Darf ich zitieren? Ich bin auf dem Sprung, deshalb... betr. "vorrübergehendem Absinken"
in der Ferienzeit noch beschlussfähig?
In der Urlaubszeit kann es im Betriebsrat personell sehr eng werden. Ruht dann die Betriebsratsarbeit, weil er beschlussunfähig geworden ist? Das passiert mehr als einmal: Fast alle Mitglieder des Betriebsrats befinden sich im Urlaub (z.B. wegen der schulpflichtigen Kinder), und auch bei den Ersatzmitgliedern sieht es nicht anders aus. Unglücklicherweise fallen auch noch einige wegen Krankheit, Dienstreise oder Wehrdienst aus. Nach dem Buchstaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wäre der Betriebsrat dann beschlussunfähig.
§ 33 Abs. 2 BetrVG sagt: »Der Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt; Stellvertretung durch Ersatzmitglieder ist zulässig.« Wenn also von fünf Mitgliedern zwei abwesend sind, können die übrigen drei die Betriebsratsarbeit voll weiterführen. Beschlüsse sind aber nur gültig, wenn ordnungsgemäß zur Sitzung geladen wurde, das heißt, dass auch die vorhandenen Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung eingeladen wurden. Gibt es keine Ersatzmitglieder oder sind gerade keine verfügbar, so ist die Beschlussfassung trotzdem ordnungsgemäß.
Kritisch wird es, wenn von fünf nur noch zwei Mitglieder (oder eins) im Betrieb sind und auch kein Ersatzmitglied geladen werden kann. Grundsätzlich sollte der Betriebsrat immer versuchen, eine derartige Situation durch entsprechende Absprachen zu vermeiden. Aber Krankheit, Unfälle und andere unvorhersehbare Dinge sorgen dafür, dass die Mitgliederzahl doch mal unter die Grenze der Beschlussfähigkeit absinkt.
Im Gesetz gibt es dafür keine Regelung. In der Praxis wird auf § 22 BetrVG zurückgegriffen, der bei dauerhaftem Absinken der Mitgliederzahl des Betriebsrats und notwendiger Neuwahl gemäß §13 BetrVG die Weiterführung der Geschäfte durch das oder die verbliebenen Mitglieder bestimmt. In solchen Fällen kann selbst ein verbliebenes einzelnes Mitglied die Betriebsratsgeschäfte bis zur Neuwahl vollwertig weiterführen. Bei nur vorübergehendem Absinken infolge der beschriebenen Umstände kann entsprechend verfahren werden.
Aber Vorsicht: Der verbliebene »Rest« kann jetzt nicht nach Herzenslust beschließen, was im vollzähligen Betriebsrat nie »durchgegangen« wäre. Das Bundesarbeitsgericht entschied bereits vor Jahren, dass bei einem vorübergehenden Absinken unter die Grenze der Beschlussfähigkeit die Geschäftsführungsbefugnis nur auf die Angelegenheiten bezogen werden kann, die in dieser Zeit tatsächlich behandelt werden müssen (BAG vom 18. August 1982, Az. 7 AZR 437/ 80).
Wenn demnach ausgerechnet dann eine Entlassung vorgesehen ist, eine Eingruppierung oder Versetzung, so wird der (vielleicht nur noch aus einer Person bestehende) Rumpfbetriebsrat pflichtgemäß seine Entscheidung treffen müssen. Was jedoch aufschiebbar ist, darf erst im wieder beschlussfähigen Betriebsrat behandelt werden, etwa der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Kürzung des Fahrgeldzuschusses oder die Einführung von Gleitarbeitszeit. Andererseits ist auch der Arbeitgeber gehalten, die Situation nicht auszunutzen und Dinge »durchzudrücken«, die ihm der vollzählige Betriebsrat nie gestattet hätte.
Der Betriebsrat selbst kann für solche Fälle eine »Notbremse« einbauen, indem immer dann, wenn die Situation der Beschlussunfähigkeit droht, einzelne seiner abwesenden Mitglieder (bei Urlaub zu Hause) erklären, in dringenden Fällen zur Betriebsratsarbeit bereit zu sein. Die Rechtsprechung unterstellt bei Krankheit, Urlaub usw., dass der/die Betreffende an der Betriebsratsarbeit »verhindert« ist. Das Betriebsratsmitglied kann jedoch für den Zeitraum seiner Abwesenheit dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich erklären, in unvermeidlichen Ausnahmefällen »nicht verhindert« zu sein. Der eventuell entstehende Zeitaufwand für Sitzungs- bzw. Verhandlungsteilnahme ist vom Arbeitgeber wie Arbeitszeit zu vergüten.
Viele Grüße - Claus