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KI und Barrierefreiheit: Wie künstliche Intelligenz neue Zugänge schafft

6 Minuten Lesezeit

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft – ein wichtiger Schritt für digitale Teilhabe. Unternehmen müssen dann viele ihrer digitalen Angebote so gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind – auch für Menschen mit Behinderungen.
Während Behörden schon länger zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, gilt das nun erstmals auch für viele private Unternehmen. Besonders betroffen: Websites, Apps, Online-Shops, Buchungssysteme und digitale Kommunikationsdienste.
Die Umsetzung stellt viele Betriebe vor Herausforderungen. Doch genau hier kann Künstliche Intelligenz (KI) helfen: Sie vereinfacht Inhalte, erstellt barrierefreie Formate und unterstützt dabei, Informationen für alle zugänglich zu machen.
In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie KI Barrieren abbauen kann – und wie Sie als SBV aktiv zur digitalen Inklusion beitragen können.

Was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verändert

Das BFSG verpflichtet ab Juni 2025 viele Unternehmen – vor allem im B2C-Bereich – zur Einhaltung konkreter Barrierefreiheitsstandards. Mobilitätsdienstleister, Telekommunikationsunternehmen, Banken, Onlinehändler und viele weitere Anbieter müssen ihre digitalen Angebote so gestalten, dass sie für alle Menschen nutzbar sind. Das umfasst unter anderem:

• strukturierte und einfach navigierbare Benutzeroberflächen
• Inhalte, die mit Screenreadern kompatibel sind
• variable Schriftgrößen
• kontrastreiche Gestaltung
• verständliche Sprache – idealerweise leichte oder einfache Sprache

Während sich öffentliche Einrichtungen bereits an der internationalen Richtlinie WCAG 2.1 (Web Content Accessibility Guidelines) orientieren, steht diese Umstellung für viele privatwirtschaftliche Unternehmen noch bevor. Sie erfordert Investitionen – und durchdachte Strategien, die Qualität und Skalierbarkeit miteinander verbinden.

Und genau hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel.

KI als Übersetzerin in eine barrierefreie Zukunft

Künstliche Intelligenz hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt – vor allem durch Sprachmodelle wie ChatGPT, Bard oder Claude. Diese Tools können Texte automatisch zusammenfassen, vereinfachen, vorlesen oder in andere Sprachen übersetzen.

Gerade im Bereich Barrierefreiheit ergeben sich daraus neue Möglichkeiten:

  • Automatische Untertitel und Transkriptionen für Videos und Online-Meetings
  • Audiodeskriptionen für visuelle Inhalte, die Menschen mit Sehbehinderung Orientierung bieten
  • Sprachsteuerungen und Texterkennung für Menschen mit motorischen Einschränkungen
  • Übersetzungen in leichte oder einfache Sprache, die Inhalte für eine größere Zielgruppe zugänglich machen

Was früher aufwendig von Hand erstellt wurde, kann KI heute – mit etwas Nachbearbeitung – deutlich schneller liefern. Das spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern schafft auch neue Reichweiten.

Leichte Sprache: Vom Nischenprodukt zum Mainstream

Leichte Sprache war lange ein Nischenthema – heute profitieren deutlich mehr Menschen davon: zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten, funktionale Analphabeten, Personen mit geringen Deutschkenntnissen oder ältere Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Aber auch alle, die sich im Alltag klare, verständliche Informationen wünschen.

Die Grundidee: Was für einige notwendig ist, hilft vielen.

Ein Beispiel aus München zeigt, wie das mit KI funktioniert: Ein Anbieter übersetzt Inhalte automatisiert in Leichte oder Einfache Sprache – basierend auf anerkannten Regeln. Neu sind automatisierte Bebilderungen, bei denen zentrale Begriffe durch Illustrationen ergänzt werden. Ziel: noch bessere Verständlichkeit.
Gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird Leichte Sprache so Teil moderner Kommunikation. KI macht sie bezahlbar und skalierbar – ohne dass professionelle Übersetzungen überflüssig werden.

Vier Praxisbeispiele: Wie KI heute schon Barrieren abbaut

  1. Microsoft – Seeing AI: Die App „Seeing AI“ erkennt mithilfe der Smartphone-Kamera Objekte, Personen und Texte in der Umgebung – und beschreibt sie in Echtzeit. Blinde Menschen können so eigenständig Informationen erfassen. Auch in Microsoft Teams oder PowerPoint helfen automatische Untertitel und Übersetzungen, die Barrierefreiheit in der Unternehmenskommunikation zu verbessern.
  2. Netflix – Automatisierte Audiodeskriptionen: Der Streamingdienst testet hybride KI-Lösungen, die erste Entwürfe für Audiodeskriptionen erstellen. Diese werden anschließend von geschulten Fachkräften überarbeitet und verfeinert. So entstehen barrierefreie Inhalte effizient – ohne Abstriche bei der Qualität.
  3. BBC – Vielfalt durch Technik: Der britische Sender setzt auf automatisierte Untertitel, Gebärdensprachvideos und barrierefreie Navigationsstrukturen. Ein internes Diversity-Team sammelt regelmäßig Feedback - auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten -, um die Angebote weiter zu verbessern.
  4. Summ AI – Leichte Sprache per Knopfdruck: Die Münchner Firma übersetzt komplexe Texte in Leichte oder Einfache Sprache. Unternehmen können damit auch Stellenanzeigen, Broschüren oder Online-Shops leichter zugänglich machen.

