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Freie Fahrt oder Vollbremsung? Die Pläne der Ampelregierung

6 Minuten Lesezeit

In den letzten Monaten wurde oft von geplanten Gesetzesänderungen der Regierung berichtet. Doch was ist davon nach dem Ampel-Aus noch übrig? Was wird vor den Neuwahlen im Februar 2025 wahrscheinlich nichts mehr? Und was hat die Regierung in den letzten drei Jahren in arbeitsrechtlicher Hinsicht tatsächlich auf die Straße gebracht? In diesem Artikel geben wir Ihnen als Betriebsrat einen Überblick.

Ampel

Grünes Licht: Diese Pläne wurden umgesetzt

Seit dem Amtsantritt der Ampelregierung im November 2021 wurden mehrere arbeitsrechtliche Reformen umgesetzt, die insbesondere Betriebsräte und Arbeitnehmer betreffen. Nachfolgend geben wir Ihnen eine Übersicht der für Ihre BR-Arbeit relevanten Änderungen:

Brandaktuell: Erlass des Bundestariftreuegesetzes

Am 27. November 2024 hat das Bundeskabinett das Tariftreuegesetz beschlossen. Aufträge des Bundes sollen künftig nur noch an Unternehmen gehen, die ihren Beschäftigten tarifliche Arbeitsbedingungen gewähren. So sollen Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge des Bundes beseitigt werden. Die Tarifbindung wird zudem gestärkt und mehr Lohngerechtigkeit erreicht.

Das Gesetz zielt außerdem auf Online-Wahlen ab. Bei den regelmäßigen Betriebsratswahlen 2026 soll – zunächst im Rahmen einer Erprobung – eine elektronische Stimmabgabe möglich sein. Hiervon würden insbesondere Kollegen im Home-Office profitieren, da sie eine Chance auf Stimmabgabe erhalten.

Eine weitere im Tariftreuegesetz enthaltene Regelung soll sicherstellen, dass die Gründung von Betriebsräten künftig besser geschützt wird, indem die Strafverfolgung in solchen Fällen verschärft wird. Bisher wurden Behinderungen nur auf Antrag verfolgt.

Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Bundesrat muss dem Gesetz in der am 20.12.2024 geplanten Sitzung erst noch zustimmen, bevor es abschließend die letzte Hürde im Bundestag nehmen kann. Ob das Gesetz wirklich am 1. Juli 2025 in Kraft treten wird, bleibt spannend.

Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns

Im Oktober 2022 wurde der gesetzliche Mindestlohn auf 12 € pro Stunde erhöht. Dies war ein zentrales Wahlversprechen der SPD und soll die Einkommenssituation von Geringverdienern verbessern. Im Januar 2024 wurde er sogar nochmals auf 12,41 € angehoben. Infolgedessen gab es auch eine Anhebung der Obergrenze für Minijobber, welche seit diesem Jahr 538 € im Monat verdienen dürfen.

Betriebsratsvergütung

Eine Reform der Betriebsratsvergütung ist Ende Juli 2024 in Kraft getreten. Die Anpassungen in den §§ 37 Abs. 4 und 78 BetrVG sollen das Ehrenamtsprinzip sicherstellen. Außerdem lässt sich so auch die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern besser regeln.

Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Bisher waren nur große Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten und bestimmte Branchen verpflichtet, eine Meldestelle für Hinweise auf Rechtsverstöße einzurichten. Das gilt seit dem 17.12.2023 auch für Arbeitgeber mit 50 und mehr Beschäftigten.

Außerdem wurde der Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ausgeweitet: Seit dem 01.01.2024 gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten im Inland. Auch kleine und mittelständische Unternehmen sind hiervon mittelbar betroffen. Denn das Gesetz verlangt von großen Unternehmen, ihren unmittelbaren Zulieferern anzuweisen, dass auch diese die Vorgaben einhalten.

Änderungen im Nachweisgesetz

Im August 2022 trat eine Änderung des Nachweisgesetzes in Kraft. Sie verpflichtet Arbeitgeber, ihren Beschäftigten detaillierte Informationen über die Arbeitsbedingungen innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich mitzuteilen. Dabei geht es um die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Angaben zu Arbeitszeit oder Vergütung. Ziel ist die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Arbeitsbedingungen zu erhöhen. Diese Niederschrift muss vom Arbeitgeber unterzeichnet sein und ein Exemplar an den Arbeitnehmer ausgehändigt werden.

Bürokratieentlastungsgesetz IV

Am 26. September 2024 hat der Bundestag den Entwurf der Bundesregierung für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) angenommen. Das Gesetz beinhaltet Vorschläge zum Abbau bürokratischer Hürden und formale Erleichterungen im Arbeitsrecht.

