Erstellt am 27.06.2006 um 15:51 Uhr von otto
Hallo deadline,
Regelungen (Dienstanweisungen usw.) des Arbeitgebers über die private Nutzung des Internet sind Regeln über das "Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb" und als solche nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Da der BR hier nicht zugestimmt hat, ist die Anweisung nicht ordnungsgemäß zustandegekommen und deswegen für die Arbeitnehmer nicht bindend. Verstöße dagegen bleiben deshalb auch ohne Konsequenzen.
Der BR sollte den Arbeitgeber aber möglichst umgehend auf diese Rechtslage hinweisen und den Arbeitgeber auffordern, die Anweisung zurückzuziehen, bis eine einvernehmliche Regelung mit dem BR gefunden ist. Anderenfalls empfiehlt sich eine Information an alle Mitarbeiter über die Unwirksamkeit der Dienstanweisung.
Von einem ArbeitnehmerschutzG zu diesem Thema istmir nichts bekannt.
Gruß otto
Erstellt am 27.06.2006 um 16:51 Uhr von Fayence
Otto,
da vertrete ich aber eine ganz andere Auffassung.
Selbstverständlich kann der Arbeitgeber die private Nutzung von Internet und Email über seine Firmenrechner / -leitung verbieten. Ein Mitbestimmungsrecht des BR´s greift m.E. an dieser Stelle nicht.
deadline,
allerdings wird dem AG bei Ausspruch eines solchen Verbots daran gelegen sein, dessen Einhaltung kontrollieren zu wollen. Und erst an diesem Punkt ist der BR nach §87 Abs. 1 Satz 6 mit im Boot.
Erstellt am 27.06.2006 um 18:50 Uhr von tramdriver
@Fayence: Es kommt sicherlich darauf an, wie es vorher gehandhabt wurde. Derzeit bemüht sich unser Arbeitgeber vehement, das private Telefonieren größtenteils zu untersagen. Problem für ihn: Es ist schon so lange erlaubt, wie es die Firma überhaupt gibt, ein astreiner Fall von betrieblicher Übung - wir sind am verhandeln. Die Internetnutzung ist ähnlich zu werten wie die Telefonnutzung. Ich würde also hier otto zustimmen wollen.
@deadline: Wie genau war denn die vorherige Regelung? Davon hängt sehr viel ab.
Erstellt am 27.06.2006 um 19:00 Uhr von Fayence
@ tramdriver
Nur begründet die "betriebliche Übung" den individualrechtlichen Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Leistung, welche dadurch zum Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist.
Auch daran mag ich in diesem Zusammenhang nicht glauben! Da die "betriebliche Übung" m.E. nur Leistungen betreffen kann, welche üblicherweise in einem Arbeitsvertrag geregelt sind.
Erstellt am 27.06.2006 um 19:10 Uhr von Kölner
Es ist im Prinzip egal, wie die vorherige Regelung war: Ab jetzt will der AG das nicht mehr! Und da er das Verbot überprüfen/überwachen will, muss der BR seine MBR's in dieser Hinsicht (Überwachung des Verbots) wahrnehmen.
@tramdriver
Betriebliche Übung würde in diesem Falle bedeuten: Ich habe immer etwas gemacht, was nicht so ganz legal ist (telefonieren auf Kosten des AG und Vergeudung der AZ), und darf das jetzt legalisieren, weil ich das immer so gemacht habe.
Dann würde ich auch den letzten Schritt vom AG fordern: Er sollte wenigstens dem FA eine Meldung wegen des geldwerten Vorteils zukommen lassen!
Erstellt am 27.06.2006 um 20:05 Uhr von packer
nach §87 (1) Abs 1 habt ihr mitbestimmungsrecht und solltet zum schutze der Kollegen und auch in hinsicht auf z.b. sicherheitsrelevante aspekte (Viren) eine regelung in form einer BV treffen. das mit der betrieblichen übung ist natürlich käse wie fay und kölner (hi ihr beiden) schon richtig bemerkten. otto hat das richtig gelöst. wenn jezze wieder mal jemand meint, daß dazu keine BV nötig sei, dem kann ich nur sagen: wir haben seit den bv´s über urlaub, stellenausschreibung, radiohören, personenkontrolle etc. erheblich weniger probleme weil jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat... wir sind hier ja schließlich in deutschland ;)
greetz vom packer
Erstellt am 27.06.2006 um 20:16 Uhr von Kölner
Hi packer
Ich bin mir nicht so sicher, dass unser aller otto das richtig gelöst hat! Aber darüber wurde ja bereits auch schon synthetisiert!
Erstellt am 27.06.2006 um 21:18 Uhr von Fayence
Hallo packer,
Du lebst ja noch; gesundheitlich hoffentlich besser bis gut! :-)
Noch ein Versuch:
Der AG kann frei bestimmen, ob und in welchem Umfang er die private Nutzung der betrieblichen Internet / Email -Systeme zulässt.
Durch die "betriebliche Übung" ist ein AN aus meiner Sicht lediglich vor arbeitsrechtlichen Sanktionen (Abmahnung / Kündigung) geschützt, wenn er in bescheidenem Umfang von der privaten Email-/Internetnutzung im Betrieb Gebrauch macht.
