Traditionelles Rollenbild vs. Fachkräftemangel: Ein Hindernis für den Arbeitsmarkt
Frauen leisten einen essenziellen Beitrag zur Gesellschaft – sowohl im Berufsleben als auch im Privatbereich. Doch während sich der Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt weiter vergrößert, bleibt das Potenzial vieler qualifizierter Frauen ungenutzt. Es geht nicht mehr darum, ob Frauen arbeiten sollten. Es geht darum, wie wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie ihre Fähigkeiten uneingeschränkt einbringen können. In diesem Artikel beleuchten wir die Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven. Wir zeigen Ihnen, wie Sie als Betriebsrat aktiv zur Förderung von Chancengleichheit und zeitgleich zur Fachkräftesicherung beitragen können.

Die Schere zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung
Männer und Frauen nehmen die Verteilung von Haus- und Erziehungsarbeit unterschiedlich wahr. Eine aktuelle Bertelsmann-Studie zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Männer glauben, die Hausarbeit werde gerecht aufgeteilt. Tatsächlich sieht weniger als die Hälfte der Frauen dies genauso. Diese Diskrepanz beeinflusst nicht nur das Zusammenleben in Partnerschaften, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die ungleiche Aufgabenverteilung führt dazu, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten oder ganz aus dem Erwerbsleben ausscheiden, was wiederum den ohnehin bestehenden Fachkräftemangel weiter verschärft.
Der Einfluss traditioneller Rollenbilder auf die Arbeitsmarktteilhabe
Die Zahlen sind eindeutig: Selbst in Haushalten, in denen beide Partner voll berufstätig sind, übernehmen Frauen im Schnitt wöchentlich 10,6 Stunden Hausarbeit, während Männer nur 6,7 Stunden investieren. Noch eklatanter ist der Unterschied bei der Kinderbetreuung – Frauen leisten hier fast zehn Stunden mehr pro Woche als ihre Partner. Diese strukturelle Ungleichheit ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem. Solange Männer ihren Anteil an der unbezahlten Arbeit nicht erhöhen, bleibt Frauen weniger Zeit für ihre berufliche Entwicklung. Die Konsequenz: geringere Einkommen, niedrigere Renten und ein eingeschränktes berufliches Fortkommen.
Historische Entwicklung der Rollenbilder
Die Vorstellung, dass Frauen hauptsächlich für Haushalt und Kindererziehung zuständig sind, ist historisch gewachsen. Noch im 20. Jahrhundert war es in vielen Ländern üblich, dass verheiratete Frauen nicht erwerbstätig sein durften oder nur mit Zustimmung ihres Ehemanns arbeiten konnten. Erst mit den feministischen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre begannen sich diese Strukturen allmählich aufzulösen. Dennoch sind tief verwurzelte Rollenbilder leider nach wie vor präsent und beeinflussen die Entscheidungen von Frauen und Männern – sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext.
Potenziale entfalten: Frauen und die Zukunft des Arbeitsmarkts
In Deutschland beträgt die Erwerbsquote von Frauen 74,6 Prozent, während sie bei Männern bei 82,7 Prozent liegt. Noch problematischer ist der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigten unter Frauen – dieser liegt bei über 50 Prozent. Während sich die Erwerbsquote über die Jahre gesteigert hat, stagniert der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Dabei sind Frauen in allen Bereichen gefragt: in der Pflege, im Handwerk, in technischen Berufen und in Führungspositionen. Die Fachkräftelücke wird sich in den kommenden Jahren weiter vergrößern, wenn nicht gezielt Maßnahmen ergriffen werden, um das Arbeitsvolumen von Frauen zu erhöhen.
Arbeitswelt im Wandel: Welchen Beitrag können Unternehmen leisten?
Damit Frauen nach der Elternzeit schneller und in höherem Stundenumfang in den Beruf zurückkehren können, müssen Unternehmen gezielt Maßnahmen ergreifen. Flexible Arbeitszeitmodelle, Brückenteilzeit und die Möglichkeit, Führungspositionen in Teilzeit auszuüben, sind essenziell. Doch in der Praxis sind diese Modelle oft noch nicht ausreichend etabliert. Unternehmen, die es ernst meinen mit der Fachkräftesicherung, müssen die Bedürfnisse beider Geschlechter berücksichtigen und eine Unternehmenskultur fördern, die Männern ebenso wie Frauen ermöglicht, Verantwortung in der Familie zu übernehmen.
