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Jugend- und Auszubildendenvertretung

Ist die Generation Z faul?

8 Minuten Lesezeit
08.10.2025

Wenn junge Auszubildende auf langjährige Mitarbeiter im Betriebsrat treffen, prallen oft unterschiedliche Welten aufeinander. Digital Natives, die mit Smartphone und Social Media groß geworden sind und vor neuen Ideen nur so sprudeln, arbeiten mit Kollegen, die oft schon lange Berufserfahrung und gewachsene Routinen mitbringen. Während die Älteren manchmal das Gefühl haben, die Jugend will sich nicht mehr anstrengen, empfinden die Jüngeren traditionelle Strukturen als veraltet. Schnell ist von einem „Generationenkonflikt“ die Rede. Doch die Verbindung von Erfahrung und frischen Ideen kann gerade in der Zusammenarbeit von Betriebsrat und JAV zu innovativen Lösungen führen. Ob die neue Generation wirklich „arbeitsunfähig“ und „verzogen“ ist und wie ihr als Jugend- und Auszubildendenvertretung die Zusammenarbeit verbessern könnt, erfahrt ihr beim Weiterlesen.

Vorurteile im Betrieb: „Die Jugend von heute…“

Das Klischee vom faulen Azubi hält sich hartnäckig, obwohl aktuelle Studien und Berichte ein ganz anderes Bild zeichnen. Wir haben mit Lena gesprochen. Sie ist 19 Jahre alt, gehört zur Generation Z und kann sich mit keinem der gängigen Klischees identifizieren. Im zweiten Ausbildungsjahr zur Heilerziehungspflegerin beschreibt sie ihre Situation so:

Sie hat sich nun dazu entschlossen, in der Jugend- und Auszubildendenvertretung Azubis und junge Beschäftigte zu vertreten. Lena engagiert sich nicht nur für ihre Kollegen in der Einrichtung, sondern protestiert auch gegen schlechte Ausbildungsbedingungen.

Ihre Worte spiegeln wider, was auch der DGB-Ausbildungsreport 2025 festhält: Die Bewertungen zu der fachlichen Qualität der Ausbildung hängen stark von der Branche ab. Engagement und Arbeitsbereitschaft sind vorhanden, doch die Rahmenbedingungen müssen auch stimmen. Beispielsweise zeigt der Ausbildungsreport, dass sich die Ausbildungsqualität insgesamt positiv entwickelt hat. Weniger Überstunden, weniger ausbildungsfremde Aufgaben und sieben von zehn Azubis in Deutschland sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Wo ist der Haken?

Die Qualität hat sich zwar verbessert, doch sie ist noch ausbaufähig. Denn ca. ein Drittel der Auszubildenden arbeitet dennoch mehr als vertraglich vereinbart und 15 % erledigen Aufgaben wie Kaffeekochen oder Putzen. Dazu kommt, dass viele junge Menschen mit Unsicherheiten über ihre berufliche Zukunft kämpfen. Vier von zehn Befragten wissen im letzten Lehrjahr noch nicht, ob sie übernommen werden. Auch die problematische finanzielle Situation bereitet Sorgen. Laut der DGB-Auswertung können 62,8 % nicht eigenständig oder mit Unterstützung von ihrem „Azubigehalt“ leben. Diese Faktoren können die Ausbildung erschweren und bei vielen jungen Menschen zu Zweifeln und Demotivation führen. Solche Reaktionen befeuern das Klischee nur so.

Ein großer Unterschied zu den älteren Jahrgängen ist die Corona-Pandemie. Die Schulen waren monatelang geschlossen und das Homeschooling macht sich sowohl in sozialen Kompetenzen als auch in den Leistungen bemerkbar. Ergebnisse von Bildungsstudien zeigen, dass sich Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Arbeitgeber, die selbstständig arbeitende Beschäftigte mit fortgeschrittener Kompetenz erwarten, müssen Auszubildende auf dem Weg dorthin begleiten. Kleineren Unternehmen fehlen dafür oft die Ressourcen. Ihr als JAV könnt gemeinsam mit der Ausbildungsleitung versuchen, Wissenslücken bei Azubis zu schließen. Es gibt zum Beispiel Programme wie TiBB von der Hans-Böckler-Stiftung, die die Ausbildung aufwerten, oder Nachhilfeangebote der Agentur für Arbeit. Wenn das nicht reicht, könnt ihr den Arbeitgeber um Unterstützung für Nachhilfe bitten oder eine Art Erfahrungs- und Wissensaustausch mit erfahrenen Kollegen organisieren.

