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Entgelttransparenz trifft Datenschutz: Ein Balanceakt mit Handlungsbedarf für Betriebsräte

5 Minuten Lesezeit
10.07.2025

Mit der Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) bis Juni 2026 kommt auf deutsche Unternehmen eine große Veränderung zu: mehr Transparenz bei Gehältern zum Abbau des Gender Pay Gaps. Doch die neuen Offenlegungspflichten stehen in einem Spannungsverhältnis zu den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Für Sie als Betriebsrat eröffnet sich dabei ein erweitertes Aufgabenfeld zwischen Informationsrechten und Datenschutzpflichten. In diesem Artikel lesen Sie mehr über die Herausforderung, wie Entgeltgerechtigkeit und Datenschutz vereinbar sind – und welche Rolle Betriebsräte dabei spielen können und sollten.

Ein Mann balanciert auf einem Seil

Ziel der ETRL: Lohngerechtigkeit durch Transparenz – aber zu welchem Preis?

Die EU will mit der Entgelttransparenzrichtlinie der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit den Kampf ansagen. Die Zahlen sprechen für sich: 2024 lag der unbereinigte Gender Pay Gap – also der allgemeine Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern – in Deutschland bei 16 %. Der bereinigte, der den Unterschied bei vergleichbaren Qualifikationen und Tätigkeiten berücksichtigt, lag immerhin noch bei 6 %. Die Ursachen sind strukturell und individuell: von Teilzeitarbeit über Branchenwahl bis hin zu fehlenden Führungspositionen für Frauen.

Kern der ETRL ist deshalb: Transparenz schaffen. Unternehmen ab 100 Beschäftigten sollen künftig verpflichtet werden, regelmäßig über geschlechtsbezogene Entgeltunterschiede zu berichten. Beschäftigte erhalten ein Recht auf Auskunft über das Entgeltniveau vergleichbarer Tätigkeiten und können diese Informationen in Gehaltsverhandlungen nutzen.

Das Problem: Gehaltsdaten sind personenbezogene Informationen, die unter den Schutz der DSGVO fallen. Unternehmen geraten damit in einen Zielkonflikt zwischen Offenlegungspflicht und Datenschutzrecht und müssen beides rechtssicher unter einen Hut bringen.

Recht auf Transparenz vs. Recht auf Privatsphäre – ein schwieriges Gleichgewicht

Gehälter sind keine „besonderen Kategorien personenbezogener Daten“ im Sinne des Art. 9 DSGVO. Dazu würden beispielsweise Daten zählen, die Rückschlüsse auf die ethnische Herkunft, die Religion oder eine Gewerkschaftszugehörigkeit einer Person zulassen. Gehaltsdaten gelten aber dennoch als besonders sensibel. Deren Offenlegung kann tief in die Privatsphäre eingreifen, etwa wenn Rückschlüsse auf konkrete Personen möglich sind, besonders in kleinen Teams oder bei Einzelpositionen.

Die DSGVO verlangt Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 lit. c) und eine strenge Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1 lit. b). Die ETRL selbst verweist in Art. 12 ausdrücklich darauf, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten im Einklang mit der DSGVO erfolgen muss. Das heißt: Auch bei gesetzlicher Pflicht zur Gehaltsoffenlegung darf nicht mehr preisgegeben werden als erforderlich und vor allem nicht an jeden.

Eine Rechtsgrundlage zur Verarbeitung ist aber gegeben, wenn nationale Vorschriften im Rahmen der ETRL dies vorsehen (Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO). Doch selbst dann muss eine Interessenabwägung stattfinden: Wie hoch ist das Transparenzinteresse und wie groß ist der Eingriff in die Privatsphäre? Vor allem in kleineren Betrieben kann die Identifizierbarkeit einzelner Personen schnell problematisch werden.

Der Betriebsrat im Fokus: Mehr Rechte, mehr Verantwortung

Mit der ETRL werden auch Ihre Informationsrechte als Betriebsrat gestärkt. Die Richtlinie sieht eine enge „Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen“ vor. In der Praxis bedeutet das: Betriebsräte erhalten mehr Einblick in Gehaltsstrukturen, um ungleiche Bezahlung aufzudecken und zu adressieren. Die bisherige Beschränkung aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG – wonach nur einzelne Personengruppen Zugang zu personenbezogenen Daten haben dürfen – fällt durch die ETRL weg.

Das eröffnet Handlungsspielräume, aber auch Risiken. Denn auch für Betriebsräte gilt: Der Zugriff auf personenbezogene Daten ist nur im erforderlichen Umfang zulässig. Das heißt konkret:

  • Der Betriebsrat darf Daten einsehen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben – etwa zur Überwachung der Entgeltgleichheit – erforderlich ist.
  • Es müssen interne Zugriffskonzepte bestehen: Wer sieht welche Daten, und wie wird der Missbrauch verhindert?
  • Wenn möglich, sollten die Daten anonymisiert oder zumindest pseudonymisiert vorliegen, insbesondere bei kleineren Vergleichsgruppen.

Als Betriebsrat sollten Sie sich daher aktiv in die betriebliche Umsetzung der ETRL einbringen, um sowohl Transparenz als auch Datenschutz zu sichern.

Empfehlungen für eine datenschutzkonforme Umsetzung im Betrieb

Die Umsetzung der ETRL stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Doch sie ist auch eine Chance, faire Bezahlung strukturell zu verankern. Damit dabei keine datenschutzrechtlichen Fallstricke entstehen, empfiehlt sich ein fünfstufiges Vorgehen:

  1. Rechtsgrundlage prüfen: Welche Offenlegungspflichten bestehen konkret und für welche Daten?
  2. Datenschutz-Folgenabschätzung durchführen: Wo besteht das Risiko einer Identifizierbarkeit, und wie lässt es sich minimieren?
  3. Zugriffskonzepte etablieren: Wer darf auf welche Daten zugreifen und in welcher Form?
  4. Anonymisierung nutzen: Gruppendaten statt Einzeldaten verwenden, wo möglich.
  5. Dokumentation sicherstellen: Jede Entscheidung darüber, welche Entgeltdaten Sie zur Verfügung stellen, muss begründet und dokumentiert sein.

Sie als Betriebsrat sollten sich mit dem Arbeitgeber frühzeitig auf Verfahren verständigen, die einerseits Entgeltgerechtigkeit ermöglichen und andererseits die Anforderungen der DSGVO erfüllen. Eine datenschutzkonforme Umsetzung ist nicht nur rechtlich vorgegeben, sondern auch im Sinne der Beschäftigten und schützt vor Vertrauensverlust.

Fazit: Zwischen Offenheit und Schutz – Betriebsräte als Gestalter der fairen Vergütung

Mit der ETRL will die EU endlich Transparenz schaffen, wo bisher viele Vermutungen, aber wenige Belege existierten: beim Gender Pay Gap. Das Entgelttransparenzgesetz in Deutschland wird 2026 entsprechend angepasst werden. Als Betriebsrat sollten Sie sich schon jetzt darauf vorbereiten.

Dabei ist Ihre Rolle klar: Als Interessenvertreter der Beschäftigten müssen Sie auf fairer Bezahlung bestehen, ohne jedoch die Persönlichkeitsrechte einzelner zu verletzen. Zwischen Transparenz und Datenschutz vermitteln zu können, wird zur Schlüsselkompetenz.

Die gute Nachricht: Mit klarem Rechtsrahmen, datensensiblen Verfahren und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat lässt sich das Ziel der Richtlinie erreichen: eine gerechtere, transparentere und datenschutzkonforme Arbeitswelt.

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