natürlich hat Rattle recht, aber um schwerwiegende Folgen nach sich zu ziehen muß schon mehr passieren, als "einmal einen Monat zu spät"
wie z.b. hier :
ArbG Magdeburg, Beschluss vom 01.06.2005, 11 BV 7/05
Leitsatz (nicht amtlich):
Ein grober Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten liegt vor, wenn der Betriebsrat wiederholt keine Betriebsversammlungen einberuft.
Aus den Gründen:
II. Der Betriebsrat der Beteiligten zu 1. war aufzulösen. Zur überzeugung der Kammer hat der Beteiligte zu 2. über Jahre hinweg gegen seine gesetzlichen Pflichten, Betriebsversammlungen abzuhalten und gegenüber der Belegschaft Tätigkeitsberichte abzugeben, verstoßen. Auch die am 02.03. und 03.05.2005 durchgeführten Betriebsversammlungen vermögen die groben Verstöße des Beteiligten zu 2. nicht zu rechtfertigen.
1. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann u.a. der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats wegen "grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen.
Bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dabei reicht nicht (nur) ein Verstoß (aus), sondern der Verstoß, der objektiv feststehen muss, muss "grob" sein. Dabei kommt es für die Frage, ob und wann das Unterlassen der Einberufung von Betriebsversammlungen und des Erstattens von Tätigkeitsberichten während eines längeren Zeitraums die Auflösung des betreffenden Betriebsrats rechtfertigt, maßgeblich auf eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalles an (LAG Hamm, Beschluss v. 25.09.1959 in DB 1959, 1227; LAG Mainz, Beschl. v. 05.04.1960 in BB 1960, 983). Dabei ist davon auszugehen, dass die nicht gesetzmäßige Durchführung der Pflicht-Betriebsversammlungen nach § 43 BetrVG als grobe Pflichtverletzung und damit als Grund für die Auflösung des Betriebsrats an sich in Betracht kommen kann (Fitting, 21. Aufl. § 23 BetrVG, Rdnr. 35, 37; GK-Oetker, 7. Aufl., § 23 BetrVG, Rdnr. 101, § 43 BetrVG, Rdnr. 30; Richardi, 7. Aufl. § 43 BetrVG, Rdnr. 22; LAG Hessen, Beschluss v. 12.08.1993, 12 TaBV 203192 n.v.).
2. … Der Beteiligte zu 2. hat in erheblicher Weise gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen. Seit der Aufnahme seiner Betriebsratstätigkeit, die er am 12.05.2002 der Beteiligten zu 1. gegenüber angezeigt hat, hat er im Jahre 2002 keine Pflicht-Betriebsversammlung einberufen, ebenso nicht im Jahre 2003 und 2004. In diesem Zeitraum hätte er zumindest 10 Pflichtbetriebsversammlungen einberufen müssen. Dies ergibt sich aus § 43 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Seit der Aufnahme seiner Tätigkeit bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2004 waren zumindest 10 Betriebsversammlungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einzuberufen. Dies hat der Beteiligte zu 1. pflichtwidrig unterlassen.
Ebenso wenig hat er der Belegschaft gegenüber Tätigkeitsberichte abgegeben ähnlich einem Vereinsvorstand, der die Mitgliedschaft (hier Belegschaft) einem Dritten (hier Arbeitgeber) gegenüber vertritt, hat der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr der Belegschaft über seine Tätigkeit Rechenschaft abzulegen. In der dafür gesetzlich bestimmten Versammlung können ihm von der Belegschaft Anträge unterbreitet und es kann zu seinen Beschlüssen Stellung genommen werden (§ 45 Abs. 2 BetrVG). Er muss sich mithin regelmäßig den Wünschen der von ihm vertretenen Arbeitnehmer und vor allem auch ihrer Kritik stellen. Auch wenn die Betriebsversammlung keine für den Betriebsrat verbindlichen Anträge oder Stellungnahmen beschließen kann, vollzieht sich gleichwohl in dieser Art der Versammlung die Meinungsbildung der Belegschaft. Als Forum der Aussprache zwischen Belegschaft und Betriebsrat dient die Betriebsversammlung gerade der Willensbildung der Belegschaft in Hinblick auf die Tätigkeit des Betriebrats.
