Gegen den US-Trend: Wie Betriebsräte Vielfalt verteidigen
Während US-Konzerne unter politischem Druck ihre Diversitätsprogramme zurückfahren, bleibt die Rechtslage in Deutschland stabil – und Sie als Betriebsrat können aktiv gegensteuern. Denn Vielfalt am Arbeitsplatz ist mehr als ein Modewort: Sie sichert Teilhabe, Innovation und Zukunftsfähigkeit. Wie Sie als Betriebsrat DEI (Diversity, Equity & Inclusion) gezielt fördern und mit Betriebsvereinbarungen dauerhaft verankern, zeigt dieser Artikel.

Wenn Vielfalt zur Zielscheibe wird: Der Rückzug in den USA
Was einst als Fortschritt gefeiert wurde, gerät in den USA zunehmend unter Druck: Programme zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion – kurz DEI (Diversity, Equity & Inclusion) – werden dort zunehmend zurückgefahren. US-Präsident Donald Trump führt einen regelrechten Feldzug gegen das Thema. US-Unternehmen wie Google, Meta oder McDonald’s streichen Förderziele, lösen Beiräte auf oder entfernen DEI-Verweise aus ihren Geschäftsberichten.
Die Begründung: Solche Programme würden angeblich „benachteiligen statt ausgleichen“. Doch Belege für Leistungseinbußen durch diverse Teams fehlen. Vielmehr reagieren Unternehmen aus Sorge vor politischen Sanktionen oder rechtlichen Konsequenzen. So wurde etwa T-Mobile US nach einer offiziellen Distanzierung von Diversitätszielen prompt eine beantragte Unternehmensübernahme genehmigt – ein Zusammenhang, der in US-Medien deutlich diskutiert wird. Und auch der deutsche Tech-Gigant SAP zieht mit und streicht aus Rücksicht auf die US-Politik Programme für Geschlechtervielfalt.
Warum Deutschland anders ist – und das gut so ist
In Deutschland ist die rechtliche und gesellschaftliche Ausgangslage eine andere: Antidiskriminierung ist gesetzlich verankert, z. B. im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder in den Vorgaben zur Frauenförderung im Führungspositionen-Gesetz. Derartige Programme zu beenden, wäre nicht nur rechtlich bedenklich, sondern würde auch den Fachkräftemangel verstärken.
Tatsächlich gilt: Unternehmen, die Vielfalt und Inklusion fördern, verbessern nicht nur ihr Employer Branding, sondern auch ihre Innovationskraft und Mitarbeiterbindung. Der „Rückzug aus der Vielfalt“, wie ihn US-Konzerne praktizieren, wäre hierzulande schlicht unklug – und zum Glück auch nicht notwendig.
Der Betriebsrat als Verteidiger einer offenen Unternehmenskultur
Sie als Betriebsrat sind nicht nur Ansprechpartner bei individuellen Konflikten, Sie haben auch die Möglichkeit, aktiv Unternehmenspolitik mitzugestalten. Über Betriebsvereinbarungen, Mitbestimmungsrechte bei Personalmaßnahmen (§ 99 BetrVG), Qualifizierungsinitiativen (§ 98 BetrVG) oder durch Vorschlagsrechte im Bereich der Unternehmenskultur können Sie das Thema Diversität auf die Agenda setzen.
In einigen Unternehmen haben diskriminierende Vorfälle zu umfassenden Vereinbarungen geführt – etwa zu Antirassismus, Antidiskriminierung oder Diversity-Schulungen. Diese Ansätze zeigen: Betriebsräte können Standards schaffen, die über den Tag hinauswirken, auch wenn der Rückenwind im Unternehmen fehlt.
Betriebsvereinbarung statt Lippenbekenntnis: Was konkret vereinbart werden kann
Statt auf freiwillige Initiativen der Geschäftsführung zu hoffen, streben Sie als engagierte Betriebsräte besser verlässliche Regelungen an. Betriebsvereinbarungen bieten rechtssichere Rahmenbedingungen und dokumentieren den Willen zur Veränderung.
