Hier mal etwas für die Oberschlauberger, ewigen Besserwisser und mit Halbwissen gestraften Zeitgenossen.
http://bibnet.bund-digital.de/Content?vpath=/bibdata/zeits/AiB/cont/2006/AiB.File1831.htm&docid=AiB106724#FN16
Auszug aus AIB 2006, Ausgabe 6, S. 365–371 – Schulze/Häfner, Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen
Unterrichtungspflicht durch den Arbeitgeber
Der Betriebsrat ist vom Arbeitgeber umfassend und rechtzeitig zu informieren. Der Betriebsrat soll bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben den gleichen Informationsstand besitzen, wie der Arbeitgeber.
Bei Neueinstellungen müssen die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorgelegt und Auskunft über die Person der Beteiligten gegeben werden. Bewerbungsunterlagen sind alle von den Bewerbern eingereichte Unterlagen, soweit diese im Zusammenhang mit der Bewerbung stehen. Dazu gehören auch solche Unterlagen, die der Arbeitgeber anlässlich der Bewerbung über die Person des Bewerbers erstellt hat, etwa in Form von Personalfragebögen bzw. Testergebnissen oder auch in Form von handschriftlichen Anmerkungen (BAG v. 14.12.2004 – 1 ABR 55/03). Ob dazu tatsächlich jede Aufzeichnung zählt, die sich der Arbeitgeber anlässlich eines Auswahlgesprächs als Kurznotiz gemacht hat, wurde vom BAG offen gelassen. In jedem Falle sind Aufzeichnungen aber dann vorzulegen, wenn sie bis zum Abschluss des Auswahlverfahrens aufbewahrt wurden. Die Auskunft muss sich auch auf diejenigen Bewerber erstrecken, die der Arbeitgeber für die Einstellung nicht in Betracht zieht (BAG v. 18.12.1990 – 1 ABR 15/90).
Beispiel
Der Arbeitgeber beauftragt ein Personalberatungsunternehmen, geeignete Bewerber zur Einstellung auf einen bestimmten Arbeitsplatz vorzuschlagen. Bei diesem Personalberatungsunternehmen bewerben sich 100 Personen. Dem Arbeitgeber werden jedoch nur die Daten von zehn Mitarbeitern vorgelegt. Das Personalberatungsunternehmen hatte zuvor eine Anzeige geschaltet, wonach es Arbeitnehmer mit einer bestimmten Qualifikation sucht.
Es stellt sich bei diesem Beispiel die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Betriebsrat auch die Bewerbungsunterlagen derjenigen Mitarbeiter vorzulegen, die vom Personalberatungsunternehmen dem Arbeitgeber überhaupt nicht zur Auswahl vorgeschlagen wurden. Das Gesetz spricht allgemein von den »erforderlichen Bewerbungsunterlagen«. Soweit, wie im Beispiel, durch das Personalberatungsunternehmen eine Annonce geschaltet wurde, sind alle Interessenten, die sich daraufhin gemeldet haben, Bewerber für den entsprechenden Arbeitsplatz. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber dafür Sorge tragen müssen, dass der Betriebsrat die entsprechenden Bewerbungsunterlagen auch der Personen erhält, die der Personalberater nicht in seine Einstellungsvorschläge einbezogen hatte. Der Arbeitgeber wird sich hier nicht darauf berufen können, dass ihm diese Unterlagen selbst überhaupt nicht vorlagen. Er könnte ansonsten die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umgehen. Auch muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat Kenntnis über die Umstände verschaffen, die für die vorgesehene Auswahl entscheidend waren. Er muss die Punkte in nachvollziehbarer Weise darstellen, die ihn veranlasst haben, einen von mehreren Bewerbern auszuwählen. Dabei muss der Arbeitgeber Personalfragebögen, schriftliche Auskünfte von dritter Seite, Ergebnisse von Tests oder Einstellungsprüfungen und eigene Aufzeichnungen vorlegen – auch und gerade von den nicht berücksichtigten Bewerbern (BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 26/04).
Wenn im Betrieb eine Vergütungsordnung auf Grundlage eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung existiert, ist dem Betriebsrat die vorgesehene Eingruppierung, jedoch nicht das tatsächliche Gehalt, mitzuteilen (BAG v. 31.1.1989 – 1 ABR 48/87). Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Angaben zum Inhalt des abgeschlossenen oder abzuschließenden Arbeitsvertrags, abgesehen von der vorgesehenen Eingruppierung, zu machen (BAG v. 18.10.1988 – 1 ABR 33/87). Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung gehört der Arbeitsvertrag nicht zu den vorzulegenden Bewerbungsunterlagen.
