Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - Art 18 EGRL 54/2006 - Schadensersatz wegen diskriminierender Entlassung - Sanktion - abschreckender Charakter

EuGH C-407/14 vom 17. Dez. 2015

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

17. Dezember 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2006/54/EG – Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits‑ und Beschäftigungsfragen – Diskriminierende Entlassung – Art. 18 – Schadensersatz oder Entschädigung des tatsächlich erlittenen Schadens – Abschreckender Charakter – Art. 25 – Sanktionen – Strafschadensersatz“

In der Rechtssache C‑407/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social n° 1 de Córdoba (Gericht für Sozial- und Arbeitssachen Nr. 1 von Córdoba, Spanien) mit Entscheidung vom 1. August 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2014, in dem Verfahren

María Auxiliadora Arjona Camacho

gegen

Securitas Seguridad España SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von Frau Arjona Camacho, vertreten durch R. Alcaide Aranda, abogado,

– der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón und A. Rubio González Alejandro als Bevollmächtigte,

– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Kraehling als Bevollmächtigte, im Beistand von A. Bates, Barrister,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Roussanov und E. Adsera Ribera als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2015

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits‑ und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Arjona Camacho und der Securitas Seguridad España SA (im Folgenden: Securitas Seguridad España) wegen der Gewährung von Strafschadensersatz an Frau Arjona Camacho nach ihrer eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellenden Entlassung.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 76/207/EWG

3 Art. 6 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung:

„Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann.“

4 Die Richtlinie 76/207 wurde durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 269, S. 15) geändert. Der 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/73 lautet:

„Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann als tatsächlich verwirklicht angesehen werden kann, wenn bei Verstößen gegen diesen Grundsatz den Arbeitnehmern, die Opfer einer Diskriminierung wurden, eine dem erlittenen Schaden angemessene Entschädigung zuerkannt wird. Er hat ferner entschieden, dass eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze einer wirksamen Entschädigung entgegenstehen kann und die Gewährung von Zinsen zum Ausgleich des entstandenen Schadens nicht ausgeschlossen werden darf.“

5 Art. 6 der Richtlinie 76/207 wurde durch die Richtlinie 2002/73 wie folgt neu gefasst:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts‑ und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung in Form eines Verstoßes gegen Artikel 3 entstandene Schaden – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss; dabei darf ein solcher Ausgleich oder eine solche Entschädigung nur in den Fällen durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der einem/einer Bewerber/in durch die Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird.

…“

6 Durch die Richtlinie 2002/73 wurde auch Art. 8d in die Richtlinie 76/207 eingefügt. Dieser hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Anwendung zu gewährleisten.

Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Vorschriften der Kommission spätestens am 5. Oktober 2005 mit und unterrichten sie unverzüglich über alle späteren Änderungen dieser Vorschriften.“

7 Nach Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 hob sie die Richtlinie 76/207 mit Wirkung vom 15. August 2009 auf.

 Richtlinie 2006/54

8 In den Erwägungsgründen 1, 33 und 35 der Richtlinie 2006/54 heißt es:

„(1) Die Richtlinie 76/207 … und die Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit [ABl. L 225, S. 40] wurden erheblich geändert. … Anlässlich neuerlicher Änderungen der genannten Richtlinien empfiehlt sich aus Gründen der Klarheit eine Neufassung sowie die Zusammenfassung der wichtigsten Bestimmungen auf diesem Gebiet mit verschiedenen Entwicklungen aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs … in einem einzigen Text.

(33) Der Gerichtshof hat eindeutig festgestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann als tatsächlich verwirklicht angesehen werden kann, wenn bei allen Verstößen eine dem erlittenen Schaden angemessene Entschädigung zuerkannt wird. Es ist daher angebracht, die Vorabfestlegung irgendeiner Höchstgrenze für eine solche Entschädigung auszuschließen, außer in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der einem Bewerber infolge einer Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wurde.

(35) Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen, die bei einer Verletzung der aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen zu verhängen sind.“

9  Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Ziel der vorliegenden Richtlinie ist es, die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sicherzustellen.

Zu diesem Zweck enthält sie Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Bezug auf

b) Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts,

Weiter enthält sie Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Verwirklichung durch die Schaffung angemessener Verfahren wirksamer gestaltet wird.“

10 Art. 14 („Diskriminierungsverbot“) Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie sieht vor:

„Im öffentlichen und privaten Sektor einschließlich öffentlicher Stellen darf es in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben:

c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt nach Maßgabe von Artikel [157 AEUV]“.