Auch wenn Schulen jungen Menschen eigentlich helfen sollten, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, wird gerade an Gymnasien die Berufsausbildung als zweitrangig betrachtet. Die Skills der Jugendlichen werden kaum gefördert und sie werden viel zu wenig auf das Arbeitsleben vorbereitet. Jonas, angehender Industriemechaniker:

Krisof Becker, der DGB-Bundesjugendsekretär, ist der Meinung, dass die Arbeitgeberseite in manchen Branchen mehr für gute Ausbildungsbedingungen tun muss. Dennoch sieht er die duale Berufsausbildung als Erfolgsmodell. Damit es besser läuft, müssen beide Seiten aufeinander zugehen. Man bekommt den Eindruck, dass Arbeitgeber hohe Erwartungen haben und beispielsweise Bewerbungen von Menschen mit Hauptschulabschluss oft direkt ignoriert werden. Zugleich beschweren sie sich aber über den Fachkräftemangel oder Ausbildungsplätze, die sie nicht besetzen können. Das Gesetz sieht keine Zugangsvoraussetzungen für eine duale Berufsausbildung vor. Die Arbeitgeber müssen mehr jungen Menschen eine Chance geben.

Was den DGB-Ausbildungsbericht und auch die Stimmen der Azubis widerspiegelt, zeigt eine gemeinsame Jugend- und Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und der Bertelsmann Stiftung: Junge Menschen wollen wissen, was sie in einem Bewerbungsgespräch und später in der Ausbildung erwartet.

Laut der Studie wollen 95 % der 14- bis 25-Jährigen schon vor dem Bewerbungsgespräch wissen, wie hoch die Ausbildungsvergütung ist – doch nur rund 60 % der Unternehmen geben diese Info auch an. Ebenso möchten 90 % der Jugendlichen frühzeitig erfahren, wie das Bewerbungsverfahren abläuft. Zwar bieten 91 % der Betriebe einfache Bewerbungsverfahren an, aber weniger als die Hälfte kommuniziert das auch offen und verschenkt damit Chancen bei potenziellen Azubis.

Bei dieser Befragung geben die Unternehmen jedoch an, zunehmend kompromissbereiter zu sein. Zwei Drittel stellen nach eigenen Angaben auch Leute ein, denen manche gewünschte Kompetenz fehlt. Das sind 5 Prozent mehr als im letzten Jahr. Bei jungen Bewerberinnen und Bewerbern mit besonderem Förderbedarf sind es sogar 10 Prozent mehr. Offenbar kommt diese Entwicklung bei der Zielgruppe aber noch nicht richtig an. Man merkt generell, dass beide Seiten eine ganz andere Wahrnehmung haben. 80 Prozent der befragten Betriebe geben an, mehr auf den persönlichen Eindruck zu achten als auf die Noten. Nur 57 % der jungen Erwachsenen haben auch diese Wahrnehmung.

Hier wird klar: Unternehmen und Auszubildende finden selten zusammen. Was wieder übereinstimmt, ist die Tatsache, dass die Informationslücken aus der Schule von den Unternehmen übernommen werden müssen, um das Interesse für eine duale Ausbildung zu wecken. Dies klappt laut der Befragung nur bei der Hälfte bedingt.

Ausbildungsmarketing wird daher immer wichtiger, um die Zielgruppe frühzeitig zu informieren. Sprich vorab wichtige Infos zu geben, die sich die potenziellen Azubis wünschen würden. Ihr als JAV könnt versuchen, transparenter zu machen, wie das Bewerbungsverfahren abläuft, was die Ausbildung bei euch attraktiv macht und wie der Arbeitsalltag aussieht. Sprecht auch über die Perspektiven nach der Ausbildung. Dies gibt Sicherheit, die sich viele in der heutigen Zeit wünschen.

Auch die Autoren der Studie betonen, dass es zahlreiche Unterstützungsangebote, vor allem für leistungsschwächere Jugendliche, gibt. Sie raten Unternehmen, sich stärker damit zu beschäftigen – ein Thema, das ihr als JAV anstoßen könnt. Betriebe, die solche Angebote nutzen, können junge Menschen mit besonderen Bedürfnissen besser in die Ausbildung integrieren und so mehr Chancen bieten.

