Außerordentliche Kündigung - sexuelle Belästigung

BAG 2 AZR 596/20 vom 20. Mai 2021

Der Fall: 

Ein Arbeitnehmer hatte während der Nachtschicht einem Kollegen unvermittelt mit beiden Händen die Arbeits- und die Unterhose heruntergezogen und auf diese Weise dessen Genitalien auch vor anderen Kollegen entblößt. Dafür gab es die fristlose Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Mit der bisherigen Sachverhaltsdarstellung konnte keine Entscheidung getroffen werden.

Das Verhalten war zwar „an sich“ geeignet, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darzustellen. Das Entblößen der Genitalien stellte einen erheblichen und entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre und damit eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Zugleich kann es sich dabei um eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gehandelt haben. Denn ein sexualbezogener Übergriff liegt auch dann vor, wenn die Genitalien eines anderen nicht berührt, aber unter Missachtung seines Rechts auf Selbstbestimmung, entblößt werden.

Das Entblößen der Genitalien kann danach eine sexuelle Belästigung dargestellt haben, soweit der Täter tatsächlich beabsichtigt hatte, auch die Unterhose des Kollegen herunterzuziehen, was einer näheren Sachverhaltsaufklärung zu den Umständen des Vorfalls und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung bedarf.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Es wird also darauf ankommen, ob der Täter tatsächlich den Vorsatz hatte, auch die Unterhose herunterzuziehen. Das, was vor 30 Jahren vielleicht noch als „derber Scherz“ angesehen worden wäre, kann heute zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen. Die Zeiten ändern sich und der Betriebsrat sollte das seinen Kolleginnen und Kollegen mit auf den Weg geben.