11 Art. 18 („Schadenersatz oder Entschädigung“) dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss. Dabei darf ein solcher Ausgleich oder eine solche Entschädigung nur in den Fällen durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der einem Bewerber durch die Diskriminierung im Sinne dieser Richtlinie entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wurde.“

12 Art. 25 („Sanktionen“) der Richtlinie 2006/54 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Anwendung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Vorschriften der Kommission spätestens bis zum 5. Oktober 2005 mit und unterrichten sie unverzüglich über alle späteren Änderungen dieser Vorschriften.“

13 Art. 27 („Mindestanforderungen“) Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten können Vorschriften erlassen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.“

 Spanisches Recht

14 Art. 10 („Rechtsfolgen diskriminierender Verhaltensweisen“) des Organgesetzes 3/2007 zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern (Ley Orgánica 3/2007 para la igualdad efectiva de mujeres y hombres) vom 22. März 2007 (BOE Nr. 71 vom 23. März 2007, S. 12611) bestimmt:

„Rechtshandlungen und Klauseln in Rechtsgeschäften, die eine Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts darstellen oder hierzu führen können, sind nichtig und unwirksam und begründen eine Haftung im Rahmen eines Systems tatsächlicher, effektiver und in einem zu dem entstandenen Schaden angemessenen Verhältnis stehender Entschädigungs- und Schadensersatzleistungen sowie gegebenenfalls im Rahmen eines wirksamen und abschreckenden, diskriminierenden Verhaltensweisen vorbeugenden Sanktionssystems.“

15 Art. 183 („Schadensersatz“) Abs. 1 und 2 des Gesetzes 36/2011, Arbeits‑ und Sozialgerichtsgesetz (Ley 36/2011, reguladora de la jurisdicción social) vom 10. Oktober 2011 (BOE Nr. 245 vom 11. Oktober 2011, S. 106584) lautet:

„1. Wird im Urteil eine Rechtsverletzung festgestellt, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des immateriellen Schadens infolge der Grundrechtsverletzung sowie der daraus folgenden zusätzlichen Schäden über die Höhe des Schadensersatzes, der der klagenden Partei wegen Diskriminierung oder einer anderen Verletzung ihrer Grundrechte und Grundfreiheiten gegebenenfalls zusteht.

2. Das Gericht entscheidet über die Höhe des Schadens, der zurückhaltend zu veranschlagen ist, wenn der Nachweis seiner genauen Höhe zu schwierig oder zu kostspielig ist, um das Opfer angemessen zu entschädigen und es im Rahmen des Möglichen in seine Lage vor der Rechtsverletzung zurückzuversetzen und um zum Ziel der Schadensvermeidung beizutragen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16 Frau Arjona Camacho wurde am 1. Juli 2012 von Securitas Seguridad España als Sicherheitsbedienstete für eine Vollzeittätigkeit in einer Jugendstrafvollzugsanstalt in Córdoba (Spanien) eingestellt. Sie wurde am 24. April 2014 entlassen.

17 Da sie mit ihrer Kündigung nicht einverstanden war, beantragte Frau Arjona Camacho am 6. Mai 2014 bei der Schiedsstelle für arbeitsrechtliche Streitigkeiten in Córdoba die Durchführung eines Güteverfahrens mit ihrer Arbeitgeberin. Dieses blieb ergebnislos.

18 Am 26. Mai 2014 reichte Frau Arjona Camacho beim Juzgado de lo Social n° 1 de Córdoba (Gericht für Sozial- und Arbeitssachen Nr. 1 von Córdoba) Kündigungsschutzklage ein und brachte vor, dass die Kündigung für unwirksam zu erklären sei.

19 Hierzu machte Frau Arjona Camacho im Hauptantrag geltend, dass ihre Kündigung u. a. eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle. Sie forderte Schadensersatz in Höhe von 6 000 Euro für den erlittenen Schaden.

20 Das vorlegende Gericht teilt mit, dass es davon ausgehe, dass die Kündigung von Frau Arjona Camacho eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle und dass es in dem Urteil, das es nach der Antwort des Gerichtshofs verkünden werde, die Beweismittel darlegen werde, auf denen diese Feststellung beruhe.

21 Des Weiteren werde sein zu erlassendes Urteil auch nähere Angaben zu den Gründen enthalten, aus denen es davon ausgehe, dass ein Betrag in Höhe von 3 000 Euro als Schadensersatz für den vollständigen Ausgleich des von Frau Arjona Camacho wegen ihrer Kündigung aufgrund des Geschlechts erlittenen Schadens ausreiche.

