Urlaubsabgeltung bei sehr langen Krankheitszeiten

LAG Hamm Az. 5 Sa 872/21 vom 17. Feb. 2022

Der Fall: 

Ein Arbeitnehmer stand seit 1992 in einem Arbeitsverhältnis. Im Jahr 2010 wurde aufgrund einer schweren Nervenschädigung in der linken Hand Arbeitsunfähigkeit attestiert. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zur fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers im Februar 2021. Im Jahr 2019 verlangte der Arbeitnehmer die Abgeltung von je 30 Urlaubstagen für die Kalenderjahre 2016 und 2017. Schließlich klagte er seinen Anspruch ein. Er meinte, sein Arbeitgeber habe ihn nicht auf einen möglichen Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen. Deswegen sei der Urlaub noch nicht verfallen.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Der Arbeitnehmer hatte keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2016 und 2017.

Die Urlaubsansprüche erlöschen im Fall der über mehrere Jahre andauernden Erkrankung in jedem Fall 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Diese waren somit bereits vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Februar 2021 erloschen. Damit konnte es auch keine Urlaubsabgeltung geben.

Auch der fehlende Hinweis auf einen Urlaubsverfall, den die Rechtsprechung grundsätzlich fordert, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn auch bei Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten durch den Arbeitgeber hätte der Zweck der Hinweispflichten nicht erreicht werden können. So konnte der Arbeitnehmer aufgrund bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht frei darüber entscheiden, ob er seinen Urlaub nimmt.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit dem Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16, entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres beziehungsweise des zulässigen Übertragungszeitraums erlischt,

  • wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und
  • der Mitarbeiter den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht nimmt.

Der Arbeitgeber muss also

  • zwingend auf den Urlaubsanspruch hinweisen,
  • dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen und
  • über den Verfall nicht genommenen Urlaubs aufklären.