Bei Einstellung und Versetzungen muss zusätzlich der vorgesehene Arbeitsplatz mitgeteilt werden. Das betrifft nicht nur den räumlichen Ort, an dem die Arbeit abzuleisten ist, sondern auch die Funktion, die der Bewerber ausüben soll (BAG v. 3.10.1989 – 1 ABR 73/88). Die konkreten Folgen für den Arbeitnehmer müssen benannt werden, bei der Versetzung beispielsweise der Wegfall der Möglichkeit der Provisionserzielung. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen und bei Leiharbeitnehmern muss zudem die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung mitgeteilt werden, bei Teilzeitkräften die Lage und Dauer der Arbeitszeit.
Der Betriebsrat ist zumindest eine Woche vor Durchführung der geplanten Maßnahme – mündlich oder schriftlich – zu unterrichten, damit er die ihm zustehende Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 BetrVG auch ausnutzen kann. Die Wochenfrist beginnt erst bei ordnungsgemäßer und vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats zu laufen.
Form der Unterrichtung
Der Betriebsrat sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass eine unvollständige Unterrichtung vorliegt und eine neue Wochenfrist in Gang gesetzt wird. Sicherheitshalber sollte schon im Hinblick auf eine möglicherweise unvollständige Unterrichtung die Zustimmung verweigert werden, wobei die Verletzung der Unterrichtungspflicht selbst keinen Verstoß gegen ein Gesetz im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellt. Die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG wird aber nicht bereits dadurch in Lauf gesetzt, dass der Betriebsrat es unterlassen hat, den Arbeitgeber auf offensichtliche Unvollständigkeiten der Unterrichtung hinzuweisen. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat zum Zustimmungsersuchen in der Sache Stellung nimmt und seine Zustimmung mit Bezug auf Gründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG verweigert. Der Arbeitgeber kann daraus nicht berechtigterweise den Schluss ziehen, die Unterrichtung sei aus Sicht des Betriebsrats ausreichend. Durch diese Stellungnahme wird der Mangel der unvollständigen Unterrichtung durch den Arbeitgeber nicht geheilt. Wenn der Betriebsrat auf unvollständige Unterlagen überhaupt nicht reagiert und auch keine Zustimmungsverweigerung erklärt, wird er sich nicht mehr auf seine Beteiligungsrechte berufen können, und die Fiktion der Zustimmungserteilung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG tritt ein. BAG v. 14. 12. 2004 - 1 ABR 55/03
Anmerkung zu BAG v. 28.06.2005 – 1 ABR 26/04
Diese Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam.
Das BAG hat darauf hingewiesen, dass die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung – unabhängig von den für die Verweigerung vorgebrachten Gründen – von den Gerichten nur ersetzt werden dürfe, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG in Gang gesetzt worden sei. Dazu müsse der Arbeitgeber erst einmal die Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt haben. Der Arbeitgeber muss seiner Unterrichtungspflicht auch ohne besondere Aufforderung nachkommen, der Betriebsrat braucht also den erforderlichen Informationen – hier über die Vorstellungsgespräche – nicht hinterherlaufen. Diese Grundsätze gelten in besonderem Maße, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet hat, bei Stellenbesetzungen den Anteil von Frauen bei gleicher Leistung, Eignung und Befähigung in Bereichen zu erhöhen, in denen Frauen bislang unterrepräsentiert sind. Gerade in diesen Fällen ist es von besonderer Bedeutung, dass auch der Betriebsrat über diejenigen Informationen verfügt, die sich der Arbeitgeber hinsichtlich Leistung, Eignung und Befähigung der Bewerber und Bewerberinnen in den Vorstellungsgesprächen verschafft hat. Gemäß § 95 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat nur in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern Auswahlrichtlinien und damit Frauenförderpläne erzwingen. In kleineren Betrieben beschränken sich die Mitwirkungsrechte leider auf Fragen der personellen Auswahl (Punktetabellen), außerdem hat der Betriebsrat dort kein Initiativrecht. Jeder Betriebsrat hat aber gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 a BetrVG die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und ist deshalb berechtigt, vom Arbeitgeber Auskunft zu verlangen, weshalb bei einer Einstellung ein Mann ausgewählt wurde, wenn auch Frauen sich beworben hatten. Dasselbe gilt im Übrigen auch für Ausländer (§ 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) oder Alleinerziehende (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 b BetrVG).
Stefan Bell
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Bell & Windirsch in Düsseldorf
Aber dennoch, WÜNSCHE ALLEN ein frohes Weihnachtsfest!