Gleichbehandlung neu und verbessert
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im vergangenen Sommer ein Grundlagenpapier erstellt, das wichtige Vorschläge zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) enthält. Damit würde sich die Position vieler Arbeitnehmer, die sich gemobbt, gebosst oder anderweitig ungerecht behandelt fühlen, schlagartig verbessern. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die geplanten Änderungen werfen.

Was ist das AGG und wozu braucht es der Betriebsrat?
Im Grunde besagt das AGG, dass am Arbeitsplatz oder bei der Bewerbung niemand wegen
- seines Geschlechts,
- seiner Rasse,
- ethnischen Herkunft,
- einer Behinderung,
- Religion und Weltanschauung oder
- der sexuellen Identität
direkt oder indirekt benachteiligt werden darf.
Es verbietet außerdem Belästigungen aller Art sowie sexuelle Belästigung im Besonderen. Bei speziellen beruflichen Anforderungen sind Ausnahmen zulässig. Beispielsweise dürfen sehbehinderte Bewerber abgelehnt werden, wenn ein Kraftfahrer gesucht wird. Verstoßen Arbeitgeber gegen diese Regeln, haben die Geschädigten Anspruch auf Schadensersatz.
Aufgaben des Betriebsrats nach dem AGG
Die Aufgabe des Betriebsrats ist es, die Einhaltung der Vorschriften des AGG zu überwachen (vgl. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Er soll aufgrund seiner sozialen Verantwortung an der Verwirklichung der Ziele des AGG mitwirken. Das macht er praktischerweise durch den Abschluss einer Antidiskriminierungs-Betriebsvereinbarung. Außerdem übt er seine Mitbestimmungsrechte bei Personalfragebögen nach § 94 BetrVG und Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG aus. Er kann auch die Zustimmung zu einer Einstellung verweigern, wenn die Stellenausschreibung gegen das AGG verstoßen hat.
Mehr Gleichheit in acht Schritten
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat in ihrem Grundlagenpapier zur Reform des AGG viele Stellen herausgearbeitet, durch die Arbeitnehmer noch besser vor Diskriminierung geschützt werden sollen. Die wichtigsten stellen wir Ihnen hier vor:
1. Schutz vor Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz (KI)
Laut deren Grundlagenpapier soll das Handeln durch automatisierte Entscheidungssysteme als Benachteiligungstatbestand aufgenommen werden. Damit wäre pauschal der komplette Einsatz von Künstlicher Intelligenz als Benachteiligung zu bewerten. Das wäre ein komplettes KI-Verbot. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern. Ein pauschales Verbot von KI wäre zu weitreichend, wenn man die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten betrachtet. Gut ist auf jeden Fall, dass dem Gesetzgeber die Entscheidungen durch KI als mögliche Benachteiligungsinstanz bewusst sind.
2. Mehr Schutz bei Behinderung
Wenn der Arbeitgeber zukünftig keine Vorkehrungen zum Überwinden von Barrieren einplant, soll das im reformierten AGG ein neuer Benachteiligungstatbestand werden. Ist dann zukünftig ein Arbeitsplatz nicht barrierefrei, wird die Benachteiligung einfach vermutet. Besonders in der Bewerbungsphase würde diese neue Regel brisant werden.
3. Streichung der kirchenrechtlichen Privilegien
Kirchliche Arbeitgeber sind derzeit noch weitgehend befreit vom AGG. Das würde sich mit der Reform ändern. Zukünftig müssten dann nur noch Geistliche das Glaubensbekenntnis abgelegt haben. Bei allen anderen Stellen dürften die Kirchen nicht mehr auf eine Religionszugehörigkeit der Bewerber bestehen.
4. Mehr Respekt vor dem Alter
Geht es nach der Antidiskriminierungsstelle, würden die Anforderungen an das Alter eines Bewerbers komplett gestrichen. Eine Stellenanzeige dürfte dann gar keine Vorgaben zum passenden Alter von Bewerbern mehr enthalten.
5. Verlängerte Frist zur Rechtsdurchsetzung
Derzeit müssen Betroffene ihre Rechte innerhalb von zwei Monaten geltend machen. Zukünftig soll die Frist ein ganzes Jahr betragen. Hierdurch soll auch mehr Zeit für gütliche Einigungen geschaffen werden.
6. Leichter Nachweis von Diskriminierungen
Der größte Schritt ist die geplante sogenannte Beweislastumkehr zugunsten der Betroffenen. Das bedeutet konkret: Im Moment müssen benachteiligte Personen voll beweisen, dass sie schlechter behandelt wurden als eine Vergleichsperson. Zukünftig soll es ausreichen, wenn benachteiligte Personen die Diskriminierung glaubhaft machen, indem sie konkret darlegen, wie sie benachteiligt wurden. Dazu sollen Regelbeispiele für eine vermutete Benachteiligung aufgenommen werden, um die Beweislastumkehr zu erleichtern. Ein solches Regelbeispiel wäre es, wenn der Arbeitgeber keine Beschwerdestelle für Diskriminierungen eingerichtet hat. Bei dessen Vorliegen müsste ein Richter von einer Benachteiligung ausgehen.
7. Höhere Entschädigungen
Im Vergleich zu den USA fallen gerichtlich festgelegte Entschädigungszahlungen wegen Diskriminierung in Deutschland verhältnismäßig niedrig aus. Die Antidiskrimierungsstelle des Bundes will erreichen, dass auch deutsche Unternehmen höhere Entschädigungen zahlen müssen. Schadensersatz ist eine Sanktion, deshalb soll sie wirksam, verhältnismäßig zur Schwere der Diskriminierung und vor allem abschreckend sein.
8. Mehr Rechtsschutzmöglichkeiten
Hier soll es vier neue Instrumente geben, die den Zugang zu Rechtsschutz erleichtern sollen. Auf Wunsch von Betroffenen soll es eine verpflichtende Schlichtung geben. Außerdem ist auch ein eigenes Klagerecht des Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung sowie ein Verbandsklagerecht geplant. Betroffene sollen zudem die Möglichkeit erhalten, eine Klage zwar im eigenen Namen, aber von einer anderen Person führen zu lassen.
Fazit
Auch wenn nicht zeitnah mit einer Umsetzung der Vorschläge zu rechnen ist, wissen wir nun, welche Änderungen geplant sind. Sie können damit einschätzen, welche Baustellen es bei Ihnen im Unternehmen gibt. Vielleicht können Sie mit diesem Druckmittel im Hintergrund Ihren Arbeitgeber zu der einen oder anderen Änderung bewegen, die Ihnen schon seit längerem wichtig ist. In jedem Fall sind Sie jetzt up to date und wissen, wohin sich die Diskriminierungsvorschriften entwickeln werden.