Mögliche Inhalte sind hier:
- Verhaltensgrundsätze für einen respektvollen Umgang im Betrieb
- Verpflichtende Schulungen zu Antidiskriminierung und interkultureller Kompetenz
- Schutzmechanismen für Betroffene von Mobbing oder Diskriminierung
- Fördermaßnahmen für unterrepräsentierte Gruppen
- Verfahren zur anonymisierten Bewerberauswahl
- Gendergerechte Sprache in interner Kommunikation
All dies lässt sich – mit Verhandlungsgeschick – im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung regeln. So entstehen klare, überprüfbare Strukturen.
Passende Musterbetriebsvereinbarungen zu diesen Themen finden Sie in unseren Arbeitshilfen.
Vielfalt beginnt im Gremium
Wie glaubwürdig Sie als Gremium für Vielfalt einstehen, hängt auch von der Vielfalt in der eigenen Zusammensetzung und Kompetenz ab. In manchen Gremien gilt es hier noch Potenzial zu entfalten. Diversität im Betriebsrat selbst – z. B. in Bezug auf Herkunft, Geschlecht, Alter oder Behinderung – lässt sich oftmals noch verbessern. Das liegt nicht nur an der Wahlbeteiligung, sondern auch daran, wer sich überhaupt aufstellen lässt und wer sich zutraut, mitzureden.
Daher ist es gerade jetzt vor der nächsten Betriebsratswahl 2026 entscheidend, Kollegen mit unterschiedlichen Perspektiven zu ermutigen. Gleichzeitig brauchen Sie als Betriebsrat gezielte Weiterbildungen, um diskriminierungssensible Themen überhaupt erkennen und bearbeiten zu können. Sie haben dank § 37 Abs. 6 BetrVG die Möglichkeit, entsprechende Schulungen als erforderlich anzumelden:
Sichtbar machen, was (noch) fehlt und Chancen aktiv nutzen
Viele Unternehmen scheitern nicht an bösem Willen, sondern an blinden Flecken. Studien wie das Inklusionsbarometer Arbeit zeigen, dass in Deutschland noch immer jedes vierte Unternehmen keine Menschen mit Behinderung beschäftigt – trotz gesetzlicher Vorgaben. Auch bei anderen Merkmalen (z. B. sexuelle Orientierung, Religion, sozialer Hintergrund) wird Vielfalt oft nicht aktiv erfasst, geschweige denn gefördert.
Hier können Sie als Betriebsrat gezielt Impulse setzen: durch anonymisierte Umfragen, Diversity-Audits oder Vorschläge zur inklusiven Personalgewinnung. Wichtig ist: Es geht nicht um Quoten, sondern um gleichberechtigte Teilhabe. Und um die Erkenntnis, dass Vielfalt immer auch ein wirtschaftlicher Vorteil ist.
Fazit: Vielfalt sichern heißt Zukunft gestalten
Der Trend aus den USA zeigt, wie schnell gesellschaftlicher Fortschritt politisch unter Druck geraten kann. In Deutschland ist dieser Rückschritt weder rechtlich noch kulturell denkbar – aber er könnte dennoch aus Bequemlichkeit Einzug halten. Hier sind Sie als Betriebsrat gefragt.
Vielfalt und Inklusion sind keine modischen Schlagworte. Sie stehen für Chancengleichheit, respektvollen Umgang und eine Unternehmenskultur, in der alle Beschäftigten gesehen und gehört werden. Wer als Betriebsrat jetzt handelt, verhindert nicht nur Rückschritte, sondern gestaltet aktiv die Zukunft – fair, modern und solidarisch.
Handlungsimpuls für Ihr Gremium:
Nutzen Sie Ihre Rechte, um DEI-Themen dauerhaft zu verankern. Starten Sie mit einem internen Austausch in Ihrer nächsten BR-Sitzung, bringen Sie das Thema aktiv in die Betriebsversammlung (§ 43 BetrVG) ein und besprechen Sie gemeinsam mit der Geschäftsführung Möglichkeiten für eine Betriebsvereinbarung zu Vielfalt und Inklusion.