Lösungsansätze: Was Politik und Gesellschaft tun müssen
Um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern, braucht es auch strukturelle Veränderungen. Eine bessere Kinderbetreuungsinfrastruktur, steuerliche Anreize für gleichmäßige Einkommensverteilung und eine familienfreundlichere Unternehmenskultur sind entscheidende Hebel. Die neue Bundesregierung muss daran arbeiten, die Nachteile des Ehegattensplittings zu reduzieren und den Wiedereinstieg nach Erwerbspausen zu erleichtern. Und auch flexiblere Arbeitszeitmodelle im Gesetz zu verankern, kann bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen.
Internationale Vergleiche: Was können wir lernen?
Ein Blick auf andere Länder zeigt, dass eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen möglich ist. In skandinavischen Ländern wie Schweden und Norwegen liegt die Frauen-Erwerbsquote deutlich über dem deutschen Durchschnitt. Dort sind Maßnahmen wie eine bessere staatliche Kinderbetreuung, flexible Elternzeiten und eine stärkere Beteiligung von Männern an der Care-Arbeit bereits weit fortgeschritten. Diese Länder beweisen, dass eine gleichmäßigere Verteilung der Sorgearbeit nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft ist.
Die Aufgabe der Männer: Ein Schlüssel zur Veränderung
Ein Wandel kann außerdem nur gelingen, wenn auch Männer ihre Rolle in der Familie überdenken. Viele Väter nehmen inzwischen Elternzeit – doch oft nur für wenige Monate. Studien zeigen, dass eine längere Elternzeit für Väter dazu führt, dass sie sich langfristig stärker in der Betreuung ihrer Kinder engagieren. Unternehmen könnten durch gezielte Programme, wie beispielsweise bezahlte Vätermonate oder flexible Arbeitszeitregelungen, dazu beitragen, dass Männer eine aktivere Rolle in der Familie übernehmen.
Medien und Werbung: Verstärker oder Veränderer von Rollenbildern?
Medien und Werbung spielen ebenso eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung oder dem Wandel von Geschlechterrollen. Während in den letzten Jahren immer mehr diverse Familienbilder gezeigt werden, sind stereotype Darstellungen von Frauen als Hausfrauen und Männern als Ernährer noch immer weit verbreitet. Gerade Kinder werden durch diese Bilder früh geprägt. Eine bewusstere Darstellung von Frauen und Männern in gleichberechtigten Rollen könnte langfristig dazu beitragen, gesellschaftliche Normen zu verändern.
To dos für Betriebsräte
Zu guter Letzt spielen natürlich auch Sie als Betriebsrat eine entscheidende Rolle. Es ist Ihre Aufgabe, die Gleichstellung im Unternehmen zu fördern und strukturelle Hindernisse abzubauen, die Frauen an einer höheren Erwerbsbeteiligung hindern.
Dazu gehören:
- Förderung familienfreundlicher Arbeitsmodelle: Der Betriebsrat kann sich für flexible Arbeitszeiten, Home-Office-Regelungen und bessere Wiedereinstiegsbedingungen nach der Elternzeit einsetzen.
- Gleichstellungspolitik im Unternehmen: Frauen brauchen die gleichen Aufstiegschancen wie Männer und diskriminierende Strukturen oder ungleiche Bezahlung müssen thematisiert werden.
- Sensibilisierung und Schulungen: Durch Aufklärung und Workshops können Sie als Betriebsrat ein Bewusstsein für Vorurteile und geschlechterspezifische Diskriminierung schaffen.
- Unterstützung von Männern bei Care-Arbeit: Sie können Väter ermutigen, Elternzeit oder Teilzeitmodelle in Anspruch zu nehmen, um eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit zu fördern.
- Verhandlungen mit dem Arbeitgeber: Sie sollten als Betriebsrat tarifliche und betriebliche Regelungen vorantreiben, die die Chancengleichheit verbessern, z. B. durch Programme zur Frauenförderung oder gezielte Mentoring-Programme.
Fazit – Zeit für einen umfassenden Wandel
Der Fachkräftemangel kann nur dann nachhaltig gelöst werden, wenn auch hier traditionelle Rollenbilder hinterfragt und aufgebrochen werden. Unternehmen und Politik müssen gemeinsam handeln, um Frauen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen und die unbezahlte Care-Arbeit gerechter zu verteilen. Nur so kann das vorhandene Potenzial vollständig genutzt werden. Gleichzeitig sind gesellschaftliche Veränderungen nötig – von der frühkindlichen Erziehung bis zur Arbeitswelt. Ein Umdenken bei Männern, Unternehmen, Politik und Medien ist essenziell, um langfristig eine gerechtere Verteilung der Arbeit und eine bessere wirtschaftliche Zukunft zu schaffen.