Ein Interview: „Das Mindset ist entscheidender als das Geschlecht“ – Warum Betriebsräte Schlüsselakteure für Gleichberechtigung sind
In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist der Betriebsrat eine unverzichtbare Instanz für Arbeitnehmerrechte und Chancengleichheit. Gerade für Frauen spielt er eine entscheidende Rolle: Er setzt sich für faire Löhne, bessere Karrierechancen und eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein.
Michael Ehrenberger ist langjähriger Betriebsrat bei SAP Deutschland SE & Co. KG. Er zeigt in diesem Interview, wie ein modernes Betriebsratsverständnis Diversität aktiv fördert. Mit einer frischen Denkweise und einer klaren Haltung unterstützt der selbsternannte „Betriebsratsrocker“ Frauen dabei, sich im Unternehmen erfolgreich zu behaupten – sei es durch strategische Netzwerke, transparente Gehaltsstrukturen oder innovative Arbeitsmodelle wie Job-Tandems.
Passend zum Weltfrauentag werfen wir einen Blick darauf, was Sie als Betriebsrat konkret für die Förderung von Frauen tun können – und warum gerade Unternehmen davon profitieren.

W.A.F.: Klären Sie unsere Leser auf – wie wird man Betriebsratsrocker, Herr Ehrenberger?
M.E.: Das ist kein Ehrentitel, den man bei SAP verliehen bekommt, es war vielmehr ein Jux. Unsere Personalabteilung wollte ihr angestaubtes Image verbessern und so machte sich die HR-Führung vor einiger Zeit zum HR-Punk, mit Irokesenschnitt, Springerstiefeln und Lederkutte. Auf diesen Zug bin ich aufgesprungen, um dann als Betriebsratsrocker das ebenfalls langweilige Bild der Betriebsräte zu verjüngen.
W.A.F.: Ihr Unternehmen ist ein großer Player in der IT-Branche. Gibt es dort überhaupt Frauen im Betriebsrat?
M.E.: Natürlich, ich führe z.B. meine eigene Betriebsratsliste, zusammen mit zwei sehr engagierten Frauen. Und wir beachten die quotale Besetzung und mehr als ein Drittel meiner Betriebsratsliste besteht aus Frauen. Grundsätzlich ist mir zuerst mal das Mindset wichtig, aber ich habe einfach gelernt über viele Jahre, dass Diversität mehr Power bringt. Wenn ich also merke, eine Gruppe von Mitarbeitern des Unternehmens ist im Gremium unterrepräsentiert, dann versuche ich genau solche Leute zu akquirieren.
W.A.F.: Welche Vorteile hat es, viele Frauen im BR zu haben?
M.E.: Grundsätzlich glaube ich, dass es Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Vielleicht sind Frauen einfach ein bisschen cleverer. Das könnte daran liegen, dass sie oft viel mehr Bälle in der Luft halten müssen als ein Mann. Da sind die Kinder, das Haus, vielleicht noch Eltern, die gepflegt werden. Mit unseren weiblichen Kollegen drei Stunden über ein Thema zu diskutieren, das geht nicht, die meisten werden schon nach 10 Minuten nervös. Einige arbeiten auch in Teilzeit und müssen sich sehr gut organisieren, damit sie ihren Job, die Betriebsratsarbeit und eben auch die Familie unter einen Hut bekommen.
W.A.F.: Teilzeit ist ein gutes Stichwort. Arbeitspsychologen sprechen auch von Teilzeitfalle, halbes Gehalt bei voller Arbeitszeit, um es mal spitz zu formulieren. Was können Betriebsräte in einem modernen Unternehmen aus Ihrer Sicht dagegen tun?
M.E.: Die Teilzeitfalle sehe ich auch so. Daher rate ich Kolleginnen immer, nicht unbefristet in Teilzeit zu arbeiten. Eine Teilzeitstelle sollten wir als eine Stufe nach oben auf der Karriereleiter betrachten. Wenn es nicht anders geht als in Teilzeit, dann muss das Unternehmen in die Verantwortung gehen und auch diese Mitarbeiter im Rahmen des Möglichen unterstützen und weiter entwickeln, zur Not eben mithilfe des Betriebsrats.
W.A.F.: Wenn es um Gleichberechtigung und Inklusion geht, dann sind nicht nur Teilzeitkräfte ein wichtiges Thema für den BR, sondern auch die Fragen der Entgelttransparenz und Equal Pay. Wie gehen Sie damit um?
M.E.: Wir unterscheiden beim Gehalt nie nach Geschlecht. Es gibt eine Tabelle, in der alle Stellen mit ihrem Anforderungsprofil hinterlegt sind. Kommt dann ein neuer Kollege, müssen wir nur in der Tabelle nachsehen.