Gerade das Recht der Arbeitnehmer eines Betriebs, in Betriebsversammlungen zu Beschlüssen des Betriebsrats Stellung zu nehmen und ggf. Kritik zu üben, kann und darf der Betriebsrat nicht dadurch unterlaufen, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg keine Betriebsversammlungen durchführt. Es handelt sich - ebenso wie beim durch Abreden nicht beschränkbaren Wahlrecht nach § 7 BetrVG - um eine zentrale innerbetriebliche demokratische Berechtigung eines jeden Arbeitnehmers als Belegschaftsmitglieds (LAG Hessen, Beschluss v. 12.0B.1993 BAG, Beschluss v. 27.06.1989, 1 ABR 28/88, Juris).
Unbeachtlich ist, ob der Verstoß des Beteiligten zu 2. schuldhaft erfolgte oder nicht. Ausreichend ist das Vorliegen eines objektiven Verstoßes gegen die gesetzlichen Pflichten (GK- Oetker, 7. Auf., § 23 BetrVG, Rdnr. 37 m.w.N.). Der Beteiligte zu 2. hat zudem keine Gründe vorgetragen, warum er weder Betriebsversammlungen einberufen hat bzw. warum er keine Tätigkeitsberichte gegenüber der Belegschaft, die er repräsentiert, abgegeben hat. Auch wenn seiner Auffassung nach in den Jahren 2002 bis 2004 keine Gründe für die Einberufung von Betriebsversammlungen vorgelegen haben mögen, rechtfertigt dies nicht das Unterlassen von der Durchführung von Pflicht-Betriebsversammlungen nach § 43 BetrVG. Der Betriebsrat darf sich nicht durch das Nichteinberufen von Betriebsversammlungen möglicher Kritik der Belegschaft entziehen. Die Betriebsversammlung ist als eine Art "Kontrollorgan" des Betriebsrats anzusehen, da eine andere effektive Art der Kontrolle seiner Tätigkeit durch die Belegschaft nicht möglich ist Auch wenn sich der Beteiligte zu 2. berechtigt halten durfte, keine Betriebsversammlungen einzuberufen, da die Arbeitnehmer möglicherweise kein Interesse daran hatten, zumindest haben sie nicht von ihrem Antragsrecht nach § 43 Abs. 3 BetrVG Gebrauch gemacht, rechtfertigt dies das Untätigsein des Beteiligten zu 1. nicht. Unbeachtlich ist, ob der Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten schuldhaft erfolgte oder nicht, entscheidend ist nur, dass ein Verstoß objektiv vorliegt.
3. … Diese Vielzahl von Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen seit Mai 2002 bis Ende 2004 führen zur Wertung der Kammer, die Verstöße als "grobe" Verstöße im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG zu qualifizieren, da der Beteiligte zu 2. sich über einen Zeitraum von fast drei Jahren jeder innerbetrieblichen Kritik entzogen und die demokratische Willensbildung innerhalb der Belegschaft hin zum Betriebsrat vereitelt hat.
4. Auch wenn sich seit 2005 Streitpunkte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ergeben haben mögen und der Beteiligte zu 2. Betriebsversammlungen am 02.03. und 03.05.2005 durchgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Entscheidend für das Vorliegen eines "groben Verstoßes gegen gesetzliche Pflichten" ist der Tag des Eingangs des Auflösungsantrags. Auch gesetzeskonformes Verhalten für die Zeit danach kann das gesetzwidrige Verhalten in der Zeit davor nicht rechtfertigen oder aus der Welt schaffen (GK-Oetker, 7. Aufl. § 23 BetrVG, Rdnr. 36; Richardi, 7. Aufl., § 23 BetrVG, Rdnr. 27).
Der Betriebsrat ist somit aufzulösen.
Mit Rechtskraft dieses Beschlusses ist von Amts wegen unverzüglich ein Wahlvorstand zu bestellen. Hinsichtlich der Bestellung des Wahlvorstandes war insoweit das Verfahren auszusetzen bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Auflösung des Beteiligten zu 2.