BRJePe
zum Thema Versetzung kommt es zu aller erst mal darauf an, was im AV der Betroffenen hierzu vereinbart ist. Ansonsten, weil ihr noch keine Seminare hattet, hier mal ordentlich Lesestoff zu § 99 BetrVG
Und bevor alle anderen wieder schreien, nein, es geht nicht kürzer!
Auszüge aus BetrVG – Kommentar für die Praxis (hrsg. von Däubler/Kittner/Klebe/Wedde)
Versetzung
Es gibt grundsätzlich zwei Typen von Versetzungen
(1)die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für eine längere Zeit als einen Monat;
(2) die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für eine kürzere Zeit, aber mit erheblichen Änderungen der Arbeitsumstände.
Weder die arbeitsvertragliche Zulässigkeit des ständigen Arbeitsplatzwechsels noch die einer konkreten Versetzung sind entscheidend für den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff, sondern objektive betriebliche Gegebenheiten (BAG 26. 5. 88, DB 88, 2158; Fitting, Rn. 99; GK-Kraft/Raab, Rn. 78; v. Hoyningen - Huene, NZA 93, 145 ff.; Griese, BB 95, 458; vgl. auch BAG 30. 9. 93, BB 94, 426).
Aus diesem Grunde kommt es für den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff nicht auf – möglicherweise weite – arbeitsvertragliche Versetzungsmöglichkeiten an (das verkennt Gerauer, BB 95, 406; zutr. Künzl, BB 95, 823; Corts, BB 95, 2580).
Eine individualrechtlich zulässige Versetzung ist ohne Beteiligung des BR (Zustimmung oder deren Ersetzung) nicht möglich (BAG 14. 11. 89, DB 90, 1093; 26. 5. 88, DB 88, 2158); auch mit einer vertraglichen Einheitsregelung verzichten die hieran beteiligten Arbeitnehmer nicht auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei zukünftiger Inanspruchnahme des Direktionsrechts (LAG Hamm 19. 3. 04, EzA-SD 04, Nr. 12, 13). Umgekehrt ersetzt die Beteiligung des BR nicht die individualrechtlichen Voraussetzungen für die Versetzung (LAG Düsseldorf 29. 9. 77, DB 78, 2494; Fitting, Rn. 100).
Der AN kann sich jedoch gegenüber einer Versetzung auf die Verweigerung der BR-Zustimmung bzw. die Nichtbeachtung des Mitbestimmungsverfahrens berufen (vgl. näher Rn. 218).
Versetzung bedeutet Zuweisung eines anderen »Arbeitsbereichs«.
Unter »Arbeitsbereich« ist deshalb der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht zu verstehen (BAG 3. 12. 85, DB 86, 915). Das BAG spricht von »Ort der Arbeitsleistung«, »Art der Tätigkeit« oder dem »gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation« (BAG 10. 4. 84, DB 84, 2198).
Für die praktische Handhabung kristallisieren sich aus der bisherigen BAG-Rspr. vier Typen von Veränderungen des Arbeitsbereichs/Arbeitsplatzes heraus, die jeweils eine Versetzung i. S. d. § 99 bedeuten können:
- Arbeitsort (Rn. 95);
- Arbeitsaufgabe- und Inhalt (Rn. 97)
- Platz in der betrieblichen Organisation (Rn.100)
- Arbeitsumstände (Rn. 101)
Änderungen unter jedem einzelnen dieser Gesichtspunkte können zur Bejahung einer Versetzung führen, auch wenn sich hinsichtlich der anderen nichts geändert hat. Es kann also eine Versetzung vorliegen, ausschließlich bei
- Veränderung des Arbeitsorts (BAG 18. 2. 86, DB 86, 1523; 18. 10. 88, DB 89, 732);
- Veränderungen von Arbeitsaufgabe und -inhalt (BAG 10. 4. 84, DB 2198);
- Veränderung des Platzes in der betrieblichen Organisation (BAG 10. 4. 84, a. a. O.);
- Veränderung der Arbeitsumgebung am selben Arbeitsort und unveränderten Arbeitsaufgaben und -inhalten (BAG 26. 5. 88, DB 88, 2158).
Es kann aber auch sein, dass die Veränderungen hinsichtlich jeder der drei Einzelaspekte jeweils für sich genommen keine Versetzung darstellen würden, jedoch alle zusammen als »Gesamtbild« der Tätigkeit so verändern, dass von einer »anderen Tätigkeit« gesprochen werden kann (vgl. Rn. 101; zu Rspr.-Übersichten vgl. Degen, AiB 89, 213; Meier, NZA-Beilage 3/88, S. 3 ff.).
Die Zuweisung an einen anderen Arbeitsort ist für sich betrachtet immer eine Versetzung (BAG 18. 2. 86, AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972 mit Anm. Misera; LAG Hamm 23. 1. 04, EzA-SD, Nr. 7, 13). Der AN wird stets dann in einem anderen Arbeitsbereich tätig, wenn er in einem anderen Betrieb desselben UN tätig wird (BAG 19. 2. 91, EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 24; v. Hoyningen-Huene/Boemke, S. 133 f. m. w. N.). Der Ort der Arbeitsleistung ist für den Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung. Das ist unabhängig davon, ob sich auch Arbeitsaufgabe oder organisatorische Eingliederung ändern (Griese, BB 95, 458).
