Krank zur Arbeit: Präsentismus bei jungen Beschäftigte und Azubis im Check
Präsentismus bezeichnet das Phänomen, dass Mitarbeitende trotz Krankheit zur Arbeit gehen und sich trotz gesundheitlicher Beschwerden nicht krankmelden. Besonders für die JAV ist wichtig, wie weit dieses Verhalten auch bei jungen Menschen verbreitet ist. Daher klären wir dich in diesem Artikel auf und geben dir an die Hand, wie du als JAV dieses Thema aufzugreifen und mitzugestalten.
Präsentismus im Kontext von Arbeitnehmervertretern
Gerade für dich als Arbeitnehmervertretung ist Präsentismus ein wichtiges Thema. Es geht um Gesundheit, Schutz und nachhaltige Arbeitsbedingungen. Wer Ursachen erkennt – wie Leistungsdruck oder fehlende Vertretung – kann gezielt gegensteuern. Vor allem in der Ausbildung verspüren Azubis oftmals das Gefühl, in der Schule gute Noten abliefern zu müssen und in der Arbeit nichts zu verpassen, um am Ball zu bleiben. Aber aufgepasst: Krank am Arbeitsplatz zu erscheinen, belastet nicht nur die Betroffenen, sondern oft auch das ganze Team.
Wie verbreitet ist Präsentismus bei den jungen Leuten?
In einer Zeit, in der die Generation Z häufig als faul gilt und scheinbar weniger Arbeitsmoral mitbringt, wird schnell der Entschluss gefasst, dass sich junge Menschen häuft schneller oder öfter krankmelden. Dort fällt es einigen schwer zu glauben, dass sich noch der altbekannte Präsentismus zeigt. Doch leider ist dies auch noch bei der jüngeren Generation ein Thema. Es gibt zwar viele Studien, die zeigen, dass insbesondere ältere Generationen dazu tendieren, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen, aber auch bei jungen Menschen gibt es solche Tendenzen. Eine Studie der DAK Gesundheit aus dem Jahr 2024 zeigt, dass junge Beschäftigte unter 30 Jahren statistisch gesehen weniger und kürzere krankheitsbedingte Fehlzeiten haben als ihre älteren Kollegen. Das könnte an Präsentismus liegen.
Was sind die Folgen von Präsentismus?
Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Chemnitz, der Universität Groningen und der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: Wer sich trotz Beschwerden zur Arbeit schleppt, erlebt deutlich längere Erschöpfungsphasen. In dieser 16-Wochen-Tagebuchstudie mit 123 Berufstätigen wurde erfasst, wie oft sie krank arbeiteten und wie ausgelaugt sie sich fühlten. Ergebnis: In den Wochen, in denen gearbeitet wurde, obwohl man krank war, stieg das Müdigkeitslevel erheblich an. Und es blieb auch danach über Wochen hinweg erhöht. Wer häufig krank zur Arbeit geht, rutscht leichter in eine Spirale aus Überforderung und dauerhafter Erschöpfung. Im schlimmsten Fall kann sich eine Krankheitswelle durch das gesamte Team ziehen, was die Arbeitsabläufe erheblich stört. Für Unternehmen heißt das: Kurzfristig mag Präsenz pragmatisch erscheinen. Mittelfristig sinkt aber die Leistung und die Belastungskosten steigen.
Deine Rolle als JAV im Umgang mit Präsentismus
Gerade in einer Zeit, in der junge Menschen stärker für ihre psychische und körperliche Gesundheit sensibilisiert sind, kannst du gemeinsam mit dem Betriebsrat in eurem Betrieb versuchen, eine Kultur zu etablieren, die den Wert der Gesundheit respektiert.
- Aufklärung und Sensibilisierung:
Bring das Thema Präsentismus in die regelmäßige Kommunikation mit den Azubis und jungen Kollegen ein. Aufklärungsarbeit ist entscheidend, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass kranke Mitarbeitende nicht zur Arbeit gehen müssen, um als leistungsfähig wahrgenommen zu werden. Es gilt, eine Kultur zu fördern, in der Gesundheit und Wohlbefinden oberste Priorität haben. - Förderung einer klaren Unternehmenskultur:
Es ist wichtig, dass Unternehmen klare Richtlinien zur Krankmeldung und zum Umgang mit Krankheit entwickeln. Gemeinsam mit dem Betriebsrat kannst du als JAV hier eine beratende Rolle übernehmen und darauf drängen, dass Unternehmen transparente Regelungen schaffen, die es den jungen Mitarbeitenden ermöglichen, sich bei Krankheit ohne schlechtes Gewissen auszuruhen. - Verhinderung von Fehleinschätzungen:
Du als JAV kannst mit dem Betriebsrat versuchen, den Dialog zwischen den Mitarbeitenden und der Führungsebene zu fördern, um Missverständnisse zu vermeiden. Häufig resultiert Präsentismus aus dem Glauben, dass das Unternehmen oder die Kollegen von den Mitarbeitenden abhängig sind. Übernehmt in diesem Zusammenhang eine unterstützende Rolle und helft, ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen des Unternehmens und den Bedürfnissen der Azubis und jungen Mitarbeitenden zu finden. - Gesundheitsmanagement und Prävention:
Setzt euch zusammen dafür ein, dass Präventionsmaßnahmen und ein gutes Gesundheitsmanagement implementiert werden, um Präsentismus von vornherein zu verhindern. Das kann durch Gesundheitsförderungsprogramme, regelmäßige Schulungen und Unterstützung bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einer Krankheit geschehen.
Die Bedeutung eines gesunden Arbeitsumfelds
Es ist nicht nur eine Verantwortung des Unternehmens, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeitende bei Krankheit zu Hause bleiben können, sondern auch eine zentrale Aufgabe der Arbeitnehmervertreter, sich aktiv für das Wohl der Belegschaft einzusetzen. Besondere Tage wie beispielsweise der "Tag der internationalen Gesundheit am Arbeitsplatz" bieten die perfekte Gelegenheit für Workshops und Aufklärungsprojekte.
Fazit
Ja, auch bei jungen Menschen gibt es noch Präsentismus. Doch viel entscheidender ist die Frage, wie man diesem in einer modernen Arbeitswelt begegnen kann. Hier bist du als JAV gefragt: Setz dich für eine Kultur ein, in der Gesundheit und Erholung genauso wichtig sind wie Produktivität und Präsenz. Denn am Ende ist es nicht die bloße Anwesenheit, die zählt, sondern die nachhaltige Leistung, die nur bei bester Gesundheit erbracht werden kann.