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Die SBV und das Hinweisgeberschutzgesetz

6 Minuten Lesezeit

Seit dem 2. Juli 2023 gilt in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz. Eine europäische Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern zwang den Gesetzgeber dazu, das Gesetz zu erlassen. Der Name sagt bereits, worum es in dem Gesetz geht: Arbeitnehmer, die Regelverstöße melden, sollen vor negativen arbeitsrechtlichen Folgen geschützt werden.

Hinweisgeber können auch (schwer-)behinderte oder ihnen gleichgestellte Personen sein. Daher soll dieser Artikel einmal die Rolle der Schwerbehindertenvertretung bei Anwendung des Hinweisgeberschutzgesetzes erklären.

Ein Mann hält sich die Hand vor den Mund und flüstert das Hinweisgeberschutzgesetz

Wer ist geschützt

Ein Hinweisgeber ist nach der Definition im Gesetz eine Person, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt hat. Anschließend meldet sie diese an die vorgesehenen Meldestellen. Eine Meldung über einen Verstoß erfolgt an eine interne oder externe Meldestelle. Offenlegen bedeutet, dass die Information über den Verstoß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, zum Beispiel über die Medien. Hinweisgeber kann somit jede potenziell schutzbedürftige Person im betrieblichen Kontext sein. Das Gesetz zählt Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer, Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen und Leiharbeitnehmer auf.
Dies gilt auch für Menschen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten und dort nur ein Taschengeld erhalten. Obwohl für sie viele wichtige arbeitsrechtliche Regelungen nicht gelten, sind sie vom Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes erfasst.
Im öffentlichen Dienst sind Beamte, Richter und Soldaten ebenfalls geschützt.

Hinweisgeber sollen keine Sorge vor einer Kündigung, Abmahnung oder negative Konsequenzen seitens des Arbeitgebers haben. Jede Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit wegen der Meldung eines Verstoßes, ist verboten. Häufig befürchten Hinweisgeber, dass sie vom Arbeitgeber und auch Kollegen als Nestbeschmutzer gebrandmarkt werden, weil sie innerbetriebliche Missstände offen legen. Auch dafür soll das neue Gesetz bis zu einem bestimmten Grad schützen. Denn nach diesem steht der Gesetzgeber hinter ihnen.

Welche Rechtsverstöße sind gemeint

Das Hinweisgeberschutzgesetz erfasst alle Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten und weitere Rechtsverstöße. Zudem können Straftaten Gefängnis oder Geldstrafen nach sich ziehen. Bei Ordnungswidrigkeiten folgt grundsätzlich nur eine Geldstrafe. Der Begriff Rechtsverstoß erfasst beide Kategorien. Zusätzlich meint er auch die Verletzung schlichter Regeln des Miteinanders oder eine Vertragsverletzung, die lediglich mit einer Abmahnung oder einem Unterlassungsanspruch verbunden ist.
Klassische Beispiele sind das Unterschlagen von Geld oder das Annehmen von zu großen Geschenken. Aber auch bei Nichteinhaltung von Regeln des Tierschutzes oder Umweltschutzes, weil jemand etwa dauerhaft zu viele Tiere auf zu kleiner Fläche hält oder verbotene Pflanzenschutzmittel einsetzt.

Die interne & externe Meldestelle

Das Kernstück des Hinweisgeberschutzgesetzes ist die Einrichtung einer internen Meldestelle. Seit dem 02. Juli 2023 müssen jetzt Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten eine interne Meldestelle eingerichtet haben. Ab Mitte Dezember 2023 betrifft das auch Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten. In besonders sensiblen Bereichen, die weitestgehend mit dem Handel von Geld beschäftigt sind, wie zum Beispiel bei Banken, kommt es nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter an.

Es gibt die Möglichkeit, diese Meldestellen intern einzurichten oder externe Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Gleichermaßen können sich kleinere Beschäftigungsgeber zusammenschließen und eine gemeinsame Meldestelle betreiben.

Ähnlich detailliert wie die Errichtung der Meldestellen regelt das Gesetz ihre Organisation und Besetzung. Außerdem geht es um die sogenannten Meldekanäle, also die Wege, auf denen die Hinweise die Meldestellen erreichen. So sieht das Gesetz beispielsweise keine zwingende Möglichkeit vor, einen Hinweis anonym geben zu können.

Die Rolle der Schwerbehindertenvertretung

Hier ist die Eigeninitiative der SBV gefragt. Denn das Hinweisgeberschutzgesetz enthält keine ausdrückliche Regelung zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Errichtungsprozess der Meldestellen. Auch was den Ablauf und die Folgen einer Meldung betrifft, gibt es keine Regeln für (schwer-)behinderte Menschen oder ihre Vertretung im Betrieb. Es gelten hier die allgemeinen Regeln aus dem neunten Sozialgesetzbuch, wie etwa die Unterrichtungs- und Anhörungsrechte.

