene aufgefordert eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Kontrolliert wird dies allerdings nicht und es werden auch weiterhin keine personellen Konsequenzen gezogen. Allerdings wird gegenüber dem Betroffenem eine mündliche Verwarnung ausgesprochen, falls die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erneut verletzt werden.
  3. Kommt es zu erneuten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, findet ein Drittgespräch statt. An diesem nehmen sowohl der Vorgesetzte, als auch ein Mitglied des Betriebsrats, ein Suchtkrankenhelfer sowie ein Werksarzt teil. Dabei wird der Betroffene zur ambulanten Behandlung bei einer örtlichen Beratungsstelle aufgefordert. Der Betroffene wird unter der Fortzahlung seines Arbeitsentgelts von der Arbeit freigestellt, sollte die Behandlung während der Arbeitszeit stattfinden. Der Behandlungstermin muss in diesem Fall schriftlich bestätigt werden. Kommt es erneut zur suchtbedingten Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, wird dem Betroffenen eine schriftliche Abmahnung angekündigt.
  4. Neben der schriftlichen Abmahnung kommt es bei weiteren suchtbedingten Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflicht zu einem Viertgespräch. Die Teilnehmer an diesem Gespräch sind die Vorgesetzten, die Personalabteilung, ein Mitglied des Betriebsrats, der Suchtkrankenhelfer, der Werksarzt sowie ausgesucht Kolleginnen und Kollegen und soweit dies möglich ist auch Angehörige des Betroffenen. Der Betroffene wird dabei aufgefordert schnellstmöglich eine Beratungsstelle aufzusuchen. Ferner wird ihm eine zwei Abmahnung und eine zusätzliche Maßnahme, wie zum Beispiel der Abzug außertariflicher Leistungen, angekündigt, wenn die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, aufgrund des suchtbedingtem Verhaltens weiterhin verletzt werden.
  5. Werden die arbeitsvertraglichen Maßnahmen erneut verletzt, kommt es neben der zweiten schriftlichen Abmahnung und der zusätzlich angekündigten Maßnahme, zu einem fünften und vorletzten Konfliktgespräch. Die Teilnehmer dieses Konfliktgesprächs sind die Vorgesetzten, die Personalabteilung, ein Mitglied des Betriebsrats und der Suchtkrankenhelfer. In Zuge des Gesprächs wird der Betroffene nunmehr aufgefordert, sich schnellmöglich in eine ambulante Behandlung begeben und darüber hinaus einen Platz für eine stationäre Entwöhnungsbehandlung zu beantragen. Des Weiteren wird ihm die Kündigung angedroht, sollte er weiterhin davon absehen zur Verfügung stehende Hilfsangebote anzunehmen und seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen aufgrund seines Suchtverhaltens auch zukünftig zu verletzen.
  6. Die Kündigung wird schließlich ausgesprochen, wenn der Betroffene seine arbeitsvertragliche Pflicht weiterhin suchtbedingt verletzt, da er von der Wahrnehmung einer entsprechenden therapeutischen Maßnahme abgesehen hat. Durchzuführen ist sie unter der Beachtung der individualrechtlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel des Kündigungsschutzgesetzes und unter Beteiligung des Betriebsrats nach § 102. Wichtig ist hierbei, dass ein individuelles Beurteilen des Betroffenen erfolgt.
  7. Ist es dem Betroffenem möglich, dass er innerhalb eines Jahres nach dem Ausspruch der Kündigung zu einem abstinenten Lebensweise zu finden, bemüht sich der Betrieb ihn wieder einzustellen. An diesem Entscheidungsprozess ist auch der Betriebsrat zu beteiligen.

§ 9 Rückfall

Wird der Betroffene nach einer ambulanten Therapie oder stationären Therapie rückfällig, ist im Einvernehmen mit dem Betroffenen, dem Werksarzt, dem Gesundheitsbeauftragten, dem Betriebsrat und Vorgesetzen das weitere Vorgehen zu regeln. Diese orientiert sich an den Stufen 8.1. bis 8.6.