Eine Veränderung des Platzes in der betrieblichen Organisation ist dann eine Versetzung, wenn der AN aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen Einheit zugewiesen wird. Eine hierfür maßgebliche Änderung der organisatorischen Umwelt des AN liegt dann vor, wenn er mit neuen Arbeitskollegen zusammenarbeiten muss oder er seine (möglicherweise sogar gleich bleibende) Arbeitsaufgabe innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation erbringen muss (BAG 10. 4. 84, DB 84, 2198; z. B. durch Einsatz eines bislang in Einzelakkord tätigen AN in einer Einheit mit Gruppenakkord, BAG 22. 4. 97, DB 97, 208).
Ändern sich die »Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist«, schwerwiegend, so kann das Bedeutung in zweifacher Hinsicht haben (Griese, BB 95, 459):
(1) Dieses Element muss hinzutreten, um eine kürzere als einmonatige Versetzung mitbestimmungspflichtig zu machen.
(2) Bei sonst unveränderten Bedingungen kann allein darin eine Versetzung liegen (BAG 26. 5. 88, DB 88, 2158; MünchArbR-Matthes, § 345 Rn. 11; a. A. GK-Kraft/Raab, Rn. 63).
Ebenso wie hinsichtlich der Begriffe »Arbeitsbereich« und »Arbeitsplatz« kann für den der »Arbeitsumstände« auf andere Bestimmungen des BetrVG zurückgegriffen werden (§ 90 Rn. 14; vgl. Fitting, Rn. 103). Diese sog. äußeren Bedingungen der Arbeit können sein: Ort, Art und Weise, Gestaltung des Arbeitsplatzes, Lage der Arbeitszeit, Umwelteinflüsse, Beanspruchung (BAG 8. 8. 89, DB 90, 537; vgl. Fitting, Rn. 103; erstmalige Bewegung von Lasten i. S. der Lastenhandhabungs- VO ArbG Berlin 25. 3. 98, AiB 99, 227 mit Anm. Feldhoff). Anerkannt sind insbes. längere Wegezeiten zur Arbeitsstätte als erhebliche Änderung (BAG 16. 12. 86, DB 87, 747; 1. 8. 89, DB 90, 382; 8. 8. 89, DB 90, 537; 28. 9. 89, DB 89, 386; ArbG Stuttgart 27. 2. 97, NZA-RR 97, 481). Das allein reicht aus, um z. B. kurzzeitige Abordnungen in Filialgeschäften als Versetzungen zu qualifizieren (BAG 18. 10. 88, BB 89, 422).
Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung ist jedoch möglich bei einer mit der Änderung der Arbeitszeit einhergehenden Änderung der Arbeitsumstände (LAG Hamm 10. 10. 03, NZA-RR 04, 136 ff.; v. Hoyningen-Huene/Boemke, S. 146; Fitting, Rn. 127; a. A. GK-Kraft/Raab, Rn. 70). Das könnte in veränderten Arbeitsabläufen, organisatorischen Einbindungen liegen, sich aber auch in einer wesentlichen Veränderung der persönlichen Lebensumstände äußern (Notwendigkeit anderer Verkehrsmittel; Probleme hinsichtlich der Kinderbetreuung). In diesem Zusammenhang kann die Änderung der Arbeitszeit ein Element von mehreren geänderten Umständen sein (vgl. BAG 18. 10. 88, DB 89, 732: Veränderung der Arbeitszeit von drei auf fünf Tage zusammen mit längeren Fahrten zur Arbeitsstätte; in diesem Sinne auch v. Hoyningen-Huene/Boemke, S. 139).
Dauert eine Versetzung voraussichtlich nicht länger als einen Monat, wird das Mitbestimmungsrecht nur ausgelöst, wenn die Änderung der Arbeitsumstände erheblich ist (hierzu Aigner, DB 96, 1237; vgl. Rn. 101). Damit sollen einfache Fälle normaler Personalflexibilität mitbestimmungsfrei gehalten werden. Insbes. gelegentliche Vertretungen oder Aushilfen in anderen Bereichen ohne größere Umstellungen und Belastungen (zu derartigen Beispielen vgl. HSWG, Rn. 54; vgl. Rn. 98) fallen darunter. Bei kurzfristiger Versetzung von einer Filiale in die andere ist eine erhebliche Veränderung anzunehmen, wenn eine längere Wegezeit die Freizeit des AN verkürzt (BAG 28. 9. 88, DB 89, 386). Die auch nur kommissarische Beauftragung mit einer Leistungsfähigkeit ist eine mitbestimmungspflichtige Versetzung (ArbG Offenbach 30. 8. 96, AiB 97, 291 mit Anm. Senser-Joester). Eine Häufung jeweils isoliert betrachtet mitbestimmungsfreier Einsätze kann allerdings zur mitbestimmungspflichtigen Versetzung werden, sei es, dass man in der Häufung einen Umschlag von Quantität in Qualität unter dem Gesichtspunkt der »Erheblichkeit« annimmt, sei es, dass beim betroffenen AN eine Veränderung/Erweiterung des Arbeitsbereichs in Richtung Springertätigkeit vorliegt.
Wenn nach dem Studium des Lesestoffes ihr nun zu der Erkenntnis kommen solltet, dass es sich um eine Versetzung handelt, schreibt Ihr den AG an, dass er umgehend das Mitbestimmungsverfahren einleiten soll. Zusätzlich würde ich Euch dringend empfehlen, in einer so schwierigen Situation, in der Ihr steckt, speziell zu der Situation des Verkaufs, gewerkschaftliche bzw. anwaltliche Hilfe zu holen!!!!!!!!!!!!!