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Ein Interview: Ein unbedingtes „Ja“ zum Wandel

7 Minuten Lesezeit
07.10.2025

Die Arbeitswelt verändert sich schnell – Digitalisierung, ökologische Transformation und Fachkräftemangel prägen immer stärker unseren Alltag. Prof. Dr. Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE), erklärt im Interview, wie Sie als Betriebsrat den Wandel aktiv mitgestalten und Ihre Kollegen gut unterstützen können.

Porträt von Prof. Dr. Jutta Rump

W.A.F.: Prof. Rump, Ihr Konzept beschreibt die Transformations-Trilogie aus digitaler, ökonomischer und ökologischer Perspektive. Welche Veränderungen sollten Betriebsräte besonders im Blick haben, um Beschäftigte wirksam zu unterstützen?

J. R.: Alle, aber wenn ich eine Priorität setzen würde, dann eindeutig Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI). In diesem Bereich sehen wir die schnellsten und tiefgreifendsten Veränderungen. Einige Betriebe sind bereits massiv betroffen.

Für Betriebsräte ist es wichtig, sich nicht nur auf die Risiken zu fokussieren, sondern aktiv die Chancen mitzugestalten. Das bedeutet vor allem sicherzustellen, dass Mitarbeitende mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet sind – durch gezielte Weiterbildungen oder Umschulungen.

Gerade dann, wenn die KI bestimmte Aufgaben übernimmt, kann es sein, dass das Qualifikationsprofil der Mitarbeitenden nicht mehr vollständig zum Job passt. Das kann zu Über- und auch Unterforderung sowie Demotivation führen. Hier braucht es proaktive Lösungen – in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung und der Personalabteilung. Ziel muss es sein, Beschäftigten Perspektiven aufzuzeigen und sie in diesem Wandel mitzunehmen, anstatt sie mit starren Schutzmaßnahmen auszubremsen.

W.A.F.: Wie können Betriebsräte auf die demografischen Entwicklungen reagieren, um ältere Beschäftigte gezielt zu fördern?

J. R.: Ich empfehle Betriebsräten dringend, auch eine strategische Personalplanung für das Unternehmen zu etablieren und diese aktiv mitzugestalten. Selbst wenn sie nicht mitbestimmungspflichtig ist, sollten sie sich zu diesen Themen vorbereiten: Trends analysieren, Jobgruppen identifizieren, Bedürfnisse erkennen. Nur so können Betriebsräte ein Gespräch mit Management und HR auf Augenhöhe führen.

Das ist wichtig vor dem Hintergrund von Digitalisierung und KI, den Beschäftigungseffekten, den aktuellen ökonomischen Themen, und das ist erst recht relevant vor dem Hintergrund einer demografischen Entwicklung. Denn oft sind es die älteren Beschäftigten, die als Fachkräfte besonders wichtig bleiben.

Die meisten Unternehmen haben eine spezifische Altersstruktur, was deutlich macht, dass lebenslanges Lernen immer auf der Agenda stehen sollte. Hier können Betriebsräte ansetzen, indem sie klarmachen, dass Weiterbildung immer ein Thema bleibt. Das betrifft auch Mitarbeitende mit 65. Dabei ist es entscheidend, dass Betriebsräte auf eine altersgerechte Didaktik und Methodik achten. Ältere lernen nicht schlechter, sondern anders. Sie haben viel Lebenserfahrung. Darauf müssen Trainings aufbauen. Weniger Druckbetankung mit neuem Wissen, vielmehr Verknüpfung des Vorhandenen mit neuem Wissen.

W.A.F.: Und wie lässt sich gleichzeitig Nachwuchs für das Unternehmen gewinnen, ohne ältere Mitarbeitende auszuschließen?

J. R.: Das eine schließt das andere nicht aus. Vielmehr geht es darum, ein gutes Miteinander der Generationen zu fördern. Betriebsräte sollten ein Auge auf die Unternehmenskultur haben und darauf achten, dass Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es braucht gegenseitiges Verständnis, Offenheit – und ein Gremium, das das vorlebt.

W.A.F.: Was können Betriebsräte präventiv gegen disruptive, also tiefgreifende, einschneidende Veränderungen tun?

J. R.: Ich glaube, präventiv können Betriebsräte hier nicht viel tun. Disruptionen lassen sich nicht verhindern, sie kommen oft plötzlich und stellen bestehende Arbeitsweisen oder Technologien auf den Kopf. Betriebsräte können aber eine wichtige Rolle als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen übernehmen. Aktuelles Geschehen in den Unternehmenskontext einzuordnen für die Kollegen, Botschafter zwischen ihnen und der Unternehmensführung zu sein. Das ist eine wichtige Aufgabe, die sie ernst nehmen müssen. Betriebsräte sind die gewählten Repräsentanten der Belegschaft und damit das Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und Management. Diese Mittlerrolle wird in Zeiten disruptiver Veränderungen besonders wichtig.

W.A.F.: Vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und knappen Ressourcen: Wie können Betriebsräte die Belastung der Beschäftigten im Blick behalten?

J. R.: Meine ehrliche Antwort ist, dass ein Teil des Fachkräftemangels durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz ausbalanciert werden kann. In meinem Team gab es schon immer Fachkräftemangel. Dann haben wir viele KI-Tools ausprobiert und heute arbeiten wir mit einigen Tools, die uns viel Zeit sparen. Das bedeutet nicht, dass KI Menschen ersetzt, aber sie kann entlasten und Prozesse effizienter gestalten.

Dabei muss ich immer mehr und schneller lernen, um die Arbeitsergebnisse der KI kontrollieren zu können. Ich brauche mindestens ein Vier-Augen-Prinzip zur Kontrolle. Das ist ein wichtiger Punkt und natürlich muss ich auch die Risiken in der Zusammenarbeit mit KI kennen.