Was ihr als JAV konkret tun könnt

Wie schon erwähnt, könnt ihr als Jugend- und Auszubildendenvertretung euren Betrieb perfekt optimieren:

  • Probleme sichtbar machen: Berichte und Studien analysieren und auf euer Unternehmen reflektieren
  • Transparenz einfordern: Arbeitgeber auf die Bedeutung von Ausbildungsmarketing hinweisen. Denn nur, wer klar kommuniziert, gewinnt motivierte Nachwuchskräfte.
  • Übernahme sichern: Sich gemeinsam mit dem Betriebsrat für klare Regelungen zur Übernahme nach Abschluss einsetzen.
  • Finanzielle Realität thematisieren: Die Forderung nach einer besseren Ausbildungsvergütung unterstützen und in Gesprächen mit der Arbeitgeberseite einbringen.

JAV und Betriebsrat

Hier kommt die Zusammenarbeit von Jugend- und Auszubildendenvertretung und Betriebsrat ins Spiel. Unterschiedliche Generationen bringen unterschiedliche Erfahrungen ein. Damit ihr eure Vorhaben perfekt umsetzen könnt, ohne den Generationenkonflikt bei euch greifend zu machen, ist eine gute Zusammenarbeit essenziell.

Die Älteren im Betriebsrat übernehmen dabei oft die Rolle von Mentoren und Unterstützern. Sie bringen nicht nur ihr Wissen über betriebliche Abläufe ein, sondern auch ihre Lebenserfahrung. Sie wissen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht, und können die JAV mit Tipps und Orientierung unterstützen.

Die Jüngeren in der JAV sind dagegen die Stimme der Azubis und jungen Beschäftigten. Ihr habt den direkten Draht zur jungen Generation, mit aktuellen Einblicken in Ausbildungsqualität, Wünschen nach Mitbestimmung und der Sicht auf neue Arbeitswelten. Sammelt die Anliegen der jungen Kollegen und gebt sie an den Betriebsrat weiter. Außerdem könnt ihr den Betriebsrat auf neue Entwicklungen hinweisen, Projekte oder moderne Arbeitsmethoden vorstellen und euer Wissen weitergeben.
Im besten Fall entsteht daraus eine klare Rollenverteilung mit gegenseitigem Nutzen:

  • Der Betriebsrat teilt Wissen und Erfahrung, um die JAV zu stärken.
  • Ihr als JAV bringt frische Perspektiven und aktuelle Themen ein.
  • Gemeinsam entwickelt ihr Lösungen, die Tradition und Fortschritt verbinden.

Damit das gelingt, braucht es gegenseitigen Respekt und regelmäßigen Austausch. Vereinbart feste Treffen und arbeitet an gemeinsamen Projekten. Auch wenn im Gesetz klar geregelt ist, dass die JAV dem Betriebsrat unterstellt ist, heißt das nicht, dass ihr „unten drunter“ steht. Im Gegenteil: Ohne euch kann der Betriebsrat kaum entscheiden, was für junge Beschäftigte wirklich wichtig ist. So entstehen neue Ideen, von denen der ganze Betrieb profitiert.

Fazit: Vorurteile abbauen, Chancen nutzen

Die Jugend von heute ist nicht grundsätzlich faul – die meisten sind motiviert, wissbegierig und bereit, Verantwortung zu übernehmen. Probleme entstehen nicht durch fehlende Arbeitsbereitschaft, sondern durch unzureichende Vorbereitung, Ausbildungsbedingungen und Unsicherheiten über die Zukunft.

Während ältere Generationen oft mit deutlich härteren Arbeitsbedingungen zu kämpfen hatten, stehen junge Menschen heute vor anderen Herausforderungen. Die Folgen der Corona-Pandemie, der Inflation und Zukunftsängste vor bspw. Altersarmut beschäftigen die neuen Generationen. Daher kann man die jetzigen Bedingungen nur schwer mit früheren vergleichen.

Diese Unterschiede machen es umso wichtiger, Verständnis füreinander aufzubringen. Wenn JAV und Betriebsrat ihre unterschiedlichen Perspektiven bündeln, entstehen Lösungen, die sowohl den jungen Auszubildenden als auch dem gesamten Betrieb zugutekommen. Denn die rasante Entwicklung durch Künstliche Intelligenz und Social Media betrifft jede Generation. Durch Zusammenarbeit sind Generationenunterschiede kein Hindernis mehr – sondern eine Stärke.

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