Macht jemand von seinem Auskunftsanspruch Gebrauch, dann teilen wir nicht nur das Gehalt von den männlichen oder weiblichen Kollegen links und rechts von ihm mit, sondern wir sehen uns das ganze Team an und prüfen, was die Teammitglieder mit einem ähnlichen Aufgabenbereich verdienen. Das betrachten wir als unsere Aufgabe im BR und so erleben wir es auch immer wieder. Viel wichtiger ist, dass dieses Thema fest in der DNA der Geschäftsleitung und HR verankert ist. Unsere Personalabteilung führt regelmäßig FairPay Analysen durch. Stellt man dann fest, dass da was nicht passt, gibt es eine FairPay Anpassung.
W.A.F.: Ein Betriebsrat, der so lange im Amt ist, prägt auch maßgeblich die Unternehmenskultur mit. An welche Erfolge erinnern Sie sich hier gern?
M.E.: Als beispielsweise im Jahr 2014 von uns quasi eine Home-Office-Regelung, getarnt als ‚mobile Arbeit‘ Vereinbarung eingeführt wurde, war das ein großer Erfolg. Das war zunächst von der Geschäftsleitung nicht gewünscht, wurde aber insbesondere bei Frauen in Teilzeit ein großer Erfolg. Die haben sich sehr gerne in den Abendstunden, nachdem die Kinder im Bett waren und zu Hause Ruhe eingekehrt war, noch einmal an den Schreibtisch gesetzt. Diese Veränderung hat auch zu besseren Arbeitsergebnissen geführt. Schon nach kurzer Zeit wurde das von allen Mitarbeitern und Führungskräften sehr geschätzt. Die Zufriedenheit ist damals messbar gestiegen.
W.A.F.: Das diente am Ende auch dem Unternehmen.
M.E.: Genau, das gehört für mich mit eigentlich in dieses neue Mindset des Betriebsrats. Wir müssen alle am Ende des Tages ein großes Interesse daran haben, dass das Unternehmen erfolgreich ist, dass es den Mitarbeitern gut geht, denn unsere Mitbewerber sitzen in aller Regel ja nicht mehr in Deutschland.
W.A.F.: Was raten Sie Frauen denn grundsätzlich, um gut im Unternehmen verankert zu sein?
M.E.: Ich führe viele Beratungsgespräche jedes Jahr und natürlich auch mit Frauen. Es geht immer um die gleichen drei goldenen Regeln: Erstens ist es für jeden Mitarbeiter wichtig, ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Persönliche Kontakte sind immer hilfreich. Zweitens geht es darum, wirklich klare Grenzen zu setzen, auch in persönlicher Hinsicht, und diese Grenzen auch klar den Führungskräften und dem Team zu kommunizieren. Wenn ich in Teilzeit arbeite und donnerstags und freitags meinen freien Tag habe, dann sollte das jeder wissen, und es sollte akzeptiert sein. Der dritte ist der wichtigste Punkt: Ein Teilzeitmitarbeiter wird nur für Teilzeit bezahlt. Er muss selbst die Verantwortung dafür übernehmen, dass er auch nur Teilzeit arbeitet.
W.A.F.: Haben Sie hier einen praktischen Tipp, wie gute Teilzeitarbeit aussieht?
M.E.: Auf jeden Fall – ich bin ein großer Fan von Tandems. Dort teilen sich zwei Personen eine Vollzeitstelle und hier ist eine riesige Spielwiese für Diversität. Da geht es längst nicht nur um Männer und Frauen, sondern beispielsweise auch um Alt und Jung. Hier können wir wirklich die Stärken von verschiedenen Menschen perfekt kombinieren, um das Beste aus der Position herauszuholen, egal ob es um die Wochentage geht, an denen gearbeitet wird oder um persönliche Stärken und Schwächen, die sich auf die Arbeitsleistung auswirken.
Ich persönlich schaue bei Menschen nur auf das Mindset. Habe ich eine Person mit einem positiven Mindset, dann wird die auch ihre Aufgaben meistern.
W.A.F.: Das sind wegweisende Schlussworte! Haben Sie vielen Dank für dieses Mut machende Gespräch!
Fazit: Drei zentrale Erkenntnisse aus dem Interview
- Mindset vor Geschlecht: Erfolg hängt nicht vom Geschlecht ab, sondern von der Einstellung. Frauen sollten gezielt Netzwerke aufbauen und klare Grenzen setzen.
- Faire Bezahlung & Karrierechancen: Transparente Gehaltstabellen und FairPay-Analysen helfen dabei, Gleichberechtigung im Unternehmen nachhaltig zu verankern.
- Moderne Arbeitsmodelle nutzen: Job-Tandems, flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten sind essenzielle Bausteine, um Frauen den beruflichen Aufstieg zu erleichtern.
Dieses Interview zeigt eindrucksvoll, dass ein starker Betriebsrat einen großen Unterschied für Gleichberechtigung machen kann – und damit nicht nur Frauen, sondern das gesamte Unternehmen stärkt.