§ 10 Wiedereingliederung

Abstinent lebenden Suchterkrankten wird bei der Wiedereingliederung Unterstützung angeboten, soweit sie dies wünschen. Dabei können sie grundsätzlich wieder ihren alten Arbeitsplatz besetzen. Nicht beschäftigt werden sie jedoch an Arbeitsplätzen, an denen sie mit Lösungsmitteln arbeiten, durch die sie suchtbegünstigenden Dämpfen ausgesetzt sind.

Ferner haben abstinent lebende Suchterkrankte, einen Anspruch darauf, dass Hinweise auf ihre Abhängigkeit innerhalb eines Jahres aus ihrer Personalakte entfernt werden.

§ 11 Bestellung eines Gesundheitsbeauftragten zur Durchführung der Betriebsvereinbarung

Zur dauerhaften Festigung der betrieblichen Gesundheitspolitik, wird ein Gesundheitsbeauftragter berufen, der die Durchführung dieser Betriebsvereinbarung gewährleisten soll:

  • Der Gesundheitsbeauftrage führt seine Arbeit nach den Grundsätzen der vorliegenden Betriebsvereinbarung aus. In Zusammenarbeit mit den Betriebsparteien entwickelt er Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, berät Betroffene und unterbreitet Vorschläge zu Maßnahmen, die der Beseitigung von Ursachen, die zum Suchtmittelmissbrauch und süchtigem Verhalten Anlass geben, dienen. Ferner ist er für die Organisation der betrieblichen Suchtkrankenhilfe zuständig.
  • Gesundheitsbeauftragte arbeiten in ihrer Beratungstätigkeit weisungsfrei
  • Sie haben die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht einzuhalten
  • Ist es dem Gesundheitsbeauftragten nicht möglich sich auf eine Maßnahme mit dem direkten Vorgesetzen des Betroffenen zu einigen, wendet er sich mit seinem Vorschlag an den Arbeitskreis „Gesundheit“
  • Gesundheitsbeauftragte leiten den Arbeitskreis „Gesundheit“
  • Sie organisieren und pflegen den Kontakt zu außerbetrieblichen Einrichtungen

§ 12 Arbeitskreis „Gesundheit“

Der Gesundheitsbeauftragte übernimmt die Leitung des Arbeitskreises „Gesundheit“. In diesem arbeiten sowohl die Geschäftsleitung, als auch der Betriebsrat, der werksärztliche Dienst, die Sozialabteilung, der Sicherheitsbeauftrage, die Leitung der Ausbildungswerkstatt, die Schwerbehindertenvertreter und ehrenamtliche Suchtkrankenhelfer zusammen.

§ 13 Einsatz von ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer

Suchtkrankenhelfer können zur Unterstützung der Gesundheitsbeauftragten eingesetzt werden, wenn sie eine Ausbildung hierfür von über 100 Stunden bei einer anerkannten Organisation absolviert haben:

  • Zu ihren Aufgaben gehört die Durchführung von Beratungsgesprächen mit suchtmittelabhängigen Betroffenen. Diese orientier sich an § 8.
  • Dabei müssen stets die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht eingehalten werden.
  • Ist dies erforderlich, werden sie ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts von ihren arbeitsvertraglichen Pflichten freigestellt. Sie dürfen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht behindert oder benachteiligt werden. Darüber hinaus darf die Ausübung ihrer Tätigkeit keine negativen Auswirkungen auf ihre berufliche Entwicklung nach sich ziehen.

§ 14 Schweigepflicht

Nach § 203 Strafgesetzbuch dürfen Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter Inhalte und Informationen über Hilfsgespräche nur dann weitergeben, wenn der Betroffene sein Einverständnis hierfür gegeben hat. Dieser Grundsatz erhebt auch im Hinblick auf Vorgesetzte einen Geltungsanspruch. Die Schweigepflicht gilt dabei auch für Gesundheitsbeauftragte und für ehrenamtliche Suchtkrankenhelfer.

§ 15 Beilegung von Streitigkeiten

Gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG entscheidet die Einigungsstelle, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat keine Einigung über die Auslegung und Anwendung dieser Betriebsvereinbarung erzielt werden kann.

§ 16 Geltungsdauer

Die Betriebsvereinbarung tritt am … in Kraft. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Schluss eines Kalenderjahres.

 

Ort ………………… Datum ………………

 

……………………………………………………

Unterschriften Geschäftsleitung und BR