dann lern mal schön
BAG, Urteil vom 24. 5. 2006 - 7 AZR 201/ 05
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die fehlende Aufnahme eines Tagesordnungspunkts in die Einladung grundsätzlich geheilt und eine festgesetzte Tagesordnung geändert oder ergänzt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass der vollzählig versammelte Betriebsrat einstimmig sein Einverständnis erklärt, den Beratungspunkt in die Tagesordnung aufzunehmen und darüber zu beschließen. Andernfalls kann ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt nicht wirksam gefasst werden (18. Februar 2003 - 1 ABR 17/ 02 - BAGE 105, 19 = AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 4, zu B I 2 a der Gründe; 28. Oktober 1992 - 7 ABR 14/ 92 - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu B II 2 d der Gründe; 28. April 1988 - 6 AZR 405/ 86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 c der Gründe; ebenso ErfK/ Eisemann 6. Aufl. § 29 BetrVG Rn. 3; Richardi/ Thüsing BetrVG 10. Aufl. § 29 Rn. 39).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der hieran von Teilen des Schrifttums (vgl. etwa Fitting BetrVG 23. Aufl. § 29 Rn. 48; GK-BetrVG/ Raab 8. Aufl. § 29 Rn. 53 ff.; DKK/ Wedde BetrVG 10. Aufl. § 29 Rn. 20 ff.) geäußerten Kritik, wonach ein Mehrheitsbeschluss der in der Betriebsratssitzung anwesenden Betriebsratsmitglieder zur Ergänzung der Tagesordnung ausreichen soll, fest. Die vorherige Mitteilung der Tagesordnung dient der sachgerechten Vorbereitung der Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratssitzung (BAG 28. Oktober 1992 - 7 ABR 14/ 92 - AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 2, zu B II 2 a der Gründe; 28. April 1988 - 6 AZR 405/ 86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 29 Nr. 1, zu II 3 c aa, bb der Gründe). Sie soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Nur bei Kenntnis der Tagesordnung hat ein verhindertes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit, seine Betriebsratskollegen schon vor der Sitzung über seine Auffassung in einer bestimmten Angelegenheit zu unterrichten und sie zu überzeugen oder sie ggf. auch nur zu bitten, seine Argumente in der Betriebsratssitzung zumindest vorzutragen. Diese Möglichkeit würde einem verhinderten Betriebsratsmitglied genommen, wenn die Tagesordnung durch einen Mehrheitsbeschluss der anwesenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Außerdem eröffnet die vorherige Bekanntgabe der Tagesordnung dem Betriebsratsmitglied die Möglichkeit zu prüfen, ob es eine bestehende Terminkollision zugunsten der Betriebsratssitzung oder zugunsten des anderen Termins löst. Diesen Funktionen würde eine Tagesordnung nicht mehr gerecht, wenn sie in der Betriebsratssitzung, in der nicht alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind, durch Beschluss der teilnehmenden Betriebsratsmitglieder ergänzt werden könnte. Dadurch könnten Betriebsratsmitglieder von der Beschlussfassung in einer bestimmten Angelegenheit ausgeschlossen werden.
Die nur eingeschränkte Möglichkeit zur Ergänzung der Tagesordnung in einer Betriebsratssitzung steht kurzfristigen Änderungen der Tagesordnung nicht entgegen. Für deren Bekanntgabe sieht das Gesetz keine besondere Frist oder Form vor. Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu laden. Dies ermöglicht auch eine kurzfristige, ggf. fernmündliche Information der Betriebsratsmitglieder über die Themen, über die eine Beschlussfassung beabsichtigt ist. Die Frist darf nur nicht so kurz bemessen sein, dass eine sachgerechte Sitzungsvorbereitung der Betriebsratsmitglieder nicht möglich ist. Dies gilt auch für Änderungen und Ergänzungen der Tagesordnung.