Diese Beispiele zeigen: KI ist keine Zukunftsmusik – sie verändert bereits jetzt, wie wir Zugang zu Informationen gestalten.

Videos ohne Untertitel? Das ist wie ein Buch ohne Text – für viele Menschen schlicht unzugänglich. Untertitel sind ein Muss für hörbeeinträchtigte Personen, aber auch ein praktisches Extra für alle, die Videos ohne Ton schauen – ob in der Bahn, im Büro oder abends auf dem Sofa. Doch wie erstellt man Untertitel, die wirklich barrierefrei und leicht verständlich sind?

Die wichtigsten Regeln für Untertitel auf einen Blick:

  • Untertitel bestehen aus maximal zwei Zeilen und sind zentriert am unteren Bildrand platziert.
  • Jede Texteinblendung sollte mindestens eine Sekunde sichtbar bleiben.
  • Ein Hintergrundbalken sorgt für guten Kontrast, z. B. weiße Schrift auf schwarzem Grund.
  • Fachbegriffe sollten vermieden oder erklärt werden, um die Inhalte leicht verständlich zu machen.

Zum Glück gibt es smarte Tools, die bei der Erstellung unterstützen. Automatische Programme wie [Name eines Programms] sparen Zeit, benötigen aber oft manuelle Nachbearbeitung. Wer sich an den Standards orientieren möchte, findet detaillierte Vorgaben in den Richtlinien der deutschen Landesrundfunkanstalten.

Inklusion in der Arbeitswelt: Das Projekt KI-Kompass Inklusiv

Technologien allein reichen nicht aus. Es braucht Strukturen, Beratung und einen klaren ethischen Rahmen.
Genau hier setzt das Projekt „KI-Kompass Inklusiv“ an. Initiiert wurde es vom Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz. Mit dabei sind unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaften der Berufsbildungswerke und Werkstätten für behinderte Menschen sowie der Bundesverband der Berufsförderungswerke. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).
Ziel ist es, bis 2027 ein Kompetenzzentrum für KI-gestützte Assistenztechnologien und Inklusion im Arbeitsleben aufzubauen. Damit sollen Menschen mit Behinderungen gezielt in die digitale Arbeitswelt einbezogen und der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtert werden.

Das Projekt ruht auf drei Säulen

  • Monitoring: Das DFKI beobachtet und bewertet den Stand von KI-Assistenzsystemen.
  • Beratung & Schulung: Die BAG der Berufsbildungswerke bietet Trainings für Unternehmen, Fachkräfte und Betroffene – inklusive ethischer und datenschutzrechtlicher Aspekte.
  • Praxislabore: Der Bundesverband der Berufsförderungswerke testet gemeinsam mit Partnern den konkreten Einsatz von KI im Arbeitsumfeld.

Zwei Themen ziehen sich durch alle Bereiche: Partizipation & Barrierefreiheit sowie Ethik & Datenschutz. Koordiniert wird dieser Teil unter anderem von der BAG der Werkstätten für behinderte Menschen.

„KI-Kompass Inklusiv“ zeigt: Assistenztechnologien sind mehr als digitale Helfer – sie können echte Teilhabe ermöglichen. Von Text-zu-Sprache-Systemen bis zu intelligenten Exoskeletten reicht die Bandbreite. Entscheidend ist: Diese Technologien entstehen nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg – sondern gemeinsam mit ihnen

Fazit: Jetzt die Weichen stellen – mit KI für mehr Barrierefreiheit

Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ist klar: Digitale Inklusion wird zur Pflicht – nicht nur für Behörden, sondern auch für viele Unternehmen. Wer jetzt handelt, sorgt nicht nur für Rechtssicherheit, sondern erschließt neue Zielgruppen und stärkt die Teilhabe.
Künstliche Intelligenz kann dabei ein wertvolles Werkzeug sein: Sie vereinfacht Texte, erstellt alternative Formate, unterstützt bei Übersetzungen – und macht Inhalte für mehr Menschen zugänglich.

Für Sie als Schwerbehindertenvertretung ist das eine doppelte Chance:
Sie können aktiv an der Umsetzung von Barrierefreiheit mitwirken – und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Digitalisierung in Ihrem Betrieb nicht zur neuen Barriere, sondern zum Türöffner für mehr Teilhabe wird.

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