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Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes

3 Minuten Lesezeit
16.07.2025

Der Bundesrat hat am 11. Juli 2025 auf Initiative mehrerer Bundesländer eine Entschließung verabschiedet. Ziel: Die Bundesregierung soll das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) grundlegend modernisieren. Die Arbeitswelt hat sich verändert – Homeoffice, Plattformarbeit, KI und neue Unternehmensformen stellen auch die betriebliche Mitbestimmung vor neue Herausforderungen.

Die geplanten Änderungen greifen zentrale Punkte aus dem Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 zwischen CDU/CSU und SPD auf und sollen die Mitbestimmung fit für die digitale Transformation machen.

Das ist geplant – die wichtigsten Reformpunkte im Überblick

Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffs

Künftig sollen auch sogenannte arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 12a TVG (z.B. Solo-Selbstständige auf Plattformen) unter den Anwendungsbereich des BetrVG fallen. Damit würde der Schutz betrieblicher Mitbestimmung über klassische Arbeitsverhältnisse hinausgehen.

Anpassung des Betriebsbegriffs

Auch Betriebe ohne feste Betriebsstätte – wie rein digitale Plattformen – sollen eine örtlich erreichbare Interessenvertretung ermöglichen. Dazu soll die Definition des Betriebs und des Betriebsteils (§ 4 BetrVG) angepasst werden.

§ 119 BetrVG als Offizialdelikt

Bisher muss eine Betriebsratsbehinderung aktiv angezeigt werden, damit sie strafrechtlich verfolgt wird. Künftig soll dies automatisch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können – auch ohne Antrag.
Das Ziel: Union Busting effektiv eindämmen und Betriebsratsarbeit besser schützen.

Mehr Mitbestimmung bei zentralen Themen

Die Beteiligungsrechte sollen inhaltlich erweitert werden – besonders in sensiblen Zukunftsfragen:

  • Beschäftigtendaten & KI: Mitwirkungsrechte beim Einsatz neuer Technologien
  • Arbeitszeitmodelle: Mitbestimmung bei Gleitzeit, Homeoffice & Co.
  • Weiterbildung & Qualifizierung: Größere Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats
  • Personalplanung: Ein Initiativrecht nach § 92 BetrVG ist vorgesehen

Digitalisierung der Betriebsratsarbeit

Schon heute sind Online-Sitzungen erlaubt – bei entsprechender Geschäftsordnung (§ 30 Abs. 2 BetrVG). Jetzt soll auch gesetzlich geregelt werden, dass Betriebsversammlungen und Wahlverfahren online oder hybrid möglich sind.

Technische Ausstattung und Kommunikationswege

Betriebsräte haben bereits nach § 40 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf IT-Ausstattung. Neu ist die geplante Klarstellung, dass auch der Zugang zu internen Kommunikationsmitteln wie E-Mail, Intranet oder Messenger-Diensten umfasst sein soll. So soll sichergestellt werden, dass Betriebsräte auch digital sichtbar sind.

Betriebsübergang als Betriebsänderung

Wenn bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB ein Wechsel in einen schlechteren Tarifvertrag erfolgt, soll dies als Betriebsänderung nach § 111 BetrVG gelten. Das würde dem Betriebsrat klare Informations- und Beratungsrechte geben.

Digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften

Aktuell haben Gewerkschaften kein Recht auf digitale Ansprache im Betrieb. Das hat das BAG mit Urteil vom 28. Januar 2025 (1 AZR 33/24) bestätigt. Der Bundesrat greift das auf: Gewerkschaften sollen künftig über dienstliche E-Mail-Adressen, Intranet oder Messenger kommunizieren dürfen – auch zur Mitgliederwerbung.

Kritik und Herausforderungen

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt vor einer weiteren Ausweitung der Mitbestimmung, die zu zusätzlicher Bürokratie führen könne. Besonders kritisiert wird der geplante Eingriff in das Regel-Ausnahme-Prinzip, das die unternehmerische Entscheidungsfreiheit schützt.

Im Fokus steht dabei auch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG – der Mitbestimmungstatbestand bei technischen Einrichtungen zur Überwachung. Wird dieser zu weit gefasst, sehen Arbeitgeber ihre Gestaltungsfreiheit bei Digitalisierungsvorhaben gefährdet.

Ein häufig genannter Lösungsvorschlag: Fristen für Beteiligungsverfahren, damit Entscheidungen nicht auf unbestimmte Zeit verzögert werden.

Fazit: Modernisierung ja – aber mit Augenmaß

Die Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes ist überfällig und wichtig – vor allem mit Blick auf Digitalisierung, mobile Arbeit und Plattformökonomie. Gleichzeitig braucht es einen Ausgleich zwischen Mitbestimmung und Flexibilität im Betrieb.

Ob die Bundesregierung die Vorschläge des Bundesrats aufgreifen wird, ist noch offen. Klar ist aber: Betriebsräte sollten sich frühzeitig mit den möglichen Änderungen beschäftigen, um ihre Rolle aktiv mitzugestalten.

Tipp:

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, sich im Gremium auszutauschen:

  • Wo braucht der Betriebsrat mehr Beteiligung?
  • Welche technischen Voraussetzungen fehlen noch im Betrieb?
  • Wie kann digitale Mitbestimmung konkret aussehen?

So nutzen Sie die politische Diskussion, um die eigene Arbeit zukunftssicher aufzustellen.

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