Immer wieder sonntags – Voraussetzungen für die Arbeit am siebten Wochentag

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Konkrete Regeln zur Arbeitszeit sind ein Muss, um für Arbeitnehmer ausreichende Ruhephasen und Erholungspausen zu gewährleisten. Um gesund zu bleiben und motiviert arbeiten zu können, brauchen wir ein festes Gefüge aus Arbeit und Erholung. Der Sonntag ist ein arbeitsfreier Tag, der möglichst allen Menschen zur Verfügung stehen soll. Wir dürfen unseren Interessen nachgehen und uns mit Freunden und Familie treffen. Letzteres können wir nur tun, wenn alle zur gleichen Zeit frei haben. Aus diesem Grund sind die Voraussetzungen zur Sonntagsarbeit sehr streng. Lesen Sie hier, wie die Arbeitsgerichte unsere Freizeit schützen.

Frau hält Schild mit Sonntags geöffnet hoch

Geschichte des freien Sonntags

Als Kaiser Konstantin vor mehr als 1.700 Jahren für alle Christen die Sonntagsruhe einführte, hatte er sicherlich keine Vorstellung von der modernen Arbeitswelt, mit ihren vielfältigen Organisationsmöglichkeiten, um Arbeitnehmer quasi rund um die Uhr sieben Tage in der Woche zu beschäftigen. Er wollte sich nur von der jüdischen Bevölkerung abgrenzen, die ihren Ruhetag am Samstag hatte.

Nach einer langen landwirtschaftlich geprägten Zeit folgte im 19. Jahrhundert die industrielle Revolution. Um die Arbeiter besser vor Ausbeutung zu schützen, wurde vor 130 Jahren in Deutschland das erste Mal die Sonntagsarbeit gesetzlich verboten. Noch heute gilt auch Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung, der ebenfalls die Sonntagsruhe schützt. Seitdem entwickeln sich die Regeln dazu immer weiter.

Sonntagsarbeit im Grundsatz verboten

Grundsätzlich untersagt das Arbeitszeitgesetz – wenn auch mit einigen Ausnahmen – eine Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen. Als Sonntagsarbeit gilt dabei die Zeit zwischen 0:00 und 24:00 Uhr am Sonntag. Behörden können, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, Ausnahmegenehmigungen erteilen. Für eine Bewilligung ist es ein wesentliches Merkmal, dass die Arbeiten nicht auf Werktage verschiebbar sind. Ein Online-Möbelhändler beantragte beispielsweise für bis zu 14 Beschäftigte, die im Kundenservice im Home-Office tätig sind, eine Genehmigung für Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Behörde sah keinen Grund, diese zu bewilligen. Zu Recht, entschied das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 27. April 2023, Az.: VG 4 K 311/22). Es sei dem Arbeitgeber zuzumuten, telefonische Auskünfte nur an Werktagen zu erteilen.

Wie kommt es zu Ausnahmen?

Wie überall im Recht gibt es auch hier den Mechanismus von Grundsatz und Ausnahme. Der Grundsatz ist das Verbot der Sonntagsarbeit. Ausnahmen entstehen hier etwa, weil besondere Situationen dies erfordern. Das Gesetz selbst nennt in § 10 ArbZG zahlreiche Ausnahmen, wie etwa für Polizei, Feuerwehr, Pflegekräfte oder Notdienste.

Zudem ermächtigt es die Bundesländer, durch Rechtsverordnung weitere Ausnahmen vom Sonntagsschutz zu beschließen. Die zuständige Aufsichtsbehörde kann Ausnahmen in Einzelfällen auf Antrag bewilligen. Hierunter fallen beispielsweise auch verkaufsoffene Sonntage. Wenn der Eingriff in den Schutz der Sonntagsarbeit durch die Ausnahmeregelungen sehr gravierend ist, darf nur die Bundesregierung sie vornehmen.

Dürfen Arbeitgeber Sonntagsarbeit anordnen?

Grundsätzlich umfasst das Direktionsrecht des Arbeitgebers auch die Anordnung von Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 106 Satz 1 GewO). Voraussetzung ist natürlich, dass das nicht im Arbeitsvertrag oder durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen ist. Der Arbeitgeber muss dabei beachten, dass die Weisung zur Sonntagsarbeit rechtlich zulässig sein muss. Er muss sich also auf eine Ausnahmegenehmigung der Aufsichtsbehörde berufen können. Oder darauf, dass es sich um eine Ausnahme handelt, die das Arbeitszeitgesetz vorsieht.

Zulässige Sonntagsarbeit mit Ausnahmegenehmigung

Über die gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestände kann die Sonntagsarbeit in Einzelfällen von der zuständigen Aufsichtsbehörde zugelassen werden. Diese Ausnahmetatbestände finden sich vor allem in § 13 Abs. 1-5 ArbZG. Im Fall, den das VG Berlin zu beurteilen hatte, berief sich der Online-Möbelhändler auf § 13 Abs. 5 ArbZG. Danach soll eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, wenn bei einer Ausnutzung der zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten, Konkurrenzbetriebe im Ausland längere Betriebszeiten haben. Hinzukommen muss noch die Beeinträchtigung der Konkurrenzfähigkeit des antragstellenden Betriebs. Aus Sicht des Gerichts fehlte es bereits an einer Ausnutzung der zulässigen Betriebszeit.

