Nancy Faeser und der Fachkräftemangel
Am 23. Juni hat der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nennt es das modernste Einwanderungsrecht der Welt. Ziel des Gesetzes ist es, die Einwanderung von qualifizierten Personen zu erleichtern. So können Unternehmen in Deutschland bei den Herausforderungen des Fachkräftemangels unterstützt werden. Hier erhalten Sie einen Überblick über das neue Gesetz.

Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung - Ein Überblick
Es basiert auf einem Drei-Säulen-Modell und soll schneller, digitaler und familienfreundlicher sein. Ob es diesen hohen Ansprüchen gerecht werden kann, muss sich erst noch erweisen. Auf jeden Fall stellt es einen Schritt in die richtige Richtung dar.
1. Fachkräftesäule – zentrales Element der Fachkräfteeinwanderung
Eine der wesentlichsten Änderungen für Fachkräfte ist, dass sie fortan jede Art von Beschäftigung ausüben können sollen. Dies gilt für Personen mit einem in Deutschland anerkannten Abschluss. Das bedeutet, der Abschluss muss mit einer deutschen Berufsqualifikation gleichwertig sein. Geprüft wird dies in einem Anerkennungsverfahren. Dabei darf es sich aber nicht um einen reglementierten Beruf handeln. Zu diesen Berufen gehören z. B. Heilberufe, Architekten und Lehrer. Ein Zusammenhang zwischen dem Abschluss und dem Beruf ist somit nicht mehr erforderlich.
Das Gesetz setzt außerdem die erforderliche Voraufenthaltsdauer für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis herab. Das gilt für Inhaber einer Blauen Karte EU, aber auch für Fachkräfte und deren Familienangehörige. Damit gestaltet es die Einwanderung attraktiver.
2. Erfahrungssäule – Berufserfahrung wird wichtiger
Neben der Fachkräftesäule steht die „Erfahrungssäule“. Damit bekommt die Berufserfahrung fortan mehr Bedeutung. Künftig kann eine Arbeitskraft mit zweijähriger Berufserfahrung und einem im Heimatland anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss einreisen. Vorausgesetzt sie erreicht die notwendige Gehaltsschwelle. Eine Anerkennung des Abschlusses in Deutschland ist dann nicht mehr notwendig. Dies hat den enormen Vorteil der (Zeit-)Ersparnis von bürokratischen Vorgängen, die mit dem Anerkennungsverfahren zusammenhingen.
Eine Anerkennung bleibt hingegen notwendig, wenn die geforderte Gehaltsschwelle nicht erreicht wird. Um den Arbeitsantritt dennoch zeitnah gewährleisten zu können, wird die Möglichkeit einer sog. Anerkennungspartnerschaft eingeführt. Dabei handelt es sich um einen neuen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung mit begleitender beruflicher Anerkennung. Dabei muss die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation erst vor Ort in Deutschland angestrebt werden. Sie verpflichtet die Fachkraft aus dem Ausland sowie den Arbeitgeber nach Einreise oder nach Erteilung des Aufenthaltstitels, das Anerkennungsverfahren einzuleiten und aktiv zu betreiben.
3. Potenzialsäule – Chancenkarte als neuer Aufenthaltstitel
Als weiterer neuer Aufenthaltstitel wird die sog. Chancenkarte und damit eine „Potenzialsäule“ eingeführt. Diese ermöglicht die Einreise und den Aufenthalt zur Arbeitssuche, basierend auf einem Punktesystem. Auswahlkriterien sind u.a. Qualifikation, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung. Die Chancenkarte bietet die Möglichkeit der Probearbeit oder der Nebenbeschäftigung.
Neuerung rund um die Blaue Karte EU
Umfassende Änderungen gibt es auch bei der Blauen Karte EU. Sie ist eine Aufenthaltsgenehmigung für Personen aus dem Nicht-EU-Ausland, die ein Hochschulstudium absolviert haben. Beispielsweise sieht das Gesetz die Absenkung der bestehenden Gehaltsschwelle vor (bisher 58.400 € brutto). Diese soll nun nur noch 50 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung betragen. Damit läge die Mindestgehaltsschwelle bei nur noch 43.800 € pro Jahr.
Außerdem wurde die Anzahl für Engpassberufe erhöht, Arbeitgeberwechsel sollen fortan leichter sein und der Familiennachzug einfacher. Eingeführt wurden auch Regelungen für die Ausübung von kurz- und langfristiger Intra-EU-Mobilität in Deutschland. Das betrifft Inhaber einer Blauen Karte EU, die ein anderer Mitgliedstaat der EU ausgestellt hat.
Weitere Neuerungen
Das war noch nicht alles. Auch für die Bildungsmigration sieht das Gesetz Neuerungen vor. So wird Studierenden eine erweiterte Möglichkeit zur Nebenbeschäftigung während des Studienaufenthalts eingeräumt. Zusätzlich werden Zweckwechselverbote wegfallen. Das heißt, der Wechsel zwischen Aufenthalten zu Bildungs- und Erwerbszwecken wird vereinfacht.
Durch die Zustimmung des Bundesrats am 7. Juli 2023 kann das Weiterbildungsgesetz nun an den Bundespräsidenten weitergeleitet werden. Von ihm wird es dann unterzeichnet und im Anschluss im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Dabei werden einzelne Regelungen voraussichtlich bereits diesen Herbst in Kraft treten.
Am Schluss Möglichkeiten verschenkt
Was dem neuen Gesetz fehlt, sind Regeln für die umfassende Digitalisierung der Abläufe. Oder auch Leitlinien zur Bewertung der verschiedenen Ausbildungsniveaus. Es ist also durchaus noch Luft nach oben beim Abbau des Fachkräftemangels.
Sie als Betriebsrat können in Ihrem Betrieb natürlich trotzdem kreativ werden, um nachhaltig Personal zu finden und dieses langfristig zu binden. Dazu zählt auch, attraktive Rahmenbedingungen für zufriedene Kollegen zu schaffen. Aber auch den Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels nachzugehen und mithilfe Ihrer Mitbestimmungsrechte einzugreifen, gehört zu Ihren Handlungsmöglichkeiten.