Das MBR nach §87 Abs.1 Nr. 1 kann sich nach meinem Kenntnisstand nur auf die Verhaltensweise der AN bei erlaubter privater Nutzung des betrieblichen Email /Internet-Systems beziehen.
Ich sehe für den AG noch immer die Möglichkeit, eine bislang geduldete Nutzung auch ohne MBR des BR und trotz "betrieblicher Übung" untersagen zu können!
Oder stehe ich hier auf der Leitung?
Erstellt am 27.06.2006 um 21:40 Uhr von deadline
Danke für die Diskussion!
Also, ich halte mal fest, so wie ich es jetzt (miß)verstanden :-) habe:
- AG bestimmt, ob er private Nutzung erlaubt oder nicht; hier kann der BR nichts dagegen unternehmen
- auch wenn AG früher eine private Nutzung geduldet hat, ist seine jetzige Weisung (s.O.; erste Aufzählung) generell wirksam
- Einschränkung: der Bereich "Kontrollen" (also Aufspüren von Verstößen) muss!!! mit dem BR im Rahmen einer BRV geregelt werden
- meine Idee: Da AG Privatnutzung während der Arbeitszeit verboten hat - also m.E. nach weder in der Mittagspause, noch wenn Mitarbeiter ausgestempelt vor dem Kasten hocken - dann könnte man versuchen, auch noch eine etwas "weichere" Regelung für die Arbeitszeit herauszuhandeln (z.B.: Mitarbeiter checkt Bahnverbindungen, schaut ob Kohle am Giro eingegangen ist, checkt, ob Reisetickets im privaten! Email-Acount eingetroffen sind; es dürfen keine rassistischen, sexistischen Seiten angewählt werden ...) Merkt der direkte Vorgesetzt, dass die Nutzung Auswirkung auf die Arbeitsqualität/geschwindigkeit hat, dann Untersagung, und nur wieder Surfen außerhalb der Arbeitszeit)
- hört sich das realistisch an, im Großen und Ganzen?
Danke im Voraus für Feedbacks!
Der Neue
deadline
Erstellt am 27.06.2006 um 21:45 Uhr von Kölner
Auch das muss der AG nicht dulden!
Hast Du denn mal einige BV's als Muster/Ideengeber gelesen?
Erstellt am 27.06.2006 um 22:01 Uhr von Fayence
deadline,
habe in meinen Unterlagen folgende Seite wiedergefunden. Beantwortet Dir alle im Zusammenhang stehenden Fragen, mit aktualisierter Rechtsprechung, inkl. einer Muster-BV.
http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Leitfaden_Email_u._Internet_im_Unternehmen_Version_1_3.pdf
Und wenn Du Dir diese Seiten einmal durchgelesen hast, melde Dich noch einmal und gebe Bescheid, ob Ihr die private Nutzung dann noch immer per BV zulassen wollt.
Meine persönliche Meinung, vor allem im AN-Interesse, dazu ist, die private Nutzung von Firmensystemen generell zu untersagen! Ist eine klare Ansage, nachvollziehbar, umsetzbar und bereitet im arbeitsrechtlichen Bereich entsprechend die wenigsten Probleme!
Erstellt am 27.06.2006 um 23:40 Uhr von w-j-l
"Meine persönliche Meinung, vor allem im AN-Interesse, dazu ist, die private Nutzung von Firmensystemen generell zu untersagen! Ist eine klare Ansage, nachvollziehbar, umsetzbar und bereitet im arbeitsrechtlichen Bereich entsprechend die wenigsten Probleme!"
Jaja, Fayence,
so unterschiedlich kann die persönliche Meinung sein. Meine heißt: eine klare Vereinbarung mit guten Missbrauchsregelungen erlaubt auch die persönliche Nutzung. Unser AG verlangt sehr viel Eigenständigkeit, Engagement und Identifikation. Daher wollen wir auch regelmäßig korrespondierende Freiheiten regeln.
Erstellt am 28.06.2006 um 08:33 Uhr von tramdriver
@Fayence: Es kann recht böse Folgen haben, die private Nutzung von Firmensystemen generell zu verbieten. Wer kann denn verhindern, dass ihm ein Bekannter eine private Mail in die Firma schickt? Schon wäre da ein Verstoss mit möglicherweise arbeitsrechtlichen Folgen.
Dass die betriebliche Übung ein individualrechlicher Anspruch ist, war mir bis heute früh nicht klar. Schon wieder was dazugelernt ;-) Es ist aber für den Arbeitnehmer kaum von Belang, ob er aus individual- oder kollektivrechtlichem Anspruch heraus im Internet surfen darf - Hauptsache er darf.
Da das Internet inzwischen kein Kostenfaktor im Unternehmen mehr ist (Internet ist ja sooooo billig und sowieso vorhanden), würde ich grundsätzlich in die Richtung verhandeln, die private Nutzung in angemessenem Umfang zuzulassen.