Sonn- und Feiertagsarbeit kann nach dem ArbZG auch genehmigt werden, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände ein erheblicher Schaden vermieden werden kann. Dies hatte das Unternehmen Amazon immer wieder als Grund für Sonntagsarbeit in der Vorweihnachtzeit angebracht. Die Verwaltungsgerichte sehen dies mehrheitlich anders: Bei der Auftragszunahme im Vorweihnachtsgeschäft handle es sich um ein jährliches und absehbares Ereignis. Darauf könne und müsse sich die Firma Amazon jedoch langfristig einstellen. Sie könne den zu erwartenden Personalbedarf beispielsweise durch Einstellung weiterer Mitarbeiter ausgleichen (VG Augsburg, Az: 5 K 15.1834). Wenn die Engpässe vom Unternehmen selbst verursacht wurden, berechtigt dies nicht zur Sonntagsarbeit. Das urteilte auch das Bundesverwaltungsgericht am 3. Februar 2021.

Keine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit

Auch die Gewerkschaft Verdi schaltete sich ein. Nachdem sie bereits in der ersten Instanz eine Aufhebung der Genehmigung erreicht hatte, bekam die Gewerkschaft auch vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Recht. Es führte in seiner Urteilsverkündung aus, aus den Angaben von Amazon ergebe sich nicht, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot vorgelegen hätten.

Es kämen nur solche Umstände als Grundlage für eine Ausnahmegenehmigung in Betracht, die von außen verursacht worden seien und auf die Amazon keinen Einfluss nehmen könne. Die Sondersituation durch erhöhtes Auftragsvolumen beruht aber maßgeblich auf dem Geschäftsmodell von Amazon.

Lieferengpässe selbst herbeigeführt

Nach diesem Geschäftsmodell seien den Kunden kurze Lieferfristen selbst in der Vorweihnachtszeit zugesagt worden. Zwar habe Amazon sein Personal für das Weihnachtsgeschäft vorübergehend deutlich aufgestockt. Es sei auf der Amazon-Webseite aber nicht darauf hingewiesen worden, dass nur bei möglichst frühzeitiger Bestellung eine Lieferung vor Weihnachten garantiert werden könne. Und das obwohl sich dies angesichts der prognostizierten Lieferengpässe aufgedrängt hätte.

Außerdem sei kurz vor der Adventszeit neben den bestehenden Express-Lieferungen eine Belieferung noch am Tag der Bestellung eingeführt worden. Dadurch habe Amazon absehbar dazu beigetragen, dass sich die Lieferengpässe noch verstärkten. Dies geschah, obwohl bekannt war, dass sich diese Lieferengpässe nicht ohne Sonntagsarbeit würden auffangen lassen.

Bundesverwaltungsgericht: Sonntagsarbeit nur bei außerbetrieblicher Ursache

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner aktuellen Entscheidung das Urteil des OVG Münster bestätigt. Es hat dazu klargestellt, dass "besondere Verhältnisse" nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorübergehende Sondersituationen sind, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen sein. Der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit bei Amazon sei aber auf innerbetriebliche Umstände zurückzuführen.

Für Sonntagsarbeit muss es Ausgleich geben

Auch wenn Sonntagsarbeit im Einzelfall erlaubt ist, gelten besondere Schutzvorschriften. So müssen Arbeitnehmer für jeden Sonn- und Feiertag zwingend einen Ersatzruhetag erhalten: Ein Ersatzruhetag in diesem Sinn ist ein Werktag, an dem der Arbeitnehmer von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr keine Arbeitsleistung erbringt. Ein davon abweichender individueller Zeitraum mit einer Dauer von 24 Stunden genügt nicht.

Sowohl die Sonn- und Feiertagsruhe als auch der Ersatzruhetag sind in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Tagesruhezeit von 11 Stunden zu gewähren. Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben. Die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen darf grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann aber auf zehn Stunden verlängert werden, wenn diese Verlängerung innerhalb von sechs Monaten ausgeglichen wird.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass die Feiertagsruhe durch jede Art von Beschäftigung gestört wird. Folgerichtig muss der Ersatzruhetag auch dann gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer am Feiertag nur für einen kurzen Zeitraum beschäftigt wurde. Wie sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergibt, sollte die Sicherung des Sonntags als Ruhetag zugleich die höchstzulässige Wochen-Arbeitszeit begrenzen und dadurch den Arbeitszeitschutz ergänzen.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Dazu zählen auch die Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dieses Mitbestimmungsrecht betrifft nicht die Länge der wöchentlichen Arbeitszeit (20, 30 oder 40 Stunden), sondern die Frage, wie diese Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt wird, d.h. von wann bis wann gearbeitet wird.

Mitbestimmungspflichtig sind alle Fragen, die mit Schichtarbeit zu tun haben, d.h. die Einführung von

  • Samstagsarbeit
  • Sonntagsarbeit (falls diese gesetzlich zulässig ist)
  • "Dienstleistungsabenden"
  • Schichtarbeit und deren zeitliche Ausgestaltung

Auch Rufbereitschaftspläne und die Lage der Arbeitszeit von Teilzeitkräften unterliegen der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Dieses Mitbestimmungsrecht umfasst neben der Einführung und Ausgestaltung ebenso die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Feiertagsruhe vor- oder zurückverlegt werden soll (§ 9 Abs. 2 u. 3 ArbZG). Und auch die Festlegung der zeitlichen Lage der Ersatzruhetage zählt dazu (§ 11 ArbZG).

Betriebsvereinbarungen sind hier nur möglich, wenn der passende Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält. Ansonsten können Regeln über Sonn- und Feiertagsarbeit nur im Tarifvertrag festgehalten werden. Gleiches gilt für die dafür zu zahlenden Zuschläge.

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