22 Allerdings stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob es Frau Arjona Camacho in Anwendung von Art. 18 der Richtlinie 2006/54, wonach der Schaden auf eine abschreckende Art und Weise auszugleichen oder zu ersetzen ist, über den vollständigen Ausgleich des von ihr erlittenen Schadens hinausgehenden Schadensersatz in Form von Strafschadensersatz zuerkennen muss, um für ihre ehemalige Arbeitgeberin und für andere Arbeitgeber ein Exempel zu statuieren.

23 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es den Begriff „Strafschadensersatz“ im spanischen Recht nicht gibt.

24 Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Social n° 1 de Córdoba (Gericht für Sozial- und Arbeitssachen Nr. 1 von Córdoba) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann Art. 18 der Richtlinie 2006/54, wonach die Entschädigung des Opfers einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (nicht nur tatsächlich, wirksam und auf eine dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise zu geschehen hat, sondern auch) abschreckenden Charakter haben muss, dahin ausgelegt werden, dass das nationale Gericht zu einem zusätzlichen, angemessenen Strafschadensersatz verurteilen kann, also zu einem zusätzlichen Betrag, der zwar über den vollständigen Ausgleich des von dem Opfer erlittenen tatsächlichen Schadens hinausgeht, aber für andere (neben dem eigentlichen Schadensverursacher) ein Exempel statuiert, sofern dieser Betrag sich in den Grenzen des Verhältnismäßigen hält, und zwar auch dann, wenn die Rechtsfigur des Strafschadensersatzes seiner Rechtstradition fremd ist?

 Zur Vorlagefrage

25 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen ist, dass einer Person, damit der ihr durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden tatsächlich und wirksam auf eine abschreckende Art und Weise ausgeglichen oder ersetzt wird, über Schadensersatz als Ausgleich hinaus auch Strafschadensersatz zuzusprechen ist.

26 Nach Art. 18 der Richtlinie 2006/54 treffen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss und ein solcher Ausgleich nur dann durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden kann, wenn die Berücksichtigung einer Bewerbung verweigert wurde.

27 Diese Bestimmung gibt den Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 76/207 in der durch die Richtlinie 2002/73 geänderten Fassung wieder.

28 Wie aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/73 hervorgeht, änderte diese Art. 6 der Richtlinie 76/207, um der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere den Urteilen Marshall (C‑271/91, EU:C:1993:335) und Draehmpaehl (C‑180/95, EU:C:1997:208), Rechnung zu tragen.

29 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen der Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 76/207, die durch die Richtlinie 2006/54 aufgehoben und ersetzt wurde, festgestellt hat, dass die Mitgliedstaaten die Maßnahmen treffen müssen, die notwendig sind, damit jeder, der sich durch eine dieser Richtlinie zuwiderlaufende Diskriminierung für beschwert hält, seine Rechte gerichtlich geltend machen kann. Zu dieser Verpflichtung gehört es, dass diese Maßnahmen so wirksam sind, dass das Ziel der Richtlinie 76/207 erreicht wird, und dass sich die betroffenen Personen vor den nationalen Gerichten tatsächlich auf sie berufen können (vgl. Urteile Marshall, C‑271/91, EU:C:1993:335, Rn. 22, und Paquay, C‑460/06, EU:C:2007:601, Rn. 43).

30 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs schreibt Art. 6 der Richtlinie 76/207 den Mitgliedstaaten im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots keine bestimmte Maßnahme vor, sondern belässt den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie geeigneten Lösungen (vgl. Urteile von Colson und Kamann, 14/83, EU:C:1984:153, Rn. 18, Marshall, C‑271/91, EU:C:1993:335, Rn. 23, und Paquay, C‑460/06, EU:C:2007:601, Rn. 44).

31 Die Maßnahmen, durch die tatsächliche Chancengleichheit wiederhergestellt werden kann, müssen jedoch einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleisten und eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber haben (vgl. Urteile von Colson und Kamann, 14/83, EU:C:1984:153, Rn. 23 und 24, Draehmpaehl, C‑180/95, EU:C:1997:208, Rn. 25, und Paquay, C‑460/06, EU:C:2007:601, Rn. 45).

32 Diese Erfordernisse machen die Berücksichtigung der Besonderheiten jedes einzelnen Falles einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes notwendig. Im Fall einer diskriminierenden Entlassung kann jedoch die Gleichheit ohne Wiedereinstellung der diskriminierten Person oder aber finanziellen Ausgleich des ihr entstandenen Schadens nicht wiederhergestellt werden (Urteil Marshall, C‑271/91, EU:C:1993:335, Rn. 25).