Dasselbe gilt übrigens auch für die Betriebsräte. Auch sie finden keine namentliche Erwähnung im neuen Gesetz, sondern sind auf ihren allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche auf Mitwirkung und Beteiligung verwiesen.
Wenn es darum geht, eine Meldestelle einzurichten und den Meldeweg auch für (schwer-)behinderte Menschen sinnvoll nutzbar zu gestalten, soll die Schwerbehindertenvertretung sich einbringen.

Die Barrierefreiheit des Meldesystems ist ein wichtiger Punkt. Hier kann und soll sich die SBV von Anfang an mit einbringen. Wenn eine externe oder gemeinsame Meldestelle genutzt werden soll, gerät dieser Aspekt schnell außer Acht. Hier bietet es sich schließlich auch an, mit den Schwerbehindertenvertretungen der übrigen Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen.

Die SBV sollte auch die Ausgestaltung der Folgemaßnahmen einer Meldung im Auge behalten. Hier können Schwerbehinderte als Hinweisgeber, aber eben auch als betroffene Personen einer Untersuchung in den betreffenden Fall eingebunden sein.
Ebenfalls der Datenschutz und die Vertraulichkeit von Gesundheitsinformationen sind Themen für die SBV im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz.

Bei der Besetzung der internen Meldestelle kann die SBV auch zu beteiligen sein, wenn (schwer-)behinderten oder gleichgestellten Personen Aufgaben der Meldestelle übertragen werden sollen und sich deshalb ihre Tätigkeiten ändern. Dann ist die Angelegenheit eines einzelnen (schwer-)behinderten Menschen berührt. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen.

Der Inhalt der hierzu organisierten Schulungen ist wieder eine Angelegenheit, die die (schwer-)behinderten Menschen als Gruppe berührt. Sie müssen auch die Fähigkeit vermitteln, mit Menschen mit Behinderung als hinweisgebende Person oder Gegenstand einer Meldung über einen Verstoß angemessen umzugehen.

Schwerbehinderte im Hinweisverfahren

Wenn ein (schwer-)behinderter Mensch selbst Hinweisgeber oder aber Gegenstand einer Meldung über einen Verstoß oder sonst davon betroffen ist, ist in Bezug auf die Beteiligung der SBV das Vertraulichkeitsgebot des § 8 HinSchG zu beachten. Danach ist eine Information der SBV zulässig sein, wenn man sie als Unterstützung der Meldestelle bei ihren Aufgaben ansieht.

Jedenfalls spricht im Falle einer (schwer-)behinderten Person als Hinweisgeber nichts dagegen. Wichtig ist, dass sie zuvor ihre Zustimmung erteilt. Vorgesehen werden sollte bei der Ausgestaltung des Verfahrens der Meldestelle daher, dass dies routinemäßig abgefragt wird. Ist eine (schwer-)behinderte Person Gegenstand oder sonst von einer Meldung betroffen, spricht der Wortlaut von § 8 HinSchG nicht gegen eine Information der SBV. Es sollte aber dennoch abgewogen werden, ob diese automatisch oder nach Abfrage auf Wunsch erfolgen soll.

Unterstützung durch die SBV

Es gehört zu den Aufgaben der SBV den (schwer-)behinderten Menschen im Betrieb oder der Dienststelle, beratend und helfend zur Seite zu stehen. Dies gilt auch für Meldungen über Verstöße nach dem Hinweisgeberschutzgesetz, die sie entweder selbst machen oder deren Gegenstand sie sind.
Damit die SBV angemessen unterstützen und informieren kann, muss sie auch selbst hinreichende Kenntnisse haben. Hieraus kann sich ein Anspruch auf Schulung zum Thema Hinweisgeberschutzgesetz ergeben.

Hinweisgeberschutzgesetz
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Bei Einführung eines betrieblichen Schutzsystems aktiv mitbestimmen
Seit 2. Juli 2023 müssen Unternehmen ab 250 Beschäftigten Meldestellen einrichten, an die sich Mitarbeitende wenden können, um auf Rechtsverstöße aufmerksam zu machen. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt Entsprechendes seit dem 17. Dezember 2023. Erfahren Sie in diesem Seminar, welche Mitbestimmungsrechte bestehen und wie Sie berechtigte (Schutz-)Interessen von Hinweisgebern effektiv durchsetzen.
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