Die elektronische Form des § 126a BGB soll die Regelform werden. So sollen zum Beispiel Arbeitszeugnisse in elektronischer Form ermöglicht werden. Auch das bisherige Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit beispielsweise, soll durch die Textform ersetzt werden (§ 126b BGB). Es tritt bereits am 01.01.2025 in Kraft und stellt das größte Bürokratieabbau-Programm in der Geschichte unseres Landes dar.

Telefonische Krankschreibung

Seit dem 7. Dezember 2023 ist die telefonische Krankschreibung wieder möglich. Bereits während der Corona-Pandemie konnten sich Patienten per Telefon krankschreiben lassen. Die Regelung galt zuletzt bis Ende März 2023 und wurde noch im selben Jahr für Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen erneut aktiviert. Das Ziel der Wiedereinführung ist es, die Arztpraxen zu entlasten und Patienten als auch Personal zu schützen.

Änderung der Gefahrstoffverordnung

Das Bundeskabinett hat am 13. November 2024 die Änderung der Gefahrstoffverordnung verabschiedet. Die Verordnung bringt eine Stärkung des Gesundheitsschutzes von Beschäftigten, insbesondere bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen. Die neuen Regelungen sollen noch dieses Jahr in Kraft treten.

Rote Ampel: Vollbremsung für neue Gesetze

Reform des Arbeitszeitgesetzes

Es war vorgesehen, das Arbeitszeitgesetz zu modernisieren, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung zu entsprechen. Bis auf einen Referentenentwurf wurde hier bisher jedoch nichts realisiert.

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Außerdem war vorgesehen, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Neben dem Acht-Stunden-Tag als Standard, sollten Tarifpartner die Möglichkeit erhalten, abweichende Regelungen zu vereinbaren und so den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besser gerecht zu werden.

Betriebsrentenstärkungsgesetz

Das Bundeskabinett hat im September 2024 den Entwurf für das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz auf den Weg gebracht. Ziel der Reform war es, die betriebliche Rente attraktiver und zugänglicher zu machen – insbesondere für Geringverdiener und Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass es mit dem Rentenpaket II weitergeht, da Uneinigkeit über die Finanzierung besteht.

Förderung von Home-Office und mobiler Arbeit

Im Koalitionsvertrag haben die Parteien vereinbart, dass Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch auf Home-Office und mobiles Arbeiten erhalten sollen. Arbeitgeber sollten dem Wunsch der Beschäftigten demnach nur widersprechen können, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Zudem soll mobiles Arbeiten EU-weit erleichtert werden. Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt.

Umsetzung eines Entgeltgleichheitsgesetzes

Nach Inkrafttreten der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie (EU/2023/970) im Juni 2023, ist ein Gesetz zur Förderung der Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen weiterhin in Planung. Aufgrund einer für alle EU-Staaten geltenden Umsetzungsfrist bis Juni 2026, ist allerdings keine Umsetzung vor der Neuwahl zu erwarten.

Einführung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes

Es war geplant, ein spezifisches Gesetz zum Schutz der Beschäftigtendaten zu erlassen, um den Datenschutz am Arbeitsplatz zu stärken. Trotz der Vorlage eines Referentenentwurfs für ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz im Oktober 2024 wurde dieses Vorhaben nicht weiter umgesetzt. Mit dem Ampel-Aus endet auch dieses Gesetzesvorhaben erstmal.

Anpassungen bei Befristungen

Auch hier gab es Pläne. Die nur im öffentlichen Dienst bestehende Möglichkeit der Befristung aus Haushaltsmitteln sollte abgeschafft werden. Zudem sollte beim Bund als Arbeitgeber die sachgrundlose Befristung beim selben Arbeitgeber schrittweise reduziert werden. Um Kettenbefristungen im öffentlichen Dienst zu vermeiden, sollte die maximale Dauer von Befristungen mit Sachgrund beim selben Arbeitgeber auf sechs Jahre begrenzt werden. Diese Anpassungen sind bis jetzt nicht umgesetzt worden.

Fazit

Trotz des vorzeitigen Endes der Ampelregierung wurden einige positive Neuerungen für Betriebsräte und Arbeitnehmer umgesetzt. Nun bleibt es spannend, wie es nach den Neuwahlen weitergeht. Das Ergebnis ist offen, doch vielleicht bringt die neue Regierung zeitgemäße Lösungen für die Herausforderungen von Arbeitnehmern – und natürlich insbesondere für Sie als Betriebsrat. Jetzt ist die Zeit, die Weichen für eine moderne Arbeitswelt zu stellen!

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