33 Wird schließlich als Maßnahme zur Erreichung des Ziels der Wiederherstellung tatsächlicher Chancengleichheit die finanzielle Wiedergutmachung gewählt, so muss diese angemessen in dem Sinne sein, dass sie es erlaubt, die durch die diskriminierende Entlassung tatsächlich entstandenen Schäden gemäß den anwendbaren staatlichen Regeln in vollem Umfang auszugleichen (vgl. Urteile Marshall, C‑271/91, EU:C:1993:335, Rn. 26, und Paquay, C‑460/06, EU:C:2007:601, Rn. 46).

34 Folglich ging aus Art. 6 der Richtlinie 76/207 in seiner ursprünglichen wie in seiner geänderten Fassung sowie aus der in den Rn. 29 bis 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die wirklich abschreckende Wirkung, die durch diesen Art. 6 erreicht werden sollte, nicht bedeutete, einer Person, der durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ein Schaden entstanden war, Strafschadensersatz zuzuerkennen, der über den vollständigen Ausgleich des ihr tatsächlich entstandenen Schadens hinausgeht und eine Sanktionsmaßnahme darstellt.

35 Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, dass bei einer diskriminierenden Entlassung der in finanzieller Form gewährte Schadensausgleich, wie in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angegeben, eine Alternative darstellt.

36 Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist keine wesentliche Änderung im Unionsrecht eingetreten, die dazu führte, dass Art. 18 der Richtlinie 2006/54 insoweit anders auszulegen wäre als Art. 6 der Richtlinie 76/207.

37 Damit der durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und angemessene Art und Weise geschehen muss, verpflichtet Art. 18 der Richtlinie 2006/54 wie schon Art. 6 der Richtlinie 76/207 die Mitgliedstaaten, die die finanzielle Form wählen, daher, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen Maßnahmen zu treffen, die – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – die Zahlung von Schadensersatz an den Geschädigten vorsehen, der den entstandenen Schaden vollständig deckt, sieht aber keine Zahlung von Strafschadensersatz vor.

38 Im Übrigen legen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 25 der Richtlinie 2006/54 die Regeln für die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Anwendung zu gewährleisten. Außerdem müssen nach dieser Bestimmung die Sanktionen, die „auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können“, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

39 Während durch Art. 18 der Richtlinie 2006/54 eine Entschädigung oder ein Ausgleich für den dem Geschädigten entstandenen Schaden vorgeschrieben werden soll, ist dem Wortlaut von Art. 25 dieser Richtlinie also zu entnehmen, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zum Erlass von Maßnahmen einräumt, mit denen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Form von dem Opfer zuerkanntem Schadensersatz geahndet werden soll.

40 Somit erlaubt Art. 25 der Richtlinie 2006/54 den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu treffen, die die Zahlung von Strafschadensersatz an das Opfer einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorsehen, verpflichtet sie aber nicht dazu.

41 Im selben Sinne bestimmt Art. 27 Abs. 1 dieser Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen oder beibehalten können, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.

42 Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es den Begriff „Strafschadensersatz“ im spanischen Recht nicht gibt.

43 Art. 25 der Richtlinie 2006/54 sieht unter solchen Umständen – wenn es keine Bestimmung des nationalen Rechts gibt, auf deren Grundlage Strafschadensersatz an eine durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geschädigte Person gezahlt werden kann – nicht vor, dass der nationale Richter denjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, selbst zu einem solchen Schadensersatz verurteilen kann.

44 Außerdem ist, angenommen, ein Mitgliedstaat beschließt den Erlass von Maßnahmen, die die Zuerkennung von Strafschadensersatz an die diskriminierte Person ermöglichen, die Bestimmung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs der Sanktion Aufgabe des innerstaatlichen Rechts des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind (vgl. entsprechend Urteile Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 92, Donau Chemie u. a., C‑536/11, EU:C:2013:366, Rn. 25 bis 27, und Hirmann, C‑174/12, EU:C:2013:856, Rn. 40).

45 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 18 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen ist, dass er, damit der durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und angemessene Art und Weise geschehen muss, die Mitgliedstaaten, die die finanzielle Form wählen, verpflichtet, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen – je nach ihren Rechtsvorschriften – Maßnahmen zu treffen, die die Zahlung von Schadensersatz an den Geschädigten vorsehen, der den entstandenen Schaden vollständig deckt.

 Kosten

46 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 18 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist dahin auszulegen, dass er, damit der durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entstandene Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und angemessene Art und Weise geschehen muss, die Mitgliedstaaten, die die finanzielle Form wählen, verpflichtet, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen – je nach ihren Rechtsvorschriften – Maßnahmen zu treffen, die die Zahlung von Schadensersatz an den Geschädigten vorsehen, der den entstandenen Schaden vollständig deckt.

Unterschriften