Erstellt am 28.06.2006 um 09:03 Uhr von Ramses II
"Es kann recht böse Folgen haben, die private Nutzung von Firmensystemen generell zu verbieten. Wer kann denn verhindern, dass ihm ein Bekannter eine private Mail in die Firma schickt? Schon wäre da ein Verstoss mit möglicherweise arbeitsrechtlichen Folgen."
Nein! So geht das natürlich nicht!
Der AG kann hier natürlich nur aktive Handlungen des AN abmahnen und ahnden. Er kann z.B. verbieten Firmenadressen weiterzugeben (wobei der Nachweis dann im Allgemeinen schwierig zu führen sein dürfte) oder das schreiben (bzw. auch eingeschränkt das lesen) von E-Mails untersagen. Das reine Empfangen von E-Mails kann er nicht ahnden. Das ist mit einem generellen Verbot sicherlich auch nicht gemeint.
Erstellt am 28.06.2006 um 09:14 Uhr von tramdriver
Wie nun? Ist es also doch erlaubt, bei einem Verbot privater Nutzung private Mails zu empfangen? Womöglich solche mit lustigen Bildchen oder Videos? Und der Arbeitnehmer kann sich immer damit rausreden, dass er die Mails schliesslich ohne sein Zutun empfangen hat?
Erstellt am 28.06.2006 um 09:39 Uhr von Ramses II
tramdriver,
"empfangen" ist nichts anderes als dass die Mail in Deiner Mailbox ankommt. Dies kannst Du genau so wenig verhindern, wie dass Du verhindern kannst dass die Süddeutsche Klassenlotterie Dir Gewinnbenachrichtigungen in Deinen Briefkasten wirft.
Und wenn Du dann siehst, dass die E-Mail von Tante Edda ist und das Subject lautet "Bilder von Omas Geburtstag", dann hast Du sie zu löschen, egal ob da bunte Bildchen drin sind oder nicht.
Ob Du die Mail geöffnet hast lässt sich ja sehr leicht überprüfen.
Und wenn die Mail von "A. Müller" ist, mit dem Subject "Angebot", dann musst Du sie selbstverständlich öffnen und, sobald Du erkennst dass der Inhalt privat ist löschen.
Das dürfte doch nicht so schwer sein.
Erstellt am 28.06.2006 um 10:12 Uhr von tramdriver
Ramses II,
wenn der Arbeitgeber böse ist, wird er ggf. versuchen, aus diesen Mail einen Kündigungsgrund zu konstruieren. Die elektronischen "Beweise" für das Öffnen einer Mail sind leicht manipulierbar.
Besser ist, wenn der Arbeitgeber nicht böse ist und seinen Arbeitnehmern die Unternehmensflatrate als "Incentive" zukommen lässt. Die Ausgestaltung überlässt er vertrauensvoll seinem BR gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten :-)
Erstellt am 28.06.2006 um 10:23 Uhr von Fayence
@ tramdriver
" Wer kann denn verhindern, dass ihm ein Bekannter eine private Mail in die Firma schickt? "
Der Bekannte wird die Email Adresse nicht auf dem Schwarzmarkt gekauft haben!
"Da das Internet inzwischen kein Kostenfaktor im Unternehmen mehr ist..."
Duwirst mir beipflichten können, dass diese Pauschalaussage so nicht haltbar ist... betriebswirtschaftliche Schäden durch Hackerangriffe, durch das Öffnen virenverseuchter Anhänge etc. .
@ w-j-l
"korrespondierende Freiheiten" , im wahrsten Sinne des Wortes?
"gute Missbrauchsregelungen" ??? Ich würde auch keine schlechten verabschieden wollen!
@ Alle
In einem Punkt muss ich meine Aussage revidieren. Sollte eine betriebliche Übung hinsichtlich der Internet/Email-Nutzung entstanden sein, kann wohl nur durch per BV eine abweichende Regelung getroffen werden.
Habe eine ganz gute Stellungnahme zu diesem Thema gefunden:
http://www.agpkanzlei.de/Ausgewaehlte_Arbeits-_und_betriebsverfassungsrechtliche_Fragen_bei_der_privaten_Internetnutzung_von_Arbeitnehmern_c4_a42_.html
Erstellt am 28.06.2006 um 13:17 Uhr von tramdriver
Ist ein guter Link, den du da gefunden hast.
Natürlich ist meine Konstruktion mit dem Empfang der privaten Mail etwas an den Haaren herbeigezogen. Und mit dem "Kostenfaktor" hätte ich wohl besser formuliert, dass dem Unternehmen durch die private Nutzung keine zusätzlichen Kosten entstehen. Gegen Hackerangriffe und virenverseuchte Anhänge muss die Firma auch dann Vorkehrungen treffen, wenn die private Nutzung untersagt ist.
Erstellt am 28.06.2006 um 21:12 Uhr von deadline
Ich sauge alles auf wie "SpongeBob".
Danke für die diversen Links und Lit.-Hinweise. Habe auch noch zusätzliche - außer Euren Tipps - aus dem Internet gezogen. Morgen haben wir die erste BR-Sitzung; bis dahin muss ich Alles gesichtet und strukturiert haben, damit ich meinen BR-Kollegen inhaltlich was zur Diskussion vorzusetzen habe.
Super Forum!
deadline