cc) Der Betriebsrat kann entgegen der Ansicht des Siebten Senats (aa0) auch nicht unabhängig von seiner Konstituierung "in seiner Gesamtheit selbst handelnd auftreten". Ein Betriebsrat kann nur tätig werden durch Beschlüsse, die er in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung (§ 29 Abs. 2 BetrVG) unter Beachtung der in § 33 BetrVG genannten Voraussetzungen faßt. Um eine Sitzung des Betriebsrats handelt es sich nur, wenn die Mitglieder dieses Organs sich unter der Leitung des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreters oder eines anderen Mitglieds entsprechend der Geschäftsordnung (§ 36 BetrVG) nach entsprechender ordnungsgemäßer Einberufung zusammenfinden, um gemeinsam zu beraten und ggf. zu beschließen (vgl. Beschluß des Senats vom 19. Januar 1984 - 6 ABR 19/83 -, zur Veröffentlichung bestimmt, zu II 2 der Gründe). Eine Sitzung des Betriebsrats vor der Konstituierung ist nicht möglich, weil es an sämtlichen hierfür notwendigen betriebsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt. Damit ist auch ein Handeln des Betriebsrats "in seiner Gesamtheit" mit betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungen vor der Konstituierung ausgeschlossen. Ein Zusammentreffen der Mitglieder des Betriebsrats wäre demnach keine Sitzung des Betriebsrats, sondern allenfalls ein nach dem Betriebsverfassungsgesetz unbeachtliches Zusammentreffen von Betriebsratsmitgliedern, das die Anhörungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht auslösen kann.
dd) Ist danach dieser Ansicht nicht zu folgen, erweist sich zugleich die damit verbundene Meinung im Schrifttum als unzutreffend, der Arbeitgeber könne (vor Konstituierung) Verhandlungen mit einem Betriebsrat nur ablehnen, wenn dies für ihn unzumutbar sei (GK-Wiese, BetrVG, 2. Bearb. Oktober 1983, § 26 Rz 6, 64; ihm folgend Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 26 Rz 2). Zugleich erledigt sich damit auch die Gegenauffassung, daß der Arbeitgeber vor der Konstituierung nicht mit dem Betriebsrat zu verhandeln brauche (Fitting/Auffarth/-Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 29 Rz 12; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 26 Rz 1, teilweise anders § 29 Rz 10, vgl. auch Vorbem. zu § 74 Rz 6; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 26 Rz 4; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, 2. Aufl., § 29 Rz 10). Ein Arbeitgeber kann mit einem Betriebsrat, der noch nicht handlungsfähig ist, also keine Amtsausübungsbefugnis hat, nicht verhandeln, kann ihn damit folglich auch nicht rechtswirksam zu einer Kündigung anhören.
c) Eine Anhörungspflicht der Beklagten folgt schließlich auch nicht aus einem Selbstversammlungsrecht des Betriebsrats, von der z.B. Hässler als selbstverständlich ausgeht (Hässler, Die Geschäftsführung des Betriebsrates, 5. Aufl., S. 9; ebenso Galperin/Löwisch, aa0, § 29 Rz 9; Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, § 29 Rz 8; Dietz/Richardi, aa0, § 29 Rz 8; GK-Wiese, BetrVG, aa0, Rz 10; Kammann/Hess/Schlochauer, aa0, Rz 3 jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein Selbstversammlungsrecht des Betriebsrats ist jedenfalls vor der Konstituierung betriebsverfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Das Betriebsverfassungsgesetz hat die Einberufung der Mitglieder des Betriebsrats zu der nach § 26 BetrVG vorgeschriebenen Wahl in § 29 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dem Wahlvorstand als Verpflichtung auferlegt. Dies ist eine Sonderregelung gegenüber Bestimmungen im parlamentarischen Recht oder im bürgerlichen Verbandsrecht. Ist aber der Wahlvorstand nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verpflichtet, die Mitglieder des Betriebsrats einzuberufen, kann es daneben keine Befugnis zur Selbstversammlung geben. Soweit im Schrifttum (vgl. z.B. Dietz/Richardi, aa0, § 29 Rz 8 mit weiteren Nachweisen; Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, § 29 Rz 8, 9) Überlegungen angestellt werden, wie zu verfahren sei, wenn der Wahlvorstand diese Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt, bedarf es hierzu keiner abschließenden Beurteilung durch den Senat, da dies nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.
Zwar erstreckt sich die Regelung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nur auf die Folgen von Pflichtverletzungen des Wahlvorstands bei der Einleitung und Durchführung der Wahl sowie bei der Feststellung des Wahlergebnisses. Aus dem Fehlen einer Regelung, wie bei Verletzung der Pflicht nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu verfahren ist, kann aber nicht geschlossen werden, daß damit notwendig ein solcher Verstoß sanktionslos bleiben müßte und deshalb von einem ebenfalls im Gesetz nicht geregelten Selbstversammlungsrecht des Betriebsrats auszugehen wäre, dem im übrigen im Widerspruch hierzu zu Recht allgemein von den gleichen Autoren gerade jede Handlungsfähigkeit abgesprochen wird (vgl. z.B. Dietz/Richardi, aa0, § 26 Rz 1, § 29 Rz 10; Fitting/-Auffarth/Kaiser, aa0, § 26 Rz 8, § 29 Rz 12 jeweils mit weiteren Nachweisen), sondern es ist ggf. zu prüfen, ob § 18 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch auf eine solche Pflichtverletzung entsprechend angewandt werden muß.
Eine Selbstversammlung von Betriebsratsmitgliedern wäre im übrigen für alle Beteiligten auch deshalb unverbindlich und damit rechtlich unwirksam, weil es keine Verpflichtung von Betriebsratsmitgliedern gibt, einer Einberufung durch andere Personen als dem Wahlvorstand zu folgen.
4. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, bis zur Konstituierung des Betriebsrats zu warten, um dann zunächst vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören.
@rkoch,
das Urteil hab ich auf meinem Rechner.