W.A.F.: Welche Risiken sind das aus Ihrer Sicht?

J. R.: Ich muss merken, ob das System mir Unsinn erzählt oder versucht, mich zu manipulieren. Außerdem muss mir klar sein, dass mein Gegenüber kein Mensch ist, dass es keine Gefühle gibt, sondern reine Mathematik und Physik. Betriebsräte sollten darauf achten, dass Beschäftigte im Umgang mit neuen Technologien geschult werden, nicht nur zur Anwendung, sondern auch im Hinblick auf Risiken und Manipulation. Am Ende muss ich als Mensch weiterhin die Entscheidungen treffen. Es handelt sich nur um Assistenten, die uns das Leben leichter machen.

W.A.F.: Wie lassen sich Produktivität und Wohlbefinden der Mitarbeitenden in Einklang bringen?

J. R.: Wohlbefinden hat viel damit zu tun, ob man nach den Stärken eingeteilt ist. Stärkenorientierter Personaleinsatz führt in der Regel zu mehr Spaß an der Arbeit. Außerdem sind persönliche Motivation und Teamklima hier entscheidend. Für die Unternehmensführung ist es zudem alternativlos, in die Gesundheit der Belegschaft zu investieren.

W.A.F.: Geld, Zeitsouveränität und Purpose gelten als zentrale Motivationstreiber. Wie kann man sicherstellen, dass diese Faktoren die Zufriedenheit der Kollegen stärkt?

J. R.: Die Flexibilisierung der eigenen Zeit und die Souveränität, mit der eigenen Zeit umzugehen, sind auch Faktoren, wenn es um Wohlbefinden geht. Natürlich kann man im Schichtbetrieb kein Home-Office anbieten. Wenn ein längerer Zeitraum betrachtet wird, beispielsweise das Quartal oder das Halbjahr, kann aber auch für Schichtarbeiter eine gewisse Flexibilität ermöglicht werden.

W.A.F.: Und was können Betriebsräte tun, um eine zu hohe Belastung der Beschäftigten zu vermeiden?

J. R.: Menschen haben das Bedürfnis, eigenständig mit ihrer Zeit und ihren Aufgaben umzugehen, und brauchen aufgrund einer bestimmten Lebensphase auch Zeit zum Verschnaufen. Das sollten Betriebsräte gerade vor dem Hintergrund der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und der demografischen Entwicklung berücksichtigen.

Dennoch gilt ein Zielkonflikt zu berücksichtigen: Betriebe stehen heute im Spannungsfeld zwischen zunehmendem Personalmangel und dem Wunsch vieler Beschäftigter nach mehr Balance. Einerseits braucht es Mitarbeitende, die möglichst lange im Unternehmen bleiben, um Lücken zu schließen. Andererseits fordern gesellschaftliche Trends mehr Flexibilität, Entlastung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Betriebsräte haben hier eine zentrale Aufgabe: Sie sind die Stimme der Beschäftigten, die auf faire Lösungen drängen, aber zugleich das Unternehmen im Blick behalten müssen. Ihre Rolle ist es, mit dem Management Kompromissmodelle zu entwickeln – mit dem Ziel, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und Auszeiten besser zu gestalten.

W.A.F.: Welche Empfehlungen haben Sie für Betriebsräte im Umgang mit hybrider, virtueller und stationärer Arbeit?

J. R.: Es gibt unterschiedliche Flexibilisierungsmöglichkeiten für die Arbeitsmodelle. Verwaltungspersonal kann oft orts- und zeitflexibel arbeiten, Produktionsmitarbeitende nicht. Wichtig ist, offen damit umzugehen. Gerechtigkeit bedeutet nicht, alle gleichzubehandeln, sondern situationsgerecht zu handeln.

Daher sollten Betriebsräte sich dafür einsetzen, auch in der Produktion nach flexiblen Lösungen zu suchen – etwa bei der Schichtplangestaltung oder durch Verbesserungen im Arbeitsumfeld. Es geht um Wertschätzung und darum, realistische Möglichkeiten gemeinsam mit den Mitarbeitenden zu entwickeln.

Lasst uns doch die Kollegen fragen, was sie gerne hätten und was sie für realisierbar halten.

W.A.F.: Was empfehlen Sie Betriebsräten, um die Zusammenarbeit mit Management, Leadership-Teams und Krisenstäben zu verbessern, für eine gute Interessenvertretung?

J. R.: Schulungen zu besuchen, Schulungen zu besuchen und Schulungen zu besuchen – zu den Trends, Digitalisierung, KI, Nachhaltigkeit, ESG-Richtlinien (Regeln, wie Unternehmen klimafreundlich, fair und verantwortungsvoll handeln sollen).

Auf Augenhöhe zu sein, bedeutet, sich das Wissen anzueignen, das die andere Seite auch hat. Das Wichtigste, was Betriebsräte machen können, ist, sich von Experten das Wissen und die Erkenntnisse zu holen.

W.A.F.: Ganz herzlichen Dank für die vielen praktischen Tipps und das interessante Gespräch!

Change-Management für Betriebsräte
Veränderungsprozesse strategisch begleiten und aktiv mitgestalten
Digitalisierung, neue Technologien, Personalumbau - Veränderungen im Betrieb sind heutzutage an der Tagesordnung. Betriebsräte sind dabei gefordert, die Interessen der Belegschaft zu vertreten, Veränderungsprozesse konstruktiv mitzugestalten und die Belegschaft sicher durch den Wandel zu begleiten. In diesem Seminar erfahren Sie, wie Veränderungsprozesse entstehen, welche Auswirkungen sie auf Beschäftigte haben und wie Sie als Betriebsrat aktiv und kompetent darauf reagieren können.
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