Perlchen,
Wie oft darf ein Betriebsrat während der Arbeitszeit Sitzungen abhalten?
Die Abmahnung eines Betriebsratsmitgliedes wegen der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung kann nach einer Entscheidung des hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) zulässig sein, wenn es die Erforderlichkeit des Arbeitsversäumnisses nicht abgewogen hat.
Betriebsratsmitglied muss jede Sitzungsteilnahme abwägen
Der Fall: Der Betriebsrat eines Unternehmens mit rund 130 Beschäftigten hält wöchentlich eine reguläre Betriebsratssitzung ab. In der Zeit von Januar bis Mai 2012 hielt er insgesamt 41 Sondersitzungen neben den regulär stattfindenden Betriebsratssitzungen ab. Nachdem im Februar 2012 bereits neun (Sonder-)Sitzungen abgehalten worden waren, erteilte der Arbeitgeber zwei Betriebsratsmitgliedern wegen der Teilnahme an einer weiteren Sitzung eine Abmahnung. Der Betriebsrat fühlte sich durch die Vorgehensweise des Arbeitgebers in seiner Arbeit behindert. Er beantragte deshalb vor Gericht die Unterlassung von Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern wegen der Teilnahme an nicht notwendigen Betriebsratssitzungen.
Das Urteil: Das Gericht lehnte den Antrag des Betriebsrats ab. Die Ladung zur Betriebsratssitzung entbinde das Betriebsratsmitglied nicht davon, abzuwägen, ob die Teilnahme so wichtig ist, dass sie auch das Arbeitsversäumnis im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG erforderlich macht. Im Zweifel habe zwar die Teilnahme an der Betriebsratssitzung gegenüber der Arbeitspflicht den Vorrang. Wenn aber keine wichtigen Fragen zu behandeln seien, könne es durchaus sachgerecht sein, das Betriebsratsmitglied als an der Teilnahme verhindert anzusehen, sodass an seiner Stelle ein Ersatzmitglied an der Betriebsratssitzung teilnimmt. Soweit das Versäumnis der Arbeitszeit auf einer Verkennung des Begriffs der Erforderlichkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG beruht, werde dem Betriebsratsmitglied ebenso wie dem Betriebsrat selbst ein nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zugestanden. Komme es zu einer Überschreitung des Beurteilungsspielraums und sei das der Grund für das Versäumnis, sei eine Abmahnung unter dem Gesichtspunkt ihrer Warnfunktion nur dann gerechtfertigt, sofern eine hinreichende Gefahr der Wiederholung – wie im Streitfall – bestehe. Daraus folge, dass eine Abmahnung gegenüber einem Betriebsratsmitglied wegen der Teilnahme an einer Betriebsratssitzung in Betracht komme. (Hessisches LAG, Beschluss vom 04.02.2013, Az.: 6 TaBV 261/12)
Das bedeutet für Sie: Bei Eilbedürftigkeit eines Themas kann es erforderlich sein, neben einer wöchentlichen Betriebsratssitzung eine Sondersitzung abzuhalten. Nur schwer vorstellbar ist jedoch die Erforderlichkeit nahezu täglich stattfindender Betriebsratssitzungen wie im entschiedenen Fall.
Betriebsratspflichten genießen Priorität gegenüber Arbeitspflicht
Mit der Wahl in die Arbeitnehmervertretung übernimmt ein Betriebsratsmitglied eine ganze Reihe von Aufgaben und Amtspflichten. Dies führt in vielen Fällen zu einer Kollision von Amts- und Arbeitspflicht. Der Gesetzgeber hat diesen Interessenkonflikt eindeutig zugunsten des Betriebsratsamtes gelöst, indem er in den §§ 37 Abs. 2, 38 BetrVG die Arbeitsbefreiung für Betriebsratsaufgaben ermöglicht und somit der Erfüllung der Amtspflichten gegenüber den Arbeitsvertragspflichten den Vorrang einräumt. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass Arbeitnehmervertreter ihre Betriebsratsaufgaben grundsätzlich während der Arbeitszeit auszuüben haben. Voraussetzung ist aber stets die Erforderlichkeit des Arbeitsversäumnisses.
Wichtiger Hinweis: Die Frage der Erforderlichkeit einer Arbeitsbefreiung zur Erfüllung von Betriebsratsaufgaben entscheidet das Betriebsratsmitglied danach, ob es bei gewissenhafter Überlegung und unter Abwägung der Interessen des Betriebes, des Betriebsrats und der Belegschaft das Arbeitsversäumnis für notwendig erachten durfte, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
Quelle: Betriebsrat online